Rechtsnatur des Partnerschaftsvermittlungsvertrags, Abgrenzung Dienst- und Werkvertrag, Kündigungsausschluß des § 627 BGB und AGB-Gesetz

BGH, Urteil v. 01.02.1989  - IVa ZR 354/87 (Düsseldorf)


Fundstellen:

BGHZ 106, 341
NJW 1989, 1479
Vgl. dazu Anm. zu BGH NJW 1999, 276 ff sowie
BGH v. 4.3.2004 - III ZR 124/03 und BGH NJW 2005, 2543. S. weiter die Anm. zu BGH v. 8.10.2009 - III ZR 93/09.



Amtl. Leitsatz:

Ein Ehe- (oder Partnerschafts-) anbahnungsinstitut kann das seinem Vertragspartner nach § 627 BGB zustehende Kündigungsrecht in Allgemeinen Vertragsbedingungen oder Formularverträgen nicht wirksam ausschließen.



Zum Sachverhalt:

Die Bekl. betreibt ein Partnerschaftsvermittlungsinstitut. In einem Besprechungstermin am 23. 11. 1985 nahm die Mitarbeiterin der Bekl., Frau E, in vorgedruckten Formularen persönliche Daten der Kl. sowie Angaben der Kl. über den von ihr gewünschten Partner auf. Anschließend unterzeichnete die Kl. ein vorgefertigtes Vertragsformular der Bekl., in dem es u. a. heißt: "Eine Kündigung gem. § 627 BGB ist ausgeschlossen."... Die Kl. nahm einen Ratenkredit in Höhe von 5700 DM auf und zahlte das Honorar von 5700 DM an die Bekl. Am 30. 11. 1985 sandte die Kl. der Bekl. ein Einschreiben mit folgendem Inhalt: "Kündigung: Unser Vertrag vom 23. 11. 1985 ... Hiermit trete ich von meinem Vertrag innerhalb acht Tagen zurück. Ich habe auf zwei Anzeigen geschrieben, die Briefe wurden nicht berücksichtigt. Mir wurden offensichtlich Partner vermittelt, welche auch gerade den Vertrag unterzeichnet und laut Telefon mit mir keinerlei Interessen gemeinsam haben. Ich bin nicht gewillt, 5700 DM zu zahlen, für Partner, die ich auch so kennenlernen kann. Den Betrag wünsche ich abzüglich eines kleinen Unkostenbeitrags von 200 DM zurück. ..." Mit der Klage fordert die Kl. von der Bekl. 5700 DM zurück. Sie hat den Vertrag vorsorglich wegen arglistiger Täuschung angefochten und behauptet, die Leistungen der Bekl. seien gering und stünden in einem auffälligen Mißverhältnis zu dem gezahlten Entgelt, das unter bewußter Ausnutzung ihrer Bedürfnisse nach Geselligkeit erzielt worden sei. Die Bekl. habe auch einen zu geringen Adressenbestand gehabt, um den Partnerschaftswünschen der Kl. gerecht zu werden.
Das LG hat der Klage in Höhe von 5225 DM nebst Zinsen stattgegeben. Berufung und Revision blieben erfolglos.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. sieht den zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag als einen Dienstvertrag an, der die Leistung höherer Dienste zum Gegenstand gehabt habe. Er habe deshalb von der Kl. gem. § 627 BGB jederzeit gekündigt werden können. Der im Vertragsformular enthaltene Ausschluß des Kündigungsrechts sei nach § 9 II Nr. 1 AGB-Gesetz zu beanstanden. Infolge der Kündigung könne die Kl. den Teil der Gesamtvergütung zurückverlangen, der auf die "unverbrauchte Dienstleistungszeit" entfalle. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Mühewaltung der Bekl. am Anfang größer war, könne die Vergütung für den zwischen Vertragsschluß liegenden 10-tägigen Zeitraum auf ein Zwölftel der Gesamtvergütung = 475 DM geschätzt werden. Den verbleibenden Restbetrag von 5225 DM habe die Bekl. der Kl. zurückzuerstatten.
II. Diese rechtliche Beurteilung ist zutreffend.
