Schuldanerkenntnis als "Zeugnis gegen sich selbst" - Abgrenzung vom abstrakten und kausalen Schuldanerkenntnis

BGH, Urt. v. 24.3.1976, IV ZR 222/74


Fundstelle:

BGHZ 66, 250


Zentrale Probleme:

Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die Abgrenzung des kausalen Schuldanerkenntnisses, dessen rechtsgeschäftlicher Charakter in einem Einwendungsverzicht liegt (s. dazu sowie zur Abgrenzung zum kausalen Schuldanerkenntnis die Anm. zu BGH NJW 1992, 2228; BAG NJW 1999, 2059; BGH NJW 2000, 2501; BGH NJW 2000, 2984) vom bloßen "Zeugnis gegen sich selbst", das keine rechtsgeschäftliche Bedeutung hat, sondern zur Beweisführung dienen soll (s. dazu die fett wiedergegebenen Passagen).
S. dazu etwa auch OLG Oldenburg v. 23.12.2002,
15 U 72/02.


Amtl .Leitsatz:

Bei einer Unfallversicherung wird der Versicherer durch das gemäß § 11 AUB (oder der entsprechenden Klausel der jeweils vereinbarten AVB) abgegebene Anerkenntnis seiner Leistungspflicht nicht gehindert, die geleistete Entschädigung vom Empfänger nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuverlangen, wenn sich der zunächst anerkannte, Entschädigungsanspruch als unbegründet erweist.


Zum Sachverhalt:

Die Beklagte ist die Witwe des Bauingenieurs L. Seine Arbeitgeberin hatte für ihn bei der Klägerin zwei Lebensversicherungsverträge mit Unfalltod-Zusatzversicherung abgeschlossen. Bezugsberechtigt aus diesen Verträgen war die Beklagte.
L. ist am 30. März 1973 infolge eines Verkehrsunfalls auf einer Urlaubsfahrt ums Leben gekommen. Er war gegen 15.00 Uhr mit der Beklagten und drei Kindern von V. abgefahren, nach dreistündiger ununterbrochener Fahrt - gegen 18.00 Uhr - auf der Bundesautobahn mit seinem PKW ins Schleudern geraten und gegen den Betonsockel einer Schilderbrücke geprallt. Bei dem Unfall wurden die drei Kinder der Eheleute L. getötet und die Beklagte schwer verletzt; L. erlag etwa drei Stunden nach dem Unfall seinen schweren Verletzungen. Die Polizei äußerte unmittelbar nach dem Unfall gegenüber der Presse die Vermutung, daß der Unfall auf die in Anbetracht der Spikes-Reifen überhöhte Geschwindigkeit des Unfallwagens zurückzuführen sei.
Im Auftrag der Beklagten machte deren Schwager u. a. die Unfalltod-Zusatzversicherungssumme bei der Klägerin geltend. Ohne zuvor in den polizeilichen Ermittlungsvorgang über den Unfall Einblick genommen zu haben, teilte ihm die Klägerin mit Schreiben vom 10. April 1973 u. a. folgendes mit:

»Aufgrund der uns eingereichten Unterlagen haben wir unsere Leistungspflicht anerkannt. Es stehen zur Verfügung:
Sofort
Versicherungssumme DM 53.000,-
Unfalltod-Zusatzversicherung DM 53.000,-
Sterbegeld DM 5.300,-
DM 111.300,-
Diesen Betrag haben wir heute auf das Konto ... überwiesen.«

Außer der am 10. April 1973 überwiesenen Summe von DM 111.300,- zahlte die Klägerin der Beklagten am 15. April 1973 weitere DM 102.466,40 aus, nachdem die Beklagte um diese ihr angebotene Kapitalabfindung anstatt einer monatlichen Sterberente von DM 530,- aus der Lebensversicherung gebeten hatte.
