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    Voraussetzungen der Zweckverfehlungskondiktion  
    - condictio causa data, causa non secuta (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB) 
 
    BGH, Urteil vom 10. November 2003 - II ZR 250/01 
    - OLG Brandenburg 
 Fundstelle:
 NJW 2004, 512
 
 Amtl. Leitsatz:
 Finanziert ein Steuerberater einem bei ihm beschäftigten Mitarbeiter eine 
    Ausbildung zum Steuerberater ausschließlich im Hinblick darauf, daß dieser 
    sich nach Erlangung der nötigen Qualifikation mit ihm in Sozietät verbindet, 
    so kann der Steuerberater gegen den Mitarbeiter einen Anspruch auf 
    Erstattung der Ausbildungskosten nach § 812 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB haben, 
    wenn der Mitarbeiter nach Abschluß der Ausbildung eine eigene 
    Steuerberaterpraxis eröffnet.
 
 Zentrale Probleme: 
    Der Sachverhalt ist ein schönes Beispiel für 
    dern Bereicherungsanspruch wegen Nichteintritt des mit dem Rechtsgeschäft 
    bezweckten Erfolgs (Zweckverfehlungskondiktion) nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 
    2 BGB. Der BGH legt lehrbuchmäßig deren Voraussetzungen dar. Von Bedeutung 
    ist insbesondere, daß es nicht ausreichend ist, daß der Leistungsempfänger 
    den vom Leistenden verfolgten Zweck erkennt, sondern daß eine „tatsächliche 
    Willensübereinstimmung“ über diesen Zweck vorliegt. Es geht also um einen 
    übereinstimmend verfolgten Leistungszweck (hier: späterer Betrieb einer 
    gemeinsamen Steuerberaterpraxis), der aber nicht Gegenstand einer 
    vertraglichen Verpflichtung war. Wäre dies der Fall gewesen, wäre die Lösung 
    des Falles wegen der Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtung im 
    Leistungsstörungsrecht (§§ 280 ff, 326 BGB) anzusiedeln (BGH 
    NJW 1992, 2690). Da somit keine Leistungskondiktion vorlag, greift auch 
    nicht der Kondiktionsausschluß des § 814 BGB (Leistung in Kenntnis der 
    Nichtschuld). Der Anspruch wäre vielmehr nur unter den Voraussetzungen des § 
    815 BGB ausgeschlossen (wenn etwa der Kläger das Projekt einer gemeinsamen 
    Praxis treuwidrig aufgegeben hätte), s. dazu auch 
    BGH NJW 1999, 2892 (condictio ob rem bei Scheitern der Heilung eines 
    formnichtigen Grundstückskaufvertrags).Zum Verhältnis der condictio ob rem zu den Regelungen des 
    Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses s. BGH NJW 2001, 
    3118 f.
 
©sl 2004 
 Tatbestand:
 Die Beklagte, die zuvor als Diplom-Ingenieurin in der Bauverwaltung der DDR 
    tätig war, trat 1990 als Angestellte in das Steuerberatungsbüro des Klägers 
    in F. ein. Ab Ende 1991 war sie dort als Bürovorsteherin tätig.
 Unter dem 20. April 1992 unterzeichneten die Parteien einen mit 
    "Gesellschaft des bürgerlichen Rechts" überschriebenen Vertrag. Darin 
    vereinbarten sie, ein Steuerberatungsbüro in F. gemeinsam zu betreiben. Die 
    Beklagte hatte ihre volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und unterlag 
    einem mit einer Vertragsstrafe bewehrten Wettbewerbsverbot. Dem in K. 
    wohnenden Kläger oblag "die fachliche Unterstützung der Praxis durch seine 
    persönliche Beratung und Mitarbeit". In einer weiteren Vereinbarung der 
    Parteien vom 1. Februar 1994 heißt es, der "als Anlage beigefügte" 
    vorbezeichnete Vertrag solle automatisch mit der Zulassung der Beklagten als 
    Steuerbevollmächtigte oder Steuerberaterin wirksam werden. Als weitere 
    Voraussetzung für das Wirksamwerden ist vorgesehen, daß die Beklagte sechs 
    Monate vor der Zulassung noch in einem Anstellungsverhältnis zu dem Kläger 
    gestanden hat.
 In der Folgezeit machte die Beklagte eine Ausbildung zur Steuerberaterin. 
    Der Kläger trug die Kosten dieser Ausbildung und stellte die Beklagte im 
    erforderlichen Umfang von der Arbeit frei. Nachdem ein erster 
    Prüfungsversuch im Herbst 1996 gescheitert war, bestand die Beklagte im 
    Herbst 1997 den schriftlichen Teil der Steuerberaterprüfung.
 Sodann kündigte sie den Anstellungsvertrag zum 31. Dezember 1997 wegen einer 
    Erkrankung.
 Im Februar 1998 bestand sie auch den mündlichen Teil der 
    Steuerberaterprüfung.
 Sie beantragte jedoch - trotz Aufforderung durch den Kläger – zunächst nicht 
    die Bestellung als Steuerberaterin. Daraufhin erklärte der Kläger im April 
    1998 die fristlose Kündigung des Gesellschaftsvertrages.
 Im August 1998 wurde die Beklagte aufgrund eines Antrags vom 14. August 1998 
    zur Steuerberaterin bestellt. Sie eröffnete sodann in F. ein eigenes 
    Steuerberatungsbüro.
 Der Kläger hat - nach Klageerhöhung im zweiten Rechtszug – Zahlung von 
    371.922,50 DM, in erster Linie als Vertragsstrafe, hilfsweise als 
    Aufwendungsersatz, und ferner Auskunftserteilung über die von der Beklagten 
    übernommenen Mandate verlangt. Er hat gemeint, die Beklagte habe das 
    Wirksamwerden des Gesellschaftsvertrages treuwidrig vereitelt, indem sie 
    trotz Bestehens der Steuerberaterprüfung zunächst keinen Antrag auf 
    Bestellung zur Steuerberaterin gestellt und damit die sechsmonatige Frist 
    aus der Vereinbarung vom 1. Februar 1994 habe verstreichen lassen; deshalb 
    müsse sie sich so behandeln lassen, als sei der Gesellschaftsvertrag und 
    insbesondere das darin geregelte Wettbewerbsverbot wirksam geworden. 
    Jedenfalls aber schulde sie Ersatz der von ihm im Zusammenhang mit der 
    Steuerberaterausbildung erbrachten Aufwendungen.
 In beiden Vorinstanzen ist die Klage abgewiesen worden. Dagegen richtet sich 
    die Revision des Klägers, die der Senat nur hinsichtlich des Anspruchs auf 
    Ersatz der Ausbildungskosten angenommen hat.
 
