Wirkung der Vormerkung, Akzessorietät und Rechtsmängelhaftung bei Veräußerung durch nicht befreiten Vorerben
BGH, Urt. v. 14. Juli 2000 - V ZR 384/98 - OLG Nürnberg, LG Nürnberg-Fürth
Fundstelle:

NJW 2000, 3496


Zentrale Probleme:

Im Mittelpunkt der sehr lehrreichen Entscheidung stehen Fragen der Vormerkung, verknüpft mit schuldrechtlichen und erbrechtlichen Problemen:
1. Die Mutter der Bekl. (Verkäuferin) war nicht befreite Vorerbin, die Beklagte Nacherbin. Die Mutter verkaufte ein Nachlaßgrundstück an die Kläger. Für den sich aus dem Kaufvertrag ergebenden Übereignungsanspruch wurde eine Vormerkung (§ 883 BGB) bewilligt und eingetragen. Da die Verkäuferin nicht befreite Vorerbin war, wäre - vorbehaltlich eines an sich möglichen, hier wegen des Nacherbenvermerks im Grundbuch ausgeschlossenen gutgläubigen Erwerbs (§ 2113 III BGB) - gem. § 2113 I BGB eine Verfügung über das Grundstück (hier: die Übereignung) im Falle des Eintritts der Nacherbfolge (absolut, d.h. nicht nur relativ gegenüber dem Nacherben) unwirksam. Bis zu diesem Zeitpunkt wäre sie wirksam. Sie bleibt allerdings wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Nacherben erfolgt. Diese Möglichkeit der Einwilligung ergibt sich indirekt aus § 2120 BGB.
Da die Verkäuferin somit eine Haftung wegen Rechtsmangels riskiert hätte (sie hätte ja nur ein mit der Nacherbschaft belastetes Grundstück übereignen können), war im notariellen Kaufvertrag vereinbart worden, daß die Kaufpreisforderung erst fällig wird, wenn die Nacherbin den Kaufvertrag genehmigt hat. Gleichzeitig wurde für die Käufer (Kläger) eine Vormerkung (§ 883 BGB) eingetragen.
Im weiteren Verlauf hat die Beklagte die Genehmigung verweigert und sich ihrerseits das Grundstück von ihrer Mutter, der Verkäuferin, aufgrund eines "Überlassungsvertrags" (wohl: Schenkung) übereignen lassen. Sie stand nun also im Grundbuch als Eigentümerin. Die Klägerin, zu deren Gunsten im Grundbuch eine Vormerkung stand, verlangte nun aufgrund der Vormerkung Löschung der Eintragung der Bekl. als Eigentümerin.
2. Wie der BGH zu Recht darlegt, ist dies Begehren bereits von den Rechtsfolgen her unbegründet: Die Vormerkung bewirkt gerade keine "Grundbuchsperre". Das Grundstück kann weiterveräußert werden, der Vormerkungsberechtigte kann lediglich seinen gesicherten Anspruch (hier: auf Übereignung) auch gegen den später Eingetragenen durchsetzen, nicht aber die Löschung aus dem Grundbuch verlangen. Nach § 888 BGB muß der vormerkungswidrig Eingetragene also bei der Durchsetzung des gesicherten Anspruchs "mitwirken", nicht aber unmittelbar aus dem Grundbuch "verschwinden". Die Beklagte wäre also allenfalls verpflichtet, einer Eintragung der Kläger als Eigentümer zuzustimmen (Bewilligung nach § 19 GBO), nicht aber unmittelbar ihrer eigenen Löschung. Das wäre nur der Fall, wenn das Grundbuch unrichtig wäre (§ 894 BGB), was aber bei einer vormerkungswidrigen Verfügung gerade nicht der Fall ist.
3. Da die Vormerkung ein akzessorisches Recht ist (sie dient nach § 883 BGB der Sicherung eines Anspruchs), setzte ihr Bestand auch im vorliegenden Fall das Bestehen des gesicherten Anspruchs voraus. Wäre der gesamte Kaufvertrag zwischen der Verkäuferin und dem Kläger unter die (aufschiebenden) Bedingung der Zustimmung der Beklagten gestellt worden, so wäre er nunmehr wegen des Ausfalls der Bedingung (= Verweigerung der Zustimmung) endgültig unwirksam. Da ein Anspruch auf Übereignung dann nicht besteht, bestünde auch keine Vormerkung (und die Beklagte könnte nach § 894 BGB von den Klägern die Zustimmung zur Löschung der Vormerkung verlangen, da das Grundbuch insoweit unrichtig ist).
Hier war aber eine solche Bedingung zumindest nicht ausdrücklich vereinbart, sondern lediglich die Fälligkeit des Kaufpreises von der Zustimmung der Nacherbin (der Bekl.) abhängig gemacht worden. M.E. hätte man allerdings dennoch im Wege der Auslegung dazu kommen können, daß der gesamte Kaufvertrag bedingt sein sollte, denn die Verkäuferin wollte ja (erkennbar) eine Rechtsmängelhaftung vermeiden. Der BGH geht hier einen etwas gekünstelten Umweg: Er legt die Bedingung nicht nur als Bedingung der Fälligkeit, sondern auch der Erfüllbarkeit aus (im Regelfall kann man ja auch nicht fällige Forderungen vorzeitig erfüllen, § 271 I Alt. 2 BGB). Damit kommt er zur vom Käufer nicht zu vertretenden Unmöglichkeit der Erfüllung (Kaufpreiszahlung), im Gegenzug zum endgültigen Wegfall des Übereignungsanspruchs aus § 323 I BGB und damit zum Wegfall der Vormerkung (da nunmehr auch kein künftiger bzw. bedingter Anspruch mehr existiert, der nach § 883 I 2 BGB ebenfalls Gegenstand einer Vormerkung sein kann).
 
