Deliktische Produzentenhaftung - Beweislastumkehr ("Hühnerpest-Fall")
BGH, Urteil vom 26.11.1968, VI ZR 212/66
Fundstellen:

BGHZ 51 , 91
NJW 1969, 269
LM § 823 (I) BGB Nr. 22
MDR 1969, 209
JZ 1969, 387
BB 1969, 12
DB 1969, 32
WM 1969, 38
VersR 1969, 155



Amtl. Leitsatz:

Wird bei bestimmungsgemäßer Verwendung eines Industrieerzeugnisses eine Person oder eine Sache dadurch geschädigt, daß das Produkt fehlerhaft hergestellt war, so muß der Hersteller beweisen, daß ihn hinsichtlich des Fehlers kein Verschulden trifft. Erbringt der Hersteller diesen Beweis nicht, so haftet er nach Deliktsgrundsätzen. Ein Zwischenerwerber kann den bei einem Dritten eingetretenen Schaden nicht nach Vertragsrecht liquidieren.


Zum Sachverhalt:

Die Klägerin, die eine Hühnerfarm betreibt, ließ am 19. November 1963 ihre Hühner durch den Tierarzt Dr. H. gegen Hühnerpest impfen. Einige Tage danach brach jedoch die Hühnerpest aus. Mehr als 4 000 Hühner verendeten, über 100 mußten notgeschlachtet werden. Die Klägerin nimmt die Beklagte, ein Impfstoffwerk, auf Ersatz ihrer Schäden in Anspruch. Der Tierarzt hatte für die Impfung den von der Beklagten hergestellten Impfstoff XY verwendet. Diesen hatte er Anfang November 1963 in 500 ccm-Flaschen von der Beklagten bezogen. Die Flaschen stammten aus der Charge ALD 210, die die Beklagte am 18. Oktober 1963 im Staatlichen Paul-Ehrlich-Institut in Frankfurt a. M. hatte prüfen lassen; dabei war die Charge freigegeben worden. Anschließend hatte die Beklagte sie in ihrem Betrieb auf handelsübliche Gefäße abgefüllt. Bei Behältnissen unter 500 ccm geschieht dies unter luftdichtem Abschluß bei Unterdruck; bei größeren Flaschen ließ es die Beklagte im offenen Eingußverfahren durchführen, jedoch im abgeschlossenen Raum bei ultravioletter Bestrahlung. Als Dr. H. wenige Tage darauf am 22. November 1963 bei dem Landwirt R. die Hühner impfte, brach auch dort die Hühnerpest aus. Dasselbe trat Ende November 1963 bei drei Geflügelzüchtern in Württemberg ein, die ihre Hühner ebenfalls mit dem Impfstoff der Beklagten aus der Charge ALD 210 hatten impfen lassen. Als daraufhin das Tierärztliche Untersuchungsamt Stuttgart mehrere Flaschen dieser Charge von der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen untersuchen ließ, wurden in einigen Flaschen bakterielle Verunreinigungen und noch aktive ND (Newcastle Disease)-Viren festgestellt, die nicht ausreichend immunisiert worden waren. Auch das Paul-Ehrlich-Institut stellte fest, daß einige der ihm zur Überprüfung eingesandten Flaschen unsteril waren und in ihnen ND-Virus nachgewiesen werden konnte. Die Beklagte hat bestritten, daß der Ausbruch der Hühnerpest auf die Verwendung ihres Impfstoffes zurückzuführen sei. Jedenfalls könne die fehlende Sterilität der Flaschen nicht die Ursache gewesen sein. Hierzu hat sie sich auf das von ihr überreichte Gutachten von Prof. Dr. E. bei der Bundesforschungsanstalt für Viruserkrankungen berufen. Sie hat für die Arbeiter und die Leiterin ihrer Virus-Abteilung den Entlastungsbeweis angetreten.
Landgericht und Oberlandesgericht haben den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der in den an Dr. H. gelieferten Flaschen enthaltene Impfstoff durch Bakterien verunreinigt gewesen sei, und hält für erwiesen, daß der Ausbruch der Hühnerpest hierauf zurückzuführen sei. Selbst der von der Beklagten zugezogene Gutachter Prof. Dr. E. vermöge nicht auszuschließen, daß es zu der Verunreinigung durch eine Fahrlässigkeit der beim Abfüllen von der Beklagten beschäftigten Personen gekommen sei. Für deren Verschulden müsse sie gemäß § 278 BGB im Verhältnis zu dem Käufer des Impfstoffes, dem Tierarzt, einstehen. Dieser aber sei berechtigt gewesen, den bei der Klägerin eingetretenen Schaden ersetzt zu verlangen. Da er seinen Ersatzanspruch an die Klägerin abgetreten habe, sei der Klageanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt.

 I. Die Grundsätze über die Drittschadensliquidation können im vorliegenden Falle nicht angewendet werden.

 1. Grundsätzlich kann auf Grund eines Vertrages nur der den Ersatz eines Schadens verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt. Tritt der Schaden bei einem Dritten ein, so haftet ihm der Schädiger - von besonderen Ausnahmen abgesehen (vgl. § 618 Abs. 3 mit §§ 844,845 BGB) - nur nach Deliktsrecht. Diese Unterscheidung zwischen begünstigter Vertragshaftung und begrenzter Deliktshaftung gehört zum System des geltenden Haftungsrechts und ist nicht nur ein theoretisches Dogma. Nur in besonderen Fällen hat die Rechtsprechung Ausnahmen zugelassen, nämlich dann, wenn das durch den Vertrag geschützte Interesse infolge besonderer Rechtsbeziehungen zwischen dem aus dem Vertrag berechtigten Gläubiger und dem Träger des Interesses dergestalt auf den Dritten »verlagert« ist, daß der Schaden rechtlich ihn und nicht den Gläubiger trifft. Daraus darf der Schädiger keinen Vorteil zum Nachteil des Dritten ziehen: er muß dem Gläubiger den Drittschaden ersetzen. Das gilt - von den seltenen Fällen einer "Gefahrentlastung" abgesehen (BGHZ 40,91,100) - dann, wenn der Gläubiger für Rechnung des Dritten kontrahiert hatte (BGHZ 25,250,258) oder wenn die Sache, deren Obhut der Schuldner versprochen hatte, nicht dem Gläubiger, sondern dem Dritten gehörte (BGHZ 15,224).

