Offenes Geschäft für den, den es angeht (Nichtexistenz des Vertretenen) - Haftung des Vertreters aus § 179 I BGB und Haftungsausschluß nach § 179 III BGB


BGH, Urteil v. 20.10.1988  – VII ZR 219/87 (München)


Fundstellen:

NJW 1989, 894
BGHZ 105, 283
s. auch die Anm. zu BGH v. 12.11.2008 - VIII ZR 170/07 = NJW 2009, 215


Amtl. Leitsatz:

Zur Haftung des im Rahmen eines Bauherrenmodells tätigen Treuhänders, der im Namen einer noch nicht gebildeten Bauherrengemeinschaft mit einem Bauunternehmer einen Vertrag über die Errichtung der geplanten Wohnanlage geschlossen hat, wenn die Bauherrengemeinschaft später nicht zustande kommt (im Anschluß an BGHZ 63, 45 = NJW 1974, 1905).


Zum Sachverhalt:

Der Bekl., der als Treuhänder noch zu werbender Bauherren vorgesehen war, beauftragte in dieser Eigenschaft als Vertreter der “Mitglieder der Bauherrengemeinschaft” die Firma K mit der schlüsselfertigen Erstellung der Wohnanlage zum Pauschalfestpreis von netto 2899500 DM. Nach Beginn der Bauarbeiten verlangte die Firma K von dem Bekl. als Vertreter der Bauherrengemeinschaft Zahlung der ersten Rate von 165300 DM. Da ein Bankdarlehen nicht zur Verfügung gestellt wurde und Bauherren nicht gefunden werden konnten, zahlte der Bekl. nicht. Die Firma K stellte daraufhin ihre Arbeiten ein. Das Bauvorhaben wurde nicht durchgeführt. Mit der Klage forderte die Firma K von dem Bekl. einen Teilbetrag des ihr entstandenen Schadens in Höhe von 750000 DM nebst Zinsen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens wurde über das Vermögen der Firma K das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Nach Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens durch den zum Konkursverwalter bestellten Kl. hat das OLG die Berufung des Kl. zurückgewiesen. Die Revision des Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:

... Das BerGer. nimmt an, der Bekl. habe zwar - da eine Bauherrengemeinschaft nicht bestanden habe - als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt.

Seine Haftung sei jedoch gem. § 179 III BGB ausgeschlossen. Die Gemeinschuldnerin habe gewußt, daß die Bauherren noch nicht geworben gewesen seien, sie habe somit den Mangel der Vertretungsmacht gekannt. In einem solchen Fall sei eine Haftung des Treuhänders nur dann gerechtfertigt, wenn er ein eigenes Interesse an der Durchführung des Vorhabens habe und gleichsam in eigener Sache tätig werde. Aus der bloßen Tatsache, daß der Bekl. als Treuhänder für eine noch nicht gebildete Bauherrengemeinschaft gehandelt habe, ergebe sich dagegen keine Haftung. Auch könne nicht angenommen werden, der Treuhänder übernehme stillschweigend das Vergütungsrisiko für den Fall, daß die Bauherrengemeinschaft nicht zustande komme. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Das BerGer. geht mit Recht davon aus, daß der Bekl., der als Treuhänder im Namen noch nicht geworbener Mitglieder einer Bauherrengemeinschaft mit der Gemeinschuldnerin einen Werkvertrag abschloß, als Vertreter ohne Vertretungsmacht i. S. des § 179 I BGB handelte. Vollmachtloser Vertreter ist nach dieser Bestimmung nicht nur derjenige, der ohne rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Vertretungsmacht im Namen eines Dritten tätig wird. Die Vorschrift ist vielmehr auch dann entsprechend anzuwenden, wenn jemand im Namen einer nicht vorhandenen Person vertragliche Vereinbarungen trifft, der angeblich Vertretene also gar nicht existiert (BGHZ 63, 45 (49) = NJW 1974, 1905; Thiele, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 179 Rdnr. 9 m. w. Nachw.).

