Anfechtung der Erbschaftsannahme wegen Eigenschaftsirrtums nach § 119 II BGB (Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses)


BGH, Urteil vom 08.02.1989 - IVa ZR 98/87


Fundstelle:

BGHZ 106, 359
NJW 1989, 2885
Zur Abgrenzung (Irrtum über den Wert des Nachlasses) s. BayObLGZ 1995, 120.


Amtl. Leitsätze:

1. Die Verbindung von Erbverzicht und einem Vermächtnis zugunsten des Verzichtenden in einem und demselben notariellen Vertrag spricht für einen (kausalen) Zusammenhang zwischen beidem und damit für ein vertragsmäßiges Vermächtnis.
2. Die Anfechtung eines Vermächtnisses ist nicht i. S. von § 2083 BGB „nach § 2082 BGB ausgeschlossen“, wenn dem Anfechtungsrecht bereits § 2285 BGB entgegensteht.
3. Die Annahme einer Erbschaft kann wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Sache „Nachlaß" anfechtbar sein, wenn es um die Belastung des Nachlasses mit wesentlichen Verbindlichkeiten geht, deren Bestand ungeklärt ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Irrtum ein Vermächtnis betrifft, das den Nachlaß derart belastet, daß der Pflichtteil des Erben gefährdet wäre.
4. Die Ausschlagung einer Erbschaft, auch diejenige gem. § 1957 I BGB, bewirkt keine Rechtsnachfolge i. S. von § 265 ZPO vom „vorläufigen“ auf den „endgültigen“ Erben. Einer so weit gehenden Ausdehnung des § 265 ZPO steht auch § 2306 I 2 BGB entgegen.
5. Hält der Kläger sein Begehren aufrecht, obwohl der eingeklagte Anspruch im Laufe des Rechtsstreits unbegründet geworden ist, und erklärt er die Hauptsache nur hilfweise (einseitig) für erledigt, dann muß die Klage abgewiesen werden; für einen zusätzlichen Urteilsausspruch des Gerichts, die Hauptsache sei (auch) erledigt, ist daneben kein Raum.


Zum Sachverhalt:

Der am 13. 8. 1983 verstorbene Ehemann der Kl. und Vater der Bekl. (Erblasser) hinterließ ein Hausgrundstück in O. Aufgrund Erbvertrages des Erblassers mit der Bekl. vom 17. 9. 1980 wurde er von dieser allein beerbt. Nach dem Erbfall ließ sie sich als Eigentümerin im Grundbuch eintragen. Die Kl. beansprucht das Grundstück für sich und stützt sich dabei auf ihren notariellen Vertrag mit dem Erblasser vom 18. 4. 1951, in dem dieser ihr das Grundstück „unentgeltlich zu Alleineigentum vermacht" hatte. Die Bekl. hält dem u. a. entgegen, bei dem Vermächtnis handele es sich nicht um eine vertragsmäßige, sondern um eine einseitige Verfügung des Erblassers, die dieser in dem Erbvertrag vom 17. 9. 1980 wirksam widerrufen habe. Dort hatte der Erblasser erklärt, er habe in dem Erbvertrag von 1951 „erst keine Bindung eingehen und Herr seines Vermögens bleiben wollen, und zwar so, daß er immer noch frei unter Lebenden habe verfügen können“. Überdies beruft sich die Bekl. auf ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 2083 BGB. Der Kl. hätte nämlich der Pflichtteil entzogen werden können, weil sie den Erblasser grausam mißhandelt und ihn auch daran gehindert habe, sich mit einem Notar zu beraten. Inzwischen hat die Bekl. in öffentlich beglaubigter Erklärung vom 21. 12. 1984 „die Versäumung der Ausschlagungsfrist“ gegenüber dem NachlaßGer. angefochten und die Erbschaft ausgeschlagen.

LG und OLG haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Bekl. blieb erfolglos.