Am 20. Juni 1973 erfuhr die Klägerin von einer anderen Versicherungsgesellschaft, daß dem Versicherten noch vor seinem Tode gegen 19.30 und 20.00 Uhr zwei Blutproben entnommen worden waren, die eine Blutalkoholkonzentration von 2,19 und 2,07‰ ergeben hatten. Nach Einsicht in die amtlichen Ermittlungsakten forderte die Klägerin am 27. September 1973 unter Berufung auf § 3 Abs. 1d ihrer den Versicherungsverträgen zugrundeliegenden »Besonderen Bedingungen für die Unfalltod - Zusatzversicherung« (im folgenden BBU) die Beklagte auf, die Unfalltod-Zusatzversicherung von DM 53 000,- zurückzuzahlen. Nach § 3 Abs. 1d BBU sind Unfälle infolge von Geistes- oder Bewußtseinsstörungen, auch soweit diese durch Trunkenheit verursacht sind, von der Versicherung ausgeschlossen.
Die Klägerin verlangt vorerst die Rückzahlung eines Teilbetrages der Versicherungssumme in Höhe von DM 25 200,- nebst 6,5% Zinsen ab Rechtshängigkeit. Sie trägt vor: Vor der Auszahlung der Versicherungssumme habe sie »die Prüfung der Frage der Trunkenheit überhaupt nicht in Betracht gezogen«. Sie habe auf Grund der ihr bekannten Umstände des Unfalls davon ausgehen können und müssen, daß der Versicherte beim Unfall nicht unter Alkoholeinfluß gestanden habe. Ihr Schreiben vom 10. April 1973 stelle kein (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis dar; sie habe auch nicht beabsichtigt, hiermit ein Schuldanerkenntnis abzugeben.
Die Beklagte, die von der Trunkenheit ihres Ehemannes unstreitig nichts gewußt hat, lehnt die Rückzahlung ab; sie ist der Ansicht, die Klägerin müsse sich an ihrem Anerkenntnis, auf dessen Verbindlichkeit und Bestand sie - die Beklagte - vertraut habe, festhalten lassen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Sprungrevision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:
I.
Das Landgericht hat auf Grund der unstreitigen Ergebnisse der beiden Blutproben festgestellt, daß beim Versicherten im Zeitpunkt des Unfalls eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 Abs. 1d BBU vorgelegen habe. Diese müsse nach der Lebenserfahrung und den darauf beruhenden Regeln über den Anscheinsbeweis als ursächlich für den Unfall angesehen werden. Die Beklagte habe keine Tatsachen dargetan, aus denen sich die ernstliche Möglichkeit eines vom gewöhnlichen Ablauf abweichenden Verlaufs ergebe. - Diese Ausführungen sind rechtsfehlerfrei (vgl. Prölss/Martin, VVG, 20. Aufl. , § 3 AUB Anm. 4c und 4d m. w. N.).
II.
1. Das Landgericht ist der Ansicht, die Klägerin habe das Recht, das Fehlen des rechtlichen Grundes für die Zahlung der Unfalltod-Zusatzversicherungssumme geltend zu machen, trotz ihres Schreibens vom 10. April 1973 nicht verloren, und hat dies folgendermaßen begründet:
Das Schreiben enthalte ein Angebot der Klägerin zum Abschluß eines bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrages bezüglich ihrer Deckungspflicht. Die Beklagte habe dieses Angebot spätestens mit der Entgegennahme der Versicherungssumme angenommen (§ 151 BGB). Die Klägerin sei deshalb aber nur mit solchen Einwendungen gegen die Entstehung des Anspruchs auf die Unfallversicherungssumme ausgeschlossen, die sie bei Abgabe ihrer Erklärung gekannt oder mit deren Entstehung sie gerechnet habe. Die Klägerin habe jedoch den Umstand, daß der Versicherte wegen Trunkenheit absolut fahruntüchtig gewesen sei, am 10. April 1973 weder gekannt noch damit gerechnet.
Die alkoholische Beeinflussung des Fahrers sei für sie nicht zweifelhaft oder ungewiß gewesen, sondern für sie habe festgestanden, daß eine Alkoholbeeinflussung nicht gegeben gewesen sei. Allerdings habe die Klägerin bei Abgabe ihres Anerkenntnisses mit der Alkoholbeeinflussung des Versicherten rechnen müssen. Dies führe aber nicht zu einem entsprechenden Einwendungsausschluß.
