BGHZ 55, 128
a) Wer ohne Rechtsgrund eine geldwerte Leistung
in Anspruch nimmt (hier: eine Flugreise), die er sich anderweitig nicht
verschafft hätte und durch die auch sonst sein Vermögen nicht
vermehrt worden ist, muß sich gleichwohl so behandeln lassen, als
hätte er die dafür übliche bzw. angemessene Vergütung
erspart, wenn er den Mangel des rechtlichen Grundes beim Empfang der Leistung
kannte.
b) Handelt es sich um einen kurz vor der Vollendung
seines 18. Lebensjahres stehenden Minderjährigen, so kommt es auf
dessen Kenntnis (und nicht die seines gesetzlichen Vertreters) jedenfalls
dann an, wenn er sich in den Genuß der Leistung durch eine vorsätzliche
unerlaubte Handlung gebracht hat und die erforderliche Einsicht in die
Erkenntnis hatte, zur unentgeltlichen Inanspruchnahme der Leistung nicht
berechtigt zu sein.
1.) Im Zentrum dieses "Klassikers",
den man kennen muß, steht das Problem des Wegfalls der Bereicherung
nach § 818 III und des Ausschlusses der Berufung auf § 818 III
im Falle der Bösgläubigkeit. Ein Minderjähriger hatte sich
als "blinder Passagier" in eine Lufthansamaschine nach New York eingeschlichen,
die Lufthansa, die ihn mangels Einreisepapiere zurücktransportierte,
verlangt von ihm die Kosten für den Hinflug (Die Kosten für den
Rückflug können nach §§ 683, 670 als "auch fremdes
Geschäft" von den Eltern verlangt werden).
Deliktische Ansprüche (etwa
aus § 823 II BGB i.V.m. § 265a StGB) kommen mangels Schaden nicht
in Betracht, weil die Maschine nicht ausgebucht war und der Lufthansa damit
kein Gewinn entgangen war.
Der Anspruch ist in Form der Nichtleistungskondiktion
nach § 812 I 1 Alt. 2 BGB ("Eingriffskondiktion") an sich begründet,
fraglich ist jedoch, ob sich der Beklagte, der sich keine Aufwendungen
erspart hatte, gem. § 818 III auf den Wegfall der Bereicherung berfufen
kann. Das kann er nicht, wenn er bösgläubig war (§§
819 I, 818 IV BGB). Entscheiden war dabei die Frage, ob und unter welchen
Umständen die Kenntnis des Minderjährigen selbst ausreichend
ist. Der BGH stellt hier zumindest für die Fälle, in welchen
sich der Minderjährige das Erlangte durch eine vorsätzliche unerlaubte
Handlung verschafft, auf die Deliktsfähigkeit (§ 828 BGB) ab.
Dies ist allerdings mit dem Gedanken des Minderjährigenschutzes nur
schwer vereinbar, weshalb die wohl h.L. die §§ 104 ff analog
anwendet, vgl. etwa Larenz/Canaris SchuldR BT II/2 § 73 II
2a; Staudinger-Lorenz § 819 BGB Rn. 10; Köhler PdW
SchuldR II Fall 159). Eine andere Ansicht unterscheidet zwischen der (rechtsgeschäftsähnlichen)
Leistungskondiktion, wo sie analog §§ 104 ff. analog auf die
Kenntnis des gesetzlichen Vertreters abstellt, und der deliktsähnlichen
Eingriffskondiktion, wo sie die §§ 827, 828 analog anwendet (so
etwa Medicus BürgR Rn. 176).
2.) Die Entscheidung enthält
aber noch weitere wichtige Probleme:
a) Leistungskondiktion/Eingriffskondiktion:
Zunächst stellt sich die Frage
der Abgrenzung der Leistungskondiktion (§ 812 I 1 Alt. 1 BGB) von
der Eingriffskondiktion (§ 812 I 1 Alt. 2 BGB). Hat der Beklagte die
Flugreise "durch Leistung" (d.h. bewußt und zweckgerichtet) der Lufthansa
erhalten, oder hat er sie sich selbst durch einen Eingriff "genommen"?