2. Dem BerGer. kann aber nicht gefolgt werden, wenn es die Haftung des als vollmachtlosen Vertreter handelnden Bekl. aufgrund der Ausnahmeregelung des § 179 III BGB ausschließt.

a) Die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht ist eine gesetzliche Garantenhaftung, die dem Vertreter das verschuldensabhängige Risiko auferlegt, seine Erklärung, er habe die erforderliche Vertretungsmacht, sei richtig. Das Einstehenmüssen des vollmachtlosen Vertreters für die Rechtsfolgen dieser Erklärung beruht somit auf einer im Interesse der Verkehrssicherheit geregelten Vertrauenshaftung (vgl. Thiele, in: MünchKomm, § 179 Rdnrn. 1, 2 m. Nachw.). Behauptet der Vertreter ausdrücklich oder schlüssig, die für die Vornahme des Rechtsgeschäfts erforderliche Vertretungsmacht zu haben, darf der Vertragspartner daran grundsätzlich glauben. Insbesondere ist er nicht ohne weiteres zu Nachforschungen über Bestand und Umfang der Vertretungsmacht verpflichtet; auch kann er den Mangel der Vertretungsmacht in der Regel nicht erkennen. Fehlt die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht, muß grundsätzlich dieser und nicht der Vertragspartner für die Folgen des vollmachtlosen Handelns einstehen. Denn der Schutz des auf die Vertretungsmacht des Vertreters vertrauenden Gegners geht etwaigen schutzwürdigen Interessen des vollmachtlosen Vertreters vor.

Der Vertragspartner des vollmachtlosen Vertreters verdient jedoch dann keinen Schutz, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht kennt oder infolge Fahrlässigkeit nicht kennt (§ 179 III 1 BGB). Soweit Anhaltspunkte hierfür vorliegen, kann ihm zugemutet werden, den Vertreter zu Erklärungen über die angebliche Vertretungsmacht aufzufordern oder darüber Erkundigungen einzuziehen. Kommt er dem nicht nach, vernachlässigt er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt und muß die Folgen selbst tragen (Thiele, in: MünchKomm, § 179 Rdnr. 36 m. Nachw.). Die Vertrauenshaftung des vollmachtlosen Vertreters ist dann ausgeschlossen, weil sein Vertragspartner aufgrund der Zweifel an der Vertretungsmacht Vertrauen in die Richtigkeit der vom Vertreter abgegebenen Erklärung gerade nicht in Anspruch nimmt.

b) Die Ausnahmeregelung des § 179 III 1 BGB kann aber dann nicht ohne Einschränkung entsprechend herangezogen werden, wenn ein Vertreter für eine (noch) nicht existente Person gehandelt hat. Zwar haftet - wie ausgeführt - der Vertreter in diesem Fall ebenfalls nach § 179 I BGB wie ein vollmachtloser Vertreter. Weiß der Vertragspartner jedoch, daß der Vertretene nicht vorhanden ist, ist das dem Wissen von der fehlenden Vertretungsmacht nicht ohne weiteres gleichzusetzen. Vielmehr ist von dem Inhalt der Erklärung auszugehen, die der Vertreter in einem solchen Fall abgibt und auf deren Richtigkeit der Vertragspartner vertraut. Erklärt der Vertreter neben der Behauptung, Vertretungsmacht zu haben, noch weitere Tatsachen, kann die ihn nach § 179 I BGB grundsätzlich treffende Haftung nur dann in entsprechender Anwendung des § 179 III 1 BGB ausgeschlossen werden, wenn der Vertragspartner auch die Unrichtigkeit dieser Umstände kennt. Nur dann ist es gerechtfertigt, dem Gegner des vollmachtlosen Vertreters den ihm durch die Vorschrift des § 179 I BGB gewährten Vertrauensschutz zu versagen. Hat der Vertreter bei dem Vertragspartner dagegen zumindest zum Teil Vertrauen in die Richtigkeit der von ihm abgegebenen Erklärung erweckt, muß die Haftung des vollmachtlosen Vertreters bestehen bleiben.