2. Der Revision ist zuzugeben, daß das Schreiben der Klägerin vom 10. April 1973 nicht als Angebot zum Abschluß eines bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrages angesehen werden kann.
a) Das vertragliche bestätigende (deklaratorische) Schuldanerkenntnis, durch das dem anerkennenden Schuldner Einwendungen gegen seine Schuld in einem jeweils näher zu ermittelnden Umfang abgeschnitten werden, ist als ein im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht geregelter Vertragstypus seit langem in der Rechtsprechung (vgl. die Übersicht von Steffen in BGB-RGKR, 12. Aufl. § 781 Rdn. 7 ff) und auch im neueren Schrifttum (vgl. die Nachweise bei Erman/Hense, BGB, 6. Aufl. § 781 Rdn. 2 bis 7) anerkannt. Mit einem solchen Vertrag verfolgen die Parteien den Zweck, das Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest in bestimmten Beziehungen dem Streit oder der Ungewißheit zu entziehen und es (insoweit) endgültig festzulegen (BGH WM 1962,742; 1974,836 f; BGH LM BGB § 781 Nr. 5 und 7). In dieser Festlegung besteht der rechtsgeschäftliche Gehalt des Schuldbestätigungsvertrags; der Vertrag wirkt insoweit regelnd auf die Rechtsbeziehungen der Parteien ein, als er die Verwirklichung einer Forderung von möglicherweise bestehenden Einwendungen (oder Einreden) befreit oder sogar ein noch nicht bestehendes Schuldverhältnis begründet, indem nämlich ein nur »möglicherweise« bestehendes Schuldverhältnis »bestätigt wird (BGH LM BGB § 781 Nr. 2 = NJW 1963,2316 f). In diesem Maße hat der Schuldbestätigungsvertrag eine (potentiell) konstitutive Wirkung (vgl. Erman/Hense aaO Rdn. 6; Larenz, Schuldrecht II, 10. Aufl. § 65 II, S. 371f m. w. N.; Marburger, Das kausale Schuldanerkenntnis als einseitiger Feststellungsvertrag, 1971, S. 118 f). Die Festlegung des Schuldverhältnisses reicht nur so weit, wie es dem erklärten Willen der Beteiligten entspricht. Sollte das Schuldverhältnis ohne Rücksicht auf möglicherweise bestehende Einwendungen (und Einreden) festgelegt werden oder wollte der Schuldner zumindest auf bestimmte Einwendungen verzichten, so kann diese Parteivereinbarung nicht nach § 812 Abs. 2 BGB rückgängig gemacht werden, falls sich später das »bestätigte« Schuldverhältnis als ursprünglich nicht bestehend oder eine ausgeschlossene Einwendung (Einrede) als an sich begründet herausstellen sollte (BGH WM 1966,1280).
Neben dem im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht geregelten bestätigenden (vertraglichen) Schuldanerkenntnis im vorbezeichneten Sinne gibt es indessen noch einen dritten Grundtatbestand, nämlich ein Anerkenntnis, das keinen besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen des Schuldners verkörpert, das der Schuldner vielmehr zu dem Zweck abgibt, dem Gläubiger seine Erfüllungsbereitschaft mitzuteilen und ihn dadurch etwa von sofortigen Maßnahmen abzuhalten oder dem Gläubiger den Beweis zu erleichtern. Solche Bestätigungserklärungen enthalten keine materiellrechtliche (potentiell konstitutive) Regelung für das Schuldverhältnis, sondern bewirken als »Zeugnis des Anerkennenden gegen sich selbst« im Prozeß allenfalls eine Umkehrung der Beweislast oder stellen ein Indiz dar, das aber jedenfalls durch den Beweis der Unrichtigkeit des Anerkannten entkräftet werden kann (vgl. BGH Betrieb 1974,1013 f; RG JW 1919,186).