Da wohl keine bewußte Zulassung zum Flug vorlag, liegt die Annahme
einer Eingriffskondiktion näher.
b) Gegenstand der Bereicherung:
Fraglich war auch, ob der Beklagte
überhaupt i.S.v. § 812 I BGB "etwas erlangt" hatte, da bei ihm
durch den Flug, den er sonst nicht gemacht hätte, keine Vermögensmehrung
zugekommen ist. Stellte man sich nämlich auf den Standpunkt, der Bekl.
habe gar nichts erlangt, so ist ein Bereicherungsanspruch schon dem Grunde
nach nicht gegeben, so daß es auf die Frage der Bösgläubigkeit
gar nicht mehr ankäme: Auch der Bösgläubige müßte
in diesem Fall nichts herausgeben. Der BGH sieht dies hier als unbillig
an und fingiert beim Bösgläubigen die Bereicherung: Wenn es ihm
nach § 819 I BGB versagt ist, sich auf den Wegfall der Bereicherung
zu berufen, müsse er sich auch so behandeln lassen, als habe er etwas
erlangt (Leitsatz a). Nach heute wohl h.M. ist diese Konstruktion unnötig:
Richtigerweise muß man zwischen dem "Erlangten" und dem Wegfall der
Bereicherung nach § 818 III BGB unterscheiden: Bei nichtkörperlichen
Leistungen stellt nicht erst die Ersparnis eigener Aufwendungen das "Erlangte"
dar, sondern die Dienst- oder Werkleistung selbst. Diese kann nicht in
natura herausgegeben werden, so daß gem. § 818 II BGB der Wert
zu ersetzen ist. Erst im Rahmen von § 818 III BGB wird dann die Frage
der Ersparnis von Aufwendungen relevant (vgl. Larenz/Canaris aaO
§ 71 I 1, Staudinger-Lorenz § 812 BGB Rn. 72).
c) Rechtsfolge der Bösgläubigkeit:
In vielen Lehrbüchern liest
man, daß sich der bösgläubige bzw. verklagte Bereicherungsschuldner
gem. §§ 819 I, 818 IV BGB nicht auf den Wegfall der Bereicherung
berufen könne. Das erscheint zunächst zumindest ungenau, denn
(geschriebene) Rechtsfolge des § 818 IV ist die Haftung "nach den
allgemeinen Vorschriften".
Das sind u.a. die §§ 291
und 292 BGB. § 292 BGB verweist für den Fall, daß ein bestimmter
Gegenstand herauszugeben ist, auf die Vorschriften der Haftung im EBV
(§§ 987 ff BGB). Da es sich dabei um eine Verschuldenshaftung
handelt, kann also auch im Falle der §§ 818 IV, 819 I BGB der
Bereicherungsschuldner noch frei werden, sofern er sich nicht im Verzug
befindet und deshalb auch für zufälligen Untergang haftet (§§
990 II, 287 S. 2 BGB).
Im Falle einer Geldschuld
(auch und gerade wenn sie sich erst aus § 818 II BGB ergibt) ist §
279 BGB anwendbar, d.h. der Bereicherungsschuldner haftet verschuldensunabhängig
und kann sich deshalb in der Tat im Ergebnis nicht auf den Wegfall der
Bereicherung berufen (vgl. BGHZ 83, 293). Zu prüfen ist dabei aber
immer, ob es sich wirklich um eine Geld(wert)schuld und nicht um die Herausgabepflicht
bestimmter Geldzeichen ("Geldherausgabeschuld", vgl. Larenz/Canaris aaO
§ 73 II 3c) handelt, die wie bestimmte Gegenstände im og. Sinne
zu behandeln sind: Wer also rechtsgrundlos erlangtes Geld herauszugeben
hat, wird bei nicht zu vertretender Unmöglichkeit der Herausgabe genau
der erlangten, noch unterscheidbar vorhandenen Geldscheine auch im Falle
der Bösgläubigkeit von der Leistungspflicht frei, weil das nach
§§ 818 IV, 292, 989 zur Haftung erforderliche Verschulden nicht
vorliegt. Hat er aber nach § 818 II BGB den Wert dieser Geldscheine
zu ersetzen, weil sie nicht mehr gegenständlich (unterscheidbar) vorhanden
sind, handelt es sich um eine echte Geld(wert)schuld, von welcher er nach
§ 818 IV, 279 BGB auch bei fehlendem Verschulden nicht befreit wird.
