Gebot zur richtlinienkonformen Auslegung - Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen


EuGH Urteil vom 10. APRIL 1984; Rechtssache 79/83 - Harz


Fundstelle:

EuGH Slg. 1984, 1921


Leitsätze

1. Artikel 189 Absatz 3 EWG-Vertrag belässt zwar den Mitgliedstaaten die Freiheit bei der Wahl der Mittel und Wege zur Durchführung der Richtlinie, doch lässt diese Freiheit die Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten unberührt, im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten.

Die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in dieser vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die Pflicht der Mitgliedstaaten gemäss Artikel 5 EWG-Vertrag, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, obliegen allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, und zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten. Daraus folgt, dass das nationale Gericht bei der Anwendung der nationalen Rechts, insbesondere auch der Vorschriften eines speziell zur Durchführung einer Richtlinie erlassenen Gesetzes, dieses nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des zwecks der Richtlinie auszulegen hat , um das in Artikel 189 Absatz 3 genannte Ziel zu erreichen.

2. Die Richtlinie 76/207 schreibt nicht vor, als Sanktion für eine wegen des Geschlechts erfolgte Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung den Arbeitgeber, der Urheber der Diskriminierung ist, zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem diskriminierten Bewerber zu verpflichten.

Die Richtlinie begründet hinsichtlich der Sanktionen für eine etwaige Diskriminierung keine unbedingte und hinreichend bestimmte Verpflichtung, auf die sich ein einzelner mangels rechtzeitig erlassener Durchführungsmaßnahmen berufen könnte, um aufgrund der Richtlinie eine bestimmte Wiedergutmachung zu erlangen, wenn eine solche Rechtsfolge nach den nationalen Rechtsvorschriften nicht vorgesehen oder zugelassen ist.

Die Richtlinie 76/207 überlässt es zwar den Mitgliedstaaten, die Sanktion für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unter den verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen, die zur Verwirklichung des Ziels der Richtlinie geeignet sind; entscheidet sich ein Mietgliedstaat jedoch dafür, als Sanktion für einen Verstoß gegen dieses Verbot eine Entschädigung zu gewähren, so muss diese jedenfalls, damit ihre Wirksamkeit und ihre abschreckende Wirkung gewährleistet sind, in einem angemessenen Verhältnis zu dem erlittenen Schaden stehen und somit über einen rein symbolischen Schadensersatz wie etwa die bloße Erstattung der Bewerbungskosten hinausgehen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, das zur Durchführung der Richtlinie erlassene Gesetz unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt , in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden.


Gründe
1 Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 5. Juli 1982, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 1983, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen ( Abl. L 39, S 40) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Diplom-Kauffrau Dorit Harz und der Firma Deutsche Tradax GmbH. Wie sich aus den Gründen des Vorlagebeschlusses ergibt, ist das Arbeitsgericht der Auffassung, dass das Unternehmen in dem von ihm durchgeführten Einstellungsverfahren, in dem sich Frau Harz beworben hatte, eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vorgenommen habe.

3 Nach Ansicht des Arbeitsgerichts kommt als Sanktion für eine bei der Einstellung begangene Diskriminierung nach deutschem Recht nur der Ersatz des Vertrauensschadens in Betracht, d. h. des Schadens, der den diskriminierten Bewerbern dadurch entstanden ist, dass sie darauf vertraut haben, das Arbeitsverhältnis werde ohne Diskriminierung begründet. Ein derartiger Schadensersatz ist in § 611a Absatz 2 BGB vorgesehen.

4 Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitgeber im Fall eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung "zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der Arbeitnehmer dadurch erleidet, dass er darauf vertraut, die Begründung des Arbeitsverhältnisses werde nicht wegen eines solchen Verstoßes unterbleiben". Diese Vorschrift dient der Umsetzung der genannten Richtlinie 76/207 des Rates.

5 Das Arbeitsgericht ist deshalb der Auffassung, dass es nach deutschem Recht nur auf Zahlung eines minimalen Schadensersatzes - vor vorliegenden Fall 2,31 DM - entsprechend den der Klägerin durch ihre Bewerbung entstandenen Unkosten erkennen kann, was zur Erfüllung der EG-Richtlinie nicht ausreiche, da durch einen solchen Schadensersatz kein gesetzeskonformes Verhalten der Arbeitgeber erreicht werden könne.

