Anspruch aus § 816 I 1 BGB:
Genehmigung der (unwirksamen) Verfügung eines Nichtberechtigten bei
bereits erfolgtem Eigentumserwerb des Dritten nach §§ 946 ff
BGB
BGH, Urt. vom 6.5.1971, VII ZR 232/69
Fundstelle:
BGHZ 56, 131 ff
vgl. aber auch BGHZ
107, 340 = NJW 1989, 2049
Zum Anspruch gegen den Erwerber aus § 951
I, § 812 I Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion) siehe den "Jungbullenfall"
BGHZ 55, 176.
Amtl. Leitsatz:
Der Eigentümer einer gestohlenen Sache
kann die Verfügung eines Nichtberechtigten über den abhanden
gekommenen Gegenstand auch dann noch genehmigen und den von dem Verfügenden
erzielten Erlös herausverlangen, wenn dessen Abnehmer das veräußerte
Gut inzwischen zu einer neuen beweglichen Sache verarbeitet und an dieser
nach § 950 BGB das Eigentum erworben hat.
In der Zeit von Dezember 1960 bis
Oktober 1962 wurde der Firma F. in W. Leder im Werte von rund 120 000 DM
gestohlen. Einen Teil davon hat die Beklagte, die einen Ledergroßhandel
betreibt, angekauft. Sie veräußerte die von ihr erworbene Ware,
ohne ihre tatsächliche Herkunft zu kennen, im Laufe des Jahres 1962
an Kunden weiter, die das Material in ihren Fabrik- und Handwerksbetrieben
alsbald verarbeitet haben.
Die Klägerin hat den Schaden der Firma F.
in Höhe von 114 000 DM auf Grund einer mit ihr bestehenden Diebstahlsversicherung
gedeckt. Am 14. Februar 1964 genehmigte sie die Weiterveräußerung
des gestohlenen Leders durch die Beklagte an deren Abnehmer und verlangt
nunmehr Herausgabe des von der Beklagten erzielten Erlöses. Da ihr
die von der Beklagten getätigten Verkäufe im einzelnen nicht
bekannt sind, hat sie Stufenklage erhoben und beantragt, die Beklagte zu
verurteilen,
1. Auskunft über die von ihr beim Weiterverkauf
des gestohlenen Leders erzielten Erlöse zu erteilen,
2. den sich hieraus ergebenden Betrag nebst Zinsen
zu zahlen.
Das Landgericht hat dem Klageantrag Ziffer 1 durch
Teilurteil stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der
Beklagten die Klage in vollem Umfange abgewiesen.
Die Revision der Klägerin führte zur
Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I....
II.
1. Das Berufungsgericht meint, auf die Klägerin
übergegangene Bereicherungsansprüche der Firma F. gegen die Beklagte
nach § 816 BGB seien nie entstanden, da die Klägerin im Jahre
1964 die Verfügungen der Beklagten über das gestohlene Leder
gar nicht mehr habe genehmigen können. Zwar wirke nach § 184
BGB die nachträgliche Zustimmung auf den Zeitpunkt der Veräußerung
im Jahre 1962 zurück. Das setze aber eine wirksame Genehmigung voraus,
die nur dann gegeben sei, wenn der Genehmigende bei ihrer Abgabe noch verfügungsberechtigt
sei. Die Firma F. habe in der Zwischenzeit ihr Eigentum an dem gestohlenen
Leder nach § 950 BGB verloren, da die Abnehmer der Beklagten das Material
längst verarbeitet gehabt hätten.
2. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision
haben Erfolg.
a) Allerdings wird nach überwiegender Ansicht
in Rechtsprechung und Schrifttum die in § 184 Abs. 1 BGB bestimmte
Rückwirkung der nachträglichen Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft
auf den Zeitpunkt seiner Vornahme nur von einer wirksamen Genehmigung ausgelöst,
die erfordere, daß der Genehmigende zur Zeit ihrer Erteilung noch
verfügungsberechtigt sei (RGZ 134,283,286; Staudinger/Coing (11.)
Randn. 4; Soergel/Schultze von Lasaulx (10.) Anm. 7; RGRK (11.) Anm. 8;.