Allerdings wird in der Tat - gerade
unter Berufung auf die vorliegende Entscheidung - vertreten, daß
weitere Rechtsfolge von § 818 IV neben der Haftung nach den "allgemeinen
Vorschriften" sei, daß sich der Schuldner nicht mehr auf § 818
III BGB berufen kann und daher - verschuldensunabhängig - nach §
818 II BGB zum Wertersatz verpflichtet sei ("bereicherungsunabhängige
Wertersatzhaftung"). Das kann insbesondere dann praktisch relevant
sein, wenn - wie hier - ein Schaden nicht eingetreten ist oder der Schaden
des Bereicherungsgläubigers geringer ist als der vom Schuldner gezogene
Vorteil, vgl. hierzu etwa Larenz/Canaris aaO § 73 II 5. Argument
hierfür ist, daß derjenige, der fremdes Gut bewußt verbraucht,
nicht besser stehen darf, als derjenige, der es korrekt erwirbt (vgl. hierzu
das Beispiel bei Larenz/Canaris aaO). Weiter wäre damit im
hier gewählten Beispiel des rechtsgrundlos übereigneten Geldes
unabhängig von der Vermischung der Geldscheine eine Wertersatzpflicht
zu bejahen, was wertungsmäßig sicherlich einsichtiger ist.
sl.
Der Beklagte flog wenige Tage vor Vollendung seines
18. Lebensjahres nach Erwerb eines entsprechenden Flugscheins mit einer
Linienmaschine der Klägerin von München nach Hamburg. Dort gelang
es ihm, mit den Transitpassagieren das Flugzeug wieder zu besteigen und
an dem Weiterflug nach New York teilzunehmen, ohne daß er im Besitz
eines Flugscheins für diese Strecke gewesen wäre. In New York
wurde ihm die Einreise in die USA verweigert, weil er kein Visum hatte.
Die Klägerin beförderte ihn daraufhin noch am selben Tag zurück
nach München. Sie verlangt von ihm unter anderem die Zahlung des tariflichen
Flugpreises für die Strecke Hamburg/New York.
Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht
gab ihr statt. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten
hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
I. . . .II. 1. Das Berufungsgericht erörtert
nicht, ob sich der von der Klägerin erhobene Anspruch aus einer vom
Beklagten begangenen unerlaubten Handlung ergeben könnte. Das war
auch entbehrlich. Denn ein solcher Anspruch scheidet schon deshalb aus,
weil die Klägerin nicht darzulegen vermag, daß ihr durch den
Mitflug des Beklagten von Hamburg nach New York überhaupt ein Schaden
entstanden ist. Die Klägerin könnte nur verlangen, so gestellt
zu werden, wie wenn der Beklagte nicht zugestiegen wäre. Dann stünde
sie aber nicht anders als jetzt, da die Maschine unstreitig nicht ausgebucht
war. Nur wenn sie einen zahlungswilligen Fluggast hätte zurückweisen
müssen, weil der Beklagte einen Sitz im Flugzeug eingenommen hatte,
wäre eine Schadenshaftung des Beklagten aus unerlaubter Handlung denkbar
(BGHZ 21,319,335 für die unberechtigte Inanspruchnahme eines Kraftfahrzeugabstellplatzes).
Die Möglichkeit etwaiger Einsparungen hat die Klägerin nicht
im einzelnen vorgetragen.
2. Das Berufungsgericht hält jedoch den Anspruch
der Klägerin auf Erstattung des Flugpreises für die Strecke Hamburg/New
York nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung
für begründet.
