Herausgabe und Wertersatz im Bereicherungsrecht: Rechtsgrundlose Leistung eines Kundenstamms (Kundenkartei)


BGH, Urt. v. 14. Januar 2002 - II ZR 354/99 - OLG Hamm - LG Münster


Fundstelle:

NJW 2002, 1340
LM § 812 BGB Nr. 286 mit Anm. Lorenz
s. auch
BGH, Urteil vom 5.7.2006 - VIII ZR 172/05


Amtl. Leitsätze:

1. Die Erfüllbarkeit des Bereicherungsanspruchs auf Herausgabe eines bereits in das Unternehmen des Bereicherungsschuldners eingegliederten Kundenstammes ist in der Regel nicht allein vom Willen und der Rechtsmacht des Schuldners, sondern vornehmlich davon abhängig, daß die Kunden den Wechsel vom Bereicherungsschuldner zum Gläubiger mit vollziehen; sind diese nicht dazu bereit, so ist der Bereicherungsschuldner zur Herausgabe außerstande mit der Folge, daß er nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz schuldet (vgl. BGH, Urt. v. 13. November 1990 - KZR 2/89, MDR 1991, 617 f. = NJW-RR 1991, 1002).
2. Zur Substantiierung der für die Bewertung eines Kundenstammes erforderlichen Anknüpfungstatsachen.


Zentrale Probleme:

Im Mittelpunkt der sehr lehrreichen Entscheidung steht die Frage des Inhalts eines Bereicherungsanspruchs bei rechtsgrundloser Übertragung eines Kundenstamms sowie um das Verhältnis von Herausgabepflicht und Wertersatz:
Der Kläger hatte im Hinblick auf einen - dann gescheiterten - Eintritt in die beklagte GmbH dieser die Adressenliste seines Kundenstamms zur Verfügung gestellt und die Kunden im Unternehmen des Beklagten weiterbetreut. Im Revisionsverfahren ging es nur noch um die Frage des Inhalts des grundsätzlich aus dem Gesichtspunkt einer Zweckverfehlungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB) gegebenen Bereicherungsanspruchs in Bezug auf die Übertragung des Kundenstamms. Da der Kläger sein Unternehmen nicht mehr betrieb, war er nicht an einer - für ihn jetzt wirtschaftlich sinnlosen - Rückübertragung des Kundenstamms, sondern an Wertersatz interessiert. Während das OLG einen Wertersatzanspruch deshalb für ausgeschlossen hielt, weil der Bereicherungsgegenstand (Kundenstamm) in natura durch Rückgabe der Kundenliste und Unterlassen weiterer Geschäftsabschlüsse mit den "geleisteten Kunden" möglich und daher vorrangig sei, ist der BGH der Ansicht, daß dies nicht realisierbar und der Bereicherungsanspruch daher auf Wertersatz gerichtet sei.
Bereicherungsansprüche sind primär auf die Herausgabe des Erlangten in natura gerichtet (§ 818 Abs. 1 BGB). Eine Wertersatzpflicht nach § 818 Abs. 2 BGB ist demgegenüber ganz unstreitig subsidiär. Sie kommt erst in Betracht, wenn die Herausgabe des Erlangten nicht möglich ist (BGH NJW 1995, 53, 55 = LM § 812 BGB Nr. 242 mit Anm. Pfeiffer). Dies gilt auch dann, wenn der Leistungsgegenstand nunmehr subjektiv für den Bereicherungsgläubiger ohne Nutzen ist. Grundsätzlich haben weder der Bereicherungsgläubiger noch der Bereicherungsschuldner insoweit ein Wahlrecht (zur analogen Anwendung von § 251 Abs. 2 BGB zugunsten des Bereicherungsschuldners in Härtefällen s. Larenz/Canaris Schuldrecht II/2 § 72 III 1a).
Ein Kundenstamm kann entweder - wie vorliegend geplant - durch Übertragung des Unternehmens oder aber isoliert als Teil eines Unternehmens übertragen werden. Letzteres kann etwa dadurch geschehen, daß von den beiden einzigen Wettbewerbern der eine zugunsten des anderen auf Wettbewerb verzichtet, um so zu erreichen, daß seine Kunden keine andere Wahl haben, als zu dem anderen Unternehmen überzuwechseln (BGH NJW-RR 1991, 1002 = LM § 1 GWB Nr. 42). Eine Rückübertragung des Kundenstamms in einer dieser Formen ist nur dann denkbar, wenn dem Bereicherungsgläubiger dessen Nutzung zumindest potentiell ermöglicht wird. Das aber ist noch nicht durch die bloße Unterlassung der Nutzung durch den Bereicherungsschuldner, sondern erst dann gewährleistet, wenn die Unterlassung einen Marktmechanismus in Gang setzt, aufgrunddessen der Kundenstamm tatsächlich wieder zum Bereicherungsgläubiger wechselt. Dies setzt die Bereitschaft des Kundenstamms voraus, die Geschäftsverbindung mit dem Bereicherungsgläubiger wieder aufzunehmen (BGH NJW-RR 1991, 1002, 1004 = LM § 1 GWB Nr. 42). Ob der Bereicherungsgläubiger seinerseits dazu willens und in der Lage ist, ist eine Frage des subjektiven Nutzens und kann daher nach dem oben Dargelegten keine Rolle spielen. Damit war vorliegend - anders als der BGH anklingen läßt - eine Rückgabe in natura nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Bereicherungsgläubiger den Kundenstamm wegen der endgültigen Aufgabe seiner Geschäftstätigkeit nicht mehr nutzen konnte. Daß die Verpflichtung, den Kundenstamm durch einen durch Unterlassung in Gang zu setzenden Marktmechanismus zurückzuübertragen, dem "Leitbild einer Herausgabe" i.S.v. § 812 Abs. 1 BGB widersprechen soll, wie der Senat betont, ist angesichts der vom BGH für Kundenstämme dargelegten Übertragungsmechanismen schwer nachvollziehbar (und wird angesichts der unterschiedlichen Sachverhalte auch von dem Verweis auf BGH NJW-RR 2001, 1002, 1005 = LM § 1 GWB Nr. 42 nicht getragen): Was als Leistungsmodus möglich ist, kann als Herausgabemodus kein Fremdkörper sein. Im vorliegenden Fall wäre also zu prüfen gewesen, ob - wenn der Bereicherungsgläubiger sein Unternehmen weiter geführt hätte - durch ein Unterlassen von Wettbewerb seitens des Beklagten der Kundenstamm wieder zum Kläger zurückgekehrt wäre (s. dazu aber nunmehr BGH v. 5.7.2006 - VIII ZR 172/05, wonach gerade keine Verpflichtung zum Unterlassen von Wettbewerb bestehen kann) . Erst wenn die Kunden - aus welchen Gründen auch immer - dem Marktmechanismus nicht folgen würden, ist der Bereicherungsschuldner zur Herausgabe außerstande und zum Wertersatz verpflichtet. Ist diese Bereitschaft aber nicht feststellbar, stellt sich die schwierige Frage der Beweislast, deren Umgehung hier vielleicht unbewußt der Argumentation des BGH zugrundelag. Nach allgemeinen Grundsätzen hätte hier nämlich der den Wertersatz geltend machende Kläger den Nachweis führen müssen, daß - seine weitere geschäftliche Tätigkeit vorausgesetzt - keine "Rückkehrbereitschaft" seines früheren Kundestamms bestanden hätte.