 a) Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Eine » Interessenverknüpfung« kraft mittelbarer Stellvertretung kommt nicht in Betracht. Dr. H. hatte den Impfstoff nicht im Auftrage und nicht für Rechnung der Klägerin gekauft. Als er ihn bei der Beklagten bestellte und bezog, wußte er noch nicht, bei welchem Landwirt er ihn anwenden werde. In aller Regel wird ein Tierarzt - wie durchweg ein Werkunternehmer sein Material - seine Medikamente selbst dann nicht im Auftrag und für Rechnung eines Patienten oder Auftraggebers kaufen, wenn er sie zur Ausführung eines ihm schon erteilten Behandlungsauftrages benötigt. Der dem Urteil des Reichsgericht DR 1941,637 = HRR 1941,225 zugrunde liegende Sachverhalt lag entscheidend anders. Hier geht es auch nicht um einen der Fälle, in denen die dem Schuldner in Obhut gegebene Sache nicht dem Vertragsgegner, sondern einem Dritten gehört. Zwar mag Dr. H. eine »Obhutspflicht« bezüglich der Hühner der Klägerin obgelegen haben. Drittschadensliquidation setzt aber voraus, daß die Obhutspflicht zwischen Gläubiger und Schuldner bestanden hat (BGHZ 40,101). Das war hier nicht der Fall.

 b) Von diesen Grundsätzen geht an sich auch das Berufungsgericht aus. Es ist sich auch dessen bewußt, daß grundsätzlich der Hersteller und Lieferant einer Ware, die sein Käufer an einen Dritten weiterverkauft hat, nicht schon auf Grund des Kaufvertrages für Schäden einzustehen braucht, die einem Dritten entstanden sind (BGHZ 40,104,105). Dennoch glaubt es, im vorliegenden Fall die Liquidierung des Drittschadens zulassen zu können. Hier habe die einwandfreie Beschaffenheit des Impfstoffes entscheidend im Interesse der Klägerin, an deren Hühnern er angewendet wurde, gelegen. Der Tierarzt habe die Beschaffenheit des Impfstoffes nicht überprüfen können, sondern sich auf sorgfältige Herstellung durch die Beklagte verlassen müssen. Diese habe daher davon ausgehen müssen, daß ihre Pflicht zu einwandfreier Lieferung nicht nur gegenüber dem Tierarzt, sondern gegenüber den jeweiligen Hühnerhaltern bestanden habe.

 c) Diese Erwägungen reichen nicht aus, um einen Fall zulässiger Drittschadensliquidation anzunehmen. Der Bundesgerichtshof hat bereits in seinem Urteil BGHZ 40,99 ff betont, daß dem durch Mängel der Kaufsache geschädigten Dritten nicht schon durch eine auf Treu und Glauben gestützte Auslegung des Kaufvertrages ein aus diesem Vertrag abgeleiteter Ersatzanspruch gewährt werden kann. Er ist in dieser Entscheidung von dem Urteil des Reichsgerichts RGZ 170, 246 abgerückt. Auch das Berufungsgericht hat keine konkreten Anhaltspunkte dafür festgestellt, weshalb die Beklagte bereit und willens gewesen sein sollte, ihrem Vertragsgegner, dem Tierarzt, weitergehende Schadensersatzansprüche einzuräumen, als sie nach dem gesetzlichen Kaufrecht mußte. Zudem setzt Drittschadensliquidation voraus, daß nur e i n Schaden entstanden ist, der sich, wäre nicht »zufällig« ein Dritter Träger des geschützten Rechtsgutes, bei dem Gläubiger ausgewirkt hätte. Von einer solchen »Verlagerung« des Schadens kann hier nicht gesprochen werden. Dieser ist hier sowohl tatsächlich wie rechtlich bei der Klägerin eingetreten, während er bei einer echten Schadensverlagerung tatsächlich, wenn auch nicht rechtlich, beim Gläubiger eintritt. Er konnte nicht ebensogut beim Tierarzt wie bei den Hühnerhaltern eintreten, sondern nur bei diesen und nicht, worauf es entscheidend ankommt, statt beim Tierarzt bei ihnen. Die bisher von der Rechtsprechung zugelassenen Fälle einer Drittschadensliquidation lassen sich auch nicht um einen Fall der hier vorliegenden Art erweitern. Andernfalls müßte auch der Hersteller und Lieferant von Lebens- und Genußmitteln, von Wasch- und Arzneimitteln usw. den beim Endverbraucher entstehenden Schaden nicht bloß aus Delikt, sondern aus Kaufrecht ersetzen. Denn auch er weiß, so wie sein Käufer, der Groß- oder Zwischen- und Einzelhändler, daß sich etwaige Schäden nicht beim Händler, sondern erst beim Endabnehmer zeigen werden. Daraus allein läßt sich aber noch nicht eine vertragliche Haftung des Herstellers gegenüber dem Endabnehmer ableiten. Die Frage, wie dessen Interessen gewahrt werden können, ist somit nicht mittels Drittschadensliquidation zu lösen (so auch Soergel/Ballerstedt, BGB 10. Aufl. Bem. 43 vor § 459; Esser, Schuldrecht Bd. I 3. Aufl. S. 297; von Caemmerer, ZHR 1965,269,277).