Durch die Leistung der Klägerin, die ohne
Rechtsgrund erbracht worden sei, habe der Beklagte einen Vermögensvorteil
erlangt dessen Wert er der Klägerin nach den §§ 812,818
Abs. 2 BGB ersetzen müsse. Die Bereicherung des Beklagten liege darin,
daß er eine geldwerte Leistung tatsächlich in Anspruch genommen
und damit einen Vermögenswert erlangt habe, auch wenn dieser in seinem
Vermögen nicht körperlich in Erscheinung getreten sei. Da die
tatsächliche Inanspruchnahme nicht ungeschehen gemacht werden könne,
sei ein späterer Wegfall der Bereicherung im Sinne des § 818
Abs. 3 BGB begrifflich ausgeschlossen. Der Wert der Bereicherung bemesse
sich nach der üblichen Vergütung für die empfangene Leistung.
Daß der Beklagte minderjährig sei, bleibe außer Betracht;
die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung fänden
auch auf Minderjährige uneingeschränkte Anwendung.
3. Die gegen diese Ausführungen gerichteten
Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg.
Der Revision ist allerdings zuzugeben, daß
sich das Berufungsgericht für seine Ansicht, der Beklagte hafte als
Empfänger einer ihrer Natur nach nicht rückgabefähigen Leistung
auf deren Wert unabhängig davon, ob die Leistung zu einer Vermögensvermehrung
oder der Ersparnis von Aufwendungen geführt habe, zu Unrecht auf die
Rechtsprechung des erkennenden Senats beruft. In den vom Berufungsgericht
angeführten Entscheidungen (BGH JZ 1960,603; BGHZ 36,321,323; 37,258,264)
ist zwar bei Bestimmung der Höhe der in Frage stehenden Bereicherung
auf den Wert der jeweils geleisteten Dienste abgehoben worden, der nach
der insoweit üblichen bzw. angemessenen Vergütung zu bemessen
sei. Damit hat der Senat aber nicht zum Ausdruck gebracht, daß in
derartigen Fällen überhaupt keine Rolle spiele, ob der Bereicherungsschuldner
auch dementsprechende Ausgaben erspart habe. Das war in den damaligen Rechtsstreitigkeiten
vielmehr ohne weiteres vorauszusetzen, da es um Dienstleistungen - Betriebsrationalisierung
und Rechtsbesorgung - ging, die der Bereicherungsschuldner benötigte
und von denen deshalb anzunehmen war, daß er sie sich auf jeden Fall
zum üblichen bzw. angemessenen Entgelt anderweitig beschafft hätte,
zumal er über sie bereits entgeltliche Verträge abgeschlossen
hatte. Die angeführten Entscheidungen des Senats sind, soweit ersichtlich,
allgemein auch nicht so aufgefaßt worden, wie sie das Berufungsgericht
versteht.
Die Rechtsprechung hat im Gegenteil stets den
Standpunkt eingenommen, daß von einer Bereicherung im Sinne der §
812 ff BGB in der Regel nur gesprochen werden kann, wenn und soweit der
Bereicherte eine echte Vermögensvermehrung und sei es allein durch
die Ersparnis von Aufwendungen erfahren hat. Das machen schon die zahlreichen
zur Anwendung der »Saldotheorie« erlassenen Entscheidungen
deutlich (vgl. etwa BGHZ 1,75,31; 9,333,335; LM Nr. 11 zu § 818 Abs.
3 BGB; neuerdings BGHZ 53,144,145). Darauf wurde aber auch, zumindest dem
Grundsatz nach, bei der Begründung von Bereicherungsansprüchen
abgehoben, die aus dem Verbrauch oder dem Gebrauch fremden Gutes bzw. der
Verletzung des Persönlichkeitsrechts am eigenen Bild herzuleiten waren
(BGHZ 14,7,9; 20,270,275; 20,345,355; 21,319,335/336; 22,395,400; RGZ 97,310,312).