Zur Vertiefung: Baur/Stürner Sachenrecht § 20
Zum Überblick: Lorenz/Riehm, JuS-Lern CD ZivilR I Rn. 596 ff (Vormerkung)
Zur Übung: Gottwald, PdW Sachenrecht Fälle 19 ff

©sl


Amtl. Leitsatz:

Hat der nicht befreite Vorerbe bei dem Verkauf des zur Erbschaft gehörenden Grundstücks zu seinem Schutz die Fälligkeit der Kaufpreisforderung von der Erteilung der Zustimmung des Nacherben in öffentlich beglaubigter Form abhängig gemacht, so liegt darin zugleich eine Erfüllbarkeitsbedingung, deren endgültigen Ausfall die bereits eingetragene Auflassungsvormerkung erlöschen läßt.



Tatbestand:

Die Kläger machen gegen die Beklagte einen Anspruch auf Löschungsbewilligung geltend.
Die Mutter der Beklagten erbte das Grundstück als nicht befreite Vorerbin; Nacherbin ist ihre Tochter, die Beklagte. Der Nacherbenvermerk war in das Grundbuch eingetragen worden.
Mit notariellem Vertrag vom 29. Januar 1996 verkaufte die Vorerbin das Anwesen an die Kläger. Die Nacherbfolge ist eingangs des Kaufvertrags aufgeführt. Unter II. "Verkauf, Bedingungen" heißt es u.a.:

"Allgemeine Fälligkeitsvoraussetzung für den Kaufpreis ist die Mitteilung des Notars, daß die Nacherbin zum gegenwärtigen Kaufvertrag ihre Zustimmung erteilt hat. ..."

Weiterhin heißt es:

"Alle zu diesem Vertrag erforderlichen Genehmigungen sollen mit Eingang beim Notar als mitgeteilt gelten und wirksam sein."

Der Vertragstext schließt mit folgendem Satz:

"Zur Wirksamkeit des heutigen Kaufvertrags ist die Zustimmung der Nacherbin D. P. erforderlich, welche für das Grundbuchamt in öffentlich beglaubigter Form abgegeben werden muß. Der Notar wird ermächtigt, diese Zustimmungserklärung einzuholen."

Für die Kläger wurde eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. Die Beklagte weigerte sich, die Zustimmung zu dem Vertrag vor einem Notar in grundbuchmäßiger Form zu erklären. Sie schloß am 2. Juli 1997 mit ihrer Mutter einen "Überlassungsvertrag", aufgrund dessen sie als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde.
Die Kläger sind der Ansicht, daß die Eintragung der Beklagten ihrem vorgemerkten Anspruch entgegenstehe. Die im Kaufvertrag erwähnte notarielle Zustimmung der Beklagten habe sich lediglich auf die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen, nicht auf die Wirksamkeit des Kaufvertrages bezogen; zudem habe die Beklagte schon vor Abschluß dem Verkauf gegen Zahlung eines Anteils aus dem Kaufpreis zugestimmt. Sie habe auch nach Vertragsschluß ihrer Mutter gegenüber erklärt, an dieser Zustimmung festzuhalten. Die Beklagte habe deshalb die Löschung ihrer vormerkungswidrigen Eigentumseintragung zu erteilen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, "die Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch ... zu ihren Gunsten eingetragenen Auflassung zu erteilen".
Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision.
 