Welche Wirkungen von einem (nicht abstrakten) »Anerkenntnis« des Schuldners ausgehen, kann nur durch Auslegung des zum Ausdruck gebrachten Parteiwillens ermittelt werden. Dabei sind im Rahmen der jeweils auf das Schuldverhältnis anwendbaren Rechtsvorschriften und Vertragsbestimmungen vor allem der erkennbar mit dem Anerkenntnis verfolgte Zweck, die beiderseitige Interessenlage im konkreten Fall und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses bedeutsam (vgl. BGH NJW 1973,2019 f). Eine Vermutung dafür, daß die Parteien einen bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrag abschließen wollten, gibt es nicht (vgl. Esser, Schuldrecht II, 4. Aufl. § 90 III 1). Die Annahme eines Schuldbestätigungsvertrags ist nur dann berechtigt, wenn die Parteien einen besonderen Anlaß zu seinem Abschluß hatten. Da der vertragstypische Zweck darin liegt, das Schuldverhältnis - ganz oder teilweise - dem Streit oder der Ungewißheit der Parteien zu entziehen, setzt der bestätigende Schuldanerkenntnisvertrag auch notwendig einen vorherigen Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewißheit der Parteien über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtlich erhebliche Punkte voraus (vgl. Erman/Hense aaO Rdn. 5; Marburger aaO S, 104 f). Zu Recht wird daher die vergleichsähnliche Rechtsnatur des Schuldbestätigungsvertrags betont (BGH NJW 1963,2316 f; BGH Betrieb 1974,1013 f; Marburger aaO S. 57 ff, 90).
b) Diese Rechtsgrundsätze hat das Landgericht nicht beachtet und insbesondere nicht bedacht, daß einem »Anerkenntnis« je nach dem Willen der Parteien, der Interessenlage und der Verkehrsanschauung eine unterschiedliche Bedeutung zukommen kann.
aa) Um den Zweck zu bestimmen, den die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 10. April 1973 verfolgt hat, ist es unerläßlich, auf § 6 Abs. 1 BBU einzugehen, der eine derartige Erklärung über die Leistungspflicht betrifft. § 6 Abs. 1 BBU lautet:
»Über die Frage, ob Tod durch Unfall im Sinne dieser Versicherungsbedingungen vorliegt und ob die Ansprüche, die daraus hergeleitet werden, ganz oder teilweise anerkannt werden, entscheidet die Gesellschaft auf Grund der eingereichten und von ihr eingeholten Nachweise. Bei gänzlich er oder teilweiser Ablehnung eines Anspruchs auf die Unfalltod-Zusatzversicherungssumme teilt die Gesellschaft ihren Bescheid durch eingeschriebenen Brief mit.«
Diese Bestimmung ist § 11 AUB nachgebildet. Der einzige, wesentliche Unterschied zwischen den beiden genannten Bestimmungen liegt darin, daß § 11 AUB anders als § 6 Abs. 1 BBU feste Fristen für die Erklärung des Versicherers vorsieht. Diese Fristen machen den eigentlichen Gehalt des § 11 AUB aus: Sie haben einerseits den Zweck, dem Versicherten oder Bezugsberechtigten die Gewißheit zu geben, daß die Bearbeitung seines Versicherungsfalls nicht ungebührlich hinausgezögert wird (Grewing, Unfallversicherung, 1967, S. 73 f); zum anderen hat § 11 AUB den Sinn, dem Versicherer eine für die Prüfung der Leistungspflicht angemessene Zeitspanne einzuräumen (Hofmann, Die private Unfallversicherung, 1970, S. 56). In Verbindung mit § 13 Abs. 1 AUB bewirkt die (positive) Erklärung des Versicherers, daß die in ihr »festgestellte« Entschädigung zwei Wochen später fällig wird. Es ist aber nicht