Für die Entgegennahme von ihrer Natur nach nicht rückgabefähigen
Dienstleistungen kann nichts anderes gelten.
An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Andernfalls
wäre in Frage gestellt, ob dem allgemein anerkannten obersten Grundsatz
des Bereicherungsrechts immer Geltung verschafft werden könnte, wonach
die Herausgabepflicht des Bereicherten keinesfalls zu einer Verminderung
seines Vermögens über den Betrag der wirklichen Bereicherung
hinaus führen darf (BGHZ 1,75,81; RGZ 118,185,187; RGRK (11.) Anm.
32; Soergel/Siebert/Mühl (10.) Randnote 21 je zu § 818 BGB).
4. Gerade Fälle wie der vorliegende zeigen
aber, daß auch eine abgewandelte differenziertere Betrachtungsweise
am Platze sein kann. Die Besonderheit des Streitfalles besteht nämlich
darin, daß der Beklagte einmal geltend macht, sein Vermögen
sei durch den Flug mit der Maschine der Klägerin überhaupt nicht
vermehrt worden. Denn die Reise habe für ihn einen Luxus dargestellt,
den er sich nie verschafft hätte, wenn er dafür hätte bezahlen
müssen, in dessen Genuß er im übrigen schon mangels der
dafür erforderlichen Mittel gar nicht hätte kommen können.
Er habe also konkret nichts erspart, die Leistungen der Klägerin seien
mit der Entgegennahme verbraucht worden. Zum anderen war dem Beklagten
von Anfang an bewußt - von seiner Minderjährigkeit soll zunächst
abgesehen werden -, daß er die Leistungen der Klägerin rechtsgrundlos
empfing.
a) Damit greifen hier mehrere Grundfragen des
Bereicherungsrechts ineinander: Einerseits können außergewöhnliche
Ausgaben, die sonst nicht gemacht worden wären, eine einmal eingetretene
Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB wegfallen lassen (BGH MDR 1959,109
mit Nachweisen). Dann müssen solche Ausgaben folgerichtig auch geeignet
sein, wenn sie mit dem Leistungsempfang unmittelbar zusammenfallen, schon
die Entstehung einer entsprechenden Bereicherung zu verhindern. Andererseits
kann sich der Empfänger, wenn er den Mangel des rechtlichen Grundes
bei dem Empfang kennt oder ihn hinterher erfährt, im allgemeinen auf
den nachträglichen Wegfall oder die spätere Minderung seiner
Bereicherung nicht berufen (RG DR 1939,634; BGH WM 1970,1421,1422; Senatsurteil
VII ZR 115/63 vom 12. Juli 1965 S. 11). Wer jedoch durch das von ihm
Empfangene von vornherein nicht bereichert wird, haftet an sich nach den
§§ 812 ff BGB überhaupt nicht, auch wenn er den Mangel des
rechtlichen Grundes bei dem Empfang kannte (vgl. Senatsurteil VII ZR
17/57 vom 21. November 1957 S. 9).
Im vorliegenden Fall würde das bedeuten:
Hätte der Beklagte einen Flugschein oder das Geld für den Flug
rechtsgrundlos von einem Dritten erhalten, würde er - wenn ihm seine
Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund zuzurechnen ist - dem Dritten nach §
818 Abs. 2 BGB auf Wertersatz haften. Da er die von ihm gewünschten
Leistungen unmittelbar von der Klägerin erhalten hat, würde er
bei gleichen subjektiven Voraussetzungen frei ausgehen. Das ist nicht miteinander
zu vereinbaren. Für den Beklagten stellt sich der ihm zuteil gewordene
»Empfang« vielmehr in beiden Fällen gleich dar.