Geht man von einer Wertersatzpflicht des Beklagten aus, stellt sich als weiteres Problem dasjenige der Höhe des Wertersatzes. Hier wiederum ist alleine auf den Wert des Kundenstamms für den Bereicherungsschuldner abzustellen. Eine "Entreicherung" des Bereicherungsgläubigers ist gerade nicht erforderlich. Zu Recht verwirft daher der BGH die Ansicht des OLG, der Kundenstamm habe keinen objektiv meßbaren Wert gehabt, weil er von einem insolvent gewordenen Unternehmen stammte und damit für den Bereicherungsgläubiger nicht mehr selbst verwertbar war. Daß der Kundenstamm einen objektiven, auf der Basis der (durch die Zuführung des Kundenstamms unstreitig) bewirkten und in Zukunft erzielbaren Umsatzsteigerungen ermittelbaren Wert hat, ist zweifellos richtig. Zu betonen ist freilich, daß dies nur die Berechnungsbasis ist, d.h. der Wert keinesfalls mit den aus dem Kundenstamm erzielbaren Gewinnen gleichzusetzen, sondern - wie insbesondere der Leitsatz treffend ausdrückt - “Anknüpfungstatsache” für dessen Marktwert ist. Ebenso wie bei der - in casu nicht streitgegenständlichen - Frage des Nutzungsersatzes für die Vergangenheit so ist auch hier der Eigenanteil des Bereicherungsschuldners an den erzielbaren Gewinnen zu berücksichtigen (für eine ähnlichen Fall der Nutzung einer Patientenkartei im Falle eines unwirksamen Kaufs einer Arztpraxis s. KG NJW-RR 1996, 431, 433; zu der nahezu unübersichtlichen Gewinnproblematik s. nur Staudinger-Lorenz [1999] § 818 Rn. 12, 26 ff m.w.N.). Bei dem vom Senat zu Recht bejahten Auskunftsanspruch des Klägers in Bezug auf die Umsatzsteigerungen handelt es sich um einen geradezu klassischen Fall des "allgemeinen" Auskunftsanspruchs aus § 242 BGB bei bestehender Sonderverbindung, d.h. dem Grunde nach nachgewiesenen Anspruch, wie in schon das RG entwickelt hatte (s. RGZ 108, 1, 7; s. dazu S. Lorenz JuS 1995, 569 ff).
Ist der Kundenstamm freilich für den Bereicherungsschuldner selbst nicht mehr verwertbar, weil er etwa - was grundsätzlich seiner Dispositionsfreiheit überlassen bleibt - selbst das Gewerbe nicht weiterbetreibt und den Kundenstamm auch nicht weiter veräußern kann, ist dies im Rahmen eines subjektivierten Wertbegriffs oder aber - nach den Grundsätzen der "aufgedrängten Bereicherung" - im Rahmen von § 818 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen. Es wird dem Bereicherungsschuldner also keinesfalls zugunsten des Bereicherungsgläubigers eine Ersatzpflicht für einen Wert auferlegt, den er gar nicht schöpfen kann oder will. Nur in engen Grenzen wird man aus § 242 BGB eine Obliegenheit des Bereicherungsschuldners zur Realisierung des Vermögenswertes annehmen können (vgl. dazu etwa Staudinger-Lorenz aaO Vorbem. zu §§ 812 ff Rn. 46; MünchKomm-Lieb, 3. Aufl. 1997 § 812 Rn. 264 sowie eingehend und differenzierend Larenz/Canaris Schuldrecht II/2 § 72 IV), um Mißbräuche zu vermeiden, ohne zugleich den Aufdrängungsschutz des Schuldners zu vernachlässigen (so die treffende Formulierung von MünchKomm-Lieb aaO).
Daraus folgt:
Leistungsgegenstand bei der Übertragung eines Kundenstamms ist der Kundenstamm selbst. Im Falle rechtsgrundloser Leistung ist wegen der Subsidiarität des Wertersatzanspruches nach § 818 Abs. 2 BGB grundsätzlich der Kundenstamm selbst zurückzuübertragen, wobei die bloße Tatsache, daß der Bereicherungsgläubiger dafür keine wirtschaftlich sinnvolle Verwendungsmöglichkeit hat, für sich genommen noch nicht zur Unmöglichkeit der Herausgabe führt. Jede andere Lösung würde es dem Bereicherungsgläubiger gestatten, wirtschaftliche Risiken sowie die Folgen seiner Dispositionsfreiheit (Unverwertbarkeit des Kundenstamms) einseitig auf den Schuldner zu verlagern. Kommt es zum Wertersatzanspruch, so bleibt die Dispositionsfreiheit des Schuldners im Rahmen § 818 Abs. 3 BGB gewahrt: Er muß grundsätzlich keinen Wert ersetzen, den er nicht tatsächlich abschöpft, darf seine Dispositionsfreiheit aber auch nicht zu Lasten des Bereicherungsgläubigers mißbrauchen.

