"Differenztheorie/Surrogationstheorie"
beim "Schadensersatz statt der Leistung" 
nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz
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Zu unterscheiden sind der Fall der zu vertretenden Unmöglichkeit (§ 325 BGB bzw. §§ 275, 280, 283 BGB) und derjenige des Verzugs bzw. Verspätung der Leistung (§ 326 BGB bzw. 280, 281 BGB)

I. Unmöglichkeit

Bei der Unmöglichkeit ist das Problem weiterhin nur in den praktisch wohl wenig relevanten "Tauschfällen" von Belang, d.h. wenn die noch mögliche Gegenleistung keine Sachleistung war.

Beispiel: A tauscht seine Vase (Wert: 8000.-) gegen das Gemälde des B (Wert: 10000.-), das Gemälde wird vor Gefahrenübergang durch einen von B zu vertretenden Umstand zerstört.

1. Gläubiger (A) hat noch nicht geleistet

a) Bisheriges Recht

Im noch geltenden Recht erlaubt die h.M. dem Gl. (A), der noch nicht geleistet hat, entweder die Leistung zu erbringen und SE in Höhe des vollen Werts der unmöglich gewordenen Gegenleistung zu verlangen (Surrogationstheorie) oder aber die eigene Leistung zu behalten und SE in Höhe der Wertdifferenz zu verlangen (Differenztheorie).

b) Neuregelung

Nach dem BGB entfällt mit der Unmöglichkeit der Leistung auch im Falle des Vertretenmüssens ipso iure der Anspruch des Schuldners (B) auf die Gegenleistung (§ 326 I BGB). Damit schuldet der Gl. (A) die Leistung nicht mehr. Er kann also jedenfalls Schadensersatz nach der Differenztheorieverlangen. Fraglich ist, ob er deshalb die Leistung nicht mehr erbringen kannund ihm deshalb Schadensersatz nach der Surrogationstheorie versagt ist: § 326 I BGB läßt zwar den Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung entfallen, sagt aber noch nichts aus über das Recht des Gl. (B), im Wege des Schadensersatzes (Naturalrestitution) die Leistung erbringen zu dürfen. Im Wege des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung ist er - soweit möglich - so zu stellen, wie er bei gehöriger Erfüllung stehen würde. Bei gehöriger Erfüllung hätte er den geschuldeten Gegenstand (Vase) nicht mehr, aber er wäre Eigentümer des Gemäldes. Da insoweit wegen dessen Zerstörung die Naturalrestitution unmöglich ist, ist nach § 251 I BGB Geldersatz (in voller Höhe) zu leisten. Der Gl. kann also Schadensersatz auch nach der Surrogationstheorie verlangen.

c) Vergleich

Damit insoweit kein Unterschied zum bisherigen Recht: Freie Wahl des Gl. zwischen Schadensersatz nach der Surrogations- und der Differenztheorie.

2. Gläubiger (A) hat bereits geleistet

a) Bisheriges Recht

Nach § 325 BGB kann Schadensersatz nur in Form der Surrogationstheorieverlangt werden, weil die Vorschrift eine Kombination von Rücktritt und Schadensersatz nicht zuläßt. Der Gl. (A) muß dem Schuldner (B) das seinerseits Geleistete (Vase) belassen. Will er es zurückfordern, muß er unter Verzicht auf Schadensersatz Rücktritt wählen.

