IPR: Eheaufhebungsstatut bei irrtümlich eingegangener Ehe


AG Prüm (Familiengericht), Urteil v. 17. 5. 2002 - 2 F 22/02


Fundstelle:

FamRZ 2002, 1561 mit Anm. Hau


Zentrale Probleme:

Der – groteske – Sachverhalt ist ein schönes Beispiel für die Anknüpfung von Eheunwirksamkeitsgründen sowie für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in entsprechenden Verfahren. Die Ausführungen des AG sind sowohl in Bezug auf die Internationale Zuständigkeit als auch in Bezug auf das anwendbare Recht unrichtig (s. dazu die zutreffende Anm. von Hau aaO.): Die Internationale Zuständigkeit für Eheauflösungsverfahren ergibt sich seit dem 1.3.2001 aus Art. 2 Abs. 1 der EheVO 1347/00/EG („Brüssel II-VO“). Die Unwirksamkeit der Ehe wegen eines Willensmangels und die Folgen eines solchen Mangels (ipso iure-Nichtigkeit, Erfordernis einer rechtsgestaltenden Klage etc.) unterliegt nach ganz h.M. nicht dem Scheidungsstatut (Art. 17 I EGBGB i.V.m. Art. 14 EGBGB), sondern dem Eheschließungsstatut des Art. 13 EGBGB. Es gilt also das Heimatrecht desjenigen Verlobten, in dessen Person der Willensmangel vorliegt. Das wäre im vorliegenden Fall vietnamesisches Recht, das anschließend auf eine Rück- oder Weiterverweisung hätte überprüft werden müssen (die wohl nicht vorliegt. s. Hau aaO). Damit wäre auf die Frage der Eheauflösung vietnamesisches und nicht deutsches Recht anzuwenden gewesen.

©sl 2003


Zum Sachverhalt:

Der AGg. ist deutscher Staatsangehöriger, die ASt. ist Vietnamesin. Die Eheleute hatten während der Ehe keine gemeinsame Staatsangehörigkeit. Beide hatten im Zeitpunkt der Klageerhebung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Parteien haben am 20.12. 1995 die Ehe geschlossen.

Die ASt. beantragt, die Ehe der Parteien aufzuheben. Sie trägt vor, daß sie bei der Eheschließung nicht gewußt habe, daß es sich um eine Eheschließung handelt, weil sie de- deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei. Es sei kein Dolmetscher zugegen gewesen, und es sei keine Übersetzung erfolgt. Infolge der mangelnden Sprachkenntnisse sei sie sich der Tatsache, daß es sich um eine Eheschließung gehandelt habe, nicht bewußt gewesen. Hätte sie dies gewußt, wäre es zu der Eheschließung nicht gekommen. Nach der Eheschließung sei es zwischen den Parteien zu keiner ehel. Lebensgemeinschaft gekommen. Der Irrtum sei Mitte April 2001 entdeckt worden, also vor weniger als einem Jahr vor Stellung des Aufhebungsantrages.

Der AGg. stimmt dem Antrag auf Aufhebung der Ehe zu. Er bestreitet den Vortrag im wesentlichen nicht. Er sei allerdings davon ausgegangen, daß die ASt. gewußt habe, daß es sich um eine Heirat handele.

Entscheidungsgründe:

Das angerufene Gericht ist gemäß § 606a I Nr. 1 ZPO international zuständig, weil ein Ehegatte Deutscher ist.
Gemäß Art. 17 I S. 1 EGBGB i. V mit Art. 14 I Nr. 2 EGBGB ist deutsches Recht anzuwenden.
Die Ehe der Parteien war gemäß § 1313 BGB aufzuheben, weil die Voraussetzungen des § 1314 11 Nr. 2 BGB vorliegen und kein die Aufhebung der Ehe ausschließender Grund nach 1315 1 Nr. 4 BGB vorliegt.
In der mündlichen Verhandlung sind die mangelnden Sprachkenntnisse der ASt. und ihr fehlendes Verständnis hinsichtlich der deutschen Sprache offenkundig geworden. Der AGg. hat diese Sprachprobleme auch bestätigt. Soweit er der Auffassung ist, er habe gedacht, daß die ASt. die Bedeutung der Erklärung erkannt habe, so ist dem nicht zu folgen. Vor der Eheschließung hätte sich der AGg. Gewißheit darüber verschaffen müssen, ob die ASt. nun tatsächlich trotz ihrer enormen Sprachprobleme mit der deutschen Sprache den Bedeutungsgehalt der Erklärungen erkennt. Dies ist nicht geschehen. In diesem Zusammenhang ist auch noch darauf hinzuweisen, daß nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien zu keinem Zeitpunkt eine ehel. Lebensgemeinschaft bestanden hat.