1. Mit Recht geht das BerGer. davon aus, daß die Parteien einen Dienstvertrag abgeschlossen haben.
a) In der Rechtsprechung ist allerdings zum Teil angenommen worden, daß Verträge der vorliegenden Art deshalb nicht als Dienstverträge angesehen werden könnten, weil es sich bei den vertraglichen Beziehungen zwischen den Partnerschaftsinstituten und den Kunden nicht um ein Dauerschuldverhältnis handle (OLG Hamburg, NJW 1986, 325 = VersR 1985, 1191). Hierbei wurde verkannt, daß Dienstverträge nicht notwendigerweise Dauerschuldverhältnisse sein müssen; wenn die dienstvertraglichen Beziehungen auch häufig als Dauerschuldverhältnisse ausgestaltet werden, so gibt es doch auch Dienstverträge, die nur eine Einzelleistung zum Gegenstand haben (z. B. die einmalige Beratung durch einen Arzt oder einen Anwalt). Im übrigen besteht zwischen Dienstverträgen und Eheanbahnungsverträgen kein begrifflicher Gegensatz. Ein auf Herbeiführung einer Ehe (oder einer außerehelichen Partnerschaft) gerichteter Vertrag kann entweder als Ehemaklervertrag oder als Eheanbahnungsdienstvertrag ausgestaltet sein (vgl. Senat, NJW 1984, 2407 = LM § 565 BGB Nr. 4 = FamRZ 1984, 763). Der letztgenannte Vertragstyp fällt demnach sowohl unter den Oberbegriff des Dienstvertrages als unter den des Eheanbahnungsvertrages.
b) Die Bekl. hatte sich in dem mit der Kl. geschlossenen Vertrag u. a. zur "Erstellung eines Kundenpersönlichkeitsprofil und eines Wunschpartnerprofils auf der Grundlage entsprechender Analysen und zu einer Vorauswahl potentieller Partnervorschläge aus dem Bestand an Partnerschaftsinteressenten der Firma G sowie zu einer Hauptauswahl von Partnervorschlägen in angemessener Zahl durch individuellen Persönlichkeitsvergleich" verpflichtet. Die rechtliche Natur solcher Verträge ist vielfach erörtert worden (so z. B: von Gilles, Eheanbahnung und Partnervermittlung, 1985, Rdnrn. 131-136; ders, MDR 1983, 712; ders., NJW 1983, 361; Beckmann, Ehevermittlung und sonstige Partnervorschlagsleistungen, 1988, S. 19 ff.; ders., FamRZ 1985, 19; Priebe, Eheanbahnungs- und Partnerschaftsverträge, 1987, S. 28 ff., S. 67 ff.; Peters, NJW 1986, 2680). Von seiten der Eheanbahnungs- und Partnervermittlungsinstitute, aber auch im juristischen Schrifttum, wird geltend gemacht, daß es sich dabei nicht um unter § 656 BGB fallende Verträge, sondern um Werkverträge handle. In der Rechtsprechung hat diese Auffassung nur teilweise  Anklang gefunden (so OLG Bamberg, NJW 1984, 1466; LG Schweinfurt, FamRZ 1983, 909; LG München, FamRZ 1985, 698; anders OLG Karlsruhe, NJW 1985, 2035; LG Rottweil, NJW 1983, 2824; LG Osnabrück, NJW 1986, 2710; AG Hamburg, NJW 1983, 395; LG Freiburg, FamRZ 1983, 908; LG Aachen, FamRZ 1983, 910; OLG Hamm, NJW-RR 1987, 243; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 691; OLG Köln, NJW-RR 1987, 441; AG Altötting, FamRZ 1985, 699; vermittelnd LG Hannover, MDR 1983, 754, das zwar einen Werkvertrag annimmt, diesen aber § 656 BGB unterstellt), sie ist insbesondere vom OLG Hamburg (NJW 1986, 325 = VersR 1985, 1191) mit eingehender Begründung abgelehnt worden.
c) Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt einmal darin, daß sich die bekl. Partnerschaftsvermittlerin im Gegensatz zu den meisten bisher in der Rechtsprechung behandelten Fällen nicht eines Computers bedient, zum anderen, darin, daß die Bekl. selbst die von ihr versprochende Leistung nicht als "Werk", "Werkleistung" o. ä., sondern als "Dienstleistungsverpflichtung" bezeichnet. Das letztere kann allerdings nicht allein entscheidend sein; für die rechtliche Einordnung eines Vertrages kommt es nicht auf die von den Vertragspartnern gewählte Benennung, sondern auf den tatsächlichen Inhalt der von ihnen übernommenen Verpflichtungen an. Ebensowenig wie eine unrichtige Bezeichnung als Werkvertrag die Anwendung von § 656 BGB auf Eheanbahnungsdienstverträge hindern kann, kann ein Vertrag, der seiner tatsächlichen Ausgestaltung nach ein Werkvertrag ist, lediglich wegen der Bezeichnung als Dienstvertrag der Klagesperre des § 656 BGB unterworfen werden.
Eine unter diesem Gesichtspunkt vorgenommene Überprüfung ergibt jedoch, daß der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag keinen werkvertraglichen Charakter hat.
Die von der Bekl. zu erbringende Leistung besteht im Grunde nur in dem Nachweis geeigneter Partner. Auch wenn sie sich dabei nicht auf die bloße Namensnennung beschränkt, sondern nähere Angaben - etwa über Alter, Herkunft, Schulbildung, berufliche Stellung, Charaktereigenschaften, Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Interessen und Neigungen - macht, liegt kein Werk i. S. des § 631 BGB vor, sondern lediglich eine nähere Beschreibung der nachgewiesenen Gelegenheit. Die von der Bekl. abgeschlossenen Verträge fallen daher unter den Oberbegriff der Ehe-(bzw. Partnerschafts-) anbahnungsverträge. Da sie einerseits eine Tätigkeitsverpflichtung der Bekl., andererseits eine erfolgsunabhängige Vergütungsverpflichtung begründen, können sie keine Maklerverträge im eigentlichen Sinn sein. Sie sind daher als Ehe-(bzw. Partnerschafts-) anbahnungsdienstverträge anzusehen.
2. Das BerGer. nimmt an, daß ein Ehe- oder Partnerschaftsvermittler Dienste höherer Art leiste. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (NJW 1987, 2808 = LM § 627 BGB Nr. 9 = BGHRBGBB § 627 Abs. 1 "Eheanbahnung" 1).
Mit Recht hat das BerGer. auch angenommen, daß die Bekl. bei der Kl. nicht in einem "dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen" i. S. von § 627 BGB gestanden habe. Der Gesetzgeber hat bei dieser Formulierung in erster Linie an Personen gedacht, die nach heutigem Sprachgebrauch als Arbeitnehmer zu bezeichnen wären. Unter dem Begriff können allerdings auch solche Dienstverpflichtete fallen, die wirtschaftlich oder sozial nicht vom Dienstberechtigten abhängig sind und die auch nicht eine Dienstleistung schulden, die den überwiegenden Teil ihrer Arbeitskraft in Anspruch nimmt (BGHZ 47, 303 = NJW 1967, 1416 = LM § 627 BGB Nr. 1; BGHZ 90, 280 = NJW 1984, 1531 = LM § 620 BGB Nr. 1). Nach der Verkehrsauffassung (BGHZ 47, 303 (305) = NJW 1967, 1416 = LM § 627 BGB Nr. 1) setzt jedoch der Begriff des "dauernden Dienstverhältnisses" eine gewisse persönliche Bindung zwischen den Vertragsparteien voraus. An einer solchen fehlt es aber, wenn ein Dienstleistungsunternehmen wie das der Bekl. seine Dienste einer großen, unbestimmten und unbegrenzten Zahl von Interessenten  anbietet. Davon ist auch der Senat im Urteil vom 24. 6. 1987 (NJW 1987, 2808 = LM § 627 BGB Nr. 9) als selbstverständlich ausgegangen.