 2. Das Berufungsgericht hat seine Ansicht auch damit begründet, hier ergebe sich aus Sinn und Zweck des Vertrages eine Fürsorgepflicht des Herstellers zugunsten des Dritten. Dies könnte dahin verstanden werden, als wolle das Berufungsgericht der Klägerin einen Ersatzanspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zubilligen. Auch dem könnte nicht gefolgt werden.

 a) Der Bundesgerichtshof hat zwar unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt unter bestimmten Umständen auch einem am Vertrag nicht beteiligten Dritten Ersatzansprüche zugebilligt (BGHZ 33,247,249 und BGHZ 49,350,351 mit Nachweisen). Diese Grundsätze können hier jedoch nicht herangezogen werden. Keineswegs kann schon jeder, der infolge einer Sorgfaltsverletzung des Schuldners Schaden erlitten hat, einen eigenen Ersatzanspruch aus dem Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner ableiten (Senatsurteil vom 30. April 1968 - VI ZR 29/67-, NJW 1968,1323). Der Senat hat in seinem Urteil vom 18. Juni 1968 (VI ZR 120/67, NJW 1968,1929) erneut darauf hingewiesen, daß das Gesetz zwischen unmittelbar und mittelbar Geschädigten unterscheidet und daß die Haftung aus einem Vertrag grundsätzlich an das Band geknüpft ist, das den Schuldner mit seinem Partner verbindet (vgl. auch BGH Urt. v. 9. Oktober 1968 - VIII ZR 173/66 -, WM 1968,1354). Andernfalls besteht die Gefahr, daß der Schuldner das Risiko, das er bei Abschluß eines Vertrages eingeht, nicht mehr einkalkulieren kann. Daher wäre es nicht mehr mit den Grundsätzen von Treu und Glauben, aus denen der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gerade entwickelt worden ist, zu vereinbaren, wenn der Schuldner für so weitgehende Folgen seiner Vertragsverletzung haften müßte. Das kann nur dann angenommen werden, wenn der Gläubiger sozusagen für das Wohl und Wehe des Dritten mitverantwortlich ist, weil dessen Schädigung auch ihn trifft, indem er ihm gegenüber zu Schutz und Fürsorge verpflichtet ist. Dieses Innenverhältnis zwischen dem Gläubiger und einem Dritten, durchweg gekennzeichnet durch einen personenrechtlichen Einschlag, führt zur Schutzwirkung zugunsten des Dritten, nicht das Verhältnis zwischen dem Gläubiger und seinem Vertragspartner. Ein solches Verhältnis liegt bei einem Kauf- oder einem Werkvertrag in aller Regel nicht vor (vgl. Larenz, Schuldrecht 9. Aufl. II § 37 IV).

 b) Auch im vorliegenden Fall fehlt es an solchen engen Beziehungen zwischen dem Gläubiger (Tierarzt) und seinen Auftraggebern. (Wird ausgeführt.)

 II. Wird somit das angefochtene Urteil von der ihm gegebenen Begründung nicht getragen, so war zu prüfen, ob es sich mit anderer Begründung aufrechterhalten läßt. Die Klägerin hat ihre Klage nicht nur auf Ansprüche gestützt, die sie aus dem von Dr. H. mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag ableiten wollte, sondern sich auch auf die §§ 823 ff BGB berufen. Außerdem hat sie die in letzter Zeit, vor allem auf dem Deutschen Juristentag 1968 (vgl. JZ 1968,714), eingehend erörterte Frage der unmittelbaren Haftung des Warenherstellers gegenüber dem Endverbraucher (»P r o d u z e n t e n h a f t u n g«) ins Feld geführt (vgl. Karlsruher Forum 1963, Beiheft zum VersR: Haftung des Warenherstellers; Simitis, Grundfragen der Produzentenhaftung, 1965, und sein Gutachten zum Deutschen Juristentag 1968; vgl. auch die Nachweise bei Weitnauer, NJW 1968,1593).

 1. Auch die Befürworter einer weitergehenden Haftung des Produzenten gehen durchweg davon aus, daß sie sich weder mittels Drittschadensliquidation noch mittels eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter begründen lasse. Sie wollen dem Verbraucher einen eigenen, nicht vom Vertrag Käufer-Hersteller abhängigen Ersatzanspruch gewähren, der sich als »action directe« unmittelbar gegen den Hersteller richten soll - so wie der vom Gesetz gewährte Ersatzanspruch aus §§ 823 ff BGB. Indes sehen sie diesen Deliktsanspruch nicht mehr als ausreichend und sachgerecht an, weil er in der Regel reine Vermögensschäden nicht deckt, und vor allem, weil er dem Produzenten, insbesondere bei bloßen »Fabrikationsfehlern«, die Möglichkeit offenläßt, sich zu entlasten (§ 831 BGB). Der hier zu entscheidende Fall gibt keinen Anlaß zur Prüfung der Frage, ob an der Rechtsprechung festzuhalten ist, daß sich der Produzent bei Fabrikationsfehlern auf § 831 BGB berufen kann (dagegen - im Anschluß an Simitis, Grundfragen S. 72, und Gutachten S. 51 - der Deutsche Juristentag 1968; siehe aber auch Rehbinder, ZHR 1967,179/180; Weitnauer, AcP 1967,290; NJW 1968,1598; Canaris, JZ 1968,497) und daß bei solchen Fehlern nicht prima facie von einem Verschulden des Herstellers ausgegangen werden könne (Senatsurteil vom 21. April 1956 - VI ZR 36/55-, VersR 1956,410). Denn hier steht nicht fest, daß der Impfstoff deshalb reaktivierte Viren enthielt, weil eine Hilfskraft der Beklagten einen Fehler begangen hat. Vielmehr kann das auch auf Ursacher, beruhen, die im Herstellungs-, insbesondere im Abfüllverfahren der Beklagten liegen. Der vorliegende Fall nötigt auch nicht dazu, zur Problematik der Produzentenhaftung in vollem Umfang Stellung zu nehmen. Hier kommt es nur auf das Folgende an.