Erman/Böhle-Stamschräder (4.) Anm. 6 je zu § 184 BGB; weitere
Nachweise bei Pfister JZ 1969,623 Fußn. 2 und 3). Gegen diese Auffassung
hat sich in neuerer Zeit vor allem Pfister (JZ 1969,623 f) mit beachtenswerten
Gründen gewandt. Der Frage braucht in ihrer Allgemeinheit aber nicht
näher nachgegangen zu werden.
b) Denn in Fällen der vorliegenden Art bedarf
sie ohnehin einer besonderen Beurteilung. Hier erfährt sie eine eigene
Behandlung auch im Schrifttum, in dem, soweit ersichtlich, Einigkeit darüber
herrscht, daß die nach § 185 Abs. 2 BGB erteilte Genehmigung
der Verfügung eines Nichtberechtigten, mit der sich der Eigentümer
einer Sache nach § 816 BGB den Zugriff auf den Veräußerungserlös
sichern will, nicht etwa voraussetzt, daß die Sache bei Erteilung
der Genehmigung überhaupt noch vorhanden ist (vgl. z. B. Staudinger/Seufert
(11.) Randn. 4a zu § 816 BGB; Larenz Schuldrecht (9.) § 62 II
S. 379). In der einschlägigen Rechtsprechung des Reichsgerichts und
des Bundesgerichtshofs ist ebenfalls nie darauf abgehoben worden, welches
Schicksal eine gestohlene oder sonst abhanden gekommene Sache erlitten
hat, nachdem über sie durch einen Nichtberechtigten verfügt worden
war, wenn nur der die Verfügung Genehmigende im Zeitpunkt der Verfügung
über den Gegenstand noch dessen Eigentümer war (vgl. RGZ 106,44;
115,31,34 f; BGHZ 29,157; BGH NJW 1960,860; 1968,1326). In diesem Falle
kann es weder auf die tatsächliche noch auf die rechtliche Verfügungsmacht
des die Verfügung genehmigenden ursprünglichen Eigentümers
im Zeitpunkt der Abgabe der Genehmigungserklärung ankommen.
c) Das ergibt sich aus folgendem:
Die Vorschrift des § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB
dient vornehmlich dem Schutz des Eigentums und soll den Eigentümer
für den Verlust der Sache in der Form entschädigen, daß
er auf alle Fälle das erhält, was der über den Gegenstand
verfügende Nichtberechtigte erlangt hat (BGHZ 52,39,44). Der Anspruch
auf Herausgabe des Erlangten tritt, wie es der Bundesgerichtshof in anderem
Zusammenhang ausgedrückt hat (BGHZ 29,157,162; 47,128,130; BGH NJW
1962,299; 1970,2059; 1971,612), gleichsam an die Stelle des Eigentumsherausgabeanspruchs
nach § 985 BGB.
aa) Nun regelt die angeführte Bestimmung
zunächst nur den Fall, daß ohne Zutun des Eigentümers die
Verfügung eines Nichtberechtigten ihm gegenüber wirksam ist,
wobei vor allem an den gutgläubigen Erwerb durch Dritte gedacht ist.
Rechtsprechung und Rechtslehre ermöglichen jedoch seit langem dem
Eigentümer gerade durch die nachträgliche Genehmigung nach den
§§ 184,185 Abs. 2 BGB die gleiche Wirkung dann herbeizuführen,
wenn ein gutgläubiger Erwerb Dritter nicht stattgefunden hat (vgl.
etwa BGH NJW 1959,668 und Staudinger/Seufert (11.) Randn. 4a zu §
816 BGB jeweils mit weiteren Nachweisen).
Würde man dem verfügenden Nichtberechtigten
in diesem Falle gestatten, den wahren Eigentümer stets auf den Herausgabeanspruch
nach § 985 BGB gegenüber dem Dritten zu verweisen, so wäre
der mit der Vorschrift des § 816 BGB bezweckte Schutz des Eigentümers
nur unvollkommen. Er würde sich sogar häufig in sein Gegenteil
verkehren, nämlich dann, wenn der Dritte gar nicht mehr aufzufinden
oder die Sache untergegangen oder in ihrem Wert erheblich gemindert ist.
