Nichtige
Verträge und Geschäftsführung ohne Auftrag ("Auch fremdes
Geschäft") BGH, Urteil v. 30.9.1993 - VII ZR 178/91
Amtl. Leitsatz:
Im Falle der Nichtigkeit eines Bauvertrages
kann dem Unternehmer ein Vergütungsanspruch nach den §§
683, 670 BGB zustehen. Für eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung
ist dann kein Raum.
Fundstellen:
NJW 1993, 3196
BB 1993, 2182
DB 1994, 777
MDR 1993, 1206
WM 1994, 74
LM H. 2/1994 § 677 BGB Nr. 32
Die Kl. verlangt aus abgetretenem Recht von den
Bekl. Vergütung für Bauleistungen, die der Bauunternehmer G erbracht
hat. Mit privatschriftlichem Vertrag vom 13. 9. 1985 erteilten die Bekl.,
die in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammenarbeiteten,
dem Bauunternehmer G den Auftrag zur Errichtung zweier Geschäfts-
und Wohnhäuser auf einem ihnen gehörenden Grundstück in
G. zum Pauschalfestpreis von insgesamt 921400 DM. In dem Vertrag ist u.
a. bestimmt:
6. Herr G erwirbt die Gaststätte incl. dem
Platzanteil für die Kegelbahnanlage zum Festpreis von 300000 DM zuzüglich
der gesetzlichen Mwst. im Augenblick 14 % ...
9. Der Kaufpreis für die Gaststätte
wird mit der Bausumme verrechnet. ...
16. Grundlage dieses Auftrags sind die 50er Pläne,
die bereits ausgehändigt wurden, die Baugenehmigung und der Kaufvertrag
zwischen der HHG und Herrn G über die Gaststätte.
Nach Vertragsschluß erteilten die Bekl.
dem Bauunternehmer G verschiedene Zusatzaufträge; andererseits einigten
sich die Vertragsparteien, einige Gewerke auszunehmen. Vor Fertigstellung
des Bauvorhabens kündigten die Bekl. den Vertrag mit dem Bauunternehmer
G, nachdem sie mindestens in Höhe von 262650 DM Abschlagszahlungen
geleistet hatten. Die Kl. verlangt von den Bekl. als Gesamtschuldnern Zahlung
von 140000 DM und Zinsen.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung
der Bekl. ist ohne Erfolg geblieben. Die Revision der Bekl. führte
zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Die Bekl. schuldeten dem Bauunternehmer G gem.
den §§ 812, 818 II BGB Wertersatz für die ohne Rechtsgrund
erbrachten Bauleistungen in Höhe von mindestens 140000 DM. Diesen
Anspruch habe die Kl. durch Abtretungsvertrag mit dem Bauunternehmer G
erworben. Der Vertrag vom 13. 9. 1985 und die Zusatzvereinbarungen seien
gem. den §§ 313, 125 BGB nichtig. Nach § 818 II BGB hätten
die Bekl. den Wert der Bauleistungen herauszugeben, der sich nach dem Entgelt
richte, das seinerzeit üblicherweise für die ausgeführten
Bauleistungen gezahlt worden sei. Diesen Wert habe das BerGer. unter Berücksichtigung
der vom Sachverständigen Dipl.-Ing. W ermittelten angemessenen Einheitspreise
berechnet. Für beide Häuser ergebe sich ein Wert von insgesamt
450712,24 DM. Nach Abzug der unstreitig geleisteten Zahlungen von 262650
DM verbleibe ein Bereicherungsanspruch, der den mit der Klage geltend gemachten
Betrag von 140000 DM sogar übersteige.
II. Die Ausführungen des BerGer. halten der
rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Zutreffend ist das BerGer. davon ausgegangen,
daß der Bauvertrag vom 13. 9. 1985 und die Zusatzvereinbarungen gem.
den §§ 313 S. 1, 125 S. 1 BGB nichtig sind. Vereinbarungen, die
für sich allein nicht gem. § 313 S. 1 BGB formbedürftig
sind, müssen dann notariell beurkundet werden, wenn sie mit einem
Grundstücksvertrag eine rechtliche Einheit bilden (vgl. Senatsurt.