b) Die aufgezeigte Diskrepanz läßt
sich nicht dadurch vermeiden - wie es offenbar dem Berufungsgericht vorschwebt
-, daß bei der Entgegennahme von ihrer Natur nach nicht rückgabefähigen
Dienstleistungen von Grund auf andere Maßstäbe angelegt werden
und die Bereicherung schon in der Inanspruchnahme der Dienste gesehen wird,
ohne daß es auf die Einsparung sonst notwendig gewordener Aufwendungen
ankommen soll. Es wäre auch keine sachgerechte Lösung, bei der
Ermittlung der Bereicherung zwar nach den ersparten Aufwendungen zu fragen,
diese aber nicht nach den jeweiligen Verhältnissen des Bereicherungsschuldners,
sondern danach zu bemessen, was die empfangene Leistung bei ordnungsgemäßem
Vorgehen ganz allgemein gekostet hätte (vgl. etwa BGHZ 20,345,355;
20,270,275; 22,395,400; RGZ 97,310,312; BayObLGZ 1965,7,13). Denn beide
Male wäre der »gutgläubige« Leistungsempfänger
benachteiligt, der im berechtigten Vertrauen auf den Bestand der ihm zuteilgewordenen
Leistung etwas erlangt, was er sich sonst nicht verschafft hätte,
und dem daraus auch kein anderweitiger Vermögensvorteil verblieben
ist.
c) Die auftretende Ungereimtheit ist jedoch durch
eine sinnvolle Abstimmung der in den §§ 818 ff BGB enthaltenen
Einzelbestimmungen zu bereinigen. Zu Recht wird von einem Teil des Schrifttums
(von Caemmerer Festschrift für Rabel Bd. I, 368; Kleinheyer JZ 1961,473,474;
Larenz Schuldrecht (9.) § 64 II S. 393) besondere Aufmerksamkeit dem
Umstand gewidmet, daß die Bereicherungsansprüche nach bürgerlichem
Recht primär auf »das Erlangte« oder dessen Wert gerichtet
sind. Tatsächlich ist in den §§ 812 ff BGB - von der Überschrift
abgesehen - zunächst stets nur vom »Geleisteten« oder
»Erlangten« die Rede, und zwar noch in den Absätzen 1
und 2 des § 818 BGB. Erstmals in § 818 Abs. 3 (und dann wieder
in den §§ 820 Abs. 2,822) BGB wird der Begriff der »Bereicherung«
verwendet als Maßstab für die Begrenzung der Haftung nach den
vorangehenden Vorschriften, denen diese Begrenzung deshalb schlechthin
eigen ist. Darauf stützt sich letztlich auch die Anwendung der sogenannten
Saldotheorie für den Regelfall.
Der Grundgedanke des Bereicherungsrechts, die
Herausgabepflicht des »gutgläubigen« Bereicherten dürfe
keinesfalls zu einer Verminderung seines Vermögens über den Betrag
der wirklichen Bereicherung hinaus führen, hat also gerade in der
Vorschrift des § 818 Abs. 3 BGB seinen Niederschlag gefunden, aus
der er denn auch von der Rechtsprechung ausdrücklich hergeleitet wird
(BGHZ 1,75,81; RGZ 118,185,187).
Damit erscheint es aber durchaus als angebracht,
ja sogar als geboten, Grundsätze, die für die Frage des eventuellen
späteren Wegfalls einer Bereicherung aufgestellt worden sind, bei
gleicher Interessenlage auf die Beurteilung zu übertragen, ob eine
Bereicherung überhaupt eingetreten ist. Das muß zumindest dann
geschehen, wenn dadurch Ungereimtheiten innerhalb des Bereicherungsrechts
gelöst werden können, die entstünden, wollte man für
den späteren Wegfall einer Bereicherung andere Voraussetzungen fordern
als für ihr Fehlen von Anfang an, obgleich für eine verschiedene
Behandlung keine einleuchtenden Gründe erkennbar sind. Dann verlangt
es schon das Gebot der Billigkeit, dem das Bereicherungsrecht in besonderem
Maße unterliegt (vgl. BGHZ 36,232,235), die notwendigen Korrekturen
vorzunehmen.
