BGHZ 113, 315: Mißbrauch der Vertretungsmacht


Zum Mißbrauch der Vertretungsmacht eines mit der Durchführung eines Bauvorhabens umfassend bevollmächtigten Vertreters des Bauherrn bei der Vergabe von Zusatzaufträgen.
Eine wirksame Anzeige der Leistung gemäß § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B liegt nicht vor, wenn der zur Entgegennahme der Anzeige ermächtigte Vertreter des Bauherrn die Ermächtigung mißbraucht und der Auftragnehmer den Mißbrauch kannte oder sich dieser nach den Umständen aufdrängte. Wenn die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden ist, verstößt § 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B gegen § 9 AGB- Gesetz und ist deshalb unwirksam.


Sachverhalt:

Die Deutsche Welle errichtete gemeinsam mit dem Deutschlandfunk Köln ein neues Rundfunkgebäude. Sie bediente sich dabei der D. Bau- und Grundstücks-Aktien-Gesellschaft - B. - als umfassend bevollmächtigter Vertreterin. Diese hat die Firma I. GmbH mit der örtlichen Bauführung beauftragt. Die Beklagte zu 1 (zukünftig nur Beklagte), deren Komplementärin die Beklagte zu 2 ist, hat Putz- und Trockenbauarbeiten ausgeführt. Auf ihre Schlußrechnung hat die Deutsche Welle 4172880,02 DM gezahlt.
Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht der Deutschen Welle Rückzahlung von 1723167,18 DM abzüglich am 4. Oktober 1985 gezahlter 177295,35 DM nebst Zinsen verlangt. Sie stützt die Klage auf die Feststellung der Rechnungsprüfung, daß Leistungen der Beklagten teilweise doppelt und dreifach berechnet worden seien. Außerdem sei die vereinbarte Lohngleitklausel rechtsunwirksam, weil nicht genehmigungsfähig. Die Beklagten verteidigen sich gegen die Klageforderung im wesentlichen wie folgt: Den Mehrfachberechnungen würden Zusatzarbeiten und Erschwernisse bei der Ausführung der Leistungen zugrundeliegen, für die nach einer von der Firma B. hingenommenen Abrede mit der Firma I. keine Nachtragsangebote hätten eingereicht werden sollen. Stattdessen sei vereinbart worden, die Mehraufwendungen durch das Vervielfältigen von Massen bei anderen bereits vorhandenen Positionen des Leistungsverzeichnisses abzurechnen. Das zur Abrechnung benutzte Datenverarbeitungssystem habe nämlich keine Position für unerwartete Mehrarbeit, Zulagen, Arbeitsbehinderungen und -erschwernisse vorgesehen. Eine Anpassung des Programms an die aktuellen Bedürfnisse sei aus Zeit- und Kostengründen unterblieben.
Hilfsweise haben die Beklagten mit angeblichen Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit der erheblichen Bauzeitverlängerung in Höhe von 1398900,38 DM aufgerechnet.
Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 1605861,07 DM nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht durch Teilurteil zurückgewiesen, soweit die Beklagten zur Zahlung von 1411151,09 DM nebst einem Teil der Zinsen verurteilt worden sind. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Revision eingelegt, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen.
Das teilweise angenommene Rechtsmittel der Beklagten führte im Umfang der Annahme zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:

I.
Das Berufungsgericht stellt fest, in der Schlußrechnung seien Leistungen in Höhe von 849947,10 DM zuzüglich Mehrwertsteuer mehrfach berechnet worden. Die Vergütung sei also für Leistungen gezahlt worden, die in der beschriebenen Form nicht erbracht worden seien.