6 Zur Feststellung der auf gemeinschaftsebene geltenden Rechtsvorschriften für den Fall der Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung hat das nationale Gericht dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt: "1. folgt - bei einer festgestellten Diskriminierung - aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, wie er in Artikel 1 Absatz 2 und Artikel 2 Absätze 1 und 3 der, Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen ( 76/207/EWG; Abl. L 39, s. 40) enthalten ist, ein Anspruch der Bewerberin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags gegen denjenigen Arbeitgeber, der ihre Einstellung wegen ihres Geschlechtes abgelehnt hat?

2. falls die Frage 1 bejaht wird, gilt dies nur, wenn a) die diskriminierte Bewerberin die bestqualifizierte aller Bewerber und Bewerberinnen ist, oder b) auch dann, wenn zwar im Bewerbungsverfahren diskriminiert worden ist, jedoch im Ergebnis ein von der Qualifikation her besserer männlicher Bewerber eingestellt worden ist?

3. falls Frage 1 und Frage 2a und b verneint werden, folgt aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen nach den Vorschriften der Richtlinie 76/207/EWG, dass als Rechtsfolge eine ökonomisch spürbare Sanktion erforderlich ist, z. B. ein je nach Lage des Einzelfalls festzusetzender Schadensersatzanspruch zugunsten der benachteiligten Arbeitnehmerin in Höhe bis zu dem zu erwartenden Verdienst für die Zeit von sechs Monaten, der Zeit, in der nach bundesdeutschem recht Arbeitspersonen sich nicht auf die soziale Ungerechtfertigtheit einer Kündigung berufen können, und/oder staatlicherseits Bußgelder bzw. Strafen verhängt werden müssen.

4.falls die Frage 3 bejaht wird, gilt dies nur, wenn a) die diskriminierte Bewerberin die bestqualifizierte aller Bewerber und Bewerberinnen ist, oder b) auch dann, wenn zwar im Bewerbungsverfahren diskriminiert worden ist, jedoch im Ergebnis ein von der Qualifikation her besserer männlicher Bewerber eingestellt worden ist.

5. falls Frage 1, 2, 3 oder 4 bejaht werden, sind die Artikel 1, 2 und 3 der Richtlinie 76/207/EWG in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar?"

7 Mit diesen fragen soll vor allem geklärt werden, ob die Richtlinie 76/207 die Mitgliedstaaten verpflichtet, für Fälle der Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung besondere Rechtsfolgen oder Sanktionen vorzusehen, (Fragen 1 bis 4) und ob sich die einzelnen gegebenenfalls mangels rechtzeitiger Umsetzung der Richtlinie in die nationale Rechtsordnung vor den nationalen Gerichten auf die Richtlinie berufen können ( Frage 5.)

a) Zur ersten Frage 8 Die erste Frage des nationalen Gerichts geht im Wesentlichen dahin, ob die Richtlinie 76/207 vorschreibt, als Sanktion für eine wegen des Geschlechts erfolgten Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung den Arbeitgeber, der Urheber der Diskriminierung ist, zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem diskriminierten Bewerber zu verpflichten.

9 Nach Ansicht des nationalen Gerichts kommt zur Durchsetzung der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zur Beschäftigung als Sanktion entweder ein Einstellungsanspruch oder ein Schadensersatzanspruch, der nach deutschem Recht auf den Ersatz des positiven Interesses gerichtet sein müsse, in Betracht. Die Umsetzung der Richtlinie 76/207 in deutsches Recht sei noch nicht erfolgt, da die in § 611a Absatz 2 BGB vorgesehene Sanktion hierfür nicht ausreiche.

