Zweckverfehlungskondiktion (§ 812 I S. 2 BGB) bei Leistungen in Erwartung einer Erbeinsetzung; Erfordernis der Einigung über die Zweckbestimmung: Kenntnis und Billigung des Leistungsempfängers BGH, Urteil vom 29. November 1965 Fundstelle: Amtl. Leitsatz: Eine stillschweigende Einigung über den mit einer Leistung bezweckten Erfolg ist anzunehmen, wenn der Empfänger die Erwartung des Leistenden kennt und durch die Annahme zu verstehen gibt, daß er die Zweckbestimmung billigt. Zum Sachverhalt:
Der Kläger pachtete am 15. April 1950 von seiner Tante, Fräulein E., einen Laden auf die Dauer von 5 Jahren. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 22. April 1953 verpachtete sie ihm ferner eine daneben liegende Parzelle auf die Dauer von 30 Jahren gegen eine Nutzungsgebühr von jährlich 50 DM; ihm wurde das Recht zugestanden, auf diesem Grundstück einen Anbau an das von ihm bereits genutzte Haus zu errichten.
Am 6. Mai 1954 errichtete Fräulein E. ein Testament, in dem sie dem Kläger diesen Grundbesitz vermachte; die Kosten für die Testamentserrichtung zahlte der Kläger.
Im Laufe des Jahres 1953 ließ er den Anbau ausführen und bezahlte ihn. Er betreibt in dem Neubau eine Gastwirtschaft.
Am 11. Juni 1959 errichtete Fräulein E. ein neues Testament, in dem sie die Beklagten als Erben einsetzte und den Kläger nicht mehr bedachte. Sieben Tage später starb sie. 1. Das Berufungsgericht hält das zur Anwendung dieser Vorschrift nicht für ausreichend. Es verlangt eine rechtsgeschäftliche Bindung des Empfängers derart, daß er verpflichtet sei, den Erfolg herbeizuführen. Daran fehle es, so führt es aus, weil sich "die Vorstellungen und Motive der Tante nicht zu der... erforderlichen rechtsgeschäftlichen Bindung verdichtet" hätten; Fräulein E. habe sich vielmehr die Freiheit der Testierung bis zuletzt gewahrt. Mit diesen Ausführungen hat das Oberlandesgericht die Anforderungen überspannt, die an einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2, zweite Möglichkeit BGB (condictio causa data causa non secuta) zu stellen sind. Gemäß dieser Bestimmung hat der Empfänger die Bereicherung herauszugeben, wenn der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäft bezweckte Erfolg nicht eintritt. Daraus ergibt sich, daß das Gesetz zwar eine Einigung der Beteiligten über den Erfolg verlangt. Damit ist aber keine vertragliche Bindung gemeint; denn wenn sie vorliegt, ist das Rechtsverhältnis nach den Grundsätzen des Vertragsrechts abzuwickeln und nicht nach denen der ungerechtfertigten Bereicherung (u. a. Urt. v. 30. Mai 1963 - VII ZR 11/62-, WM 1963, 964). Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr, daß zwischen Empfänger und Leistendem eine tatsächliche Willenseinigung über den verfolgten Zweck erzielt wird, während andererseits die nur einseitige Erwartung des Leistenden nicht genügt (Urt. v. 17. April und 28. September 1961 - VII ZR 192/52 und 22/60). Ob eine solche Willenseinigung vorliegt, ist nach den Umständen des Falls zu ermitteln. Sie braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden, sondern kann auch stillschweigend zustande kommen. Eine solche stillschweigende Einigung wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der eine Teil mit seiner Leistung einen bestimmten Erfolg bezweckt, der andere dies erkennt und durch die Annahme zu verstehen gibt, daß er die Zweckbestimmung billigt. Will der Empfänger die Leistung nicht unter der ihm bekannten Voraussetzung annehmen, so muß er es sagen; andernfalls verlangen es Treu und Glauben, daß sein Verhalten als Einverständnis gewertet wird (RG JW 1932, 1372; WarnRespr 1942 Nr. 84; BGH LM § 1617 Nr. 1 a; Staudinger, BGB, 11. Aufl. , § 812 Rdn. 43 mit weiteren Nachweisen). Wenn die Ausführungen im BGB-RGRK § 812 Anm. 94 und 95, auf die sich das Berufungsgericht bezieht, anders zu verstehen sein sollten, so könnte ihnen aus den angegebenen Gründen nicht gefolgt werden. 2. Bei einer Beurteilung nach diesen Rechtsgrundsätzen steht dem Kläger der von ihm geltend gemachte Bereicherungsanspruch zu. (Wird ausgeführt.) 3. Die Gründe, die das Berufungsgericht für die von ihm vertretene entgegengesetzte Auffassung anführt, sprechen nicht gegen eine Einigung. a) In erster Linie verweist es darauf, daß die Zweckbestimmung im Pachtvertrag, dessen Vollständigkeit zu vermuten sei, nicht erwähnt werde; es bezieht sich hierzu auf die in BGB RGRK § 812 Anm. 95 angeführte Entscheidung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 27. Juni 1956 - IV ZR 63/56-. Die in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze sind hier aber nicht zu verwenden. Dort handelte es sich darum, ob neben einem notariellen Grundstückskaufvertrag mündlich vereinbart worden war, das Grundstück müsse in einer bestimmten Weise (für Kleingärten) genutzt werden. Die Aufnahme einer solchen Abrede in den Vertrag hätte allerdings nahegelegen. Im übrigen wäre zu erwägen, einen Fall dieser Art nur nach Grundsätzen des Vertragsrechts und nicht nach solchen der ungerechtfertigten Bereicherung zu behandeln (vgl. hierzu v. Caemmerer, Festschr. f. Rabel, S. 333, 346 f; Larenz, Schuldrecht, 7. Aufl. , II § 63 II). Anders ist die Lage hier. Die Erfahrung lehrt, daß Zusagen, einen Verwandten als Erben einzusetzen, häufig nicht schriftlich niedergelegt werden, auch wenn der Betreffende im Vertrauen darauf Leistungen erbringt. Das hat seinen guten Grund, weil solche Zusagen gemäß dem § 2302 BGB nichtig sind und auch ein Erbvertrag nicht vor einer Verfügung unter Lebenden schützt (§ 2286 BGB; Urt. v. 28. Februar 1963 - VII ZR 194/61). b) Der Umstand, daß der Kläger mit seiner Tante über einen Ankauf des Grundstücks verhandelt hat, nachdem es zu Unstimmigkeiten gekommen war, besagt in diesem Zusammenhange nichts. Die Einigung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2, zweiter Fall, BGB verlangt nicht, wie bereits ausgeführt worden ist, eine vertragliche Bindung. Deswegen ist es nicht richtig, wenn das Berufungsgericht von einem etwaigen "einseitigen Bruch" der Vereinbarung spricht und Schlüsse daraus zieht, daß der Kläger dem nicht widersprochen habe. Die "Freiheit der Testierung" blieb Fräulein E. auch dann erhalten, wenn sie die Zweckbestimmung der Aufwendungen des Klägers anerkannt hatte. Unter diesen Umständen hatte der Kläger hinreichend Grund, sich auf gütlichem Wege zu einigen und zu versuchen, das Grundstück durch Kauf zu erwerben. |