Es meint, der Zahlungsanspruch der Klägerin sei in dieser Höhe aus im wesentlichen folgenden Erwägungen gerechtfertigt: Soweit Mehrfachberechnungen vorlägen, stehe fest, daß die Rechtsvorgängerin der Klägerin ohne Rechtsgrund gezahlt habe. Die Beklagten hätten keinen anderen Rechtsgrund dargelegt, aus dem die Beklagte die erhaltenen Zahlungen als Vergütung für die behaupteten Zusatzleistungen und Erschwernisse behalten dürfe. Die behauptete Vergütungsvereinbarung mit der Firma I. sei unwirksam, weil diese, bzw. die Firma B., die Vollmacht der Bauherrin erkennbar mißbräuchlich ausgenutzt hätten. Die Bauherrin sei offenbar nicht mit einer beträchtlichen Ausdehnung des Auftragsvolumens auf der Grundlage des praktizierten Abrechnungssystems einverstanden gewesen, weil damit jeder Kontrolle der Boden entzogen und Unregelmäßigkeiten geradezu Tür und Tor geöffnet worden sei. Ein Anspruch der Beklagten ergebe sich für notwendige Zusatzarbeiten nicht aus § 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B, weil keine wirksame Ankündigung der eventuellen Zusatzleistungen vorliege. Die Ankündigung gegenüber der Firma I. genüge nicht. Für nicht notwendige Arbeiten sei ein Vergütungsanspruch nach § 2 Nr. 8 Abs. 1 VOB/B ausgeschlossen. Ein Schadensersatzanspruch wegen der angeblichen Erschwernisse scheitere schon daran, daß ein konkreter Schaden nicht dargelegt sei.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, die Beklagten müßten darlegen, daß für die Zahlung der 849947,10 DM zuzüglich Mehrwertsteuer ein anderweitiger Rechtsgrund besteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muß der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs darlegen und beweisen, daß ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung nicht vorlag. Dabei kann er sich darauf beschränken, die vom Bereicherungsempfänger behaupteten Rechtsgründe auszuräumen (BGH; Urteil vom 7. Oktober 1974 - II ZR 119/73 = WM 1975,10,11 = NJW 1975,214,215; Senatsurteil vom 21. Oktober 1982 - VII ZR 369/80 = WM 1983,14,15 = NJW 1983,626,627; Urteil vom 9. Mai 1989 - XI ZR 174/88, nicht veröffentlicht, von JURIS dokumentiert). Gelingt ihm dies, ist der Bereicherungsempfänger für einen anderen Rechtsgrund der Leistung darlegungspflichtig. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Bauherrin die Zahlung zur Begleichung der in der Schlußrechnung aufgeführten Leistungen erbracht. Diese Leistungen sind in Höhe von 849947,10 DM mehrfach berechnet worden. In Höhe der Mehrfachberechnungen sind die ausgewiesenen Leistungen nicht erbracht worden. Das alles greift die Revision nicht an. Damit steht fest, daß die Zahlungen ohne den ihnen zugrunde gelegten Rechtsgrund geleistet wurden. Rechtsgrund für die Zahlungen war die vertragliche Verpflichtung, in Auftrag gegebene, tatsächlich erbrachte und entsprechend abgerechnete Leistungen vereinbarungsgemäß zu vergüten. Andere, nicht ausgewiesene und berechnete Leistungen sollten dagegen erkennbar nicht vergütet werden. Es ist deshalb nunmehr Sache der Beklagten vorzutragen, aus welchem Grund ihr die Vergütung gleichwohl zusteht.
2. Ein Rechtsgrund, die erhaltene Vergütung fordern und deshalb behalten zu dürfen, ist nicht die nach der Behauptung der
Beklagten mit der Firma I. getroffene Abrede über die Vergütung der angeblichen Zusatzleistungen.
a) Das Berufungsgericht läßt es dahinstehen, ob die Beklagten über den Ursprungsauftrag hinausgehende zusätzliche, für die Vertragserfüllung notwendige Leistungen ausreichend substantiiert vorgebracht haben. In der Revision ist deshalb davon auszugehen, daß derartige Leistungen erbracht worden sind.
b) Ein vertraglicher Vergütungsanspruch steht der Beklagten dafür nicht zu.
Inwieweit die Firma I. als mit der örtlichen Bauführung beauftragte Firma überhaupt befugt war, Zusatzaufträge zu vergeben, kann dahinstehen. Denn jedenfalls kann ihre Befugnis nicht weitergehen als diejenige der die Firma B., von der Firma I. ihre Vertretungsmacht ableitete. Die Firma B. konnte die Bauherrin mit der behaupteten Abrede nicht rechtsgeschäftlich verpflichten. Damit hätte sie ihre Vertretungsmacht, die nach der Unterstellung des Berufungsgerichts umfassend erteilt worden war, erkennbar mißbraucht. Das hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen.
aa) Nach dem Inhalt der Vereinbarung sollte die Beklagte vom Auftrag angeblich nicht erfaßte Zusatzleistungen erbringen, diese aber in der Schlußrechnung nicht offen ausweisen, sondern als Mehrleistungen unter im Leistungsverzeichnis bereits vorhandenen anderen Positionen abrechnen. Diese Art der Beauftragung konnte keine Billigung der Bauherrin finden, weil eine nachträgliche Überprüfung der nicht bezeichneten, aber angeblich erbrachten Zusatzleistungen damit wesentlich erschwert wurde. Daß die Bauherrin auf eine Überprüfbarkeit der Schlußrechnung Wert legen mußte, war schon deshalb deutlich, weil sie als öffentliche Auftraggeberin der Rechnungsprüfung unterlag.
