Verzugsschaden bei Zession und Sicherungszession; Drittschadensliquidation


BGH, Urt. v. 9. Februar 2006 - I ZR 70/03


Fundstelle:

NJW 2006, 1662


Amtl. Leitsatz:

Legt es der übereinstimmende Parteivortrag nahe, dass es sich bei einer Abtretung um eine Sicherungszession gehandelt haben könnte und es deshalb hinsichtlich des geltend gemachten Verzugsschadens nicht auf die Verhältnisse bei dem Zessionar, sondern auf diejenigen beim Zedenten ankommt, bedarf es konkreter Feststellungen zur Rechtsnatur der Zession.


Zentrale Probleme:

Wird eine Forderung abgetreten und kommt der Schuldner vor oder nach der Abtretung in Verzug, so stellt sich die Frage, ob sich der (nach neuem Recht gem. §§ 280 I, II, 286 BGB zu ersetzende) Verzugsschaden nach der Person des Zedenten oder nach der Person des Zessionars bestimmt. Für ersteres könnte der zessionsrechtliche Gedanke des sog. "Verschlechterungsverbots" sprechen, der etwa in §§ 404, 406, 407 BGB zum Ausdruck kommt. Der BGH ist der zutreffenden Ansicht, daß es ein solches allgemeines Verschlechterungsverbot gerade nicht gibt:
Daraus folgt im Grundsatz, daß sich der Verzugsschaden bis zur Abtretung nach der Person des Zedenten, ab diesem Zeitpunkt nach der des Zessionars berechnet. Der Zessionar muß jedoch zur Vermeidung des Mitverschuldenseinwands auf das Risiko eines infolge der Abtretung höheren Verzugsschadens hinweisen (§ 254 II BGB).
Eine Ausnahme liegt aber dann vor, wenn eine Sicherungszession vorliegt und der Sicherungsfall noch nicht eingetreten ist. Dann steht die Forderung wirtschaftlich (noch) nicht dem Zessionar zu, so daß ihm durch den Verzug kein Schaden entsteht. Nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation ist damit der Schaden des Zedenten maßgebend, den dieser bei der verdeckten Sicherungszession schon deshalb geltend machen kann, weil er zur Einziehung befugt ist. Bei der offenen Sicherungszession kann er auf Leistung an den Zessionar klagen (s. dazu bereits
BGH NJW 1995, 1282 = BGHZ 128, 371 ff).

©sl 2006


Tatbestand:

 Die Klägerin, ein Speditionsunternehmen, nimmt die Beklagte, die Milcherzeugnisse herstellt und vertreibt, auf Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Rahmenvertrags über Speditions- und Transportleistungen in Anspruch. Zur revisionsrechtlichen Beurteilung steht nurmehr, ob der Klägerin auf ihre Schadensersatzforderung gegen die Beklagte ab 2. August 1996 ein über den gesetzlichen Zinssatz von 5% (§ 352 HGB) hinausgehender Zinsanspruch bis zur Höhe von 10% zusteht.

Im ersten Revisionsurteil (Urt. v. 3.11.1999 - I ZR 145/97, TranspR 2000, 214) hat der Senat entschieden, dass der Klägerin für die Zeit vom 18. Februar bis 31. Dezember 1994 dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung zusteht. Das Berufungsgericht hat daraufhin der auf Zahlung von 2.802.234,35 € gerichteten Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.532.874,57 € nebst 10% Zinsen hieraus vom 24. Februar 1995 bis 1. August 1996 und 5% Zinsen ab 2. August 1996 zu bezahlen.

Die Klägerin hat ihre streitgegenständlichen Ansprüche am 2. August 1996 an Ulrich K. , den Geschäftsführer ihrer Komplementärin abgetreten. Dieser hat die Klageforderung am 12. August 1996 sicherungshalber an die damalige B. bank AG jetzt: BV. bank AG) abgetreten, die in Ziffer 7 des Forderungsabtretungsvertrags eine Ermächtigung zur Einziehung der abgetretenen Forderungen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs erteilt hat. Im Dezember 1996 hat die B. V. bank AG einen Teilbetrag von 680.000 DM an Peter G. übertragen, der mit Schreiben vom 26. März 2002 bestätigt hat, dass die Klägerin zur Einziehung dieses Betrags berechtigt ist.

