Materielle Höchstpersönlichkeit der letztwilligen Verfügung: Keine Erbenbestimmung durch Dritte (§ 2065 II BGB), Abgrenzung zur bloßen "Bezeichnung" durch Dritte


BayObLG, 1. ZS, Beschluß v. 27.11.1990 - BReg. 1a Z 76/88


Fundstelle:

FamRZ 1991, 610
S. auch BayObLG FamRZ 1999, 331


Leitsatz:

1. Ist im Testament als Bedachter lediglich eine nicht namentlich benannte Person bezeichnet, die dem Erblasser beisteht oder beistehen werde, so kann damit die Bestimmung dieser Person einem Dritten überlassen und die Zuwendung daher unwirksam sein.
2. Hat das Landgericht festgestellt, der Erblasser sei bei Testamentserrichtung noch unentschlossen gewesen, wen der bedenken wolle, so kann dies eine Tatsachenfeststellung sein, die den Ausschluß des Testierwillens begründet, oder eine Auslegung des Testaments, die im Einzelfall möglich ist.



Gründe:

 

I. Die verwitwete Erblasserin starb 1987 kinderlos im Alter von 81 Jahren. Der Beteiligte [Bet.] zu 1 ist ein Halbbruder der Erblasserin, die Bet. zu 2 dessen Ehefrau, der Bet. zu 4 beider Sohn. Die Bet. zu 3 ist die Tochter einer Schwester der Erblasserin, die Bet. zu 5 die Enkelin eines vorverstorbenen Bruders der Erblasserin.

Am 15. 1. 1987 errichtete die Erblasserin ein eigenhändiges Testament. Es lautet wie folgt:

"Testament

Im Besitz meiner geistigen und körperlichen Kräfte bestimme ich nachstehend als meinen letzten Wille:
Ich ... bin Witwe und kinderlos. Erkläre hiermit nachstehende Personen zu Erben:
... (= Bet. zu 4) .. 30 %
... (= Bet. zu 5) .. 25 %
... (= Bet. zu 3) .. 15 %
30 % soll die Person erhalten, die mir beisteht,"

Außerdem eröffnete das Nachlaßgericht ein gleichfalls auf den 15. 11. 1987 datiertes, handschriftliches Testament, das mit "Kopie" überschrieben ist. Der letzte Satz dieser im übrigen wortgleichen Abschrift des oben wiedergegebenen Testaments lautet:

"30 Prozent sollen die Personen erhalten (dreissig) 30 % die mir beistehen."

Das Nachlaßgericht hat durch Beschluß v. 8. 1. 1987 einen gemeinschaftlichen Erbschein bewilligt, der den Bet. zu 4 und die Bet. zu 2 als Miterben zu je 3/10-Anteilen, die Bet. zu 3 als Miterbin zu 3/20 und die Bet. zu 5 als Miterbin zu 1/4-Anteil ausweist. Eine Erbscheinsausfertigung wurde der Bet. zu 2 erteilt.

Die Schwester der Erblasserin und Mutter der Bet. zu 3 hat beantragt, den gemeinschaftlichen Erbschein "wegen Unrichtigkeit der Erbeinsetzung" der Bet. zu 2 einzuziehen, außerdem ihr einen Teilerbschein dahin zu erteilen, daß sie "am Nachlaß zu 12/25 beteiligt" sei. Sie meinte, für 30 % des Nachlasses sei gesetzliche Erbfolge eingetreten. Durch Beschluß v. 3. 8. 1988 hat das Nachlaßgericht diese Anträge zurückgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerin Be-schwerde eingelegt. Das LG hat durch Beschluß v. 26. 9. 1990 den Beschluß des Nachlaßgerichts insoweit aufgehoben, als dem Antrag auf Einziehung des Erbscheins nicht entsprochen wurde, im übrigen die Beschwerde zurückgewiesen und die Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins v. 18. 1. 1988 angeordnet. Gegen diese Entscheidung richtet sich das Rechtsmittel der Bet. zu 2. Sie beantragt, den Beschluß des LG aufzuheben und anzuordnen, daß es bei der Erbregelung nach Maßgabe des Erbscheins v. 8. 1. 1988 verbleibe. Die Schwester der Erblasserin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie ist danach verstorben und von ihrer Tochter, der Bet. zu 3 allein beerbt worden. Die Bet. zu 2 hat die ihr erteilte Erbscheinsausfertigung dem Nachlaßgericht bislang noch nicht zurückgegeben.