 a) Der Klageanspruch würde ohne weiteres zuzusprechen sein, wenn der von Diederichsen (Die Haftung des Warenherstellers, 1967) vertretenen Ansicht gefolgt werden könnte, daß der Hersteller für jede Art von Fehlern des Produkts ohne Rücksicht auf Verschulden, also wie bei einer Gefährdungs- oder gar Erfolgshaftung (»strict liability«), einstehen müsse. Diederichsen glaubt, dies aus » rechtssoziologischen und rechtstheoretischen Überlegungen« dem geltenden Recht entnehmen zu können. Es kann jedoch schon zweifelhaft sein, ob sein Standpunkt rechtspolitisch zu befürworten wäre. Jedenfalls läßt sich eine Haftung ohne Verschulden mit den Grundsätzen des geltenden Haftungsrechts nicht vereinbaren. Die in einzelnen Gesetzen angeordnete Gefährdungshaftung - meist zudem bis zu unterschiedlichen Höchstgrenzen - auch auf die Produzentenhaftung auszudehnen, ist dem Richter verwehrt. Vielmehr muß der Gesetzgeber entscheiden, ob und inwieweit dem Hersteller eine stärker objektivierte Haftung aufzuerlegen ist (vgl. die Begründung des Referentenentwurfs eines Gesetzes über Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, 1967, S. 102).

 b) Ebensowenig ist es - von besonders gelagerten Fällen abgesehen (vgl. Lukes, JuS 1968,347) - rechtlich möglich, dem Endabnehmer dadurch einen direkten Ersatzanspruch zu gewähren, daß ein zwischen ihm und dem Produzenten unmittelbar, wenn auch stillschweigend, abgeschlossener Garantievertrag angenommen wird (so Müller, AcP 1965,311). Darin, daß der Produzent seine Ware unter Benennung seiner Urheberschaft, nämlich mit seinem Etikett, in Originalverpackungen, unter seinem Warenzeichen oder der von ihm geprägten Bezeichnung (Markenwaren) usw. vertreiben läßt, liegt im allgemeinen noch keine Willenserklärung in dem Sinne, daß er dem Verbraucher für sorgfältige Herstellung einstehen wolle (vgl. RGZ 87,1; Schlegelberger/Hefermehl, HGB 4. Aufl. Bem 51 vor § 373; Simitis, Gutachten zum DJT 1968 S. 24 mit weiteren Nachweisen). In aller Regel läßt sich sogar in der Werbung für Markenwaren, die den Endabnehmer in besonders eindringlicher Weise anspricht, noch keine Zusage finden, für etwaige Mängel der Ware haften zu wollen (BGHZ 48,118,122/123). Das kann auch dann nicht angenommen werden, wenn es um die, zudem erheblich weitergehende Frage geht, ob der Hersteller auch einem Endabnehmer seines Produkts direkt haften wolle (vgl. Rehbinder, ZHR 1967,173; Weitnauer, NJW 1968,1597).

 c) Außer Frage steht auch, daß dem Endabnehmer ein Ersatzanspruch nicht schon aus Verletzung der aus »sozialem Kontakt« angeblich folgenden Schutzpflichten gewährt werden kann (vgl. Lorenz in der Festschrift für Nattorp, 1961, S. 83; Soergel/Schmidt aaO Bem. 5 vor § 275). Zwischen Hersteller und Abnehmer bestehen keine geschäftlichen Beziehungen; sie sollen auch nicht angebahnt und demnächst abgeschlossen werden. Die soziologisch gewiß vorhandenen Beziehungen haben rechtlich nicht das Gewicht, daß aus ihnen Haftungsansprüche kraft rechtlicher Sonderbeziehungen folgten. Das gilt auch für den Versuch von Weimar, die Haftung des Produzenten aus der Generalklausel des § 242 BGB abzuleiten (Untersuchungen zum Problem der Produktenhaftung, Basler Studien zur Rechtswissenschaft Heft 79 S. 69 ff, und DRiZ 1968,266).

