Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein.
Ihm fließen beträchtliche öffentliche und private Mittel
zu. Für deren Verwaltung war der Beklagte als Vorstandsmitglied verantwortlich.
Im Dezember 1961 veranlaßte der Vereinsvorsitzende eine Buchprüfung.
Hierbei stellte sich heraus, daß die Geschäftsbücher unzulänglich
geführt worden waren. Aus den Prüfungsergebnissen schließt
der Kläger, der Beklagte habe erhebliche Beträge veruntreut.
Dieser zahlte dem Kläger 60 000 DM, bestritt aber die ihm zur Last
gelegten Veruntreuungen. Der Kläger erhob daraufhin Klage und verlangte
im ersten Rechtszuge einen weiteren Teilbetrag von 47 413,70 DM ersetzt.
Das Landgericht gab der Klage statt. Der Beklagte, der mittlerweile in
Untersuchungshaft genommen worden war, legte Berufung ein. Inzwischen bezifferte
der Kläger den ihm zu ersetzenden Restschaden auf etwa 240 000 DM,
nachdem die Staatsanwaltschaft in dem gegen den Beklagten eingeleiteten
Strafverfahren Anklage erhoben und ihm vorgeworfen hatte, insgesamt etwa
300 000 DM veruntreut zu haben. Vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist
schlossen die Parteien vor dem Kammergericht zur Abgeltung aller gegenseitigen
Ansprüche einen Prozeßvergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete,
dem Kläger einschließlich der in diesem Prozeß geltend
gemachten Beträge noch 125 000 DM zu zahlen.
Nunmehr streiten die Parteien, ob der Prozeßvergleich
rechtswirksam und der Rechtsstreit durch ihn erledigt worden ist. Der Beklagte
hält ihn unter anderem deshalb für nichtig, weil er gegen die
guten Sitten verstoße. Hilfsweise hat er ihn wegen arglistiger Täuschung
angefochten.
Das Berufungsgericht hat die Wirksamkeit des Vergleichs
bejaht und festgestellt, der Rechtsstreit sei durch ihn erledigt. Die Revision
des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache
an das Berufungsgericht.
Aus den Gründen:
a) Dem Berufungsgericht ist an sich zuzustimmen,
daß die Behauptung des Beklagten, tatsächlich nichts veruntreut
und deshalb nichts geschuldet zu haben, für sich genommen unter dem
Gesichtspunkt des § 138 BGB nicht schlüssig ist. Hiermit wäre
zwar dargetan, rückblickend bestehe ein krasses Mißverhältnis
zwischen der objektiven Rechtslage, wie sie vor Abschluß des Vergleichs
bestanden, und den Verpflichtungen, die der Beklagte im Vergleich übernommen
habe. Für die Beurteilung der Frage, ob der eine Vertragspartner den
anderen gemäß § 138 Abs. 1 oder 2 BGB sittenwidrig übervorteilt
hat, kommt es aber bei einem Vergleich regelmäßig nicht auf
eine Gegenüberstellung der Vergleichspflichten und der wahren Ausgangslage,
sondern darauf an, wie die Parteien die Sach- und Rechtslage bei Abschluß
des Vergleichs eingeschätzt haben und in welchem Ausmaß sie
davon abgewichen sind und zur Bereinigung des Streitfalls gegenseitig nachgegeben
haben (BGH NJW 1964,1787/88). Denn im allgemeinen verbietet es sich, einen
Vergleich, selbst wenn ihn die begünstigte Partei mit nicht zu billigenden
Mitteln herbeigeführt hat, als sittenwidrig zu behandeln, wenn er
seinem Inhalt nach aus der Sicht beider Vertragsparteien bei Vergleichsabschluß
als sachgerechte Bereinigung des Streitfalls erschien. Im vorliegenden
Falle hat der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
einen Restschaden von 240 000 DM geltend gemacht. Der Beklagte hatte dagegen
jede Schuld bestritten. Geht man nur von dieser nach außen zutage
getretenen Bewertung der Sach- und Rechtslage durch die Parteien aus, kann
von unverhältnismäßigen Zugeständnissen des Beklagten
und einem Mißverhältnis im beiderseitigen Nachgeben nicht gesprochen
werden.