Aus den Gründen:

I. Unbegründet ist die Klage entgegen der Auffassung der Revision allerdings nicht schon deshalb, weil der Erblasser die Zuwendung des Grundstücks an die Kl. in dem Vertrag von 1951 durch seine spätere Verfügung von Todes wegen vom 17. 9. 1980 aufgehoben hätte oder weil die Zuwendung sonst unwirksam wäre.

1. Mit Recht sieht das BerGer. den Vertrag des Erblassers mit der Kl. vom 18. 4. 1951 als Erbvertrag und die darin ausgesprochene Zuwendung des Grundstücks an die Kl. als vertragsmäßiges Vermächtnis und nicht als Erbeinsetzung an. Dabei ist das BerGer., wie die Revision zutreffend ausführt, zwar nicht näher darauf eingegangen, daß der Erblasser in dem späteren Erbvertrag von 1980 angegeben hat, er habe in dem Erbvertrag von 1951 „(zu-) erst keine Bindung eingehen und Herr seines Vermögens bleiben wollen". Das ist aber unschädlich. Denn diese nachträgliche und einseitige Erklärung des Erblassers bietet für die Auslegung in dem von der Bekl. gewünschten Sinne keinerlei Hilfe. Maßgebend für die Auslegung eines Vertrages - auch eines Erbvertrages - ist das, was die Vertragsteile erklärt haben und wie das Erklärte aus der Sicht des anderen Teiles zu verstehen war (§ 157 BGB). Was der Erblasser - einseitig - gewollt (und nicht auch geäußert) hat, fällt dagegen, solange es dem anderen Teil verborgen bleibt, bei der Auslegung hier nicht ins Gewicht.

Daß es sich bei dem Grundstücksvermächtnis um eine vertragsmäßige Verfügung (§ 2278 BGB) und nicht nur um eine einseitige Verfügung von Todes wegen (§ 2299 I BGB) handelt, hat das BerGer. rechtsfehlerfrei angenommen. Soweit in einem notariellen Vertrag einer Person etwas durch Verfügung von Todes wegen zugewendet wird, die an dem Vertrag selbst beteiligt ist, ist die Annahme einer vertragsmäßigen Zuwendung besonders nahegelegt (BGHZ 26, 204 (208) = NJW 1958, 498 = LM § 2289 BGB m. Anm. Johannsen; vgl. auch BGHZ 36, 115 (120) = NJW 1962, 343 = LM § 2048 BGB m. Anm. Mattern). Daß der Vertrag zugleich einen gegenseitigen Erbverzicht enthält, steht dem nicht entgegen. Vielmehr spricht die Verbindung von Erbverzicht und Zuwendung an die Kl. in einem und demselben notariellen Vertrag umgekehrt für einen Zusammenhang zwischen dem Vermächtnis zugunsten der Kl. und ihrem Verzicht auf jedes weitere Erbrecht nach dem zwanzig Jahre älteren Erblasser und damit ebenfalls für ein vertragsmäßiges Vermächtnis.

2. Das hat zur Folge, daß der Erblasser das Vermächtnis zugunsten der Kl. nicht einseitig, nämlich ohne deren förmliche Zustimmung (§§ 2290 ff. BGB) aufheben konnte. Die entsprechende einseitige Verfügung von Todes wegen des Erblassers in dem Erbvertrag von 1980 ist vielmehr gem. § 2289 I 2 BGB ihrerseits unwirksam.

3. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Erblasser von dem Vermächtnis auch nicht wirksam zurückgetreten (§§ 2294, 2335 Nr. 2 BGB). Soweit die Revision den Erbvertrag vom 17. 9. 1980 zugleich als eine Rücktrittserklärung ansehen will, kann sie damit schon deshalb keinen Erfolg haben, weil diese Erklärung entgegen § 2296 II 1 BGB nicht der Kl. gegenüber erfolgt und ihr auch, wie diese mit Recht betont, bei Lebzeiten des Erblassers weder zugegangen noch auch nur i. S. von § 130 II BGB abgegeben worden ist (RGZ 65, 270 (274); vgl. BGHZ 48, 374 (379 f.) = NJW 1968, 496 = LM § 130 BGB m. Anm. Kreft).