BGHZ 101, 393 (396) = NJW 1988, 132 = LM § 313 BGB Nr. 117; Senat,
NJW-RR 1990, 340 = LM § 313 BGB Nr. 128 = BauR 1990, 228 (229) = ZfBR
1990, 76 (81) = WM 1990, 764 (765)). Eine solche Einheit ist dann anzunehmen,
wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien derart voneinander
abhängig sind, daß sie miteinander stehen und fallen sollen
(Senat, NJW-RR 1990, 340 = LM § 313 BGB Nr. 128). Der Tatrichter hat
das hier rechtsfehlerfrei bejaht. Davon geht auch die Revision aus. Eine
Heilung nach § 313 S. 2 BGB ist nicht erfolgt.
2. Das BerGer. hat jedoch rechtsfehlerhaft nicht
geprüft, ob dem Bauunternehmer G gegen die Bekl. ein Vergütungsanspruch
nach den §§ 683 S. 1, 670 BGB mit der Folge zustand, daß
für eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung kein Raum ist.
a) Nach der Rechtsprechung des BGH kann bei Nichtigkeit
eines Vertrages unbeschränkt auf die Grundsätze der §§
677 ff. BGB zurückgegriffen werden, wenn ihre sonstigen Voraussetzungen
gegeben sind (vgl. Senat, LM § 242 (Cd) BGB Nr. 151 = WM 1972, 616
(618), insoweit in NJW 1972, 940 nicht abgedr.; Senatsurteil BGHZ 101,
393 (399 f.) = NJW 1988, 132 = LM § 313 BGB Nr. 117; Senatsurteil
BGHZ 111, 308 (311) = NJW 1990, 2542 = LM § 134 BGB Nr. 130; BGH,
NJW-RR 1993, 200 = LM H. 5/1993 § 677 BGB Nr. 31 = WM 1993, 217 (218)).
Hält sich der Geschäftsführer zur Geschäftsführung
für verpflichtet, so schließt dies allein die Anwendbarkeit
der §§ 677 ff. BGB nicht aus (Senat, WM 1972, 616 (618) = LM
§ 242 (Cd) BGB Nr. 151 m. Nachw.). Liegt berechtigte Geschäftsführung
ohne Auftrag vor, so besteht für das Tätigwerden des Geschäftsführers
im fremden Rechtskreis ein Rechtsgrund mit der Folge, daß für
Bereicherungsansprüche des Geschäftsführers kein Raum ist
(vgl. BGH, NJW 1969, 1205 (1207) = LM § 683 BGB Nr. 24; Staudinger-Lorenz,
BGB, 12. Aufl. Vorb. §§ 812-822 Rdnr. 25; Koppensteiner-Kramer,
Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Aufl., S. 210). Ein Bauunternehmer kann
nach den §§ 683 S. 1, 670 BGB die übliche Vergütung
verlangen, wenn der Vertragspreis nicht niedriger ist (vgl. Senat, NJW-RR
1992, 1435 = BauR 1992, 761 (762) = ZfBR 1992, 269 (270) = WM 1992, 1993
(1995) m. w. Nachw.).
b) Das BerGer. hat zu den Voraussetzungen einer
hier an sich sehr naheliegenden berechtigten Geschäftsführung
ohne Auftrag seitens des Bauunternehmers G und zu einem etwaigen Vergütungsanspruch
nach den §§ 683 S. 1, 670 BGB keine Feststellungen getroffen.
Es hat sich insbesondere nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die
Übernahme der Geschäftsführung durch den Bauunternehmer
dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Bekl.
entsprach. Der Senat ist zu einer abschließenden Entscheidung schon
deshalb nicht in der Lage, weil auch von den Bekl. erhobene Verfahrensrügen
durchgreifen.
III. 1. Die Revision beanstandet zu Recht, daß
das BerGer. die Bekl. gem. § 528 III ZPO mit dem Vortrag ausgeschlossen
hat, verschiedene in den Kostenzusammenstellungen des Bauunternehmers G
enthaltene Arbeiten seien gar nicht von diesem, sondern von Dritten ausgeführt
worden. Dieses Bestreiten des Umfanges der Unternehmerleistungen seitens
der Bekl. in dem im ersten Rechtszug eingereichten Schriftsatz vom 29.