b) Neuregelung

Nach dem BGB hat der Gl. (A) ipso iure einen Anspruch auf Rückerstattung des Geleisteten (§ 326 IV BGB). Daneben hat er jedenfalls den Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 283 bzw. § 311a II nach der Differenztheorie(i.H.v. 2000.-) (1). Fraglich ist, ob er dem Schu. (B) die Leistung belassen kann und Schadensersatz nach der Surrogationstheorie in voller Höhe des Wertes der Gegenleistung (i.H.v. 10000.- ) verlangen kann. Hier muß wie entsprechend zu 1.) argumentiert werden: § 326 IV BGB gibt dem Schu. zwar einen Rückerstattungsanspruch, sagt aber noch nichts aus über das Recht des Gl. (A), dem Schu. (B) im Wege des Schadensersatzes (Naturalrestitution) die Leistung belassen zu dürfen. Im Wege des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung ist er - soweit möglich - so zu stellen, wie er bei gehöriger Erfüllung stehen würde. Bei gehöriger Erfüllung hätte er den geschuldeten Gegenstand (Vase) nicht mehr, aber er wäre Eigentümer des Gemäldes. Da insoweit wegen dessen Zerstörung die Naturalrestitution unmöglich ist, ist nach § 251 I BGB Geldersatz (in voller Höhe) zu leisten. Der Gl. kann also Schadensersatz auch nach der Surrogationstheorie verlangen. Der Anspruch aus § 326 IV BGB entfällt dann freilich unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung.

c) Vergleich

Im Gegensatz zum bisherigen Recht kann der Gl. nunmehr auch, wenn er bereits geleistet hat, wahlweise nach der Surrogations- oder Differenztheorie vorgehen.


II. Verspätung der Leistung

Bei der Verspätung der Leistung ist das Problem ebenfalls nach wie vor nur dann von Interesse, wenn die Leistung des Gläubigers keine Geldleistung ist.

Beispiel: A verkauft dem B eine Vase (Wert 8000.-) zum Preis von 10000.-. B verweigert die  Zahlung des Kaufpreises, A setzt ihm eine Nachfrist, die erfolglos abläuft.

1. Der Gl. (A) hat noch nicht geleistet

a) Bisheriges Recht

§ 326 I 2 BGB a.F. schließt mit Ablauf der Nachfrist den Erfüllungsanspruch aus. Nach der Rspr. ist § 249 S. 1 BGB deshalb modifiziert anzuwenden: Es darf jetzt nicht zu einem Erfüllungsanspruch "im Gewande" eines Schadensersatzanspruchs kommen. Daher kann der Gl. (A) nicht weiterhin die Leistung (Übereignung der Vase) anbieten und SE in Höhe von 10000.- verlangen. Er kann nach h.M. nur nach der Differenztheorie vorgehen, d.h. Schadensersatz in Höhe des Wertes der Differenz von Leistung und Gegenleistung (2000.-) verlangen, vgl. BGH NJW 1994, 3351; 1999, 3115; Köhler PdW SchuldR I Fall 39; zur Gegenansicht vgl. zuletzt Kaiser NJW 2001, 2425 ff.

b) Neuregelung

Nach dem BGB entfällt der Erfüllungsanspruch des Gl. zwar noch nicht mit Ablauf der Nachfrist, wohl aber mit der Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280, 281 IV BGB). Damit gilt im Ergebnis dasselbe, wie nach bisherigem Recht. Der Gl. (A) kann nur nach der Differenztheorievorgehen. Will er weiterhin den Austausch von Sache gegen Geld, kann er aber - anders als bisher - weiter auf Erfüllung klagen, weil der Erfüllungsanspruch mit Ablauf der Nachfrist nicht ipso iure erlischt. Daneben kann er den Verspätungsschaden (§§ 280I, II, 286 BGB) ersetzt verlangen. De facto dürfte dies dem Ergebnis der Surrogationstheorie zumindest i.d.R. gleichkommen, so daß es sich insoweit wohl um ein Scheinproblem handeln dürfte.

c) Vergleich

Sowohl nach der h.M. zu bisherigen Recht als auch nach der Neuregelung ist die Rechtslage in Bezug auf den Schadensersatz identisch, d.h. der Gl. kann Schadensersatz ausschließlich in Gestalt der Differenztheorie verlangen. Der Gl. kann aber nach der Neuregelung auch nach Ablauf der Nachfrist anstelledes Schadensersatzes weiterhin Leistungsaustausch verlangen, was wirtschaftlich einem Schadensersatz nach der Surrogationstheorie gleichkommt.