Diese Beurteilung ist aber im vorliegenden Fall
zu eng; sie wird dem weitergehenden Vortrag des Beklagten über die
Umstände, unter denen es zum Vergleichsabschluß gekommen ist,
nicht ausreichend gerecht. Dieser Vortrag läuft.. . unter anderem
sinngemäß auf die Behauptung hinaus, der Vorstand des Klägers
habe selbst an die Höhe der geltend gemachten Forderung nicht geglaubt,
sondern die Ansprüche willkürlich hochgeschraubt und das - für
ihn erkennbar fehlerhafte - Zahlenwerk der Anklageschrift nur als Vorwand
genommen, um die Forderung zu überhöhen und ihn, den Beklagten,
auf diese Weise zu unverhältnismäßigen Zugeständnissen
zu bewegen. Sollte das der Fall sein, könnte die vom Kläger nach
außen hin vorgegebene Einschätzung der Lage kein Maßstab
für die Beurteilung der Frage sein, ob er unverhältnismäßige
Zugeständnisse des Beklagten durchgesetzt hat; das tatsächliche
Nachgeben des Klägers wäre dann nicht nur nach der objektiven
Ausgangslage, sondern auch vom subjektiven Standpunkt des Vereinsvorstands,
auf den es hier ankommt, sehr viel geringer gewesen oder gleich Null zu
setzen. Hätte der Kläger dann außerdem die besondere Situation
des Beklagten als Untersuchungshäftling ausgenutzt, wie dieser es
behauptet, um den Vergleich herbeizuführen, so könnte eine zusammenfassende
tatrichterliche Würdigung möglicherweise zu dem Ergebnis kommen,
der Kläger habe den Beklagten in einer gemäß § 138
BGB vorwerfbaren Weise übervorteilt.
b) Die Ansicht des Beklagten, der Prozeßvergleich
sei jedenfalls gemäß §§ 123,142 BGB infolge seiner
Anfechtungserklärung nichtig, läßt sich ebenfalls mit der
bisherigen Begründung des Berufungsgerichts nicht abschließend
verneinen.
Diesem ist darin zu folgen, daß sich eine
wirksame Anfechtung nicht aus der Behauptung des Beklagten herleiten läßt,
der Kläger habe seine Forderung unzutreffend und arglistig auf die
Summe von 240 000 DM beziffert. Selbst wenn dieser Sachverhalt zuträfe,
hätte ein Anfechtungsrecht nur bestanden, wenn die Entschließung
des Beklagten hierauf beruht hätte. Das ist nicht der Fall. Der Beklagte
hat selbst vorgetragen, stets, auch bei Vertragsschluß, davon überzeugt
gewesen zu sein, dem Kläger nichts zu schulden, sich also insofern
nicht haben täuschen lassen
Einer erneuten Prüfung bedarf aber derjenige
Sachvortrag, mit dem der Beklagte hat dartun wollen, daß er den Prozeßvergleich
in der irrtümlichen Annahme abgeschlossen habe, von ihm bei einer
für ihn günstigen Aufklärung der Dinge
wieder loskommen zu können, und daß
der Vorstand oder der Prozeßbevollmächtigte des Klägers
diesen Irrtum gekannt und ausgenutzt habe. Das Berufungsgericht hat dieses
Vorbringen unter dem Gesichtspunkt des § 123 BGB schon deshalb für
unschlüssig gehalten, weil nicht der Beklagte, sondern seine Anwälte
den Vergleich abgeschlossen hätten. Gegen diese Rechtsansicht bestehen
Bedenken. Regelmäßig ist zwar ein Rechtsgeschäft, das ein
Vertreter abgeschlossen hat, wegen arglistiger Täuschung nur anfechtbar,
wenn sich der Vertreter vom Geschäftsgegner hat täuschen lassen.
Das ergibt sich aus § 166 Abs. 1 BGB. Die Besonderheit des vorliegenden
Falles besteht aber darin, daß der Beklagte im Vergleichstermin selbst
zugegen war. Beteiligt sich die Prozeßpartei an den gerichtlichen
Vergleichsverhandlungen, so ist es je nach den Umständen des Einzelfalles
möglich, daß nicht ihr Anwalt, sondern sie selbst die eigentliche
Entscheidung trifft, ob der Vergleich mit dem ausgehandelten Inhalt angenommen
werden soll. Schließt der Prozeßbevollmächtigte dann den
Vergleich ab, so setzt er in einem solchen Fall im wesentlichen nur den
Geschäftswillen seines Mandanten in die Tat um, er handelt nach dessen
Weisungen. Im vorliegenden Falle liegt es - vorbehaltlich einer abschließenden
Klärung des Sachverhalts - zumindest nahe anzunehmen, daß die
Dinge so lagen. Darum stellt sich die Frage, ob auch hier die allgemeine
Regel des § 166 Abs. 1 BGB eingreift oder ob es vielmehr geboten ist,
die Vorschrift des § 166 Abs. 2 BGB, die einen - allerdings anderen
- Fall der weisungsbestimmten Stellvertretung behandelt, entsprechend anzuwenden.