Im vorliegenden Fall behauptete der Bekl. bei Abschluß des Werkvertrags mit der Gemeinschuldnerin nicht nur, er handle als Treuhänder und somit Vertreter noch nicht geworbener Mitglieder einer Bauherrengemeinschaft. Vielmehr erklärte er zusätzlich, die Bauherrengemeinschaft werde alsbald entstehen und damit Vertragspartner der Gemeinschuldnerin werden; nur in dieser Weise kann seine Erklärung gegenüber der Gemeinschuldnerin ausgelegt werden. Entscheidend für die Schutzwürdigkeit der Gemeinschuldnerin und die Haftung des Bekl. gem. § 179 I BGB ist daher, in welchem Umfang die Gemeinschuldnerin auf die Richtigkeit der Behauptungen des Bekl. vertraute oder vertrauen durfte. Wußte sie - wovon das BerGer. ausgeht -, daß die Bauherren noch nicht geworben waren, reicht das für einen Ausschluß der Haftung des Bekl. gem. § 179 III 1 BGB nicht aus. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gemeinschuldnerin Kenntnis davon hatte, daß die Bauherrengemeinschaft in absehbarer Zeit nicht zustande kommen werde bzw. ob sie diese Kenntnis haben mußte. Nur dann kann ihr der durch § 179 I BGB gebotene Vertrauensschutz versagt und die Haftung des Bekl. gem. § 179 III 1 BGB in vollem Umfang ausgeschlossen werden. Durfte die Gemeinschuldnerin dagegen auf die Richtigkeit dieser vom Bekl. ebenfalls  abgegebenen Behauptung vertrauen, kann eine Kenntnis bzw. ein Kennenmüssen i. S. des § 179 III 1 BGB nicht angenommen werden. In diesem Fall haftet der Bekl. als Vertreter ohne Vertretungsmacht.

c) Das ist auch sach- und interessengerecht. Nach dem Terminplan, den der Bekl. als Treuhänder noch nicht geworbener Bauherren mit der Gemeinschuldnerin als Anlage zu dem geschlossenen Werkvertrag vereinbarte, sollte mit den Bauarbeiten bereits im September 1984, also unmittelbar nach dem Vertragsschluß vom 30. 8. 1984, begonnen werden. Da nach dem ebenfalls vereinbarten Zahlungsplan die erste Rate der festgelegten Pauschalvergütung in Höhe von 145000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer bereits nach Fertigstellung der Baustelleneinrichtung, der Erdarbeiten und der Werkplanung zur Zahlung fällig war, ging der Bekl. bewußt das Risiko ein, bei nicht rechtzeitigem Zustandekommen der Bauherrengemeinschaft als Vertreter ohne Vertretungsmacht in Anspruch genommen zu werden. Dieses Risiko hätte der Bekl., der sich selbst um die Gewinnung von Bauherren und die Förderung des Bauvorhabens bemühte, wie dem unstreitigen Teil des Tatbestands des Berufungsurteils zu entnehmen ist, durch eine entsprechende Vertragsgestaltung ausschließen oder mindern können und müssen; das hat er unterlassen.

Demgegenüber konnte der Vertragspartner des Treuhänders, die Gemeinschuldnerin, auf die Werbung der Bauherren und die Förderung des Projekts keinerlei Einfluß nehmen. Es wäre daher unbillig, ihr das Risiko einer nicht vergüteten, aber sofort verlangten Vorleistung aufzubürden, wenn das Bauvorhaben nicht durchgeführt wird, weil sich keine oder nicht genügend Bauherren finden lassen. Eine solche Risikoverteilung würde den Interessen der Bet. nicht gerecht werden, zumal die Gefahr eines Scheiterns des Projekts eindeutig im Risikobereich des Bekl. lag. Dies verkennt das BerGer., nach dessen Ansicht es Sache der Auftragnehmerin, der Gemeinschuldnerin, gewesen wäre, bei Vermeidung des Ausfallrisikos eine Haftung des Bekl. ausdrücklich in den Vertrag mitaufzunehmen. Eine solche Risikoverteilung entspräche nicht der beiderseitigen Interessenlage.