 2. Besondere Überlegung verdient der Gedanke, eine auf dem Gesetz beruhende, aus dem Vertrauensgedanken entwickelte quasikontraktliche Sonderrechtsbeziehung zwischen Hersteller und Verbraucher anzuerkennen. In der Tat dürften die Beziehungen, die zwischen dem Käufer eines schadenstiftenden Produktes und dessen Hersteller vor Eintritt des Schadens bestanden haben, von engerer Art sein als die, die den Hersteller mit »jedermann« dann - und erst dann - in Verbindung bringen, wenn dieser durch sein Produkt zu Schaden kommt. Diesen »Jedermann« auf deliktische Ansprüche zu verweisen, ist gerecht. Hinsichtlich der Ersatzansprüche eines Käufers dagegen könnte erwogen werden, sie auch dann aus Vertragsrecht abzuleiten, wenn er die Ware nicht beim Hersteller direkt, sondern über einen Händler gekauft hat.

 a) Von derartigen Sonderrechtsbeziehungen zwischen Hersteller und Abnehmer der Ware ausgehend hatte zunächst Lorenz (auf dem Karlsruher Forum 1963) die Ansicht vertreten, der Hersteller müsse für das Vertrauen, das er mit einem Produkt, verstärkt durch die Werbung, beim Verbraucher erweckt habe, entsprechend § 122 BGB einstehen. Diesen Gedanken hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs am Schluß seines Urteils vom 13. Juli 1963 (BGHZ 40,91,108) erwähnt. Er hat damit aber keine Stellung nehmen wollen. In seinem Urteil BGHZ 48,118 hat er es abgelehnt, der Werbung haftungsbegründende Kraft zuzulegen. Daß sie im Ringen um den »König Kunde« immer umfangreicher und, betriebswirtschaftlich gesehen, immer bedeutungsvoller geworden ist, besagt noch nicht, daß ihr rechtlich die Bedeutung einer Haftungszusage zukäme. So versteht sie ein verständiger Verbraucher auch nicht. Lorenz hat denn auch seinen Gedanken - den vor allem Markert (BB 1964,319 ff) und Rehbinder (ZHR 1967,180 ff) aufgenommen hatten - nicht weiterverfolgt (s. Kieler Tagung für Rechtsvergleichung 1965, Heft 28 der Schriftenreihe für Rechtsvergleichung S. 51/52).

 b) Auf dem Grundgedanken von Lorenz bauen die Lösungsversuche auf, die Haftung des Herstellers aus einem Einstehen für in Anspruch genommenes und vom Verbraucher gewährtes Vertrauen, entsprechend den für culpa in contrahendo entwickelten Rechtssätzen, abzuleiten (vgl. Rehbinder, BB 1965,439 und ZHR 1967,176; Steffen, JR 1968,287, und vor allem Canaris, JZ 1968,494). Es ist indes zweifelhaft, ob diese Überlegungen tragfähig sein könnten, im Wege einer Fortbildung des Rechts dem Verbraucher einen Ersatzanspruch zu gewähren, der, so wie der deliktische Anspruch, nicht ohne weiteres abbedungen werden könnte, andererseits nicht vom Entlastungsbeweis des § 831 BGB bedroht wäre. Der Senat hat sich schon in seinem Urteil vom 21. März 1967 (VI ZR 164/65, LM BGB § 276 [Ha] Nr. 4) gegen die Versuche gewandt, die Haftung eines außen halb des Vertrages stehenden Dritten aus in Anspruch genommenem Vertrauen zu begründen, und betont, daß damit die durch den Vertrag gezogene Abgrenzung zwischen schuldrechtlichem und deliktischem Haftungsbereich in folgensschwerer Weise durchbrochen würde. Ob die dort gegen eine Haftungsausdehnung bei positiver Vertragsverletzung ausgesprochenen Bedenken auch gegen die Einbeziehung des Produzenten in eine vertragsähnliche Haftung sprechen, braucht im vorliegenden Fall nicht abschließend entschieden zu werden. Auch braucht der Frage nicht nachgegangen zu werden, wie einem durch das Produkt Geschädigten ein solcher quasikontraktlicher Anspruch zugesprochen werden soll, wenn er das Produkt nicht gekauft hatte, sondern bei dessen Benutzung durch ihn selbst oder durch andere zu Schaden gekommen war. Im vorliegend zu entscheidenden Fall handelt es sich nicht um hintereinander geschaltete, rechtlich selbständige Kaufverträge in einer » Absatzkette«, bei der der Verkäufer in der Tat oft der bloße » Verteiler« des Herstellers geworden ist, ein , Durchgriff« daher naheliegt. Hier stand vielmehr zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Tierarzt, der allein zu entscheiden hatte, welchen Impfstoff er benutzte. Ihm und nicht einer etwaigen Werbung der Beklagten hatte die Klägerin ihr Vertrauen gewährt. Sie wäre nicht imstande gewesen, selbst den Impfstoff bei der Beklagten unmittelbar oder im Handel zu kaufen: die Beklagte durfte ihn nur an den Tierarzt abgeben und nur dieser durfte ihn anwenden (§ 87 der Ausführungsvorschriften zum Viehseuchengesetz idF v. 1. März 1958, BAnz Nr. 45 v. 6. März 1958 = BGBl III 7831-1-1). Schon deshalb scheidet hier der Gedanke aus, zwischen den Parteien hätten vertragsähnliche Beziehungen bestanden. Die Klägerin war nicht »Verbraucherin« des Impfstoffes, auch nicht dessen »Benutzerin«, sondern, rechtlich gesehen, »nur« die Geschädigte. Als solche ist sie aber auf deliktische Ersatzansprüche beschränkt.

 III. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt sind die Voraussetzungen des § 823 BGB erfüllt. Der von der Beklagten gelieferte Impfstoff war fehlerhaft und die Ursache für die Erkrankung der Hühner. Auch wenn hier, wie oben ausgeführt, die Regeln des Vertragsrechts nicht anwendbar sind, so muß dennoch davon ausgegangen werden, daß der Beklagten ein eigenes Verschulden zur Last fällt. Wird jemand bei bestimmungsgemäßer Verwendung eines Industrieerzeugnisses dadurch an einem der in § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter geschädigt, daß dieses Produkt fehlerhaft hergestellt war, so ist es Sache des Herstellers, die Vorgänge aufzuklären, die den Fehler verursacht haben, und dabei darzutun, daß ihn hieran kein Verschulden trifft.