4. Mit Recht hat das BerGer. die Klage auch nicht an § 2083 BGB scheitern lassen. Nach dieser Vorschrift kann der Erbe die Erfüllung eines anfechtbaren Vermächtnisses auch dann verweigern, wenn er die Anfechtungsfrist des § 2082 BGB versäumt hat. Darauf kann die Bekl. sich schon deshalb nicht stützen, weil die - nicht erklärte - Anfechtung hier nicht „nach § 2082 BGB ausgeschlossen“ ist. Ein solcher Fall liegt nicht vor, weil nicht die Bekl. die Anfechtungsfrist hat verstreichen lassen, sondern weil bereits der Erblasser innerhalb der Frist des § 2283 BGB nicht angefochten hat (§ 2281 BGB) und der Bekl. schon deshalb gem. § 2285 BGB kein Anfechtungsrecht zustehen konnte.

Die Voraussetzungen der Vermächtnisunwürdigkeit gem. §§ 2345 I , 2339 I BGB und eines daraus folgenden Leistungsverweigerungsrechts entsprechend § 2083 BGB hat das BerGer. rechtsfehlerfrei verneint.

II. Jedoch richtet sich der Vermächtnisanspruch der Kl. nicht (mehr) gegen die Bekl., nachdem diese die Erbschaft ausgeschlagen hat. Das hat das BerGer. im Ergebnis zutreffend erkannt.

1. Das BerGer. meint, die Bekl. habe die Erbschaft am 21. 12. 1984 rechtzeitig ausgeschlagen, weil sie die in § 1944 BGB (§ 2306 I 2 BGB) vorausgesetzte Kenntnis erst seit einem Hinweis des LG in der mündlichen Verhandlung vom 11. 12. 1984 gehabt habe. Bei dieser Überlegung ist nicht berücksichtigt, daß die Bekl. die Erbschaft spätestens durch ihr Prozeßverhalten angenommen hat. Eine schlichte Ausschlagung der Erbschaft war daher nicht ausreichend (§ 1943 Alt. 1 BGB). Die von der Bekl. ausdrücklich erklärte Anfechtung der „Versäumung der Ausschlagungsfrist“ (§ 1956 BGB) genügte ebensowenig. Vielmehr bedurfte es einer Anfechtung der Annahme (§§ 1954 , 1955 BGB). Wie den Umständen, insbesondere dem erstinstanzlichen Schriftsatz der Bekl. vom 16. 11. 1984 einwandfrei zu entnehmen ist, war die Anfechtung der (etwaigen) Annahme der Erbschaft in der Erklärung der Bekl. vom 21. 12. 1984 jedoch mit gemeint. Die Anfechtung war gem. § 119 II BGB begründet. Wie dem Zusammenhang der Urteilsgründe (noch) zu entnehmen ist, will das BerGer. der Bekl. darin folgen, daß sie sich - bis zu dem angeführten Hinweis des LG - auf den Erbvertrag von 1980 und darauf verlassen (und geglaubt) habe, daß das Vermächtnis zugunsten der Kl. keinen Bestand habe. Das ist rechtlich einwandfrei und begründet einen Eigenschaftsirrtum i. S. von § 119 II BGB in bezug auf die Erbschaft. Eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses i. S. von § 119 II BGB (vgl. RGZ 158, 50; BGH, NJW 1952, 778 L = LM § 779 BGB Nr. 2) wird weithin bejaht, wenn es sich um die Überschuldung des Nachlasses handelt. Eine solche kann aber auch dann anzunehmen sein, wenn es um die Belastung des Nachlasses mit wesentlichen Verbindlichkeiten geht, deren rechtlicher Bestand ungeklärt ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - der Irrtum ein Vermächtnis betrifft, das den Nachlaß derart belastet, daß der Pflichtteil des (vorläufigen) Erben gefährdet wäre. Dafür spricht auch § 2306 I 2 BGB, der dem zum Erben berufenen nächsten Angehörigen die Möglichkeit eröffnen will, seinen Pflichtteil durch Ausschlagung zu sichern, wenn er von den ihm lästigen Beschränkungen und Beschwerungen Kenntnis erlangt. Eine Annahme der Erbschaft, die der Erlangung der Kenntnis vorangegangen ist und insofern auf unzutreffenden rechtlichen Vorstellungen beruht, kann dem im allgemeinen nicht entgegenstehen.