der Sinn der nach § 11 AUB abzugebenden Erklärung des Versicherers, dem Bezugsberechtigten ein Angebot zum Abschluß eines Schuldbestätigungsvertrags zwecks Beseitigung von Streit oder Ungewißheit zu machen. Die AUB haben für die Regelung von Meinungsverschiedenheiten in § 12 ein besonderes Verfahren ausgestaltet. Für bestimmte Streitigkeiten begründet § 12 I Abs. 1 die Entscheidungskompetenz eines »Ärzteausschusses«; für alle übrigen Streitpunkte werden ausdrücklich die ordentlichen Gerichte für zuständig erklärt. Eine dem § 12 Abs. 3 VVG entsprechende Ausschlußklausel (§ 12 I Abs. 3 AUB) macht deutlich, daß der Inhalt einer ganz oder teilweise ablehnenden Erklärung des Versicherers nach der in den AUB getroffenen Regelung für den Anspruchsberechtigten nur infolge der Versäumung der Sechsmonatsfrist für die in § 12 AUB vorgesehenen Rechtsbehelfe (Antrag auf Entscheidung des Ärzteausschusses oder Klageerhebung) bindend werden soll; insoweit haben die AUB der Erklärung gemäß § 11 keine auf die vertragliche Festlegung des Schuldverhältnisses abzielende Wirkung beigelegt. Ist aber die ganz oder teilweise ablehnende Erklärung des Versicherers nur ein einseitiger Bescheid und kein Vertragsangebot, so besteht auch bei Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage kein zureichender Grund, demgegenüber die voll anerkennende Erklärung anders zu behandeln und ihr eine weitergehende rechtsgeschäftliche Bedeutung beizumessen. Auch sie ist demnach nur eine einseitige Meinungsäußerung des Versicherers und Information an den Anspruchsberechtigten, die in Verbindung mit § 13 AUB die Fälligkeit der anerkannten Entschädigung herbeiführt, im übrigen aber keine rechtsgeschäftliche, potentiell schuldbegründende oder schuldabändernde Regelung bewirken soll. Daher vermag der Senat dem OLG Düsseldorf (VersR 1953,23) und Wussow (AUB, 4. Aufl. § 11 Anm. 2) nicht zu folgen, die in der Anerkenntniserklärung des Versicherers nach § 11 AUB eine bindende Schuldbestätigung im Sinne der Rechtsprechung zum Schuldanerkenntnisvertrag sehen, dabei aber den vorstehend dargelegten rechtlichen Zusammenhang nicht hinreichend würdigen.
Hinsichtlich der Tragweite des Anerkenntnisses kann § 6 Abs. 1 BBU nicht anders ausgelegt werden als § 11 AUB. Daß die Erklärung des Versicherers gemäß § 6 Abs. 1 BBU keine weitergehende rechtsgeschäftliche Funktion hat als diejenige gemäß § 11 AUB, folgt aus § 6 Abs. 2 BBU, der in gleicher Weise wie § 12 I AUB das Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten einschließlich der vom Anspruchsberechtigten zu beachtenden Ausschlußfrist von sechs Monaten regelt.
bb) Diese Auslegung der §§ 11 AUB, 6 Abs. 1 BBU schließt nicht aus, daß der Erklärung des Versicherers im konkreten Einzelfall aus besonderem Anlaß nach dem Willen der Parteien und dem von ihnen verfolgten Zweck die Bedeutung eines bindenden Schuldanerkenntnisses im Sinne der Rechtsprechung zum Schuldbestätigungsvertrag zukommt. Nach den oben unter 2. a) dargestellten Grundsätzen setzt dies aber zumindest voraus, daß zuvor Streit oder Ungewißheit über Grund oder Höhe der Leistungspflicht des Versicherers unter den Beteiligten geherrscht hat und das Anerkenntnis erkennbar zu dem Zweck abgegeben worden ist, diesen Streit oder diese Ungewißheit beizulegen.