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht meint, der Eigentumserwerb der Beklagten stehe dem durch die Vormerkung geschützten Anspruch der Kläger auf Eigentumserwerb entgegen; deshalb könnten die Kläger die Erteilung der Löschungsbewilligung der zugunsten der Beklagten eingetragenen Auflassung verlangen. Der Nacherbenvermerk schütze zwar einen Anspruch der Beklagten auf Eigentumserlangung; dieser komme aber erst im Zeitpunkt des Nacherbfalles zum Tragen. Der Nacherbfall sei durch den Verkauf des Hauses an die Kläger nicht eingetreten, da insoweit lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung der Vorerbin begründet worden sei. Die Vorerbin habe der Nacherbin das Grundstück auch nicht in Erfüllung der testamentarischen Verpflichtung übertragen, sondern als Ausstattung überlassen. Den Klägern sei zwar die durch die Nacherbschaft nach § 2113 BGB bestehende Verfügungsbeschränkung der Verkäuferin bekannt gewesen. Die Vertragsklausel, daß die Zustimmung der Nacherbin zur Wirksamkeit erforderlich sei, sei jedoch nicht als aufschiebende Bedingung des Vertrages gemeint gewesen, sondern habe, wie aus dem Schreiben des Notars an die Klägervertreter vom 24. Oktober 1997 hervorgehe, lediglich den Eigentumserwerb der Kläger sichern sollen. Die Beteiligten seien dabei davon ausgegangen, daß die Nacherbin die in Aussicht gestellte Zustimmung auch in notarieller Form abgeben werde. Ob sie diese Zustimmung bereits mündlich erteilt habe, könne jedoch dahinstehen, da diese Erklärung nicht formgerecht im Sinne des § 313 BGB abgegeben worden wäre. Die Kläger hätten deshalb jedenfalls bis zum Eintritt des Nacherbfalles einen Anspruch darauf, daß die ihrer Vormerkung widersprechende Auflassung gelöscht werde.

II. Die Revision hat Erfolg.
Das Berufungsgericht geht davon aus, § 888 BGB gewähre dem Vormerkungsberechtigten einen Anspruch gegen den eingetragenen Dritterwerber auf Löschung der Auflassung. Das ist in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.
1. Gelöscht werden kann im Grundbuch nur eine Eintragung, nicht die zugrundeliegende Auflassung. Schon aus diesem Grund hat das angefochtene Urteil keinen Bestand. Es kann aber auch nicht als Verurteilung zur Zustimmung zur Löschung der aufgrund der Auflassung erfolgten Eintragung aufrecht erhalten bleiben. Die Eintragung eines Dritten als Inhaber des von der Vormerkung betroffenen Rechts macht das Grundbuch nicht unrichtig, sondern gibt dem Vormerkungsberechtigten gegen den Dritterwerber nur einen Anspruch auf Zustimmung. Welche Zustimmung der Dritte erklären muß, hängt von dem Inhalt des vormerkungsgesicherten Anspruchs ab. Geht er - wie hier - auf Eigentumsverschaffung, kann der Vormerkungsberechtigte nicht Löschung der Eintragung des Erwerbers, sondern nur Zustimmung dazu verlangen, daß er selbst als Eigentümer eingetragen wird. Ein dahingehender Anspruch ist jedoch erloschen. Dies kann die Beklagte den Klägern entgegenhalten.
2. Die Klage nach § 888 BGB hängt nicht davon ab, daß der Schuldner seine Verpflichtung bereits erfüllt hat oder rechtskräftig dazu verurteilt worden ist (Senatsurt. v. 24. Juni 1988, V ZR 51/87, WM 1988, 1422 m.w.N. auch zur Gegenmeinung). Dafür stehen dem Dritterwerber alle Einreden und Einwendungen des Schuldners gegen den durch die Vormerkung gesicherten Anspruch zu (Senatsurt. v. 10. Juli 1966, V ZR 177/64, WM 1966, 893, 894; Staudinger/Gursky [1996] § 888 Rdn. 37 m. zahlr. Nachw.), namentlich auch der Einwand, daß der gesicherte Anspruch untergegangen ist. Dies ist hier der Fall. Die Parteien haben die Fälligkeit der Kaufpreiszahlung von der Mitteilung der Zustimmung der Beklagten in öffentlich beglaubigter Form abhängig gemacht. Dies sollte sicherstellen, daß die Kläger das Eigentum nicht nur bis zum Eintritt der Nacherbfolge, sondern auf Dauer erwerben und die Vorerbin (Verkäuferin) einer Rechtsmängelhaftung nicht ausgesetzt ist. Die Fälligkeitsbedingung enthält damit zugleich eine Erfüllbarkeitsvoraussetzung, die verhindern soll, daß die Kläger den Kaufpreis ohne das Vorliegen der Zustimmung der Beklagten zahlen und die Verkäuferin wegen des Nacherbenvermerks in Anspruch nehmen (vgl. BGHZ 123, 49, 53). Diese Bedingung ist endgültig ausgefallen, weil die Beklagte, wie ihre Rechtsverteidigung ergibt, die Erteilung der Zustimmung in der vereinbarten Form endgültig verweigert. Darauf, ob sie sie bereits formlos erteilt hat, wie die Kläger geltend machen, kommt es nicht an, weil die Vorerbin dadurch vor einer Rechtsmängelhaftung nicht gesichert ist. Ist die Kaufpreisforderung aber nicht mehr erfüllbar, ist den Klägern ihre Leistung aus einem Grunde, den weder sie noch die Vorerbin zu vertreten haben, unmöglich geworden, so daß sie auch den Anspruch auf die Verschaffung des Eigentums verloren haben (§ 323 Abs. 1 BGB).
Da die Kläger unterlegen sind, haben sie auch die Kosten der beiden Rechtsmittelverfahren zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).