Die Bekl. hat die Anfechtung innerhalb der Frist des § 1954 I BGB erklärt. Wenn das BerGer. davon ausgeht, daß diese an das NachlaßGer. gerichtete öffentlich beglaubigte Erklärung dort rechtzeitig eingegangen ist, dann ist das rechtlich nicht zu beanstanden. Diese Anfechtung gilt gem. § 1957 I BGB als rechtzeitige Ausschlagung, so daß die Erbschaft gem. § 1953 I BGB als der Bekl. nicht angefallen anzusehen ist. Die Kl. kann von der Bekl. daher nicht (mehr) die Erfüllung des Vermächtnisses verlangen. Schuldner des Vermächtnisses sind vielmehr diejenigen Personen, die infolge der während des Rechtsstreits erklärten Anfechtung rückwirkend Erben geworden sind (§ 2147 S. 2 BGB); nach dem Vortrag der Bekl. im Revisionsverfahren handelt es sich dabei um deren beide Kinder.

2. Was die Revisionserwiderung gegen die Wirksamkeit der Anfechtung vorbringt, kann ihr nicht zum Erfolg verhelfen. Daß die Bekl. sich auf ihre „Unkenntnis“ von dem rechtlichen Bestand des Vermächtnisses nicht berufen habe, trifft ausweislich des in Bezug genommenen Schriftsatzes vom 26. 11. 1984 ... nicht zu. Die Bekl. zu diesem Punkt gem. § 448 ZPO von Amts wegen zu vernehmen, war entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht geboten.

III. Obwohl die Kl. auch nach der Auffassung des BerGer. keinen materiellrechtlichen Anspruch gegen die Bekl. (mehr) hat, der ihren Klageantrag stützen könnte, gibt es der Klage statt. Dabei stützt es sich auf § 265 ZPO, der hier zumindest sinngemäß anzuwenden sei. Die Vorschrift greife bei jeder Rechtsnachfolge ein, soweit nicht ein Fall von §§ 239 ff. ZPO vorliege. Ihr Sinn treffe auch hier zu, wo die Bekl. durch ihre Ausschlagung den Übergang der Erbschaft einschließlich des Grundstücks auf Dritte bewirkt habe. Diese Ausführungen halten dem Angriff der Revision nicht stand.

Entgegen der Auffassung des BerGer. findet bei der Ausschlagung einer Erbschaft keine Rechtsnachfolge i. S. von § 265 ZPO (vom vorläufigen auf den endgültigen Erben) statt. § 1953 I BGB nötigt vielmehr dazu, den „vorläufigen Erben", der wirksam ausgeschlagen hat, materiellrechtlich von Anfang an als Nichterben anzusehen. Statt dessen fällt die Erbschaft gem. § 1953 II BGB dem Nächstberufenen an. Dieser gilt vom Erbfall an (rückwirkend) als Erbe; er ist der unmittelbare Rechtsnachfolger des Erblassers. Geschäfte, die der scheinbare Erbe in der Zwischenzeit in bezug auf die Erbschaft geführt hat, berühren die Rechtsstellung des endgültigen Erben, soweit nicht Gutglaubensvorschriften eingreifen, daher nur nach Maßgabe des § 1959 BGB. Dementsprechend können auch rechtskräftige Urteile, die in Rechtsstreitigkeiten des „Scheinerben“, seien es nun Aktiv- oder Passivprozesse, ergangen sind, den endgültigen Erben grundsätzlich nicht binden (vgl. z. B. Leipold, in: MünchKomm, § 1959 Rdnr. 12; § 1958 Rdnr. 9).