Vor dem Schreiben der Klägerin vom 10. April 1973 bestand jedoch weder Streit noch Ungewißheit über ihre Pflicht, die Unfalltod-Zusatzversicherungssumme zu zahlen. Wie das Landgericht in revisionsrechtlich bindender Weise feststellt, hat die Klägerin am 10. April 1973 an ihrer Leistungspflicht nicht gezweifelt. Der einzige Umstand, der für den Ausschluß ihrer Leistungspflicht hier in Betracht kam, war eine Trunkenheit des Versicherten. Sie hat eine solche zwar in Erwägung gezogen, aber auf Grund eigener Prüfung verworfen. Bei Abgabe ihres »Anerkenntnisses« war für sie die Trunkenheit des Versicherten nicht zweifelhaft oder unsicher, vielmehr stand für sie fest, daß sie nicht gegeben war. Folglich sollte auch keine Ungewißheit in diesem Punkt durch das Anerkenntnis beseitigt werden, sondern die Klägerin hatte eine etwaige Ungewißheit schon vorher infolge eigener Überlegungen überwunden.
3. Da das Schreiben der Klägerin vom 10. April 1973 nicht als Angebot zum Abschluß eines bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrags aufgefaßt werden kann, braucht die Hilfsbegründung der Revision nicht erörtert zu werden, ein Versicherer sei im Falle eines solchen Vertrags zumindest auch mit denjenigen Einwendungen ausgeschlossen, mit denen er - wie hier - habe rechnen müssen, weil sonst das Institut des Schuldanerkenntnisvertrags im Versicherungsrecht praktisch bedeutungslos wäre.
III.
1. Die Revision leitet aus dem Versicherungsvertragsrecht eine besondere Bindung des Versicherers an seine Anerkenntniserklärung ab und führt hierzu im wesentlichen aus: Anders als in sonstigen Rechtsverhältnissen sei der Versicherer gesetzlich und vertraglich verpflichtet, sich über die Anerkennung oder Ablehnung seiner Leistungspflicht zu äußern. Zur Vorbereitung seiner »Entscheidung« könne er Erhebungen vornehmen, insbesondere amtliche Akten einsehen und vom Versicherungsnehmer jede erforderliche Auskunft verlangen. Mit dem Anerkenntnis seiner Leistungspflicht bringe der Versicherer zum Ausdruck, daß er die notwendigen Erhebungen für beendet halte. Lehne er den erhobenen Anspruch in gehöriger Form ab, so werde er von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht werde (§ 12 Abs. 3 VVG). Danach könne die sachliche Begründetheit des Anspruchs nicht mehr geprüft werden, selbst dann nicht mehr, wenn der Berechtigte erst nach Fristablauf von Tatsachen Kenntnis erlange, aus denen sich ergebe, daß die Ablehnung ungerechtfertigt gewesen sei. Der so gekennzeichneten »besonderen rechtlichen Bedeutung der Erklärung des Versicherers« werde man aber nur dann gerecht, wenn man ihn derart an seinem Anerkenntnis festhalte, daß er danach gegen seine Leistungspflicht jedenfalls keine solchen Tatsachen mehr einwenden könne, die er vorher habe erkennen müssen. Ergänzend beruft sich die Revision auf die Ausführungen von Wussow in seinem AUB-Kommentar (4. Aufl. § 11 Anm. 2 S. 188 f).
2. Die Ansicht der Revision läuft darauf hinaus, der Erklärung des Versicherers, seiner »Entscheidung« im Sinne des § 6 Abs. 1 BBU, eine einseitig gestaltende Wirkung beizumessen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
a) Grundsätzlich erfordern Begründung und Inhaltsänderung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft gemäß § 305 BGB einen Vertrag, sofern das Gesetz nicht eine Ausnahme hiervon vorschreibt. Das nicht vertragsmäßige, sondern einseitig vom Schuldner erklärte Anerkenntnis einer Schuld erzeugt für sich allein noch keine rechtliche Bindung, sondern ist nur als ein Beweismittel für das Bestehen der anerkannten Schuld bedeutsam (vgl. BGH Betrieb 1974,1013 f; RG JW 1919,186). § 6 Abs. 1 BBU (und § 11 AUB) kann auch nicht in dem Sinne ausgelegt werden, daß dem Versicherer die Befugnis eingeräumt worden ist, das Schuldverhältnis durch eine einseitige ,Entscheidung« zu ändern (vgl. oben II. 2. b aa).