Im Schrifttum wird überwiegend die Ansicht
vertreten, § 166 Abs. 2 BGB sei auf Willensmängel in der Person
des Vertretenen nicht auszudehnen (vgl. u. a. Staudinger/Coing, BGB 11.
Aufl. § 166 Anm. 18; Soergel/Schultze v. Lasaulx, BGB 10. Aufl. §
166 Anm. 33; Flume, Das Rechtsgeschäft S. 874; weitere Nachweise bei
Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft S. 402
Fn. 25). Die Anfechtungsfrage bei der Stellvertretung wird allerdings vorwiegend
unter dem Gesichtspunkt erörtert, ob und inwieweit sich Willensmängel,
die die Vollmachterteilung beeinflußt haben, auf das Vertretergeschäft
auswirken. Darauf braucht hier nicht eingegangen zu werden. Im vorliegenden
Falle geht es um die Frage, wie Willensmängel zu behandeln sind, die
die Weisung beeinflußt haben, die der Vollmachtgeber dem Vertreter
n a c h dessen Bevollmächtigung erteilt hat, ohne die bereits begründete
Vertretungsmacht abzuändern. Gegen die entsprechende Anwendung des
§ 166 Abs. 2 BGB läßt sich zunächst einwenden, die
Bestimmung, wie sich die Kenntnis des Vollmachtgebers oder sein »Kennenmüssen«
von rechtsereblichen Umständen auf die Folgen einer vom Vertreter
weisungsgemäß abgegebenen Willenserklärung auswirke, habe
nichts mit dem rechtswirksamen Bestand der Vertretererklärung zu tun,
um den es bei der ganz anderen Frage gehe, ob Willensmängel des Vollmachtgebers
diese Erklärung anfechtbar machen. Ferner spielt der Zweck jener Vorschrift,
zum Schutze des G e s c h ä f t s g e g n e r s »zu verhüten,
daß durch die Bevollmächtigung eines Dritten die gesetzliche
Folge der Mangelhaftigkeit eines Rechtsakts umgangen werde« (BGHZ
38,65,67), bei Willensmängeln in der Person des Vollmachtgebers keine
Rolle. Als Haupteinwand gegen die entsprechende Anwendung des § 166
Abs. 2 BGB wird jedoch auch hier - wie bei den Willensmängeln der
Vollmachterteilung - vor allem geltend gemacht, daß einerseits das
Vertretergeschäft, an dem der Vollmachtgeber als unmittelbar Handelnder
nicht beteiligt ist, und andererseits die Vorgänge im Innenverhältnis
zwischen Vertreter und Vertretenem rechtlich voneinander getrennt zu haltende
Tatbestände seien. Das Vertretergeschäft komme in der Person
des Vertreters zustande, nur die Wirkungen würden auf den Vertretenen
bezogen; Willensmängel des Vertretenen könnten sich daher unmittelbar
auf das Vertretergeschäft nicht auswirken. Diese Vorstellung hat,
wie die Gesetzesmaterialien ergeben, besonders die Verfasser des Bürgerlichen
Gesetzbuches beherrscht (Mot. Bd. I S. 226/227) und unter anderem dazu
geführt, auch bei der weisungsbestimmten Stellvertretung für
Willensmängel keine besondere Regelung zu treffen.