Der Senat hat die Revision der Klägerin nur insoweit zugelassen, als diese sich dagegen richtet, dass die Klage auf Zahlung von Zinsen ab 2. August 1996 in Höhe von mehr als 5% abgewiesen worden ist.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision nach deren teilweiser Rücknahme ihren Zinsanspruch ab 2. August 1996 bis zur Höhe von 10% weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

6 I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, einen über den gesetzlichen Zinssatz in Höhe von 5% (§ 352 HGB) hinausgehenden Zinsschaden könne die Klägerin nach § 288 Abs. 2 BGB a.F. nur für den Zeitraum vom 24. Februar 1995 bis 1. August 1996 verlangen, da sie nur für diesen Zeitraum einen Zinsschaden nachgewiesen habe. Ab 2. August 1996 sei hinsichtlich des Zinsschadens nicht mehr auf die Klägerin selbst, sondern auf Ulrich K. und ab 12. August 1996 auf die B. V. bank AG sowie Herrn G. an die die streitgegenständlichen Forderungen abgetreten worden seien, abzustellen. Wolle der Kläger einen nach der Zession der Klageforderung entstandenen Verzugsschaden geltend machen, müsse er zu den diesbezüglichen Verhältnissen des Zessionars vortragen. Das sei nicht geschehen.

II. Die Revision hat Erfolg. Die Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen es nicht, die Klage wegen des den gesetzlichen Zinssatz übersteigenden Zinsschadens bis zur Höhe von 10% ab dem Zeitpunkt der Abtretung der Hauptforderung abzuweisen.

Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht nicht berücksichtigt hat, dass es im Falle einer - im Streitfall nahe liegenden - Sicherungszession für die Beurteilung des Verzugsschadens grundsätzlich nicht auf die Person des Zessionars, sondern auf die Verhältnisse bei dem Zedenten als Geschädigten ankommt. Das Berufungsgericht hat zu der von den Parteien in den Vorinstanzen nicht näher problematisierten entscheidungserheblichen Frage, ob es sich bei der Abtretung vom 2. August 1996 um eine Vollabtretung oder eine (bloße) Sicherungszession gehandelt hat, keine Feststellungen getroffen.

1. Handelt es sich um eine Vollabtretung, stehen Ansprüche auf Ersatz eines Verzugsschadens (hier: nach § 286 Abs. 1 i.V. mit § 288 Abs. 2 BGB a.F.) wegen des Wechsels der Rechtszuständigkeit (§ 398 Satz 2 BGB) dem neuen Gläubiger zu. Dementsprechend ist auch die Höhe des Verzugsschadens in diesen Fällen grundsätzlich aus der Person des Zessionars zu errechnen (BGH, Urt. v. 25.9.1991 - VIII ZR 264/90, NJW-RR 1992, 219), ohne dass es darauf ankommt, ob sich der Schuldner zum Zeitpunkt der Abtretung bereits in Verzug befunden hat oder Verzug erst nach der Zession eingetreten ist.

2. Im Falle einer Sicherungsabtretung gilt dies nicht uneingeschränkt.

Erfüllt der Sicherungsgeber trotz des Verzugs des Schuldners der Sicherungsforderung nach wie vor seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem (Kredit-)Gläubiger und jetzigem Inhaber der Sicherungsforderung rechtzeitig, besteht aus dessen Sicht kein Bedürfnis und - aufgrund der in der Sicherungsabrede getroffenen Vereinbarungen - regelmäßig mangels "Verwertungsreife" auch keine Befugnis, auf die Sicherungsforderung zuzugreifen. In solchen Fällen ist wirtschaftlich gesehen allein der Sicherungsgeber der durch den Verzug des Schuldners der Sicherungsforderung Geschädigte (BGHZ 128, 371, 376 f.). Stellte man bei dieser Fallgestaltung nur auf die Person des Zessionars ab, könnte dies dazu führen, dass der Schuldner allein um den Preis der geringen Zinspflichten gemäß § 288 Abs. 1 BGB bzw. § 352 Abs. 1 HGB auf Kosten des Sicherungsgebers säumig werden dürfte. Eine derartige Konsequenz ist nicht sachgerecht. Die Interessenlage bei einer Sicherungszession gebietet es vielmehr, die Verzugsschadensberechnung nach der Person des Sicherungszedenten vorzunehmen. Dem Umstand, dass der zu ersetzende Schaden nicht in der Person des Inhabers der Sicherungsforderung eingetreten ist, ist durch eine Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation Rechnung zu tragen, deren Zulässigkeit im Rahmen von Treuhandverhältnissen auch sonst anerkannt ist (BGHZ 128, 371, 377; Peters, JZ 1977, 119, 120; Seetzen, AcP 169, 352, 354 f.; Schwenzer, AcP 189, 214, 237 ff.; Hoffmann, WM 1994, 1464, 1466). Belange des Schuldnerschutzes stehen dieser Beurteilung schon deshalb nicht entgegen, weil sich der Schuldner der Sicherungsforderung keiner anderen Verzugsschadensersatzforderung ausgesetzt sieht, als dies bei einer unterbliebenen Abtretung der Fall gewesen wäre.

3. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren, in dem die Parteien auch Gelegenheit haben, zur Rechtsnatur der Zession vom 2. August 1996 ergänzend vorzutragen, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.

III. Danach war das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben, soweit es einen 5% übersteigenden Verzugszins bis 10% ab dem 2. August 1996 aberkannt hat. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.