bb) Zu Unrecht meint die Revision, der Mißbrauch der Vertretungsmacht erfasse nur die Vereinbarung über die Art und Weise der Verrechnung. Mißbräuchlich ist nicht nur die Vereinbarung über die Verrechnung der Zusatzleistungen, sondern vielmehr die Begründung von Zahlungspflichten für die Bauherrin, die diese nachträglich nicht mehr zuverlässig nachvollziehen kann. Die Umstände der Beauftragung schließen, verbunden mit der Art der Verrechnung, eine wirksame Kontrolle des Verpflichteten weitgehend aus, so daß nicht nur eine Überwachung des Auftragnehmers, sondern auch des Bevollmächtigten erschwert ist. Wie das Berufungsgericht zurecht hervorhebt, wird dadurch ein kollusives Zusammenwirken zwischen dem Auftragnehmer und den Bevollmächtigten der Bauherrin zu dem Zweck ermöglicht, in der Schlußrechnung überhöhte Massen abzurechnen, möglicherweise in der Hoffnung, daß dies in der Rechungsprüfung unentdeckt bleibt.
Entscheidend ist, daß die Bauherrin unter den Bedingungen einer nur ihren Bevollmächtigten und der Beklagten verständlichen Schlußrechnung Zusatzaufträge nicht erteilt hätte.
cc) Das alles konnte und durfte der Beklagten nicht verborgen bleiben.
Die angeblich erteilten Zusatzaufträge verpflichteten deshalb die Bauherrin nicht. Ein Geschäftsgegner, der den Mißbrauch der Vertretungsmacht erkannte oder dem sich aufgrund der Umstände aufdrängen mußte, daß der Vertreter die ihm eingeräumte Vertretungsmacht mißbraucht, ist in seinem Vertrauen auf den Bestand der Vertretungsmacht nicht schutzwürdig (BGH, Urteile vom 18. Mai 1988 - IVa ZR 59/87 = WM 1988,1199,1201 = NJW 1988,3012; vom 8. März 1989 - IVa ZR 353/ 87 = WM 1989,1068,1069 = NJW-RR 1989,642 und vom 3. Oktober 1989 - IX ZR 154/88 = WM 1989,1673,1675 = NJW 1990,384,385 jeweils m. w.Nachw.).
3. Die Beklagte kann für eventuelle Zusatzleistungen auch keine besondere Vergütung nach § 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B fordern. Es kann dahinstehen, ob § 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B der hier gebotenen Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG standhält, wie das Berufungsgericht meint. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor.
a) Nach § 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B kann der Auftragnehmer eine besondere Vergütung verlangen, wenn der Auftraggeber oder sein bevollmächtigter Vertreter eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert hat. Er muß den Anspruch vor Ausführung der Leistung ankündigen. Macht der Bevollmächtigte des Auftraggebers erkennbar mißbräuchlich von seiner Vertretungsmacht Gebrauch, gilt nichts anderes wie bei einer Vereinbarung mit dem Auftragnehmer. Die Forderung einer nicht vorgesehenen Leistung löst in diesem Fall keinen Vergütungsanspruch nach § 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B aus. Denn es ist ohne Belang, ob der Vergütungsanspruch vertraglich vereinbart wird, oder sich aus § 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B ergibt.
b) Die Beklagte kann die besondere Vergütung auch dann nicht nach § 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B fordern, wenn die Zusatzleistungen zur Erreichung einer ordnungsgemäßen Vertragsleistung notwendig gewesen sein sollten. Nach einer älteren Entscheidung des Senats kann in Ausnahmefällen eine Leistung, die zur Erreichung einer ordnungsgemäßen Vertragsleistung notwendig war, als geforderte Leistung im Sinne des § 2 Nr. 6 VOB/B angesehen werden (Senatsurteil vom 15. Mai 1975 - VII ZR 43/73 = Schäfer/Finnern Z 2.310 Bl. 40). Das ist allerdings, wie der Senat ausgeführt hat, dann nicht der Fall, wenn die Leistung vertragswidrig erbracht worden ist.
Vertraglich ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Vertrag ausgeführte Leistungen können nicht nach § 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B, sondern allenfalls nach § 2 Nr. 7 bzw. 8 VOB/B berechnet werden (Senat aaO). Das gleiche gilt auch für ausgeführte Leistungen, die, wie hier, unter einem Mißbrauch der Vertretungsmacht in Auftrag gegeben wurden.