Wird nun aber - wie dargelegt - einem Bereicherungsschuldner,
der den fehlenden Rechtsgrund beim Empfang kennt, im allgemeinen versagt,
sich auf den späteren Wegfall einer einmal vorhandenen Bereicherung
zu berufen, so ist nicht einzusehen, warum es ihm gestattet sein soll,
unter den gleichen Voraussetzungen schon die Entstehung einer Bereicherung
zu leugnen. Das muß jedenfalls dann gelten, wenn die in Frage stehende
Bereicherung - wie hier - in der Ersparnis von Aufwendungen für außergewöhnliche
Dinge besteht, die sich der Bereicherungsschuldner sonst nicht leisten
würde oder sogar leisten könnte. Kennt der Bereicherungsschuldner
den Mangel des rechtlichen Grundes, so kann es keinen Unterschied machen,
ob er das zunächst Empfangene seinem Vermögen erst einverleibt
und später wieder ausgibt, oder ob das Empfangene selbst schon den
außergewöhnlichen Aufwand befriedigt. Entscheidend ist, daß
der Bereicherungsschuldner in Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes
tatsächlich etwas erlangt hat, für das er, wenn es nicht mehr
vorhanden ist, nach § 818 Abs. 2 BGB grundsätzlich Wertersatz
leisten muß.
Mit Recht hebt von Caemmerer (aaO; ihm folgend
Larenz aaO) hervor, daß sich der normale Anspruchsinhalt im Bereicherungsrecht
aus den §§ 818 Abs. 1,2 und 4,819,820 BGB ergibt und daß
die ausnahmsweise Beschränkung auf den gleitenden Betrag der noch
vorhandenen Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB nur den »gutgläubigen«
Empfänger begünstigen soll. Dasselbe hat schon für die Entstehung
einer Bereicherung zu gelten, wenn, wie dargelegt, kein Grund besteht,
Wegfall und Entstehung der Bereicherung verschieden zu behandeln. In einem
solchen Falle muß sich der »bösgläubige« Empfänger
so behandeln lassen, als ob er etwas erspart und sein Vermögen dadurch
vermehrt hätte (vgl. dazu umfassend Jakobs, Eingriffserwerb und Vermögensverschiebung,
Bonner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Band 62, 1964, insbesondere
S. 150/151,160). Der von ihm nach den §§ 818 Abs. 2,819 BGB geschuldete
Ersatz des Wertes der empfangenen Leistung ist - wie auch sonst (vgl. BGHZ
37,258,264; 36,321,323) - nach der Höhe der dafür üblichen
bzw. nach der angemessenen Vergütung zu bestimmen.
5. Daß der Beklagte bei dem Empfang der
Leistungen der Klägerin den Mangel des rechtlichen Grundes kannte,
ist unstreitig. Er war damals aber noch nicht ganz 18 Jahre alt, also minderjährig.
Auf wessen Kenntnis im Rahmen des § 819 BGB bei Bereicherungsansprüchen
gegenüber nicht voll Geschäftsfähigen abzustellen ist, wird
in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beurteilt.
a) Verschiedene Autoren halten stets die Kenntnis
des gesetzlichen Vertreters für maßgebend (Staudinger/Seufert
(11.) Randnote 7; Planck/Landois (4.) Anm. I b 2, je zu § 819 BGB;
zweifelnd RGRK (11.) Anm. 3 zu § 819 BGB und Enneccerus/Lehmann (15.)
§ 227 V 1 b). Auch das Reichsgericht hat (JW 1917,465) in einem Fall,
in dem eine wegen Verschwendungssucht Entmündigte Geld geliehen und
ausgegeben hatte, die Kenntnis der beschränkt Geschäftsfähigen
vom Mangel des Rechtsgrundes beim Empfang des Geldes für unschädlich
angesehen, da andernfalls der Schutzzweck der Entmündigung vereitelt
würde (vgl. a. KG FamRZ 1964,518).
Verbreitet wird dagegen im Schrifttum die analoge
«Anwendung der §§ 827-829 BGB im Rahmen des § 819
BGB befürwortet (Oertmann (5.) Anm. 3; Soergel/Siebert/Mühl (10.)