2. Der Gl. (A) hat bereits geleistet

a) Bisheriges Recht

Nach § 326 BGB a.F. kann der Gl. (A) grundsätzlich nicht die eigene Leistung zurückverlangen und Schadensersatz nach der Differenztheorie fordern, weil dies eine Kombination von Rücktritt und Schadensersatz darstellen würde, die § 326 BGB a.F. ausschließt. Er kann damit Schadensersatz nur nach der Surrogationstheorie verlangen, d.h. SE i.H.v. 10000.- verlangen. Will er die eigene Leistung zurückfordern, so muß er - unter Verzicht auf Schadensersatz - Rücktritt wählen. Als Ausnahme hiervon gewährt die h.M. dem Gl. die Möglichkeit, nach der Differenztheorie vorzugehen, wenn er das Geleistete zunächst aus einem anderen Rechtsgrund zurückfordern kann (z.B. aus § 985 BGB bei Leistung unter Eigentumsvorbehalt). Die Rspr. gestattet ihm, über diesen Herausgabeanspruch zunächst den "Zustand vor Leistung" herzustellen, um dann nach der Differenztheorie vorzugehen (vgl. BGHZ 126, 131 = BGH NJW 1994, 2480). Dies geht allerdings nicht, wenn das Geschäft in den sachl. Anwendungsbereich des VerbrKrG fällt (z.B. Ratenkauf), weil dann die Rücktrittsfiktion des § 13 III VerbrKrG eingreift.

b) Neuregelung

Nach dem BGB hat der Gl. (A) die Möglichkeit, nach Ablauf der zu setzenden angemessenen Nachfrist zurückzutreten (§ 323 BGB) sowie Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen (§§ 280, 281 BGB). § 325 BGB erlaubt im Gegensatz zum bisherigen Recht die Kumulation, so daß A jedenfallsimmer nach der Differenztheorie vorgehen kann.

Fraglich ist, ob SE nach der Surrogationstheorie, d.h. in voller Höhe unter Belassung der eigenen Leistung beim Schuldner (B) in Betracht kommt. Dagegen spricht, wie unter 1.) dargelegt, daß auch in diesem Fall mit der Geltendmachung des SE-Anspruchs nach § 281 IV BGB der Anspruch auf die Primärleistung (Kaufpreis) wegfällt und dieser jetzt nicht im Gewande eines Schadensersatzanspruchs verlangt werden darf (2). Auch hier handelt es sich freilich um ein Scheinproblem, weil der Gl. (A) weiterhin Erfüllung, d.h. Zahlung des Kaufpreises und daneben Ersatz des Verspätungsschadens (§§ 280I, II, 286 BGB) verlangen kann, was de facto dem Schadensersatz nach der Surrogationsmethode entspricht.

c) Vergleich

Die Neuregelung gestattet es dem Gl. im Gegensatz zum bisherigen Recht, Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung zu kombinieren. Er kann daher nunmehr nach der Differenztheorie vorgehen. Der Gl. kann aber nach der Neuregelung auch nach Ablauf der Nachfrist anstelle des Schadensersatzes weiterhin Leistungsaustausch verlangen, was wirtschaftlich einem Schadensersatz nach der Surrogationstheorie gleichkommt.

III. "Großer" und "kleiner" Schadensersatz im Recht der Mängelgewährleistung

Der ganze Problemkreis ist nicht zu verwechseln mit der Frage des "großen" oder "kleinen" Schadensersatzes bei mangelhafter Leistung. In diesem Fall besteht eine gesetzliche Sonderregelung in Form von § 281 I 3 BGB. Im übrigen findet hier auch kein ipso iure Wegfall der Gegenleistungspflicht statt, weil nicht nur der Rücktritt, sondern auch die Minderung Gestaltungsrechte sind.


1. Die Frage der Alternativität von Schadensersatz und Rücktritt, die nach dem BGB ohnehin abgeschafft ist (§ 325 BGB) spielt hier gar keine Rolle, weil § 326 IV BGB das Rückgewährschuldverhältnis ipso iure eintreten läßt.

2. Zwar konnte (und mußte) der Gl. auch nach altem Recht trotz des weggefallenen Erfüllungsanspruchs nach der Surrogationstheorie vorgehen, jedoch hatte dies seinen Grund allerdings in der nun nicht mehr verbotenen Kombination von Rücktritt und Schadensersatz.