© sl 2002


Tatbestand:

Der Kläger betrieb zunächst in der Rechtsform einer Einmann-GmbH und später - im Anschluß an eine mangels Masse abgelehnte Konkurseröffnung über deren Vermögen - als Einzelkaufmann einen Zierfischhandel. Die Beklagte, deren Geschäftsführer der Bruder des Klägers ist, betrieb und betreibt weiterhin ebenfalls einen Handel mit Zierfischen. Im Januar 1995 kamen die Parteien auf Empfehlung der Industrie- und Handelskammer überein, ihre geschäftlichen Aktivitäten zusammenzulegen. Danach sollte der Kläger sein Unternehmen in die Beklagte einbringen und im Gegenzug Geschäftsanteile an ihr erwerben sowie zu einem ihrer Geschäftsführer bestellt werden. Zur Umsetzung der mündlichen Absprachen, die notariell beurkundet werden sollten, stellte der Kläger ab Mitte Januar 1995 der Beklagten den Warenbestand sowie eine Liste mit Adressen von Kunden aus dem von ihm vornehmlich betriebenen Versandhandel mit Zierfischen und Zubehör zur Verfügung; außerdem wurden die auf dem Betriebsgelände des Klägers liegenden Wasserbecken, in denen Fische gehalten wurden, von der Beklagten mitbenutzt. Die Beklagte beschäftigte den Kläger im Rahmen eines Dienstvertrages gegen Gehaltszahlung, wobei sein Aufgabenbereich dem eines Geschäftsführers entsprach. Diese der Vorbereitung des dauerhaften Eintritts des Klägers in die Beklagte dienende Zusammenarbeit endete am 31. Oktober 1995, weil letztlich eine notarielle Vereinbarung wegen Differenzen über den Umfang der Beteiligung des Klägers und seine künftige Tätigkeit in der Geschäftsführung der Beklagten nicht zustande kam. Mit der Klage hat der Kläger erstinstanzlich Bereicherungsansprüche in Höhe von 50.491,95 DM wegen der von ihm im Zuge der Kooperation aus seinen Beständen zugunsten der Beklagten eingebrachten Fische, Pflanzen oder sonstigen Gegenstände geltend gemacht; für eine außerdem beabsichtigte Klage auf Auskunftserteilung hinsichtlich des Umfangs der Nutzung des von ihm eingebrachten Kundenstammes durch die Beklagte ist ihm Prozeßkostenhilfe verweigert worden. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, Bereicherungsansprüche des Klägers hätten zwar in Höhe von 19.500,00 DM bestanden, seien aber durch zur Aufrechnung gestellte Gegenansprüche der Beklagten in gleicher Höhe erloschen. Mit der Berufung hat der Kläger seine Bereicherungsansprüche wegen der eingebrachten Fische, Pflanzen und sonstigen Gegenstände im - erweiterten - Umfang von 54.915,45 DM weiterverfolgt und außerdem Ersatz des Wertes des eingebrachten Kundenstammes gemäß überlassener Kundenliste in Höhe von 100.000,00 DM begehrt.

Das Oberlandesgericht hat unter Berücksichtigung eines Bereicherungsanspruchs des Klägers von 19.500,00 DM für eingebrachtes Material und von Gegenansprüchen der Beklagten im Umfang von 9.858,82 DM der Klage in Höhe von 9.641,18 DM stattgegeben; im übrigen hat es die Klage - insbesondere in vollem Umfang hinsichtlich des für den Kundenstamm begehrten Wertersatzes - abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger - nachdem sein darüber hinausgehendes Prozeßkostenhilfegesuch zurückgewiesen worden ist - nur noch den Bereicherungsanspruch auf Wertersatz für den überlassenen Kundenstamm in Höhe von 100.000,00 DM weiter.

Entscheidungsgründe:

A. Da die Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 82).

B. Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Oberlandesgericht ist der Ansicht, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Wertersatz wegen der der Beklagten zur Verfügung gestellten Kundenliste nicht zu. Zwar komme im Ansatz auch bezüglich des Kundenstammes ein Bereicherungsanspruch wegen Nichteintritts des mit der Leistung bezweckten Erfolges im Hinblick auf das Scheitern der Beteiligung des Klägers an der Beklagten und der damit verbundenen Zusammenlegung der beiden Zierfischbetriebe gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Variante BGB in Betracht. Ein derartiger Anspruch sei jedoch in erster Linie auf Herausgabe der Kundenliste und Unterlassung des Abschlusses von Geschäften mit diesen Kunden gerichtet. Selbst wenn insoweit von einer Unmöglichkeit der Herausgabe des Erlangten auszugehen sei, sei die Beklagte nicht zum Wertersatz verpflichtet. Ein objektiv meßbarer Verkehrswert komme der Kundenliste nicht zu, da diese von einem insolvent gewordenen Unternehmen stamme, dessen Konkurs wegen Massearmut abgelehnt worden sei. Auf die etwa von der Beklagten in der Zeit von Januar bis Oktober 1995 oder vom Kläger davor mit den betreffenden Kunden erzielten Umsätze komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II. Das Berufungsgericht hat bei der Abweisung des vom Kläger geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruchs wegen Nichteintritts des bezweckten Erfolges hinsichtlich des Kundenstammes rechtsfehlerhaft die mit der Rückabwicklung der Einbringung jenes Kundenstammes in das Unternehmen der Beklagten verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten übersehen und zudem erhebliches, unter Beweis gestelltes Vorbringen des Klägers außer Betracht gelassen (§ 286 ZPO).

1. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet bereits die Annahme des Berufungsgerichtes, der Wertersatzanspruch wegen Zweckverfehlung scheide schon im Ansatz aus, weil der Beklagten die primär von ihr nach § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Variante BGB geschuldete Herausgabe des Kundenstammes nicht unmöglich geworden, sondern im Wege der Herausgabe der Kundenliste unter gleichzeitiger Verpflichtung zur Nichtbelieferung der darin aufgeführten Kunden zu erfüllen sei. Zwar gilt auch für die bereicherungsrechtliche Rückgängigmachung der Einbringung eines Kundenstammes, daß der Anspruch nach § 812 Abs. 1 BGB (in allen Varianten) in erster Linie auf Herausgabe des Erlangten selbst gerichtet und daß demgegenüber der Wertersatzanspruch nach § 818 Abs. 2 BGB subsidiär ist (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 7. Oktober 1994 - V ZR 4/94, NJW 1995, 53, 55). Tatsächlich ist indessen die Erfüllbarkeit des primären Anspruchs auf Herausgabe des bereits in das Unternehmen des Bereicherungsschuldners eingegliederten Kundenstammes nicht allein vom Willen und der Rechtsmacht des Schuldners, sondern vornehmlich davon abhängig, daß die Kunden den Wechsel vom Bereicherungsschuldner zum Gläubiger mit vollziehen; fehlt es an der in ihrem freien Willen liegenden - hier nicht festgestellten - Bereitschaft der Kunden zur Rückkehr zum Gläubiger, so ist der Bereicherungsschuldner zur Herausgabe außerstande mit der Folge, daß er nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz schuldet (vgl. BGH, Urt. v. 13. November 1990 - KZR 2/89, MDR 1991, 617, 618). Durch die bloße Rückgabe der Kundenliste (die sich ohnehin in Kopie im Besitz des Klägers befindet) kann daher die Beklagte ihre primäre Verbindlichkeit zur Rückübertragung des Kundenstammes an den Kläger ebensowenig erfüllen wie durch die - zusätzliche - Verpflichtung lediglich zur Unterlassung weiterer Geschäftsabschlüsse mit jenen Kunden. Abgesehen davon fehlte für das vom Berufungsgericht in Betracht gezogene Unterlassungsbegehren die gesetzliche Grundlage, da es nicht dem Leitbild der Herausgabe i.S. des § 812 Abs. 1 BGB entspräche (BGH, Urt. v. 13. November 1990, aaO S. 618). Daß hier andere erfolgversprechende Maßnahmen zur Ermöglichung der effektiven Rückübertragung des Kundenstammes durch die Beklagte auf den Kläger in Betracht kämen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; sie sind auch sonst nicht ersichtlich, zumal der Kläger infolge des Scheiterns der beabsichtigten Zusammenlegung der beiden Unternehmen den Handel mit Zierfischen endgültig aufgegeben hat und die Beklagte den Kundenstamm seit längerem weiternutzt.

2. Von durchgreifenden Rechtsfehlern beeinflußt sind auch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen - hilfsweise in Betracht gezogenen - Wertersatzanspruch nach § 818 Abs. 2 BGB verneint hat.

a) Ersichtlich verfehlt ist seine Annahme, der in der Kundenliste verkörperte, vom Kläger in das Unternehmen der Beklagten eingebrachte Kundenstamm habe keinen objektiv meßbaren Wert, weil die Liste von einem insolvent gewordenen Unternehmen stamme. Das Oberlandesgericht übersieht bereits, daß zwar die frühere GmbH des Klägers in Konkurs gefallen ist, der Kläger aber anschließend den Versandhandel als Einzelkaufmann weiterbetrieben und dementsprechend Umsätze mit dem Kundenstamm erzielt hat; solche sind nach Darstellung des Klägers damit auch von der Beklagten nach Überlassung der Liste erzielt worden.