3. Zutreffend ist auch die Ansicht des BerGer., der Ausschluß des gesetzlichen Kündigungsrechts in dem von der Kl. verwandten Vertragsformular sei nach § 9 II Nr. 1 AGB-Gesetz unwirksam (so auch Löwe-von-Westphalen-Trinkner, AGB-Gesetz, § 9 Rdnr. 42; Staudinger-Schlosser, BGB, 12. Aufl., § 9 AGB-Gesetz Rdnr. 120). Dem § 627 BGB liegt der Gedanke zugrunde, daß bei Diensten, die nur aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, dem Dienstberechtigten eine Kündigung gestattet sein müsse, wenn er - aus welchen Gründen immer - dieses Vertrauen verloren habe. Ob aus diesem Grunde AGB-Klauseln, die das Kündigungsrecht aus § 627 BGB einschränken oder ausschließen, schlechthin unzulässig sind (vgl. dazu Schlosser, NJW 1980, 274 unter Ziffer V; Staudinger-Neumann, BGB, § 627 Rdnr. 20), braucht im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht entschieden zu werden. Da unter diese Gesetzesvorschrift ganz verschiedene Dienstleistungen fallen, mag eine differenzierte Betrachtungsweise angebracht sein (vgl. BGHZ 90, 280 = NJW 1984, 1531 = LM § 620 BGB Nr. 1). Eine unangemessene Benachteiligung i. S. von § 9 AGB-Gesetz muß jedoch dann angenommen werden, wenn von einem  Eheanbahnungs- oder Partnerschaftsvermittlungsinstitut in seinen AGB eine Kündigung des Vertrages nach § 627 BGB schlechthin ausgeschlossen wird. Wäre eine derartige Klausel wirksam, so wäre der Vertragspartner des Instituts auf das Kündigungsrecht aus § 626 BGB angewiesen. In diesem Falle würde zur Auflösung des Vertragsverhältnisses der subjektive Vertrauensschwund nicht genügen; der Kunde müßte vielmehr die Frage, ob die Umstände, die den Vertrauensverlust herbeigeführt haben, auch bei objektiver Betrachtung eine Kündigung rechtfertigen, zur gerichtlichen Nachprüfung stellen. Er müßte deshalb im Rechtsstreit diese Umstände darlegen und beweisen. Schon dadurch würde seine Rechtsstellung gegenüber der gesetzlichen Regelung erheblich verschlechtert. Mit Recht weist jedoch das BerGer. auch darauf hin, daß der Kunde in einem solchen Falle gezwungen sein kann und vielfach gezwungen sein wird, Vorgänge aus seinem Intimbereich zu offenbaren. Das würde den Intentionen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, der mit § 656 BGB (auch) die Intimsphäre der Beteiligten schützen wollte (vgl. dazu BVerfGE 20, 31 (33 f.) = NJW 1966, 1211).
4. Der Rückforderung der gezahlten Vergütung steht § 656 I 2 BGB nicht entgegen. Diese Vorschrift findet zwar auch auf Eheanbahnungsdienstverträge Anwendung (BGHZ 25, 124 (126) = NJW 1957, 1536 = LM § 656 BGB Nr. 1; BGHZ 87, 309 (313) = NJW 1988, 2817 = LM § 656 BGB Nr. 3; BGH, NJW 1986, 927 = LM § 656 BGB Nr. 5 = FamRZ 1986, 240); sie schließt jedoch nur solche Rückzahlungsansprüche aus, die darauf gestützt werden, daß der Auftraggeber nach § 656 I BGB nicht hätte zur Leistung gezwungen werden können (BGHZ 87, 309 (316) = NJW 1983, 2817 = LM § 656 BGB Nr. 3 unter II 2; BGH, NJW 1984, 2407 = FamRZ 1984, 763 = LM § 656 BGB Nr. 4).
5. Die Ausführungen des BerGer. zur Höhe des zurückerstattenden Betrages enthalten keinen Rechtsfehler zu Lasten der Bekl. Sie werden auch von der Revision nicht angegriffen.