10 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist der Ansicht, § 611a Absatz 2 BGB schließe dadurch, dass er den Entschädigungsanspruch auf den Vertrauensschaden beschränke, die nach den allgemeinen Rechtsvorschriften bestehenden Schadensersatzmöglichkeiten aus. Die Richtlinie 76/207 verpflichte die Mitgliedstaaten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Diskriminierungen für die Zukunft zu verhindern. Es müsse daher zumindest angenommen werden, dass § 611a Absatz 2 außer Betracht zu bleiben habe. Das hätte für den Arbeitgeber die Verpflichtung zur Folge, einen Arbeitsvertrag mit dem diskriminierten Bewerber abzuschließen oder, wenn sich dies im vorliegenden Fall als unmöglich erweise oder nicht in Frage komme, zumindest einen spürbaren Schadensersatz an ihn zu zahlen.

11 Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland ist sich zwar der Notwendigkeit einer wirksamen Umsetzung der Richtlinie bewusst, legt aber Nachdruck darauf, dass jedem Mitgliedstaat nach Artikel 189 Absatz 3 EWG-Vertrag ein Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zustehe. Im Übrigen hätten die deutschen Gerichte die Möglichkeit, ausgehend vom nationalen Privatrecht und unter Beachtung des Inhalts der Richtlinie angemessene Lösungen zu erarbeiten, die dem Grundsatz der Gleichbehandlung, aber auch den Interessen aller Beteiligten gerecht würden. Schließlich genüge eine spürbare Rechtsfolge, um den Grundsatz der Gleichbehandlung durchzusetzen, und diese Rechtsfolge dürfe nur für diejenigen Fälle vorgesehen werden, in denen der diskriminierte Bewerber für den betreffenden Arbeitsplatz besser qualifiziert sei als andere Bewerber, nicht aber für die Fälle, in denen die Bewerber über eine gleiche Qualifikation verfügte.

12 Die niederländische Regierung meint, die Richtlinie verlange keine bestimmte Sanktion wie etwa die Verpflichtung zur Einstellung von Personen, die diskriminiert worden seien. Dagegen genüge die Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung eines rein symbolischen Betrags nicht dem Erfordernis, dass die diskriminierte Person ihre rechte nach der Richtlinie wahrnehmen können müsse.

13 Die Regierung des vereinigten Königreichs ist ebenfalls der Auffassung, dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, die Maßnahmen auszuwählen, die sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus der Richtlinie für geeignet hielten. Die Richtlinie mache keine Angaben über die von den Mitgliedstaaten zu treffenden Maßnahmen, und die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zeigten selbst deutlich die Schwierigkeiten, die bei der Bestimmung der geeigneten Maßnahmen aufträten.

14 Nach Ansicht der Kommission will die Richtlinie zwar den Mitgliedstaaten die Auswahl und Festlegung der Sanktionen überlassen, gleichwohl müsse ihre Umsetzung jedoch im Ergebnis wirksam sein. Der Grundsatz der wirksamen Umsetzung der Richtlinie gebiete es, die Sanktionen so auszugestalten, dass sie für den diskriminierten Bewerber eine angemessene Wiedergutmachung und für den Arbeitgeber ein ernstzunehmendes Druckmittel darstellte, durch das er zur Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes angehalten werde. Eine nationale Regelung, die lediglich einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens gebe, reiche nicht aus, um die Beachtung dieses Grundsatzes zu gewährleisten.

15 Nach Artikel 189 Absatz 3 EWG-Vertrag ist "die Richtlinie . . . für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel". Zwar belässt diese Bestimmung den Mitgliedstaaten die Freiheit bei der Wahl der Mittel und Wege zur Durchführung der Richtlinie, doch lässt diese Freiheit die Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten unberührt, im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten.

16 Folglich ist zu prüfen, ob die Richtlinie 76/207 die Mitgliedstaaten verpflichtet, für Verstöße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung bestimmte Rechtsfolgen oder Sanktionen vorzusehen.

17 Die Richtlinie hat zum Ziel, in den Mitgliedstaaten den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen insbesondere dadurch zu verwirklichen, dass den Arbeitnehmern beiderlei Geschlechts tatsächliche Chancengleichheit beim Zugang zur Beschäftigung gewährleistet wird. Zu diesem Zweck definiert Artikel 2 den Grundsatz der Gleichbehandlung und seine Grenzen, während Artikel 3 Absatz 1 dessen Tragweite speziell hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung präzisiert. Nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt werden, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbar sind.

