Zu Nummer 6 (Änderung von § 355 Abs. 3)
Vorbemerkung

Wie oben ausgeführt, kann § 355 Abs. 3 in der geltenden Form nicht weiter bestehen. Um diese Vorschrift den sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Dezember 2001 (Rechtssache C-481/99) ergebenden Vorgaben anzupassen, sind zwei unterschiedliche Wege erwogen worden:

-- Zunächst wäre es möglich, den Rechtszustand vor dem 1. Januar 2002 wieder herzustellen und die Rechtslage bei unterlassener oder unvollständiger Widerrufsbelehrung unterschiedlich zu gestalten: Bei Haustürgeschäften müsste das Widerrufsrecht entsprechend dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Dezember 2001 unbefristet bestehen. Bei den verwandten Fernabsatzgeschäften würde es demgegenüber nach Ablauf von vier Monaten nach Abschluss des Vertrags über eine Dienstleistung bzw. der Lieferung der vereinbarten Ware erlöschen. Bei Verbraucherdarlehensverträgen würde das Widerrufsrecht ein Jahr nach Abschluss des Vertrages erlöschen, jedoch nur dann, wenn der Verbraucherdarlehensvertrag nicht gleichzeitig auch ein Haustürgeschäft ist. Bei Verbraucherdarlehen, die im Fernabsatz abgeschlossen werden, würde demnächst zusätzlich bestimmt werden müssen, dass das Widerrufsrecht nicht mehr besteht, wenn der Vertrag vollständig abgewickelt worden ist. Dies sieht der sich in der Schlussphase der Beratungen befindliche Vorschlag für eine Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen vor. Bei Teilzeit-Wohnrechteverträgen schließlich würde das Widerrufsrecht einen Monat nach beiderseits vollständiger Leistung erlöschen.

-- Als Alternative bietet sich eine einheitliche Lösung auf dem Niveau der Haustürwiderrufsrichtlinie an. Das würde bedeuten, dass bei einer unvollständigen oder ausgebliebenen Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt.

Der zweite Lösungsansatz ist vorzuziehen und wird mit den vorgeschlagenen Änderungen verfolgt. Die Unübersichtlichkeit des bisherigen Rechts und die fehlende innere Rechtfertigung für die unterschiedlichen Regelungen hatten den Gesetzgeber bewogen, mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) die unterschiedlichen Lösungsansätze zu vereinheitlichen und eine für alle Fälle gerechte Lösung zu finden. Wollte man diese Lösung jetzt wieder herstellen, müssten die Regelungen noch viel differenzierter ausfallen, weil der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 13. Dezember 2001 eine sehr strenge Auslegung der Haustürwiderrufsrichtlinie vorgegeben hat, die zu zusätzlichen Differenzierungen zwingt. Das Recht würde noch unübersichtlicher, als es bisher schon war. Die Unterschiedlichkeit der Regelungen wäre für den Bürger noch viel weniger nachvollziehbar, als sie es bisher schon war.

Eine einheitliche Lösung ist aber nur möglich, wenn das Ausbleiben oder die Unvollständigkeit der Widerrufsbelehrung dazu führt, dass die Widerrufsfrist nicht läuft. Ein solches Modell ist dem Unternehmer zuzumuten, wenn die Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht leicht und sicher möglich ist. Das ist gegenwärtig indessen nicht immer sichergestellt. Denn der Unternehmer muss den Verbraucher über die Einzelheiten des Widerrufsrechts belehren und ihm seine Rechte im Einzelnen deutlich machen, ohne dass er dabei auf ein Muster zurückgreifen kann. Dabei können auch dem - in jeder Hinsicht rechtstreuen - Unternehmer Fehler unterlaufen. Er hat auch keine Rechtssicherheit über die Frage, wie er die Belehrung vollständig und richtig erteilen kann. Um dieser Unsicherheit zu begegnen, hat indessen der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche den Artikel 245 eingestellt. Diese Vorschrift ermächtigt das Bundesministerium der Justiz, Inhalt und Gestaltung der Widerrufsbelehrung in einem Muster vorzugeben. Diese Ermächtigung soll jetzt genutzt werden. Es ist vorgesehen, ein Muster für eine ordnungsgemäße Widerrufs- bzw. Rückgabebelehrung festzulegen, welches die Unternehmer verwenden können, wenn sie sicher gehen wollen. Dann ist es aber auch gerechtfertigt und zumutbar, dass die Frist nicht läuft, wenn der Unternehmer das vorgegebene Muster für die Widerrufs- bzw. Rückgabebelehrung nicht verwendet und auch sonst nicht ordnungsgemäß belehrt.

Die Vorgaben des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Dezember 2001 beziehen sich dagegen nicht auf unvollständig erteilte Informationen im Rahmen von Fernabsatz- oder Teilzeit-Wohnrechteverträgen und die auch insoweit geltende Erlöschensfrist des § 355 Abs. 3. Bei Fernabsatzverträgen beginnt die zweiwöchige Widerrufsfrist des § 355 nach § 312d Abs. 2 nämlich auch nicht zu laufen, wenn dem Verbraucher nicht sämtliche Informationen übermittelt worden sind. Gemäß § 355 Abs. 3 erlischt freilich das Widerrufsrecht in jedem Fall, also unabhängig davon, ob der Verbraucher alle gesetzlich vorgeschriebenen Informationen erhalten hat oder nicht, sechs Monate nach Vertragsschluss oder, wenn der Vertrag die Lieferung einer Ware zum Gegenstand, sechs Monate nach Eingang der Ware beim Empfänger. Mit dieser Regelung trägt der Gesetzgeber - wie in der Fernabsatzrichtlinie ausdrücklich vorgesehen - dem Interesse des Unternehmers Rechnung, auch bei Fehlern in der Unterrichtung des Verbrauchers zu einem gewissen Zeitpunkt Sicherheit über den Bestand oder Nichtbestand des Vertrags erlangen zu können. Diesem Interesse des Unternehmers darf der Gesetzgeber bei den Informationspflichten auch weiterhin Rechnung tragen. Eine Änderung des § 355 Abs. 3 ist daher nur im Hinblick auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung geboten.

Zum neuen Satz 3
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Dezember 2001 darf der Gesetzgeber das Erlöschen des Widerrufsrechts nicht vorsehen, wenn der Verbraucher nicht oder nicht vollständig über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Diesen Vorgaben trägt der neue Satz 3 Rechnung. Er bestimmt, dass ein Erlöschen des Widerrufsrechts nicht eintritt, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Dies ist zum einen der Fall, wenn eine Belehrung gänzlich ausgeblieben ist. Hierunter fällt aber zum anderen auch der Unternehmer, der den Verbraucher zwar belehrt, diese Belehrung aber unvollständig, fehlerhaft oder undeutlich gestaltet. Ordnungsgemäß ist eine Belehrung dann, wenn sie dem in der Verordnung nach Artikel 245 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche festgelegten Muster oder auch ohne Verwendung dieses Musters den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Der Anwendungsbereich der Vorschrift reduziert sich damit auf Fehler bei der Unterrichtung des Verbrauchers etwa nach § 312d Abs. 2 oder § 485 Abs. 2.