d) Entgegen der Ansicht des BerGer. kann eine Haftung des Bekl. auch nicht deshalb verneint werden, weil der Treuhänder eine dem Baubetreuer entsprechende Stellung habe und im Schrifttum allgemein die Haftung des Baubetreuers für die Vergütung der am Bau Beteiligten abgelehnt werde, wenn die Bauherrengemeinschaft nicht zustande kommt und das Bauvorhaben nicht durchgeführt wird. Anders, als das BerGer. meint, bejahen Locher-Koeble (Baubetreuungs- und BauträgerR, 4. Aufl., Rdnr. 152) ausdrücklich eine Verpflichtung des Betreuers gem. § 179 I BGB gegenüber dem Architekten und versagen dem Betreuer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Berufung auf § 179 III BGB (vgl. auch Werner-Pastor, Der Bauprozeß, 5. Aufl., Rdnr. 779). Scheffler (Betr 1982, 633) vertritt zwar die Auffassung, die gesetzliche Haftung des Baubetreuers sei gemäß § 179 III 1 BGB ausgeschlossen, wenn der Vertragspartner wisse, daß noch keine Bauherren geworben seien. Diese Ansicht verkennt jedoch, daß bei einer entsprechenden Anwendung des Haftungstatbestandes des § 179 I BGB auch die in § 179 III 1 BGB enthaltene Ausnahmeregelung nur entsprechend herangezogen werden kann. Ferner übersieht sie, daß sie im Ergebnis zu einer unbilligen Risikoverteilung führt. Diese  Auffassung wird denn auch mit Recht im Schrifttum abgelehnt (vgl. Locher-Koeble, Baubetreuungs- und BauträgerR, Rdnr. 152; ebenso Locher-König, Bauherrenmodelle in zivil- und steuerrechtlicher Sicht, 1982, Rdnrn. 53, 54 und wohl auch Brych, in: Reithmann-Brych-Manhart, Kauf vom Bauträger und Bauherrenmodelle, 5. Aufl., Rdnr. 140 e a. E.).

e) Hält man mit dem BerGer. die Vorschrift des § 179 III 1 BGB im vorliegenden Fall für anwendbar, würde im übrigen einem Ausschluß der Vertreterhaftung der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenstehen. Der BGH (BGHZ 63, 45 (49, 50) = NJW 1974, 1905) hat bereits entschieden, daß diese Bestimmung nach ihrem Sinngehalt nicht angewendet werden könne, wenn jemand für eine gegründete, aber noch nicht entstandene Handelsgesellschaft auftrete. Er hat dies damit begründet, daß der Geschäftsgegner der noch nicht entstandenen Gesellschaft entgegen der für den vollmachtlosen Vertreter getroffenen Regelung weder das Recht zum Widerruf nach § 178 BGB noch die Möglichkeit habe, durch eine Aufforderung nach § 177 II BGB klare Verhältnisse zu schaffen. Es sei daher sachgerecht, den Gesellschaftsgründern das Risiko zuzumuten, bei Scheitern der Gesellschaft für die Vertragserfüllung eintreten zu müssen.

Bei einer nicht zustandegekommenen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist es ebenso. Auch hier kann der über den Sachverhalt unterrichtete Vertragspartner den Vertrag nicht gem. § 178 BGB widerrufen. Ihm fehlt jede Möglichkeit, den Schwebezustand, der durch das Handeln des vollmachtlosen Vertreters entstanden ist, zu beseitigen. Mit Recht wird deshalb von der Rechtsprechung der OLGe dem Vertreter einer noch nicht gebildeten Bauherrengemeinschaft die Berufung auf § 179 III 1 BGB als mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar versagt (vgl. OLG Frankfurt, BB 1984, 692; OLG Hamm, BauR 1987, 592; OLG Köln, WM 1987, 1081).

3. Nach alledem kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben, es ist aufzuheben. Das BerGer. hat bisher nur festgestellt, die Gemeinschuldnerin habe gewußt, daß das Bauherrenmodell noch nicht “geschlossen” und eine Anwerbung von Bauherren noch nicht gelungen sei. Nach den vorstehenden Ausführungen tragen diese Feststellungen den vom BerGer. angenommenen Haftungsausschluß des Bekl. in entsprechender Anwendung des § 179 III 1 BGB nicht. Eine Haftung des Bekl. wäre vielmehr nur dann ausgeschlossen, wenn die Gemeinschuldnerin gewußt hätte oder hätte wissen müssen, daß die Bauherrengemeinschaft in absehbarer Zeit nicht zu bilden sei. Feststellungen darüber, die die Ansicht des BerGer. tragen könnten, wurden noch nicht getroffen. Der Senat ist daher nicht in der Lage, nach § 565 III Nr. 1 ZPO abschließend zu entscheiden. Vielmehr ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das BerGer. zurückzuverweisen.