 1. Nicht in Frage steht, daß auch bei der »Produzentenhaftung« der Geschädigte nachzuweisen hat, daß der Schaden durch einen Fehler des Produktes verursacht ist. Die Klägerin hatte daher zu beweisen, daß die Geflügelpest bei ihren Hühnern ausgebrochen ist, weil der Impfstoff von der Beklagten stammte und bei seiner Auslieferung aktive Viren enthielt. Diesen Beweis hat das Berufungsgericht als erbracht angesehen. (Wird ausgeführt.)

 2. Das Berufungsgericht geht bei Prüfung der Frage, worauf es zurückzuführen ist, daß der Impfstoff unabgetötete Viren enthielt, von der Tatsache aus, daß sowohl das Paul-Ehrlich-Institut wie die Bundesforschungsanstalt in den von ihnen untersuchten Flaschen Bakterien festgestellt haben. Es legt seiner Würdigung im wesentlichen zugrunde, was Prof. Dr. E. in seinem Gutachten ausgeführt hatte. Dieser hatte erklärt, mit hoher Wahrscheinlichkeit sei anzunehmen, daß die Bakterien beim Abfüllvorgang, nämlich bei dem im Betriebe der Beklagten von Hand ausgeführten Umschütten des Impfstoffes aus den großen Behältern, in die Flaschen geraten seien. Schon mehrfach sei beobachtet worden, daß Viren, die - wie hier - durch Zusatz von Formaldehyd abgetötet worden seien, unter bestimmten Umständen wieder aktiv geworden seien. Es sei daher möglich, daß es hier die Bakterien gewesen seien, die eine Reaktivierung der Viren ausgelöst hätten. Auf Grund dieser Ausführungen des Sachverständigen glaubt das Berufungsgericht feststellen zu können, daß die bakterielle Verunreinigung der Flaschen die Ursache der Reaktivierung gewesen sei. Dazu weist es darauf hin, daß durch den Teil der Charge, der nicht bakteriell verunreinigt gewesen sei, keine Schäden entstanden seien, während dies bei den Flaschen der Fall gewesen sei, die von Dr. H. und im Kreise Heilbronn benutzt und in denen anschließend die Bakterien festgestellt wurden. Auch Dr. E. halte es für möglich, daß die Verunreinigung des Impfstoffs »durch menschliches Versagen« einer der Personen verursacht worden sei, die die Beklagte beim Abfüllen des Impfstoffes beschäftigt habe.

 3. Die Revision greift diese Würdigung des Berufungsgerichts an. Ihre Rügen haben keinen Erfolg. Richtig ist zwar, daß das Berufungsgericht kein Verschulden der Beklagten selbst als bewiesen angesehen hat. Vielmehr hat es lediglich angenommen, daß wahrscheinlich eine Hilfsperson den Schaden verschuldet habe. Eine Haftung der Beklagten gemäß § 278 BGB läßt sich indessen, wie oben dargetan, nicht aus der Anwendung des Vertragsrechts ableiten. Das nötigt aber nicht dazu, den Rechtsstreit an den Tatrichter zurückzuverweisen. Denn es war auch dann Sache der Beklagten, sich zu entlasten, wenn die Klägerin sich nur auf § 823 BGB stützen kann.

 aa) Dies ergibt sich schon daraus, daß der Ersatzanspruch der Klägerin auch aus § 823 Abs. 2 BGB folgt. Denn die Beklagte hat durch die Auslieferung der gefährlichen Flaschen mit Impfstoff gegen ein Schutzgesetz verstoßen. Dieser Impfstoff, ein Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes vom 16. Mai 1961(§ 3 Abs. 3 AMG), war geeignet, bei den Hühnern schädliche, ja tödliche Wirkungen hervorzurufen. § 6 AMG verbietet es, derartigen Impfstoff in den Verkehr zu bringen. Diese Vorschrift stellt - nicht anders als der für gesundheitsschädliche Lebensmittel geltende § 3 LebMG (vgl. RGZ 170,155,156 zu § 4 LebMG) - ein Gesetz zum Schutz der gefährdeten Menschen oder Tiere dar. Ist aber ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz bewiesen, so spricht eine Vermutung dafür, daß dies schuldhaft geschehen ist. Der das Schutzgesetz Übertretende muß daher Umstände dartun und beweisen, die geeignet sind, die Annahme seines Verschuldens auszuräumen (Senatsurteil vom 12. März 1968 - VI ZR 178/66 -, NJW/1968,1279). Diesen Beweis hat ein Betriebsinhaber nicht geführt, wenn eine mögliche Ursache ungeklärt geblieben ist, die in der Sphäre seiner Verantwortlichkeit liegt und ein schadensursächliches Verschulden enthalten würde (Senatsurteile vom 3. Januar 1961 - VI ZR 67/60-, VersR 961,231, und vom 4. April 1967 - VI ZR 98/65-, VersR 1967,685).