Auf die weitere Frage, ob die Firma I. zur Entgegennahme der Ankündigung gemäß § 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B befugt war, kommt es deshalb in diesem Zusammenhang nicht an. 4. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Beklagten aus § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B nicht geprüft, weil es ersichtlich allein § 2 Nr. 6 VOB/B für anwendbar gehalten hat. Das ist jedoch - wie ausgeführt - nicht der Fall.
Unter den Voraussetzungen des § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/ B hat der Auftragnehmer einen Vergütungsanspruch, der entsprechend § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B zu ermitteln ist (vgl. Senatsurteil vom 4. April 1974 - VII ZR 222/72 = WM 1974,600 = NJW 1974,1241 = BauR 1974,273; Ingenstau/Korbion, VOB 11. Aufl. B § 2 Rdn. 392,378; Heiermann/Riedl/Rusam/ Schwaab, VOB 5. Aufl. B § 2 Rdn. 101). Es kann dahinstehen, ob die Regelung des § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B hier wirksam vereinbart worden ist, denn der Anspruch besteht schon deshalb nicht, weil die Beklagte der Bauherrin die Leistungen nicht unverzüglich angezeigt hat.
Nach der Rechtsprechung des Senats reicht eine Anzeige des Auftragnehmers gegenüber dem Vertreter des Auftraggebers grundsätzlich aus, wenn der Vertreter zur Entgegennahme der Anzeige ermächtigt ist (Senatsurteil vom 12. Juni 1975 - VII ZR 195/73 = WM 1975,799,780 = BauR 1975,358,359). Eine wirksame Anzeige liegt allerdings dann nicht vor, wenn der Vertreter diese Ermächtigung bei der Entgegennahme der Anzeige mißbraucht und der Auftragnehmer den Mißbrauch kannte oder sich dieser nach den Umständen aufdrängte. So lagen die Dinge nach der Darstellung der Beklagten hier. Die Beklagte hat die einzelnen angeblichen Zusatzleistungen lediglich mit der Firma I. abgesprochen, wobei von vornherein klar war, daß sie der Bauherrin nicht offen gelegt werden sollten und auch nicht offen gelegt wurden. Unter diesen Umständen hat die Firma I., für die Beklagte ohne weiteres erkennbar, ihre Ermächtigung zur Entgegennahme der Anzeige mißbraucht.
5. Das Berufungsgericht hat gesetzliche Ansprüche der Beklagten nicht geprüft. Es ist der Auffassung, eine Vergütung aufgrund gesetzlicher Ansprüche für nicht notwendige Leistungen sei gemäß § 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B ausgeschlossen. Diese Klausel verstoße nicht gegen § 9 AGB-Gesetz. Es fehle insbesondere ein Abweichung von den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, wonach niemand für etwas bezahlen müsse, das er nicht haben wolle.
Das greift die Revision zurecht an. § 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B schließt gesetzliche Ansprüche auch für notwendige Leistungen aus. Schon aus diesem Grunde hält die Klausel der hier gebotenen Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht stand.
a) Zurecht geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Parteien die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart haben und deshalb die Regelung des § 2 Nr. 8 VOB/B einer isolierten Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz unterzogen werden muß. Die von der Bauherrin verwendeten Besonderen Vertragsbedingungen EVM (B) BVB (1975) und Zusätzlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (Ausgabe 1975) EVM (B) ZVB (1975) enthalten für den Auftragnehmer nachteilige Bestimmungen, die in den Kernbereich der VOB/B eingreifen und deren Ausgewogenheit empfindlich stören. So sieht Nr. 22.5 der EVM (B) ZVB (1975) für angelieferte, aber noch nicht eingebaute Stoffe und Bauteile sowie für Bauteile, die für die geforderte Leistung eigens angefertigt und bereitgestellt sind, eine Abschlagszahlung von lediglich 70 Prozent des nach den Kosten des Auftragnehmers berechneten Wertes vor. Das verändert den Kerngehalt der VOB/B, weil nach deren § 16 Nr. 1 erbrachte Leistungen vollständig zu vergüten sind (Senatsurteil, BGHZ 101,357,361).
b) § 2 Nr. 8 Abs. 1 und Abs. 2 VOB/B regeln den Anspruch des Auftragnehmers, wenn Leistungen ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Vertrag ausgeführt worden sind. Diese Regelung ist abschließend. Demnach hat der Auftragnehmer selbst bei notwendigen Leistungen keinen Zahlungsanspruch, wenn er diese nicht unverzüglich angezeigt hat (OLG Hamburg, BauR 1982,69,70; Ingenstau/Korbion aaO Rdn. 391; Heiermann/Riedl/Rusam/Schwaab aaO Rdn. 92; Hundertmark DB 1987,32,35).