Anm. 6; Erman/Seiler (4.) Anm. 1 a; wohl auch Palandt/Thomas (29.) Anm.
2c je zu § 819 BGB; Fikentscher Schuldrecht (2.) § 18 III 5 a;
Canaris NJW 1964, 1989 Fußnote 18). Larenz nimmt (Schuldrecht (9.)
§ 64 II S. 396) eine Mittelstellung ein, indem er für die Leistungskondiktion
die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters als maßgebend, für
die Eingriffskondiktion dagegen die entsprechende Anwendung der §§
827,828 BGB als sachgerecht erachtet.
b) In welcher Weise etwa eine unterschiedliche
Behandlung der einzelnen Bereicherungsfälle notwendig werden könnte,
braucht nicht abschließend untersucht zu werden. Soweit es der mit
der Beschränkung der Geschäftsfähigkeit verfolgte Schutzzweck
erfordert, muß allerdings auch im Rahmen des § 819 BGB auf die
Kenntnis des gesetzlichen Vertreters abgehoben werden. Das dürfte
vor allem für die Abwicklung etwaiger von beschränkt Geschäftsfähigen
abgeschlossener Rechtsgeschäfte gelten. Sonst würde in manchen
Fällen über die Bereicherungshaftung der Zustand eintreten, vor
dem der nicht voll Geschäftsfähige gerade bewahrt werden sollte.
Deshalb kann auch der angeführten Entscheidung des Reichsgerichts
unbedenklich zugestimmt werden.
Der der Beschränkung der Geschäftsfähigkeit
Minderjähriger zugrundeliegende Schutzgedanke findet jedoch seine
Grenze im Recht der unerlaubten Handlungen, das die Verantwortlichkeit
Jugendlicher für von ihnen verursachte Schäden nach anderen Merkmalen
bestimmt, unabhängig davon, in welchem Umfang sie in der Lage sind,
sich rechtsgeschäftlich zu verpflichten. Wird nun aber ein Minderjähriger
ohnehin nicht uneingeschränkt vor Nachteilen aus seinem eigenen Verhalten
bewahrt, so besteht jedenfalls dann kein Anlaß, ihm die Folgen der
verschärften Haftung des § 819 BGB zu ersparen, wenn und soweit
er sich das Erlangte durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung verschafft
hat. In diesem Falle ist kein einleuchtender Grund zu erkennen, sein Verhalten
bereicherungsrechtlich nach anderen als den auch für unerlaubte Handlungen
maßgebenden Gesichtspunkten zu beurteilen.
Hier hat der Beklagte, wenn zu seinen Gunsten
unterstellt wird, daß er sich - wie er behauptet - beim Einstieg
in die Maschine der Klägerin in Hamburg ohne Flugschein völlig
passiv verhalten hat, zumindest den Tatbestand des § 265a StGB verwirklicht,
nämlich die Beförderung durch ein Verkehrsmittel erschlichen
in der Absicht, das Entgelt nicht zu entrichten. Infolgedessen ist bei
Beurteilung seiner Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §
819 BGB auf seine Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund abzuheben und im Rahmen
dieser Vorschrift § 828 Abs. 2 BGB entsprechend anzuwenden.
c) Das Berufungsgericht hat hierzu keine Feststellung
getroffen. Die gegebenen Umstände ermöglichen aber eine abschließende
Entscheidung. Denn daß der damals nahezu 18 Jahre alte Beklagte,
wenn er vorher mit einem gültigen Flugschein von München nach
Hamburg geflogen ist, die nach § 828 Abs. 2 BGB erforderliche Einsicht
zu der Erkenntnis hatte, daß er den Weiterflug nach New York ebenfalls
nicht ohne Berechtigungsausweis fortsetzen darf, kann keinem ernstlichen
Zweifel unterzogen werden.
Damit haftet er nach den §§ 812,818
Abs. 2 und 4,819 BGB auf den Wert der von ihm in Anspruch genommenen Leistung,
also auf die für den Flug üblicherweise zu zahlende Vergütung.
Mehr verlangt die Klägerin nicht.