Ebensowenig wäre es gerechtfertigt, den Anwendungsbereich des § 265 ZPO so weit auszudehnen, daß er sogar den Fall noch mit umfaßt, in dem kraft Gesetzes an die Stelle des zunächst in Anspruch genommenen ein anderer Schuldner tritt. Für die befreiende Schuldübernahme und auch für einen Fall, in dem die Verpflichtung zur Zahlung einer Leibrente nach dem zugrundeliegenden Vertrag zunächst den Vertragspartner A und später bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses den Vertragspartner B treffen sollte, hat der BGH eine entsprechende Ausdehnung des § 265 ZPO bereits abgelehnt (BGHZ 61, 136 (142 ff.) = NJW 1973, 1749 = LM § 120 BBauG m. Anm. Arndt; LM § 265 ZPO Nr. 14). Für den vorliegenden Fall kann nichts anderes gelten. Zu den Gründen, die zu diesen Entscheidungen geführt haben und die im wesentlichen auch auf den vorliegenden Fall zutreffen, kommt noch hinzu, daß die Anwendung des § 265 ZPO hier zu einer Gefährdung oder Vereitelung des Pflichtteilsrechts der Bekl. führen könnte.

In einem Fall des § 2306 I 2 BGB, wie hier, muß der Erbe die ihn beschwerenden Vermächtnisse voll tragen, und zwar grundsätzlich auch auf Kosten seines eigenen Pflichtteils (vgl. BGHZ 95, 222 (227) = NJW 1985, 2828 = LM § 2818 BGB Nr. 2). Will der zum Erben Berufene dem entgehen, dann muß er die Erbschaft ausschlagen. Dadurch sichert ihm das Gesetz die Möglichkeit, stets in den Genuß seines vollen Pflichtteils zu kommen. Wegen dieses Pflichtteils muß er sich dann an denjenigen halten, der infolge der Ausschlagung Erbe ist. Dieser sieht sich zwar ebenfalls dem Vermächtnis ausgesetzt, dem der Pflichtteilsberechtigte mit Hilfe der Ausschlagung entgangen ist, kann dieses aber gegebenenfalls gem. § 2322 BGB soweit kürzen, daß ihm der zur Deckung des (vorrangigen) Pflichtteils erforderliche Betrag verbleibt (BGHZ 19, 309 (311) = NJW 1956, 507 = LM § 2322 BGB m. Anm. Johannsen). Diese Fragen ließen sich jedoch auf dem vom BerGer. gewählten Wege über § 265 ZPO nicht klären. Vielmehr müßte damit gerechnet werden, daß die Kl. mit Hilfe des angefochtenen Urteils Eigentümerin des Grundstücks würde. Dadurch würde ein etwaiges Vermächtniskürzungsrecht der neuen Erben und dadurch zugleich auch die Durchsetzung des Pflichtteils der Bekl. ohne Grund unnötigerweise mindestens erschwert.

IV. Hiernach ist die Klage infolge der Ausschlagung der Erbschaft durch die Bekl. noch vor Einlegung der Berufung unbegründet geworden, d. h. sie hat sich materiell erledigt (vgl. BGH, NJW 1986, 588 = LM § 91a ZPO Nr. 49). In einer solchen Lage wird der Kl. den Rechtsstreit zweckmäßig in der Hauptsache für erledigt erklären. Schließt der Bekl. sich dem uneingeschränkt an, dann ist mit den übereinstimmenden Erledigungserklärungen und durch sie die Rechtshängigkeit der Hauptsache beendet (vgl. BGH, NJW 1967, 564 = LM § 91a ZPO Nr. 24) und gem. § 91a ZPO nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.