Diese Gesichtspunkte greifen jedoch letzten Endes
- zumindest bei der arglistigen Täuschung - nicht durch. Allen drei
in § 166 Abs. 1 und 2 BGB getroffenen Regelungen ist der Grundgedanke
gemeinsam, es komme jeweils auf die Person und die Bewußtseinslage
bei der Willensbildung desjenigen an, auf dessen Interessenbewertung und
Entschließung der Geschäftsabschluß beruhe. Das ist, handelt
er selbständig, der Vertreter. Dagegen ist es der Vollmachtgeber,
wenn er dem Vertreter eine besondere Weisung erteilt und damit s e i n
Geschäftswille Abgabe und Inhalt der Vertretererklärung entscheidend
bestimmt. Aus diesem Grunde kann der Vollmachtgeber dem Geschäftsgegner
entgegenhalten, dieser habe den - selbständig handelnden - Vertreter
getäuscht (§ 166 Abs. 1, I. Fall), daher muß er umgekehrt
die Kenntnis des selbständig handelnden Vertreters von rechtserheblichen
Umständen gegen sich gelten lassen (§ 166 Abs. 1,2. Fall), und
deshalb soll er sich, wenn er solche Umstände selbst kennt, nicht
hinter der Gutgläubigkeit des seine Weisungen befolgenden Vertreters
verstecken dürfen (§ 166 Abs. 2). Folgerichtig ist es dann aber
auch, daß der Vollmachtgeber eine ihm gegenüber begangene arglistige
Täuschung nicht wehrlos hinzunehmen braucht, wenn der Geschäftsgegner
hierdurch die dem Vertreter erteilte Weisung beeinflußt und so das
Geschäft zustande gebracht hat. Der Gedanke, es komme auf die Person
dessen an, auf dessen Geschäftswillen die Willenserklärung des
Vertreters tatsächlich beruht, muß sich auch hier, und zwar
zugunsten eines Anfechtungsrechts des Vollmachtgebers, durchsetzen; zudem
führt er in diesem Falle allein zu einem sachgerechten Ergebnis. Denn
es wäre unerträglich, könnte der Geschäftsgegner als
Frucht seiner arglistigen Täuschung eine im Anfechtungswege nicht
angreifbare Rechtsposition erwerben und behalten. Der Schutz der §§
823 Abs. 2,826 BGB reicht für den Getäuschten nicht aus. Er setzt
den Nachweis eines Schadens voraus. Hierauf kommt es nach § 123 BGB
nicht an; durch diese Vorschrift wird nicht das Vermögen, sondern
die Entschließungsfreiheit des Getäuschten geschützt. Die
rechtliche Selbständigkeit des Vertretergeschäfts einerseits
und der Weisung im Vertretungs-Innenverhältnis andererseits, die in
anderen Fällen rechtlich bedeutsam ist, muß daher jedenfalls
hier hinter einer einheitlichen Behandlung des Gesamtgeschäfts zurücktreten;
die Dinge liegen bei der weisungsbestimmten Stellvertretung auch in tatsächlicher
Hinsicht nur unwesentlich anders, als hätte der getäuschte Vollmachtgeber
das Geschäft selbst abgeschlossen. In Fällen dieser Art ist daher
auf Willensmängel des weisungsgebenden Vertretenen, die auf arglistiger
Täuschung , beruhen, die analoge Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB
geboten und die Willenserklärung des Vertreters gemäß §
123 BGB anfechtbar (vgl. u. a. Rosenberg, Stellvertretung im Prozeß
S. 237 ff, 241,740; Larenz, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts
S. 551). Ob sich der Vertreter ebenfalls hat täuschen lassen, ist
nicht entscheidend, weil das Geschäft seinem Inhalt nach im wesentlichen
nicht auf seiner Entschließung beruht.
Im vorliegenden Fall hängt daher die Entscheidung
über die Rechtswirksamkeit der Anfechtungserklärung des Beklagten
davon ab, ob dem Kläger eine arglistige Täuschung vorzuwerfen
ist, die die Entschließung des Beklagten beeinflußt hat. Das
kann ohne zusammenfassende tatrichterliche Würdigung des Ergebnisses
der vom Beklagten beantragten Beweisaufnahme sowie der sonstigen bei den
Vergleichsverhandlungen zutage getretenen Umstände nicht beantwortet
werden. Hierbei braucht es nicht notwendigerweise darauf anzukommen, ob
die Vertreter des Klägers selbst dem Beklagten erklärt haben,
der Vergleich sei gegebenenfalls später zu seinen Gunsten abänderbar.
Eine arglistige Täuschung (durch »Verschweigen«) könnte
auch vorgelegen haben, wenn der Beklagte dem Vergleich ersichtlich nur
in der Überzeugung seiner Widerruflichkeit zugestimmt hätte und
die Vertreter des Klägers das erkannt, aber bewußt geschwiegen
hätten, obgleich sie nach den besonderen Umständen des Falles
nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wären, den Irrtum des Beklagten
aufzuklären.