18 Artikel 6 verpflichtet die Mitgliedstaaten zum Erlass der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die notwendig sind, damit jeder, der sich durch eine Diskriminierung für beschwert hält, "seine Rechte gerichtlich geltend machen kann". Aus dieser Bestimmung folgt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Maßnahmen zu ergreifen, die hinreichend wirksam sind, um das Ziel der Richtlinie zu erreichen, und dafür sorge zu tragen, dass die Betroffenen sich vor den nationalen Gerichten tatsächlich auf diese Maßnahmen berufen können. Zu solchen Maßnahmen könnten zum Beispiel Vorschriften gehören, die den Arbeitgeber zur Einstellung des diskriminierten Bewerbers verpflichten oder eine angemessene finanzielle Entschädigung gewähren und die gegebenenfalls durch eine Bußgeldregelung verstärkt werden. Allerdings schreibt die Richtlinie keine bestimmte Sanktion vor, sondern belässt den Mitgliedstaaten die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen, zur Verwirklichung ihrer Zielsetzung geeigneten Lösungen.

19 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass die Richtlinie 76/207 nicht vorschreibt, als Sanktion für eine wegen des Geschlechts erfolgte Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung den Arbeitgeber, der Urheber der Diskriminierung ist, zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem diskriminierten Bewerber zu verpflichten.

b ) Zur zweiten Frage 20 Da die zweite Frage nur für den Fall einer Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einstellung des diskriminierten Bewerbers gestellt ist, erübrigt sich die Beantwortung.

C) Zu den Fragen 3 bis 5 21 Mit seiner dritten und vierten Frage fragt das nationale Gericht den Gerichtshof im Wesentlichen danach, ob der Richtlinie das Erfordernis einer ökonomisch spürbaren Sanktion entnommen werden kann. Die fünfte Frage geht dahin, ob sich verletzte Personen vor nationalen Gerichten auf die Richtlinie entsprechend der Auslegung, die ihr gegeben werden muss, berufen können.

22 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass wirkliche Chancengleichheit nicht ohne eine geeignete Sanktionsregelung erreicht werden kann. Diese Folgerung ergibt sich nicht nur aus der Zielsetzung der Richtlinie selbst, sondern insbesondere aus ihrem Artikel 6, der dadurch, dass er den Bewerbern um einen Arbeitsplatz, die diskriminiert worden sind, ein klagerecht einräumt, anerkennt, dass ihnen Rechte zustehen, die sie vor Gericht geltend machen können.

23 Auch wenn eine vollständige Durchführung der Richtlinie nicht - wie in der Antwort auf die erste Frage festgestellt - eine bestimmte Sanktion für Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot erfordert, so setzt sie doch voraus, dass diese Sanktion geeignet ist, einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten. Sie muss ferner eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber haben. Entscheidet sich der Mitgliedstaat dafür, als Sanktion für den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot eine Entschädigung zu gewähren, so muss diese deshalb jedenfalls in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen.

24 Dolglich würde eine nationale Rechtsvorschrift, die die Schadensersatzansprüche von Personen, die Opfer einer Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung wurden, auf eine rein symbolische Entschädigung wie etwa die Erstattung ihrer Bewerbungskosten beschränkt, den Erfordernissen einer wirksamen Umsetzung der Richtlinie nicht gerecht .

25 Die Art der in der Bundesrepublik Deutschland für Fälle der Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung vorgesehenen Sanktionen und insbesondere die Frage , ob § 611a Absatz 2 BGB die sich aus den allgemeinen Rechtsvorschriften ergebenden Schadensersatzmöglichkeiten ausschließt , ist vor dem Gerichtshof ausführlich erörtert worden. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, diese Bestimmung schließe die Anwendung der allgemeinen Schadensersatzvorschriften nicht notwendig aus. Es ist allein Sache des nationalen Gerichts, über diese Frage der Auslegung seines nationalen Rechts zu entscheiden.