 

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die Rechtsbeschwerdeführerin kann sich gegen die Anordnung der Einziehung des Erbscheins wenden, ohne damit das Ziel verfolgen zu müssen, daß das Nachlaßgericht zur Erteilung eines neuen gleichlautenden Erbscheins angewiesen wird; denn die Einziehung des Erbscheins durch dessen Ablieferung ist noch nicht durchgeführt und der Erbschein auch nicht für kraftlos erklärt worden (BGHZ 40, 54, 56; BayObLGZ 1980, 72, 73; BayObLG, FamRZ 1989, 550, 551; Palandt/Edenhofer, BGB, 49. Aufl. § 2361 Anm. 5 a).

a) Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, daß grundsätzlich nur der Erblasser selbst die Person des Bedachten bestimmen und dies nicht einem Dritten überlassen darf (§ 2065 II BGB). Das LG hat auch richtig zugrundegelegt, die bedachte Person müsse im Testament so bestimmt sein, daß jede Willkür eines Dritten ausgeschlossen ist (Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2065 Anm. 2). Nur die Bezeichnung, nicht die Bestimmung der Person darf einem Dritten übertragen werden. Dann müssen aber die Hinweise im Testament so genau sein, daß den Bedachten eine jede mit genügender Sachkunde ausgestattete Person bezeichnen kann, ohne daß deren Ermessen auch nur mitbestimmend ist (BGHZ 15, 199, 202 f. = FamRZ 1955, 209; Palandt/Edenhofer, a.a.O.). Dies hat das LG zutreffend vorausgesetzt.

b) Das LG hat den § 2065 II BGB auch richtig angewendet, indem es zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Erblasserin die Bet. zu 2 nicht als Erbin für diejenigen drei Zehntel des Nachlasses eingesetzt hat, die der Person zufallen sollten, welche ihr beisteht.

aa) Die Bet. zu 2 war damit nicht als Erbin bestimmt. Das Testament läßt bereits offen, an welche Art von Beistand die Erbin gedacht hat, ob damit die körperliche Pflege gemeint war, die Hilfe bei der anfallenden Hausarbeit oder eine seelische Stütze. Ob nach Testamentserrichtung bis zum Tode der Erblasserin jemand in der Weise beigestanden hat, wie es die Erblasserin erwartet hatte, hätte daher ein Dritter nach seinem Ermessen bestimmen müssen, so daß es insoweit an einer letztwilligen Verfügung der Erblasserin fehlt (BGHZ 15, 199, 203 = FamRZ 1955, 209).

bb) Auch im Wege der Auslegung konnte eine Einsetzung der Bet. zu 2 als Miterbin nicht angenommen werden. Das Testament wäre in diesem Teil zwar auslegungsbedürftig, weil eine Person, welche zu 3/10 Miterbin sein soll, nicht benannt ist und nur aus Umständen bestimmt werden könnte, die außerhalb des Testaments liegen (Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2084 Anm. 1 b, aa, m. w. N.). Hierzu hat das LG festgestellt, daß die Erblasserin bei Testamentserrichtung noch unentschlossen gewesen sei, wen sie bedenken wolle. Sie sei sich über ihren Willen noch nicht klar gewesen. Das LG hat damit einen Erblasserwillen für eine Miterbeneinsetzung insoweit überhaupt verneint und damit zugleich das Testament dahin ausgelegt, daß die Erblasserin über drei Zehntel ihres Nachlasses noch nicht verfügen, sondern diesen Teil einer von ihr noch zu bestimmenden Person vorbehalten wollte. Es kann dahingestellt bleiben, ob das LG damit eine Tatsachenfeststellung getroffen oder das Testament ausgelegt hat. Mit der weiteren Beschwerde kann dies jedenfalls nicht mit Erfolg angegriffen werden. ...

c) Für die weitere Beschwerde unerheblich bleibt, wie das Testament im übrigen auszulegen ist, insbesondere, ob für drei Zehntel des Nachlasses gesetzliche Erbfolge (vgl. § 2088 II BGB), Anwachsung (vgl. § 2094 I S. 1 BGB) oder Bruchteilserhöhung (vgl. § 2094 BGB) eingetreten ist; denn es war aufgrund der weiteren Beschwerde lediglich zu entscheiden, ob die vom LG angeordnete Einziehung des Erbscheins gerechtfertigt war. Hierfür kam es nur auf dessen Unrichtigkeit an (§ 2361 I BGB). Mit der Zurückweisung der Beschwerde im übrigen hat das LG nur die Erteilung des Erbscheins abgelehnt, den die Mutter der Bet. zu 3 beantragt hatte. Dieser Teil der Entscheidung war nicht angefochten, so daß nicht darüber zu befinden war, welche Erbfolge eingetreten ist.