 Entscheidungsgründe:
 
 Die Revision ist im Umfang der Annahme begründet.
 I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß dem Kläger ein Anspruch auf 
    Erstattung der Aufwendungen für die Ausbildung der Beklagten nicht zustehe.
 Eine positive Vertragsverletzung des Anstellungsvertrages scheide wegen der 
    Krankheit der Beklagten aus. Ein Auftragsverhältnis oder eine 
    Geschäftsführung ohne Auftrag liege ebenfalls nicht vor. Schließlich bestehe 
    auch kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die Zahlung der 
    Ausbildungskosten und die Freistellung von der Arbeit seien mit Rechtsgrund 
    erfolgt, und dieser Rechtsgrund sei auch nicht später weggefallen. Der 
    Kläger habe sich dem damit verbundenen Risiko vielmehr bewußt unterworfen, 
    ohne eine Regelung für den Fall des Fehlschlagens der Ausbildung zu treffen.
 II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.
 1. a) Allerdings ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, daß sich ein 
    Aufwendungsersatzanspruch nicht aus dem Arbeitsvertrag der Parteien ergibt, 
    was die Zivilgerichte gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ungeachtet der ansonsten 
    gegebenen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte entscheiden können.
 Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält keine Rückzahlungsvereinbarung 
    hinsichtlich der Ausbildungskosten. Insoweit bestehen auch keine Ansprüche 
    aus positiver Vertragsverletzung. Die Beklagte war berechtigt, den 
    Arbeitsvertrag jederzeit zu kündigen.
 Der Gesellschaftsvertrag und die Zusatzvereinbarung vom 1. Februar 1994 
    haben dieses Recht nicht eingeschränkt. Aus dem Arbeitsvertrag ergab sich 
    auch keine Pflicht, unabhängig von der Kündigung die Bestellung zur 
    Steuerberaterin alsbald zu beantragen.
 b) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, daß dem Kläger kein 
    Anspruch auf Erstattung der Ausbildungskosten aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. 
    Alt. oder Satz 2, 1. Alt. BGB zusteht. Dagegen wehrt sich die Revision auch 
    nicht.
 2. Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, daß ein Anspruch des 
    Klägers auf Erstattung der Ausbildungskosten aus § 812 Abs. 2 Satz 2, 2. 
    Alt. BGB folgt (condictio causa data causa non secuta).
 Danach ist der Empfänger einer Leistung zur Herausgabe verpflichtet, wenn 
    der mit der Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg 
    nicht eintritt. Der "Zweck" darf einerseits nicht Gegenstand der 
    vertraglichen Bindung oder Bedingung eines Rechtsgeschäfts sein, 
    andererseits darf er auch nicht ein bloßer, wenn auch vom Empfänger 
    erkannter, Beweggrund oder eine einseitige Erwartung des Leistenden 
    geblieben sein. Notwendig und genügend ist vielmehr eine - auch 
    stillschweigend mögliche - Einigung im Sinne der tatsächlichen 
    Willensübereinstimmung zwischen beiden Partnern über den verfolgten Zweck
    (BGHZ 44, 321, 323; BGH, Urt. v. 19. Januar 1973 - V ZR 24/71, NJW 1973, 
    612, 613).
 So liegt der Fall hier. Der Kläger hat die Beklagte nicht nur für die Dauer 
    der Lehrgänge im Rahmen der Steuerberaterausbildung von der Arbeitspflicht 
    freigestellt, sondern auch sämtliche Kosten dieser Lehrgänge und die damit 
    verbundenen Unterkunfts-, Verpflegungs- und Fahrtkosten getragen. Er hat in 
    diesem Zusammenhang für die Beklagte sogar eine Wohnung in B. angemietet. Zu 