6. 1989 kann nicht als unsubstantiiert angesehen werden. Aus dem Zusammenhang
des Vorbringens der Bekl. ergibt sich ohne weiteres, daß diese auch
einwenden wollten, die betreffenden Gewerke seien jedenfalls nicht von
dem Unternehmer G ausgeführt worden. Die Kl. hatte die Aufwendungen
ihres Zedenten G bis dahin lediglich durch eine überschlägige
tabellarische Darstellung aufgeschlüsselt. Der Umfang der jeweils
erforderlichen Substantiierung des Sachvortrages läßt sich nur
aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die
Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrages bei hinreichendem Gegenvortrag
immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei
ist (vgl. Senat, NJW-RR 1992, 278 = BauR 1992, 265 (266) = ZfBR 1992, 66;
Senat, DTZ 1993, 278 = LM H. 9/1993 § 79 DDR-VertragsG Nr. 4 = BauR
1993, 465 (469) = WM 1993, 1380 (1383)). Nach diesen Grundsätzen konnten
sich die Bekl. hier mit einem pauschalen Bestreiten begnügen.
Sie haben ihren Vortrag daher nicht verspätet substantiiert.
2. a) Die Bekl. haben mit einem im landgerichtlichen
Verfahren vorgelegten Schriftsatz vom 5. 4. 1990 die Aufwendungen des Bauunternehmers
in weiteren Punkten bestritten. Das BerGer. hat eine Beweisaufnahme hierüber
nach § 528 III ZPO nicht zugelassen.
b) Auch hiergegen wendet die Revision sich mit
Erfolg. Die Zurückweisung setzte voraus, daß der Rechtsstreit
gerade durch die insoweit erforderliche Beweisaufnahme verzögert wurde.
Da nach den Ausführungen zu 1 ohnehin eine Beweisaufnahme hätte
stattfinden müssen, wäre durch die hier erforderliche Zeugenvernehmung
der Rechtsstreit nicht verzögert worden.
3. Die Revision weist ferner zutreffend darauf
hin, daß sich das BerGer. bisher nicht erkennbar mit dem Vortrag
der Bekl. befaßt hat, der Bauunternehmer G habe die Fundamente mangelhaft
errichtet, was zu Aufwendungen der Bekl. in Höhe von mindestens 70000
DM geführt habe. Trifft das zu, kommt eine Haftung des Geschäftsführers
wegen fehlerhafter Ausführung gem. § 677 BGB in Betracht. Der
Vortrag der Bekl. durfte daher nicht übergangen werden.
4. Das BerGer. hat die erstmals im Schriftsatz
vom 5. 4. 1990 geltend gemachte Aufrechnung mit einer behaupteten Gegenforderung
in Höhe von 46917,98 DM gem. § 528 III ZPO nicht berücksichtigt.
Das begegnet aus den zu 2 genannten Gründen durchgreifenden Bedenken.
Die Frage, ob die Kl. die behauptete Aufrechnung nach § 407 I letzter
Halbs. BGB gegen sich gelten lassen müßte, ist bisher nicht
entscheidungsreif.
IV. 1. Das angefochtene Urteil kann nach alledem
nicht bestehenbleiben. Da der Senat zur abschließenden Entscheidung
gem. § 565 III Nr. 1 ZPO nicht in der Lage ist, muß die Sache
zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückverwiesen
werden.
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat
auf folgendes hin:
a) Wenn festgestellt wird, daß die Voraussetzungen
einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen, bleibt
es ohne Bedeutung, daß der Bauunternehmer G, gemessen am Leistungsumfang
des nichtigen Vertrages, lediglich Teilleistungen erbracht hat. Der Geschäftsherr
ist verpflichtet, die Aufwendungen des Geschäftsführers zu ersetzen
(§§ 683, 670 BGB). Für deren Berechnung ist es unerheblich,
daß ein Bauherr erfahrungsgemäß Drittunternehmern, die
einen "Torso" vollenden sollen, höhere Preise einräumen muß.
b) Nach den Feststellungen des BerGer. ist den
Bekl. wegen der Stufen im Eingangsbereich der Apotheke ein Vermögensnachteil
in Höhe von 20000 DM entstanden. Dieser kann der Kl. nach den Vorschriften
über die Geschäftsführung ohne Auftrag allenfalls dann entgegengehalten
werden, wenn der Unternehmer G insoweit gegen die in § 677 BGB normierte
Sorgfaltspflicht verstoßen hat (vgl. dazu Baumgärtel-Laumen,
Hdb. d. Beweislast im PrivatR I, 2. Aufl., § 677 BGB Rdnr. 6).