Stimmt der Bekl. der Erledigungserklärung des Kl. dagegen nicht zu, liegt also nur eine einseitige Erledigungserklärung des Kl. vor, dann ist das Gericht der Entscheidung über den für erledigt erklärten Klageantrag jedenfalls insofern enthoben, als es diesem auf die einseitige Erledigungserklärung des Kl. nicht mehr stattgeben kann (vgl. BGH, NJW 1965, 1597 = LM § 91a ZPO Nr. 22; RGZ 156, 372 (376)). Das ist der Grund, der es rechtfertigt, den Streitwert regelmäßig auf den Betrag der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten zu begrenzen (vgl. BGH, NJW 1986, 588 = LM § 91a ZPO Nr. 49). Vielmehr ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nur noch zu prüfen, ob die Klage bis zu dem behaupteten erledigenden Ereignis zulässig und begründet war und ob sie durch das erledigende Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, dann spricht das Gericht die Erledigung durch Urteil aus. Ist das nicht der Fall, weil die Klage ohnehin schon unzulässig oder unbegründet war, dann weist das Gericht die Klage ab. Mit dieser Rechtsprechung ist den Interessen beider Parteien gedient: Einerseits soll sich der Kl. den Folgen einer von vornherein unzulässigen oder unbegründeten Klage, wenn er deren Aussichtslosigkeit erkennt, durch seine einseitige Erledigungserklärung nicht nachträglich entziehen können. Andererseits sollen dem Bekl. keine prozessualen Vorteile daraus erwachsen, daß die bis dahin zulässige und begründete Klage im Laufe des Rechtsstreits aussichtslos geworden ist (vgl. BGH, NJW 1986, 588 = LM § 91a ZPO Nr. 49).

Nun ist die Kl. diesen Weg hier aber nicht gegangen. Sie hat vielmehr ihre auf Leistung gerichtete Klage weiterverfolgt und auch noch im Revisionsverfahren als Revisionsbekl. in erster Linie die Bestätigung des zu ihren Gunsten ergangenen Berufungsurteils begehrt. Dieser trotz materieller Erledigung aufrechterhaltene Hauptantrag kann keinen Erfolg haben; die Zahlungsklage muß deshalb auf die Revision abgewiesen werden (BGH, NJW 1975, 163 (164) = LM - Allg. Geschäftsbedingungen - Nr. 58 m. Anm. Hiddermann). Dem kann die Kl. durch ihre nur hilfsweise abgegebene Erledigungserklärung nicht entgehen. Würde man der hilfsweise abgegebenen Erledigungserklärung Bedeutung auch im Rahmen der Entscheidung über das zu Unrecht aufrechterhaltene Leistungsbegehren beimessen, wie es der III. Zivilsenat des BGH in einem Sonderfall mit seinem Urteil vom 7. 11. 1974 (WM 1975, 167; teilweise abgedr. in NJW 1975, 539 = LM § 91a ZPO Nr. 33) möglicherweise einmal für richtig gehalten hat, und die Klageabweisung zusätzlich davon abhängig machen, daß die Klage auch bis zu dem erledigenden Ereignis schon (unzulässig oder) unbegründet war, dann würde damit die Bekl. unangemessen benachteiligt. Dabei würde nicht berücksichtigt, daß jeder Bekl. - wie § 269 I ZPO zeigt - grundsätzlich ein Recht auf ein Urteil über jeden gegen ihn erhobenen prozessualen Anspruch hat (BGH, LM § 91a ZPO Nr. 39 = WM 1979, 1128). Ließe man zu, daß ein Kl. einen geltend gemachten prozessualen Anspruch gerade für den Fall seiner Unbegründetheit mit Hilfe eines Eventualantrages der Entscheidung des Gerichts entzieht, dann wäre dadurch die prozessuale Stellung der Gegenpartei unangemessen beeinträchtigt. Da die Klageforderung im vorliegenden Fall infolge der Ausschlagung tatsächlich materiell erledigt ist, wäre im Hinblick auf § 91 ZPO außerdem das Kostenrisiko des Rechtsstreits in unangemessener Weise von der Kl. auf die Bekl. verlagert.

V. Erstmalig im Revisionsverfahren hat die Kl. hilfsweise den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Diese Erklärung, mit der die Kl. den Ausspruch begehrt, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt, verhilft dieser aber nicht zu einem für sie günstigeren Ausgang des Rechtsstreits.