 bb) Diese Beweislastregelung würde aber auch dann gelten, wenn die Klägerin ihren Ersatzanspruch allein auf Absatz 1 des § 823 BGB stützen könnte. Auch dann war es Sache der Beklagten, sich zu entlasten. Zwar hat in aller Regel der Geschädigte, der sich auf § 823 Abs. 1 BGB stützt, nicht nur die Kausalität zwischen seinem Schaden und dem Verhalten des Schädigers darzutun und notfalls zu beweisen, sondern auch dessen Verschulden (BGHZ 24,21,29). Jedoch hängt die Möglichkeit dieses Nachweises der subjektiven Voraussetzungen erheblich davon ab, inwieweit der Geschädigte den objektiven Geschehensablauf in seinen Einzelheiten aufklären kann. Das aber ist vor allem dann mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft, wenn es um Vorgänge geht, die sich bei der Herstellung des Produkts im Betriebe abgespielt haben. Die Rechtsprechung ist daher seit langem dem Geschädigten dadurch zu Hilfe gekommen, daß sie sich mit dem Nachweis einer Kausalkette begnügt hat, die nach der Lebenserfahrung zunächst für ein »Organisationsverschulden« des Herstellers spricht. Hierbei kann jedoch für Schadensersatzansprüche aus »Produzentenhaftung« nicht stehengeblieben werden. Allzuoft wird der Betriebsinhaber die Möglichkeit dartun, daß der Fehler des Produkts auch auf eine Weise verursacht worden sein kann, die den Schluß auf sein Verschulden nicht zuläßt - ein Nachweis, der zumeist wiederum auf Vorgängen im Betriebe des Schädigers beruht, daher vom Geschädigten schwer zu widerlegen ist. Infolgedessen kann der Hersteller dann, wenn es um Schäden geht, die aus dem Gefahrenbereich seines Betriebes erwachsen sind, noch nicht dadurch als entlastet angesehen werden, daß er Möglichkeiten aufzeigt, nach denen der Fehler des Produkts auch ohne ein in seinem Organisationsbereich liegendes Verschulden entstanden sein kann. Dies gebieten in den Fällen der Produzentenhaftung die schutzbedürftigen Interessen des Geschädigten - gleich ob Endabnehmer, Benutzer oder Dritter; andererseits erlauben es die schutzwürdigen Interessen des Produzenten, von ihm den Nachweis seiner Schuldlosigkeit zu verlangen. Diese Beweisregel greift freilich erst ein, wenn der Geschädigte nachgewiesen hat, daß sein Schaden im Organisations- und Gefahrenbereich des Herstellers, und zwar durch einen objektiven Mangel oder Zustand der Verkehrswidrigkeit ausgelöst worden ist. Dieser Beweis wird vom Geschädigten sogar dann verlangt, wenn er den Schädiger wegen Verletzung vertraglicher oder vorvertraglicher Schutz- und Nebenpflichten in Anspruch nimmt (Senatsurteile vom 26. September 1961 - VI ZR 92/61-, LM BGB § 276 [Fa] Nr. 13 = NJW 1962,31, und vom 18. Januar 1966 - VI ZR 184/64 -, MDR 1966,491). Nichts anderes gilt, wenn er den Produzenten wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch nimmt. Hat er aber diesen Beweis geführt, so ist der Produzent »näher daran«, den Sachverhalt aufzuklären und die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen. Er überblickt die Produktionssphäre, bestimmt und organisiert den Herstellungsprozeß und die Auslieferungskontrolle der fertigen Produkte. Oft machen die Größe des Betriebes, seine komplizierte, verschachtelte, auf Arbeitsteilung beruhende Organisation, verwickelte technische, chemische oder biologische Vorgänge und dergleichen es dem Geschädigten praktisch unmöglich, die Ursache des schadenstiftenden Fehlers aufzuklären. Er vermag daher dem Richter den Sachverhalt nicht in solcher Weise darzulegen, daß dieser zuverlässig beurteilen kann, ob , der Betriebsleitung ein Versäumnis vorzuwerfen ist oder ob es sich um einen von einem Arbeiter verschuldeten Fabrikationsfehler, um einen der immer wieder einmal vorkommenden »Ausreißer« oder gar um einen »Entwicklungsfehler« gehandelt hat, der nach dem damaligen Stand der Technik und Wissenschaft unvorhersehbar war. Liegt so aber die Ursache der Unaufklärbarkeit im Bereich des Produzenten, so gehört sie auch zu seiner Risikosphäre. Dann ist es sachgerecht und zumutbar, daß ihn das Risiko der Nichterweislichkeit seiner Schuldlosigkeit trifft. Von solcher Beweisregel ist die Rechtsprechung schon immer bei vertraglichen oder quasivertraglichen Sonderrechtsbeziehungen zwischen Geschädigtem (Gläubiger) und Schädiger (Schuldner) ausgegangen (BGHZ 48,310,312; BGH LM BGB § 536 Nr. 6a = NJW 1964,34; BGH NJW 1968,2240). Es ist kein durchgreifender Grund ersichtlich, warum diese Beweisregel nicht dann für nach Deliktsrecht zu entscheidende Haftungsfälle ebenso gelten soll, wenn die ihr zugrunde liegenden Erwägungen auch hier zutreffen. Schon § 831 BGB erlegt dem Geschäftsherrn in bestimmten Beziehungen einen Entlastungsbeweis auf - ähnliches gilt in den Haftungsfällen der §§ 832,833,834 BGB. Vor allem gilt dies in den Fällen der §§ 836 ff BGB. Hier verlangt das Gesetz zwar von dem durch den Einsturz eines Gebäudes Geschädigten den Beweis, daß sein Schaden »die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung« des Gebäudes war, erlegt aber dem Besitzer usw. den Beweis dafür auf, daß er alles getan hat, um die Gefahren, die von seinem Gebäude ausgehen konnten, abzuwenden. Die in diesen Vorschriften angeordnete Umkehr der Behauptungs- und Beweislast geht nicht immer davon aus, das Verschulden des Schädigers sei zu vermuten. Vielmehr beruht sie überwiegend auf dem Gedanken, daß der Schädiger eher als der Geschädigte in der Lage ist, die für den Vorwurf der Fahrlässigkeit maßgebenden Vorgänge aufzuklären, daß es daher gerecht sei, ihn das Risiko einer Unaufklärbarkeit tragen zu lassen. Der Senat hat schon in seinem Urteil vom 1. April 1953 (VI ZR 77/52, LM ZPO § 286 [C] Nr. 12) darauf hingewiesen, vom Kläger könne nicht der für ihn gewöhnlich fast unmögliche Nachweis verlangt werden, daß die schadenstiftende Sache durch ein Verschulden des Geschäftsinhabers oder seiner Angestellten in den Betrieb gekommen sei. Vor allem hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 17. Oktober 1967 (VI ZR 70/66, NJW 1968,247) ausgesprochen, es sei Sache des Produzenten, sich zu entlasten, wenn der Geschädigte keine Angaben darüber machen könne, in welchen Einzelpunkten schuldhafte Pflichtverletzungen der Unternehmensleitung vorgelegen hätten. Die moderne Entwicklung der Warenproduktion, an der oft nachträglich nur schwer zu ermittelnde Personen oder Maschinen beteiligt sind und die auf nur noch vom Fachmann zu durchschauenden und zu kontrollierenden Fertigungsprozessen beruht, verlangt eine Fortbildung des Beweisrechts in der Richtung, wie sie das Gesetz in § 836 BGB vorgezeichnet hat (vgl. Simitis, Gutachten zum DJT 1968 S. 92 ff; Stoll in Festschrift für von Hippel, 1967, S. 557). Dabei wird es allerdings - so wie bei der für positive Vertragsverletzungen anerkannten Umkehrung der Beweislast - stets auf die in der jeweiligen Fallgruppe gegebene Interessenlage ankommen. Die Frage, ob auch dem Inhaber eines kleineren Betriebes, dessen Herstellungsverfahren überschaubar und durchsichtig ist (Familien- und Einmannbetriebe, landwirtschaftliche Erzeuger und dergleichen), die Übernahme des Beweisrisikos zugemutet werden kann, bedarf hier keiner Prüfung. In den Fällen der hier vorliegenden Art ist es jedenfalls Sache des Herstellers, sich zu entlasten.