Soweit dadurch gesetzliche Ansprüche ausgeschlossen werden, ist das mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren. § 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B benachteiligt deshalb den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist gemäß § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz unwirksam. aa) Nach der gesetzlichen Regelung kann der Auftragnehmer bei auftragslos erbrachten Leistungen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. dazu Senatsurteil vom 2. März 1972 - VII ZR 143/70 = NJW 1972,940 - insoweit dort nicht abgedruckt; Grimme, Die Vergütung beim Werkvertrag, S. 236) und ungerechtfertigter Bereicherung haben (Senatsurteil vom 23. März 1972 - VII ZR 184/70 = Schäfer/Finnern Z 2.301 - Bl. 46; vgl. auch OLG Hamm MDR 1975,488 Nr. 40; OLG Stuttgart BauR 1977,291; von Craushaar BauR 1982,427 f.; Koller DB 1974,2385 ff., 2458 f.). Solche Ansprüche bestehen jedenfalls in aller Regel dann, wenn die Leistungen zur ordungsgemäßen Erfüllung des Vertrages notwendig waren. Von einer Anzeige der Leistung hängen sie nicht ab. Nach § 681 Satz 1 BGB hat der Geschäftsführer die Übernahme der Geschäftsführung zwar auch anzuzeigen, sobald es tunlich ist. Geschieht dies nicht, entfällt sein Anspruch auf Aufwendungsersatz jedoch nicht. Er kann sich allerdings schadensersatzpflichtig machen (Senat, BGHZ 65,354,357).
bb) Der demgegenüber in § 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B geregelte Ausschluß jeglichen Vergütungsanspruches ist eine schwerwiegende (Ingenstau/Korbion aaO Rdn. 391), den Auftragnehmer hart treffende Folge (von Craushaar BauR 1984,311,321), die durch die Interessen des Auftraggebers an der Anzeige nicht gerechtfertigt wird.
Die Anzeigepflicht schützt einerseits die Dispositionsfreiheit, andererseits die Erwartung des Bauherrn, alle für die Vertragserfüllung notwendigen Arbeiten in Auftrag gegeben zu haben, deshalb nur die vereinbarte Vergütung zu schulden und nicht nach Abschluß des Bauvorhabens mit weiteren Forderungen überrascht zu werden (vgl. Daub/Piel/Soergel/Steffani, VOB ErlZ B 2.162; von Craushaar aaO 322; Hundertmark aaO 36). Dieses Interesse an frühzeitiger Aufklärung rechtfertigt zwar eine Anzeigepflicht, nicht jedoch die Versagung gesetzlicher Ansprüche. Das hat der Senat schon in der Entscheidung zu § 681 Satz 1 BGB zum Ausdruck gebracht (aaO S. 357). Auch unter Berücksichtigung der besonderen Interessenlage beim Bauvertrag reicht es aus, die Verletzung der Aufklärunspflicht mit Schadensersatzansprüchen zu sanktionieren.
Nach § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B besteht ein Anspruch ohnehin nur, wenn die Arbeiten notwendig waren. Im Regelfall wird der Auftraggeber deshalb mit der Geschäftsführung einverstanden sein. Es ist unangemessen, dem Auftragnehmer im Hinblick auf die Fälle, in denen der Bauherr die Ausführung der Leistung in Wahrheit nicht billigt, weil er etwa einen anderen Unternehmer mit der Ausführung des Geschäfts beauftragen oder zeitlich anders disponieren wollte, den gesetzlichen Anspruch stets und insbesondere auch denn zu versagen, wenn er die Ankündigung aus Unachtsamkeit vergessen hat. Die Unbilligkeit der Regelung wird in den Fällen offenbar, in denen der Unternehmer sich irrtümlich zur Leistung verpflichtet gehalten hat. In diesen Fällen hat der Unternehmer zu einer Anzeige keine Veranlassung.
III.
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Beklagte eine Vergütung für zusätzliche Leistungen nach den gesetzlichen Vorschriften beanspruchen kann.
Eine abschließende Entscheidung des Senats über diese Frage ist nicht möglich, weil die Sache insoweit nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entscheidungsreif ist (wird ausgeführt).



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