26 Allerdings ist klarzustellen , dass die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in dieser vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die Pflicht der Mitgliedstaaten gemäss Artikel 5 EWG-Vertrag, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen , allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten obliegen, und zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten. Daraus folgt, dass das nationale Gericht bei der Anwendung des nationalen Rechts, insbesondere auch der Vorschriften eines speziell zur Durchführung der Richtlinie 76/207 erlassenen Gesetzes, dieses nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen hat , um das in Artikel 189 Absatz 3 genannte Ziel zu erreichen.

27 Dagegen begründet die Richtlinie, wie sich aus den vorangehenden Erwägungen ergibt , hinsichtlich der Sanktionen für eine etwaige Diskriminierung keine unbedingte und hinreichend bestimmte Verpflichtung, auf die sich ein Einzelner mangels rechtzeitig erlassener Durchführungsmaßnahmen berufen könnte, um aufgrund der Richtlinie eine bestimmte Widergutmachung zu erlangen, wenn eine solche Rechtsfolge nach den nationalen Rechtsvorschriften nicht vorgesehen oder zugelassen ist.

28 Es muss aber dem nationalen Gericht gegenüber betont werden , dass die Richtlinie 76/207 es zwar den Mitgliedstaaten überlässt, die Sanktion für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unter den verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen, die zur Verwirklichung des Ziels der Richtlinie geeignet sind; Entscheidet sich ein Mitgliedstaat jedoch dafür, als Sanktion für einen Verstoß gegen dieses Verbot eine Entschädigung zu gewähre , so muss diese jedenfalls, damit ihre Wirksamkeit und ihre abschreckende Wirkung gewährleistet sind, in einem angemessenen Verhältnis zu dem erlittenen Schaden stehen und somit über einen rein symbolischen Schadensersatz wie etwa die bloße Erstattung der Bewerbungskosten hinausgehen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, das zur Durchführung der Richtlinie erlassene Gesetz unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraumes, den ihm das nationale Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden.




Kosten
29 Die Auslagen der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland , des Vereinigten Königreichs und der Niederlande sowie die Auslagen der Kommission der europäischen Gemeinschaften , die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben , sind nicht erstattungsfähig . Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren vor dem Gerichtshof ein Zwischenstreit in dem vor dem nationalen Gericht anhängigen Verfahren ; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts .


Aus diesen Gründen

Hat
der Gerichtshof

auf die ihm vom Arbeitsgericht Hamburg mit Beschluss vom 5 . Juli 1982 vorgelegten Fragen für Recht erkannt : 1 . Die Richtlinie 76/207 schreibt nicht vor , als Sanktion für eine wegen des Geschlechts erfolgte Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung den Arbeitgeber , der Urheber der Diskriminierung ist , zum Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem diskriminierten Bewerber zu verpflichten.

2. Die Richtlinie begründet hinsichtlich der Sanktionen für eine etwaige Diskriminierung keine unbedingte und hinreichend bestimmte Verpflichtung , auf die sich ein einzelner mangels rechtzeitig erlassener Durchführungsmaßnahmen berufen könnte , um aufgrund der Richtlinie eine bestimmte Widergutmachung zu erlangen , wenn eine solche Rechtsfolge nach den nationalen Rechtsvorschriften nicht vorgesehen oder zugelassen ist .

3. Die Richtlinie 76/207 überlässt es zwar den Mitgliedstaaten , die Sanktion für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unter den verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen , die zur Verwirklichung des Ziels der Richtlinie geeignet sind ; Entscheidet sich ein Mitgliedstaat jedoch dafür , als Sanktion für einen Verstoß gegen dieses Verbot eine Entschädigung zu gewähren , so muss diese jedenfalls , damit ihre Wirksamkeit und ihre abschreckende Wirkung gewährleistet sind , in einem angemessenen Verhältnis zu dem erlittenen Schaden stehen und somit über einen rein symbolischen Schadensersatz wie etwa die bloße Erstattung der Bewerbungskosten hinausgehen . Es ist Sache des nationalen Gerichts , das zur Durchführung der Richtlinie erlassene Gesetz unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraues , den ihm das nationale Recht einräumt , in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden .