Vergütungsanspruch des "Erbensuchers" gegen den Erben aus GoA? 
BGH, Urt. v. 23. 9. 1999 - III ZR 322/98 (Hamburg) 
Fundstelle:

NJW 2000, 72
s. dazu auch
BGH v. 23.2.2006 - III ZR 209/05


Amtl. Leitsatz:

Wer gewerblich als "Erbensucher" unbekannte Erben ermittelt, hat gegen diese, sofern es nicht zu einer Honorarvereinbarung kommt, Vergütungsansprüche weder aus Geschäftsführung ohne Auftrag noch aus ungerechtfertigter Bereicherung. 


Zum Sachverhalt:

Der Kl. wird gewerblich als "Erbensucher" tätig. Auf die im Bundesanzeiger veröffentlichte Aufforderung des Nachlassgerichts zur Anmeldung von Erbrechten nach dem am 29. 6. 1995 verstorbenen M ermittelte er den Bekl. und dessen Schwester P - beide Halbgeschwister des Erblassers - als gesetzliche Erben. Mit Schreiben vom 10. 7. 1997 teilte er dem Bekl. den Erbfall mit und bot diesem nach dem Abschluss einer Honorarvereinbarung über 20% des ihm zufallenden Nachlasses zuzüglich Mehrwertsteuer an, die Nachlassangelegenheit vollständig offen zu legen. Der Bekl. lehnte einen Vertragsschluss ab und ermittelte aufgrund der Informationen des Kl. den Nachlass selbst. Ihm fiel dadurch ein Vermögen von 95500 DM zu. Mit der Klage begehrt der Kl. das im Schreiben vom 10. 7. 1997 verlangte Honorar in einer Höhe von 21965 DM nebst Zinsen aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigten Bereicherung. Er hat behauptet, ein Anteil von 20% des Nachlaßvermögens sei als Vergütung für einen Erbenermittler angemessen und üblich. LG und OLG haben die Klage abgewiesen. Die Revision blieb ebenso erfolglos.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. nimmt an, der Kl. habe zwar objektiv ein fremdes und auch im mutmaßlichen Interesse des Bekl. liegendes Geschäft geführt, indem er ihn als Erben ermittelt habe. Es habe ihm jedoch der für § 677 BGB erforderliche Fremdgeschäftsführungswille gefehlt.
Nach den eigenen - zutreffenden - Angaben des Kl. "verkaufe" er seine erlangten Kenntnisse. Derart auf den Abschluss eines Vertrags zielende Tätigkeiten seien aber, falls der Vertrag nicht zustande komme, entweder kein Geschäft für den potentiellen Vertragspartner oder nicht in dessen Interesse, blieben jedenfalls unvergütet. Dass der Kl. in solchen Fällen kein fremdes Geschäft besorgen wolle, erweise sich auch darin, dass er keinerlei Verpflichtungen gegenüber dem noch nicht gefundenen Erben übernehmen wolle, insbesondere keine Sorgfaltspflichten oder die Verpflichtung, diesem ohne Rücksicht auf das Zustandekommen einer Honorarvereinbarung Auskunft zu erteilen (§§ 681 S. 2, 666 BGB). Andere Ansprüche aus dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag, vor allem nach den §§ 684 S. 1, 812 oder 687 II, 812 BGB, kämen ebenso wenig in Betracht wie eine direkt auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Entgeltforderung. Ein Anspruch des Kl. auf Aufwendungsersatz gem. §§ 687 II, 812 BGB setze voraus, daß der Bekl. Ansprüche nach den §§ 677,678,681,682 BGB geltend mache. Bei einem Rückgriff unmittelbar auf Bereicherungsrecht hingegen würde der in § 687 II 1 BGB erkennbare Gesetzeszweck, dem Geschäftsführer Aufwendungsersatz zu versagen, umgangen.
II. Diese Ausführungen, die wesentlich auf dem eine vergleichbare Fallgestaltung betreffenden Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 26. 4. 1990 beruhen (BGHR BGB § 677 Erbensucher 1 sowie BGB § 687 Abs. 2 Bereicherung 1; ähnl. OLG Frankfurt a. M., OLG-Report 1998, 375 [376]; Gutbrod, ZEV 1994, 337; abw. Hoppe/Spoerr/Niewerth, StAZ 1998, 65 [70]), halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
1. Einen vertraglichen Vergütungsanspruch des Kl. hat bereits das LG mit Recht verneint. Wegen der Weigerung des Bekl., den vom Kl. vorbereiteten Vertragsentwurf zu unterschreiben, ist eine Honorarvereinbarung zwischen den Parteien nicht zustande gekommen, ungeachtet dessen, dass der Bekl. die vom Kl. erlangten Informationen gleichwohl anschließend verwertet hat. Eine Treuwidrigkeit gegenüber dem Kl. lag hierin nicht, da die vom Kl. gewählte Art der Kontaktaufnahme keinen Vertrauenstatbestand zwischen den Parteien geschaffen hat. Es kann deswegen offen bleiben, inwieweit aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) überhaupt eine vertragliche Forderung auf Zahlung eines Entgelts hergeleitet werden könnte (ebenso für einen An-spruch auf Maklerprovision: BGHZ 95, 393 [399 f.] = NJW 1986, 177 = LM § 653 BGB Nr. 9).
2. Im Ergebnis ebenso wenig zu beanstanden ist die Auffassung des BerGer., der geltend gemachte Honoraranspruch lasse sich auch nicht auf eine Geschäftsführung des Kl. ohne Auftrag (§§ 683 S. 1, 670 oder 684 S. 1, 812 BGB) stützen. Auf die vom BerGer. tatrichterlich geprüfte (und verneinte) Frage, ob unter den besonderen Umständen des Streitfalles ein Fremdgeschäftsführungswille des Kl. festgestellt werden könne, kommt es nicht an. Die Vorschriften über eine Geschäftsführung ohne Auftrag sind nach der Risikozuordnung des Privatrechts auf derartige Fallgestaltungen von vornherein unanwendbar. Soweit der Senat in dem erwähnten Beschluss vom 26. 4. 1990 (BGHR BGB § 677 Erbensucher 1 sowie BGB § 687 Abs. 2 Bereicherung 1) noch eine andere Auffassung vertreten hat, hält er hieran nicht fest. a) Geschäftsführung ohne Auftrag setzt voraus, daß der Geschäftsführer ein Geschäft "für einen anderen" besorgt. Das ist der Fall, wenn er das Geschäft nicht (nur) als eigenes, sondern (auch) als fremdes führt, also in dem Bewusstsein und mit dem Willen, zumindest auch im Interesse eines anderen zu handeln (BGHZ 16, 12 [13] = NJW 1955, 257 = LM § 20 Preuß. PVG Nr. 3;
BGHZ 65, 354 [357] = NJW 1976, 619 = LM § 683 BGB Nr. 33; BGHZ 114, 248 [249 f.] = NJW 1991, 2638 = LM H. 4/1992 UStG 1980 Nr. 5; Senat, VTZ 1998, 401 = WM 1998, 1356 [1358]). Hierbei unterscheidet der BGH zwischen objektiv und subjektiv fremden Geschäften. Bei objektiv fremden Geschäften, die schon ihrem Inhalt nach in einen fremden Rechts- und Interessenkreis eingreifen (z.B. Hilfe für einen Verletzten, BGHZ 33, 251 [254ff.] = NJW 1961, 359 = LM § 683 BGB Nr. 8; Abwendung der von einem unbeleuchteten Fahrzeug drohenden Gefahren, BGHZ 43, 188 [191 f.] = NJW 1965, 1271 = LM § 680 BGB Nr. 1; Tilgung fremder Schulden, BGHZ 47, 370 [371] = NJW 1967, 1959 = LM § 683 BGB Nr. 21; Veräußerung einer fremden Sache, RGZ 138, 45 [48 f.]), wird der Fremdgeschäftsführungswille vermutet. Dasselbe gilt für den Willen, ein fremdes Geschäft mit zu besorgen, falls es sich auch um ein objektiv fremdes Geschäft handelt, wozu genügt, dass das Geschäft seiner äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Besorger, sondern auch einem Dritten zugute kommt (BGHZ 40, 28 ff [31] = NJW 1963, 1825 = LM § 683 BGB Nr. 15; BGHZ 65, 354 [357] = NJW 1976, 619 = LM § 683 BGB Nr. 33; BGHZ 82, 323 [330 f.] = NJW 1982, 875 = LM § 398 BGB Nr. 41; BGHZ 98, 235 [240] = NJW 1987, 187 = LM § 558 BGB Nr. 35; BGHZ 140, 102 = NJW 1999, 858 [860]). Das hat der BGH etwa für das Eingreifen der Feuerwehr bei einem Waldbrand (BGHZ 40, 28 ff [30 f.] = NJW 1963, 1825 = LM § 683 BGB Nr. 15) und der Bergung eines verunglückten Fahrzeugs (BGHZ 63, 167 [169 f.] = NJW 1975, 207 = LM § 680 BGB Nr. 4), der Beseitigung verkehrsgefährdender Straßenverschmutzungen durch die Straßenbaubehörde (BGHZ 65, 354 [357 f.] = NJW 1976, 61 = LM § 683 BGB Nr. 33), von Ölverunreinigungen durch den Zustandsstörer (BGHZ 98, 235 [240 f.] = NJW 1987, 187 = LM § 558 BGB Nr. 35) oder von Rückständen eingelagerten Milchpulvers durch den Grundstückseigentümer (BGHZ 110, 313 [314ff.] = NJW 1990, 2058 = LM § 683 BGB Nr. 49) angenommen oder zumindest für möglich gehalten (so im Fall BGHZ 98, 235 [240 ff.] = NJW 1987, 187 = LM § 558 BGB Nr. 35). Hingegen erhalten objektiv eigene oder neutrale Geschäfte ihren Fremdcharakter erst durch den Willen des Geschäftsführers (auch) zu einer Fremdgeschäftsführung. Dafür besteht grundsätzlich keine tatsächliche Vermutung; der Wille, ein solches Geschäft zugleich für einen anderen zu führen, muß vielmehr hinreichend nach außen in Erscheinung treten (BGHZ 40, 28 ff [31] = NJW 1963, 1825 = LM § 683 BGB Nr. 15; BGHZ 82, 323 [330 f.] = NJW 1982, 875 = LM § 398 BGB Nr. 41; BGHZ 114, 248 [250] = NJW 1991, 2638 = LM H. 4/1992 UStG 1980 Nr. 5; Senat, VIZ 1998, 401 = WM 1998, 1356 [1358]).
b) Nach diesen Grundsätzen könnte es sich bei der Erbensuche des Kl. allenfalls um ein auch-fremdes Geschäft handeln (hierfür Hoppe/Spoerr/Niewerth, StAZ 1998, 65 [70]). Die zur Ermittlung der gesetzlichen Erbfolge erforderliche Feststellung der Verwandtschaftsverhältnisse ist nicht derart allein dem Rechts- und Interessenkreis der Verwandten des Erblassers zugewiesen, dass ein Dritter mit eigenen Nachforschungen unberechtigt (vgl. § 687 II BGB) in deren Persönlichkeitsrechte eingreifen würde (so auch Gut brod, ZEV 1994, 337 [338]). Das gilt jedenfalls insoweit, als die Erben-ermittlung nicht Einsicht in die Personenstandsbücher bedingt, die § 611 3 PStG aus Datenschutzgründen von einem rechtlichen Interesse abhängig macht. Hiernach käme es darauf an, ob die bei auch-fremden Geschäften gleichfalls geltende tatsächliche Vermutung für eine Fremdgeschäftsführung im Streitfall widerlegt wäre. Eine solche Fragestellung verkennt indes im Ansatz die aus den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts folgende Risikoverteilung. Sie ließe zudem bei denkbarer Bejahung eines Fremdgeschäftsführungswillens Ergebnisse zu, die weder sach- noch interessengerecht wären.
Es geht hier, worauf das BerGer. zutreffend hinweist, um die Vorbereitung und Anbahnung von Vertragsverhandlungen. Der Erbensucher verschafft sich durch seine Ermittlungstätigkeit das Material, das er den Erben gegen Entgelt überlassen, mit den Worten des Kl. "verkaufen" will. Eigene Aufwendungen im Vorfeld eines Vertragsschlusses bleiben aber, sofern es nicht zu einem Abschluss kommt, nach den Regeln des Privatrechts unvergütet; jede Seite trägt das Risiko eines Scheiterns der Vertragsverhandlungen selbst. Diese im Gefüge der Vertragsrechtsordnung angelegte und letztlich auf die Privatautonomie zurückzuführende Risikoverteilung würde durch Zulassung von Aufwendungsersatzansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag unterlaufen. Insofern liegt es anders als bei der Erfüllung unerkannt nichtiger Verträge, auf die die Revision hinweist und bei der in der Tat eine Geschäftsführung ohne Auftrag regelmäßig zu bejahen ist (vgl. etwa BGHZ 37, 258 [262 f.] = NJW 1962, 2010 = LM § 1 RechtsberatG Nr. 1; BGHZ 101, 393 [399] = NJW 1988, 132 = LM § 313 BGB Nr. 117; BGHZ 111, 308 [311] = NJW 1990, 2542 = LM § 134 BGB Nr. 130; Senat,
NJW 1997, 47 [48] = LM H. 2/1997 § 138 [Cd] BGB Nr. 29). Hier entspricht der Leistungsaustausch dem geäußerten tatsächlichen Willen der Vertragschließenden. An diesem Ergebnis vermag auch der Umstand, dass der Kl. seine Erkenntnisse bereits bei der ersten Kontaktaufnahme dem Erben (teilweise) übermittelt hat, nichts zu ändern. Aus den genannten Gründen kennt die Privatrechtsordnung grundsätzlich auch keine Pflicht zur Vergütung ungefragt überlassener, nicht durch Ausschließlichkeitsrechte (z. B. Patentrecht) geschützter Informationen; ein Entgelt dafür ist vielmehr lediglich auf vertraglicher Grundlage zu zahlen (vgl. für die Maklerprovision Schwerdtner, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 652 Rdnr. 98 a.E.; s. ferner BGHZ 95, 393 [399] = NJW 1986, 177=LM § 653 BGB Nr. 9; Roth, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 652 Rdnr. 25; Staudinger/Reuter, BGB, 13. Bearb., § 652 Rdnr. 53). Die Annahme einer (berechtigten) Geschäftsführung ohne Auftrag in derartigen Fällen wäre schließlich auch deswegen nicht interessengerecht, weil sich der Erbe bei Bemühungen mehrerer Erbensucher unabhängig voneinander Ansprüchen aller dieser Erbenermittler auf Aufwendungsersatz ausgesetzt sähe, ohne dass er sich ihnen gegenüber - wie bei mehreren Maklern - aufgrund der ersten Information über sein Erbrecht etwa auf Vorkenntnis berufen könnte. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag setzen schon einen Erfolg der Geschäftsbesorgung grundsätzlich nicht voraus. Ebenso wenig ließe sich ein Interesse des Erben an der Übernahme einer Geschäftsführung durch den ersten, zweiten oder weiteren Erbensucher nur deswegen (ex post) verneinen, weil diese erst später ans Ziel gelangt oder gar erfolglos geblieben sind. Entsprechend kämen bei objektiv werthaltiger Erbschaft Ansprüche aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag selbst dann in Betracht, wenn der zunächst berufene Erbe, in dessen Interesse die Geschäftsführung erfolgt wäre, die Erbschaft ausschlüge (vgl. OLG Frankfurt a. M., OLG-Report 1998, 375 [376]; s. auch Gutbrod, ZEV 1994, 337 [338]). Beide Konsequenzen wären gleichermaßen unannehmbar.
3. Für alle sonstigen gesetzlichen Ansprüche (§ 687 II BGB z. B. mit §§ 684 S. 1, 812 BGB oder §§ 812 I 1 bzw. 2 Alt. 2, 818 II BGB) gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Im Übrigen müssten Ansprüche des Kl. nach §§ 687 II 2, 684 S. 1, 812 BGB auch deswegen ausscheiden, weil er nicht (unberechtigt) ein dem Bekl. vorbehaltenes ausschließlich fremdes Geschäft geführt hätte, sondern allenfalls neben dem eigenen zugleich objektiv auch ein Geschäft für diesen. Derart auch-fremde Geschäfte können aber grundsätzlich nicht, wie § 687 II BGB es voraussetzt, angemaßt sein; auf sie ist diese Vorschrift daher nicht anwendbar (vgl. hierzu Staudinger/Wittmann, BGB, 13. Bearb., § 687 Rdnrn. 5 ff.).