Eine Erledigungserklärung ist grundsätzlich auch dann zu berücksichtigen, wenn der Kl. sie erst im Revisionsverfahren abgibt, und zwar gleichgültig, ob der Bekl. der Erledigung zustimmt (vgl. z. B. BGH, LM § 91a ZPO Nr. 34) oder weiterhin Klageabweisung beantragt. Das gilt jedenfalls dann, wenn das erledigende Ereignis (wie hier die Ausschlagung der Erbschaft) außer Streit ist (z. B. BGH, NJW 1976, 799 = LM § 91a ZPO Nr. 35 = WM 1976, 481; BGH, LM § 256 ZPO Nr. 121 = WM 1982, 619, 620 m. w. Nachw.). Der Senat hat auch keine Bedenken dagegen, die Erledigungserklärung der Kl. zuzulassen, obwohl die materielle Erledigung schon vor Einlegung der Berufung eingetreten ist und die Erklärung darüber schon im Berufungsverfahren hätte abgegeben werden können.

Die Erledigungserklärung der Kl. ist jedoch unbegründet; denn der Rechtsstreit kann nicht durch Urteil wegen einer lange zurückliegenden Erbschaftsausschlagung für schon erledigt erklärt werden, wenn die trotzdem aufrechterhaltene Klage gerade erst abgewiesen werden muß. Ein derartiges Urteil wäre widersprüchlich und würde der entstandenen prozessualen Lage nicht gerecht.

Demgemäß hat der VIII. Zivilsenat des BGH ausgesprochen, daß für eine Erledigungserklärung kein Raum ist, wenn der Kl. seine Räumungsklage in erster Linie aufrecht hält, obwohl der Räumungsanspruch bereits erfüllt ist (NJW 1967, 564 (565) = LM § 91a ZPO Nr. 24). In die gleiche Richtung weist es, wenn das BAG es für unzulässig erklärt hat, wenn der Bekl. einer Erledigungserklärung des Kl. nur hilfsweise für den Fall der Unbegründetheit seines Klageabweisungsantrages zustimmt (BAG, AP § 91a ZPO Nr. 11). Ebensowenig könnte es einem Bekl. helfen, wenn er nach dem Klageabweisungsantrag den Klageanspruch hilfsweise anerkennen, oder dem Kl., wenn er nach seinem Klageantrag hilfsweise einen Klageverzicht erklären wollte.

Hiernach ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen. Diese Entscheidung deckt sich nicht mit der Begründung, die der III. Zivilsenat seinem Urteil vom 7. 11. 1974 (WM 1975, 167; teilweise abgedr. in NJW 1975, 539 = LM § 91a ZPO Nr. 33) gegeben hat. Dennoch bedarf es keiner Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen. Der III. Zivilsenat hat das Berufungsurteil in der Entscheidung des ihm vorliegenden Sonderfalls nicht etwa deshalb aufgehoben, weil das BerGer die Klage abgewiesen hatte. Der III. Zivilsenat hat vielmehr ausdrücklich hervorgehoben, daß die vom LG ausgesprochene Verurteilung - nach der Erfüllung der Klageforderung - nicht bestehen bleiben konnte. Die Aufhebung beruht dementsprechend nur darauf, daß das BerGer. in jener Sache nicht auf die hilfsweise abgegebene Erledigungserklärung eingegangen war. Seinerzeit war anzunehmen, daß der Kl. seinen Zahlungsantrag fallen lassen und nur noch einseitig die Erledigung der Hauptsache erklären werde. Dementsprechend beziehen sich die Hinweise des III. Zivilsenats für die weitere Verhandlung nur noch darauf, wie das BerGer. in einer solchen Lage zu verfahren hatte. Wie zu entscheiden ist, wenn der Kl. seinen Klageantrag trotz inzwischen eingetretener Erfüllung aufrecht hält und die Hauptsache nur hilfsweise für erledigt erklärt, sagt das Urteil dagegen nicht. Anhaltspunkte dafür, daß der III. Zivilsenat in einer derartigen Lage - anders als der erkennende Senat - a) nicht die Klageabweisung, sondern die Erledigung der Hauptsache oder aber b) Klageabweisung und Erledigung nebeneinander ausgesprochen haben würde, lassen sich der Entscheidung nicht entnehmen.