b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht insbesondere konkretes Vorbringen des Klägers zum Wert des von ihm eingebrachten Kundenstammes für unsubstantiiert und rechtlich unerheblich erachtet. Der Kläger hat seine zunächst pauschalen Angaben in der Berufungsbegründung hinsichtlich eines Wertes des Kundenstammes von 100.000,00 DM auf der Grundlage eines behaupteten erzielbaren Jahresumsatzes von 1 Mio. DM nach dem seinen Antrag auf Prozeßkostenhilfe insoweit ablehnenden Beschluß des Oberlandesgerichts näher konkretisiert und unter Beweis gestellt. So hat er unter Bezugnahme auf das Zeugnis des Unternehmensberaters S. und auf dessen zu den Akten gereichten Unternehmensbewertungsbericht vorgetragen, daß nur durch die von ihm eingebrachten Kunden des Versandhandels, den die Beklagte zuvor nicht betrieben habe, deren Umsatz während der Zeit seiner Mitarbeit von 34.450,00 DM auf durchschnittlich 84.750,00 DM im Monat nachhaltig gestiegen sei. Dem mit detaillierten Zahlenangaben angereicherten Bewertungsbericht zufolge waren die Umsatzerlöse bei der Beklagten vor dem Eintritt des Klägers sehr stark rückläufig und wurden negative Ergebnisse erwirtschaftet, während der Kläger mit seinem Eintritt ein erhebliches Kundenpotential in die Beklagte einbrachte, mit dem der Umsatz schon nach kurzem in der genannten Größenordnung deutlich gesteigert werden konnte; die Ergebnisrechnung des Unternehmensberaters schließt für die Beklagte im Geschäftsjahr 1995/1996 mit einem Plus von durchschnittlich 5,8 % monatlich bei einem mittleren Rohertrag von 40 % monatlich ab. Da die Beklagte den gesamten diesbezüglichen Vortrag des Klägers nicht substantiiert bestritten hat (nachdem sie bereits erstinstanzlich Umsatzsteigerungen - allerdings ohne konkrete Festlegung - eingeräumt hatte), hätte das Berufungsgericht ihn gemäß § 138 Abs. 2, 3 ZPO als unstreitig seiner Entscheidungsfindung zugrunde legen und den vom Kläger ergänzend angetretenen Sachverständigenbeweis zu dem behaupteten Wert des Kundenstammes erheben müssen. Das detaillierte Vorbringen des Klägers zum Wert des Kundenstammes war auch nicht etwa deshalb rechtlich unerheblich, weil sich die behaupteten Umsatzsteigerungen und die dem zugrundeliegenden Zahlen im wesentlichen auf den Zeitraum seiner Beschäftigung bei der Beklagten bezogen. Selbst wenn maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertermittlung grundsätzlich der Zeitpunkt des Entstehens des Bereicherungsanspruchs - hier das endgültige Scheitern der geplanten Zusammenlegung der Unternehmen Ende Oktober 1995 - ist (vgl. BGHZ 35, 356 u. st. Rspr.), so folgt daraus nicht, daß eine diesbezügliche Bewertung nicht aufgrund der Entwicklung der mit dem Kundenstamm zuvor erzielten Umsätze möglich wäre; maßgeblicher Faktor für die Bewertung des Kundenstammes eines Einzelhandelsunternehmens ist gerade der mit dem vorhandenen Kundenbestand vor dem Bewertungsstichtag in der Vergangenheit nachhaltig erzielte Umsatz, auf dem die Wertentwicklungsprognose für die Zukunft aufbaut (§ 287 ZPO).

III. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die gebotenen weiteren Feststellungen treffen kann; erforderlichenfalls ist den Parteien Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen.

Soweit es in der neuen Tatsacheninstanz auf noch genauere konkrete Zahlen zu den von der Beklagten mit dem Kundenstamm des Klägers - auch nach dessen Ausscheiden - erwirtschafteten Umsätzen ankommen sollte, ist darauf hinzuweisen, daß der Kläger - anders als die Tatrichter dies im bisherigen Verfahren gemeint haben - insoweit zur Berechnung seines bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruchs grundsätzlich von der Beklagten nach § 242 BGB Auskunft verlangen kann, da er sich als Anspruchsberechtigter unverschuldet in Unkenntnis über den Umfang seines Anspruchs befindet (vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai 1997 - KZR 42/95, ZIP 1997, 1979, 1982).