    diesen Leistungen war der Kläger weder aufgrund des Arbeitsvertrages der 
    Parteien noch aufgrund des Gesellschaftsvertrages und der dazu 
    abgeschlossenen Zusatzvereinbarung vom 1. Februar 1994 verpflichtet. Nach 
    der Zusatzvereinbarung war zwar die Zulassung der Beklagten als 
    Steuerberaterin Bedingung für das Wirksamwerden des Gesellschaftsvertrages. 
    Eine Pflicht des Klägers, die damit verbundenen Kosten zu übernehmen, ergab 
    sich daraus jedoch nicht.
 Andererseits war für die Beklagte offenkundig, daß der Kläger mit der 
    Finanzierung ihrer Ausbildung den Zweck verfolgte, den Gesellschaftsvertrag 
    wirksam werden zu lassen und damit eine Steuerberatersozietät mit ihr zu 
    begründen.
 Andere Beweggründe waren nicht ersichtlich. Insbesondere bedurfte es der 
    Steuerberaterausbildung nicht, um die Beklagte für ihre Tätigkeit als 
    Bürovorsteherin bei häufiger Abwesenheit des Klägers zu qualifizieren. Denn 
    diese Aufgabe erfüllte sie bereits seit 1991, während die 
    Steuerberaterausbildung erst 1996 begann.
 Die Beklagte hat durch die Annahme der Leistungen des Klägers im Rahmen der 
    Ausbildung auch zu erkennen gegeben, daß sie die Zweckbestimmung des Klägers 
    billigte. Auch das ergibt sich aus dem vorangegangenen Abschluß des 
    Gesellschaftsvertrages und der Zusatzvereinbarung. Damit war für den Kläger 
    die Erwartung begründet worden, die Beklagte erstrebe die Qualifizierung zur 
    Steuerberaterin gerade deshalb, um das gemeinsam aufgebaute 
    Steuerberatungsbüro in F. künftig als Gesellschafterin mit ihm weiter 
    betreiben zu können. Über diese gemeinsame Zielrichtung gab es offenbar 
    keine Zweifel. Ansonsten hätte es für den Kläger nahe gelegen, im Rahmen des 
    mit der Beklagten bestehenden Arbeitsvertrages eine Rückzahlungsregelung in 
    bezug auf die Ausbildungskosten zu vereinbaren.
 Der in diesem Sinne vereinbarte Zweck der Leistungen des Klägers hat sich 
    nicht erfüllt. Der Gesellschaftsvertrag ist nicht wirksam geworden, weil die 
    Beklagte innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung ihres Arbeitsvertrages 
    die Bestellung als Steuerberaterin nicht veranlaßt hat. Ob ihr eine frühere 
    Antragstellung angesichts ihrer Erkrankung unzumutbar gewesen ist, hat für 
    den Bereicherungsausgleich keine Bedeutung.
 3. Die von dem Vertreter der Beklagten in der Revisionsverhandlung 
    aufgeworfene Frage, ob ein Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung der 
    Arbeitsgerichte auch ohne vertragliche Regelung verpflichtet sein kann, die 
    von seinem Arbeitgeber getragenen Kosten einer Ausbildung zu erstatten, kann 
    offen bleiben.
 Die Beklagte ist zur Erstattung der Ausbildungskosten hier nicht in ihrer 
    Eigenschaft als - frühere - Arbeitnehmerin, sondern wegen der in Aussicht 
    genommenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligung verpflichtet. Sie hat sich 
    zur Steuerberaterin gerade deshalb ausbilden lassen, um ihren Status als 
    Arbeitnehmerin - im Einverständnis mit dem Kläger - aufgeben zu können.
 4. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die 
    erforderlichen Feststellungen zu dem Umfang der erstattungsfähigen 
    Ausbildungskosten trifft. Dabei hat es auch dem Einwand der Beklagten 
    nachzugehen, die Arbeitsfreistellung sei nicht - voll - auszugleichen, weil 
    die versäumten Zeiten nachgearbeitet worden seien.
 
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