Dem ursprünglichen Eigentümer muß deshalb zu seinem Schutze
die Wahl bleiben, ob er sich - wenn der Dritte die Sache nicht gutgläubig
erworben hat - an diesen halten oder ob er der Verfügung des Nichtberechtigten
nachträglich zustimmen und den von ihm erzielten Erlös herausverlangen
will. Ob die Sache im Zeitpunkt der Genehmigungserklärung noch vorhanden
oder auffindbar ist, darf dabei keine Rolle spielen. Gerade dann, wenn
das nicht der Fall ist, wenn der Eigentümer also die tatsächliche
Verfügungsmacht über sein Eigentum verloren hat und auch nicht
wiedergewinnen kann, wird für ihn die Möglichkeit, auf den Erlös
für den veräußerten Gegenstand zurückgreifen zu können,
in besonderem Maße bedeutsam.
bb) Nicht anders ist es, wenn er aus rechtlichen
Gründen sein Eigentum von dem Dritten nicht mehr herausverlangen kann,
weil es ohne Rücksicht auf dessen guten Glauben, also etwa durch Verbindung
(§ 946,947 BGB), Vermischung (§ 948 BGB) oder Verarbeitung (§
950 BGB) untergegangen ist. Auch und gerade dann - denn diese Fälle
werden keineswegs selten sein - bedarf der frühere Eigentümer
des Schutzes, den ihm die Vorschrift des § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB gewähren
will. Seine Interessenlage unterscheidet sich von der, die vor seinem Eigentumsverlust
bestand, nicht.
Allerdings billigt § 951 BGB demjenigen,
der nach den §§ 946 bis 950 BGB einen Rechtsverlust erleidet,
einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegenüber dem durch die
Rechtsveränderung Begünstigten zu. Das bedeutet jedoch lediglich,
daß damit zunächt dieser Anspruch an die Stelle des nicht mehr
durchzusetzenden Eigentumsherausgabeanspruchs nach § 985 BGB tritt.
Dem ursprünglichen Eigentümer muß dann aber wenigstens
die nunmehr begrenzte Wahl bleiben zwischen dem Bereicherungsanspruch nach
§ 951 BGB gegenüber dem Dritten und dem Anspruch nach §
816 BGB gegenüber dem vorher unberechtigt über das Eigentum Verfügenden.
Nur so wird der dieser Vorschrift zugrunde liegende Schutzgedanke voll
verwirklicht. Es ist nicht einzusehen, warum der frühere Eigentümer
im Ergebnis schlechter stehen soll, weil er statt des an sich stärkeren
Eigentumsherausgabeanspruchs nach § 985 BGB nur noch einen Bereicherungsanspruch
nach § 951 BGB gegen den Dritten geltend machen kann.
Andererseits würde nicht einleuchten, weshalb
der über fremdes Eigentum Verfügende von einem Bereicherungsanspruch
des Berechtigten gemäß § 816 BGB verschont bleiben soll,
nur weil zufällig oder der Natur der Sache nach das bisherige Eigentum
an dem von ihm veräußerten Gegenstand durch Verbindung, Vermischung
oder Verarbeitung untergegangen ist. Mit der Genehmigung durch den früheren
Eigentümer stellt sich für ihn die Lage vielmehr im Ergebnis
nicht anders dar, als wenn er selbst seinen Abnehmern das Eigentum an den
veräußerten Gegenständen verschafft hätte. Dann müßte
er aber ohnehin den von ihm erzielten Erlös an den Berechtigten herausgeben.
Dafür, daß Bereicherungsansprüche nach § 951 BGB gegenüber
den Dritterwerbern etwa von vornherein den nach § 816 BGB gegenüber
dem vorher verfügenden Nichtberechtigten gegebenen Anspruch auf das
von diesem Erlangte ausschließen sollten, spricht nichts.
Der Eigentümer einer gestohlenen Sache kann
nach alledem die Verfügung eines Nichtberechtigten über den abhanden
gekommenen Gegenstand auch dann noch genehmigen und nach § 816 Abs.
1 Satz 1 BGB den von dem Verfügenden erzielten Erlös herausverlangen,
wenn dessen Abnehmer das veräußerte Gut inzwischen zu einer
neuen beweglichen Sache verarbeitet und an dieser nach § 950 BGB das
Eigentum erworben hat ... |