b) Der III. Zivilsenat hat allerdings in seinem Urteil vom 20. November 1969 (VersR 1970,518 = NJW 1970,1418) einem einseitigen, ebenfalls im Rahmen des bürgerlichen Rechts ergehenden Anerkenntnis eine den Anerkennenden bindende Wirkung zuerkannt. Es handelt sich um die Entschließung des Amts für Verteidigungslasten (AfV) im Sinne des Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen (NTS-AG) vom 18. August 1961. Die in diesem Urteil entwickelten Rechtssätze, auf die sich auch Wussow (aaO; vgl. auch Wussow-Informationen 1969,98 ff) und die Beklagte berufen, können aber auf das Versicherungsvertragsrecht einschließlich des Unfallversicherungsrechts nicht übertragen werden.
Die unvergleichbare rechtliche Sonderstellung der Entschließung des AfV hat der III. Zivilsenat in seinem Urteil schon selbst betont: Die Entschließung stelle ein Rechtsinstitut besonderer Art dar, welches keine Parallele in unserem Rechtssystem habe und keiner sonstigen Rechtsform des deutschen Rechts voll entspreche. Der Entschließung komme eine Art Zwischenstellung zwischen Vergleich und dem bürgerlich-rechtlichen Schuldanerkenntnis einerseits und dem gerichtlichen Urteil andererseits zu (VersR aaO S. 519 und 521). Das trifft auf die Erklärung des Versicherers in der privaten Unfallversicherung (§§ 11 AUB, 6 Abs. 1 BBU) nicht zu. Der Versicherer ist nicht - wie das AfV - ein bloßer Mittler (»Schiedsrichter«, VersR aaO S. 520) zwischen Anspruchsteller und wirklichem Verpflichteten (beim NTS-AG: der jeweils betroffene ausländische Entsendestaat), sondern selbst Schuldner. Seine vornehmlich im eigenen Interesse liegende Prüfung der Leistungspflicht kann dem objektivierten Verwaltungsverfahren des AfV (vgl. VersR aaO S. 520 f) nicht gleichgesetzt werden. § 6 Abs. 1 BBU und § 11 AUB haben auch nicht den - beim NTS-AG im öffentlichen Interesse liegenden - Zweck, »Schadenfälle möglichst rasch und abschließend abzuwickeln und damit eine endgültige Befriedung unter den Beteiligten herbeizuführen« (VersR aaO S. 521).
c) Wussow begründet seine Ansicht, daß der Versicherer mit allen Einwendungen gegen den von ihm anerkannten Anspruch ausgeschlossen werde, soweit die Einwendungen im Zeitpunkt der Anerkenntniserklärung (nach § 11 AUB) ihm bekannt gewesen seien oder bei genügend sorgfältiger Prüfung hätten bekannt sein können, vor allem mit dem Argument, der Versicherer sei verpflichtet, sich mit der von einem ordentlichen Versicherer zu erwartenden Sorgfalt über die Sach- und Rechtslage klarzuwerden und auf Grund einer entsprechenden Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht seine Erklärungen abzugeben (AUB, 4. Aufl. § 11 Anm. 2, S. 189). Selbst wenn man Wussow hierin folgt, so ist seine Argumentation mit Blick auf die Bindung des Anerkenntnisses nicht schlüssig. Denn der Bezugsberechtigte könnte auf Grund einer Verletzung jener Sorgfaltspflichten nur verlangen, so gestellt zu werden, als ob der Versicherer den Schadenfall mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft hätte; er könnte also lediglich Ersatz des Vertrauensschadens (des negativen Interesses) beanspruchen, der nicht notwendig identisch mit der Höhe der anerkannten Summe ist. Die Beklagte hat indessen nicht dargelegt, daß sie infolge des Anerkenntnisses und der Auszahlung der ihr nicht gebührenden Unfallversicherungssumme einen Vertrauensschaden erlitten hat.