Wolfgang Vogelsang, LL.M (London)
wissenschaftlicher Assistent
Lehrstuhl Prof. Dr Stephan Lorenz


Arbeitsgemeinschaft Zivilrecht IV

ZPO-Erkenntnisverfahren

3. Arbeitsgemeinschaft

Zulässigkeit der Klage II
Partei-, Prozeß- und Postulationsfähigkeit
(Prozessualer) Anspruch und Streitgegenstand
Rechtshängigkeit und Rechtskraft


Fall 6:          "... wir kümmern uns um den Rest!"

(Vgl. BGH NJW-RR 1988, 126)

Kaufmann K hat den selbständigen Vermögensverwalter V beauftragt, gegen Provision seine Außenstände einzutreiben. V erhebt in eigenem Namen Klage gegen den Schuldner S auf Zahlung von DM 20.000.

Ist die Klage zulässig?


Lösung:

  1. Die Klage könnte unzulässig sein, falls V nicht Partei des Rechtsstreits sein könnte, weil er keine eigene materielle Berechtigung behauptet.
    In der ZPO gilt jedoch der formelle Parteibegriff. Partei ist, wer selbst Rechtsschutz begehrt oder gegen den Rechtsschutz begehrt wird. Der Parteibegriff ist von der materiellen Berechtigung der Beteiligten also unabhängig: es ist für die prozessuale Parteistellung der Beteiligten ohne Bedeutung, ob der Kläger Inhaber des Rechts oder ob der Beklagte der wahre Verpflichtete oder Betroffene ist (1).
  2. Gegen die Zulässigkeit der Klage könnte aber sprechen, daß V die Prozeßführungsbefugnis fehlt. Nach wohl ganz h.M. (2) ist die Geltendmachung fremder Rechte im eigenen Namen aufgrund rechtsgeschäftlicher Ermächtigung durch den Rechtsinhaber (sog. gewillkürte Prozeßstandschaft) nur dann zulässig, wenn der Prozeßstandschafter (i.e der Kl.) ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung des eingeklagten prozessualen Anspruchs hat und der Prozeßstandschaft keine schutzwürdigen Belange des Beklagten entgegenstehen. Das ist sachgerecht, da im Hinblick auf die weittragenden prozessualen Folgen (die gewillkürte Prozeßstandschaft führt zu einer Verschiebung der Prozeßrechtsverhältnisse und damit der Parteirollen mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für Zeugenstellung, Prozeßkostentragungspflicht, Prozeßkostenhilfe, Rechtshängigkeit, Rechtskraft und Vollstreckbarkeit) die Bestimmung der Parteirollen nicht der unkontrollierten Parteidisposition überlassen werden kann.
    Ein rechtsschutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozeßführung ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluß auf die eigene Rechtslage des Prozeßstandschafters hat.
    Unter Umständen läßt die Rspr. neuerdings auch ein wirtschaftliches Interesse des Standschafters genügen (3). Ob das bloße Provisionsinteresse des V hierfür ausreicht, ist strittig. Die wohl h.M. scheint dies zu bejahen, da die Nutzbarmachung der Vorteile wirtschaftlicher Arbeitsteilung ein legitimes Anliegen sei (4). Soll jedoch das Kriterium des Eigeninteresse nicht zur bloßen Leerformel werden, ist dem ist nicht zu folgen. Diese Voraussetzung der Prozeßstandschaft soll gerade verhindern, daß dieses Institut kommerzialisiert wird. Es ist daher an dem Erfordernis einer über ein Auftragsverhältnis zwischen Prozeßstandschafter und Rechtsinhaber hinausgehenden Beziehung des Prozeßstandschafters zum eingeklagten Recht festzuhalten.
  3. Die Klage ist daher mangels Prozeßführungsbefugnis des V unzulässig.


FN 1: Vgl statt aller Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 40 I 1 (zurück).

FN 2: Vgl statt aller Zöller/Vollkommer, vor § 50 Rdnr. 42 ff (zurück).

FN 3: Vgl. BGH NJW 1995, 3186 (zurück).

FN 4: Vgl. Zöller/Vollkommer, vor § 50 Rdnr. 52 m.w.N.; aA. MünchKomm/Lindacher, vor § 50 Rdnr. 62 (zurück).