 4. Diesen Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht erbracht.
a) Nach dem von ihr selbst vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. E. ist es möglich, daß Unachtsamkeit einer beim Abfüllen tätigen Hilfskraft zur Verunreinigung der Flaschen geführt hat. Er hält das Verfahren, Gefäße über 500 ccm, also auch die an Dr. H. gelieferten Flaschen, mittels Umschüttens von Hand abzufüllen und sie nicht, wie dies bei den kleineren Gefäßen geschieht, mittels einer Apparatur zu füllen, für eine »ältere Methode«, die zwar noch »tragbar«, aber verbesserungsbedürftig sei. Für dieses Von-Hand-Abfüllen müsse zumindest eine entsprechend höhere »Arbeitskapelle« mit UV-Ausleuchtung konstruiert werden. Außerdem müsse die »bescheidene apparative Ausstattung« des Betriebes erweitert werden, indem Trockensterilisatoren angeschafft würden, damit die zu füllenden größeren Gefäße besser, vor allem ohne längere Unterbrechung sterilisiert werden könnten. Prof. Dr. E. hat ferner darauf hingewiesen, daß mangels Temperatur- und Druckschreiber nicht kontrolliert werden konnte, ob die beim Autoklavieren erforderliche hohe Temperatur auch wirklich erreicht wurde. Er hat daher die Verwendung von Farbumschlag-Röhrchen empfohlen. Außerdem hat er geraten, den Abfüllraum von Zeit zu Zeit durch Aufstellen von Agar- oder Blutplatten auf seinen Keimgehalt zu prüfen. Der Gutachter meint nun zwar trotz dieser Verbesserungsvorschläge, die Herstellungsmethoden der Beklagten seien »nicht unzulänglich« und »erfüllten die Normalanforderungen«. Auch die Abfüllmethode verbürge ein ausreichendes Maß an Sicherheit, wenn sie auch verbesserungsbedürftig sei. Abschließend meint er, die Beklagte habe keine der notwendigen Sicherungsmaßnahmen fahrlässig außer acht gelassen. Die bakterielle Verunreinigung könne zwar durch mangelnde Beachtung der gebotenen Vorsichtsmaßnahmen verursacht, könne aber trotz Beachtung dieser Maßnahmen eingetreten sein.

 b) Dieser Auffassung des Sachverständigen über das Maß der erforderlichen Sorgfalt kann nicht gefolgt werden. Auch er geht davon aus, daß bei der Herstellung von Impfstoffen, bei denen lebende Viren abgeschwächt werden müssen, »ein höchstmögliches Maß an Sicherheit« verlangt werden muß. Eben deshalb unterliegen Impfstoffwerke strenger staatlicher Überwachung (§ 19 AMG mit den nach Abs. 5 noch maßgebenden landesrechtlichen Vorschriften). Die von Prof. Dr. E. angeführten Mängel in der Ausstattung des Betriebes der Beklagten, vor allem hinsichtlich des Abfüllens von Hand, stehen einer Feststellung entgegen, daß der Leitung der Beklagten keine fahrlässigen Versäumnisse zur Last fielen. Die von ihm empfohlenen Änderungen lagen keineswegs fern und stellten an die Beklagte weder technisch noch finanziell unzumutbare Anforderungen. Es ist nicht auszuschließen, daß diese zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen die Abfüllung gefährlichen Impfstoffes verhütet hätten.