Versteigerungsauftrag, Schriftform und Einliefererprovision bei Mitbieten des Einlieferers (ergänzende Vertragsauslegung)

BGH, Urt. v. 1. Juli 1999 - I ZR 181/96 - Kammergericht, LG Berlin


Fundstelle:

NJW 2001, 600


Amtl. Leitsatz:

Die Vorschrift des § 1 Satz 1 VerstV, nach der der Versteigerer nur aufgrund eines schriftlichen Vertrags versteigern darf, begründet kein Schriftformerfordernis i.S. von § 125 BGB, von dessen Einhaltung die bürgerlich-rechtliche Wirksamkeit des Versteigerungsauftrags abhängt.


Zentrale Probleme:

Im Mittelpunkt des Falles stehen grundsätzliche Fragen des Allgemeinen Teils und der Rechtsgeschäftslehre. Der Kläger hatte vom Beklagten mehrere Bilder versteigern lassen. Da er eine zu geringen Erlös befürchtete, bot er mit und erhielt bzgl. zweier Bilder selbst den Zuschlag. Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Versteigerungsauftrag schuldet der Einliefer im Falle des erfolgreichen Verkaufs im Wege der Versteigerung eine Provision (Einlieferprovision). Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Versteigerung (Versteigerungsbedingungen) schuldet weiter der Ersteigerer ein "Aufgeld" von weiteren 15 %. Mit diesen Ansprüchen hat im vorliegenden Fall der Beklagte die Aufrechnung gegen den Anspruch auf Erlösherausgabe bzgl. eines weiteren, an einen Dritten im Wege der Versteigerung verkauften Bildes aufgerechnet. In der Revision ging es nur noch um die Frage der Einliefererprovision. 
Dabei stellte sich zunächst die Frage der Formwirksamkeit des Versteigerungsauftrags, weil § 1 VerstVO hierfür Schriftform vorschreibt. Der BGH sieht - sicherlich zu recht - in dieser Norm aufgrund einer teleologischen Auslegung keine Formvorschrift i.S.v. § 125 BGB.
Weiter stellte sich die Frage, ob sich im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung ergibt, daß eine Einlieferoprovision bei Selbstersteigerung nicht geschuldet wird bzw. ob deren Geltendmachung § 242 BGB entgegensteht. Auch diese Fragen verneint der BGH zutreffend. Entscheidend ist dabei insbesondere, daß der Kläger vor Zuschlagserteilung den Versteigerungsauftrag jederzeit hätte zurückziehen und damit einen Verkauf unter Wert hätte vermeiden können (vielleicht ging es dem Kläger nämlich gar nicht darum, einen Unterwertverkauf zu verhindern, sondern darum, durch Mitbieten den Preis in die Höhe zu treiben, wobei er sich dann verspekuliert hat....).


Zum Sachverhalt:

Die Beklagte organisiert Kunstauktionen, an denen der Kläger, ein Kunstsammler, mehrfach als Einlieferer von Kunstwerken teilgenommen hat. Mit Ausnahme des hier zu beurteilenden Sachverhalts lagen den Einlieferungen jeweils von beiden Parteien unterzeichnete Verträge zugrunde, in die die Versteigerungsbedingungen der Beklagten sowie deren "Bedingungen für den Versteigerungsauftrag" einbezogen waren. In den zuletzt genannten Bedingungen sind u.a. folgende Regelungen enthalten:
  

§ 4 Entgelt
1. Höhe
Die V. G. erhält vom Einlieferer bei ... Objekten mit einem Zuschlagpreis von 10.001,-- DM bis zu 100.000,-- DM ein Entgelt in Höhe von 15 % des Zuschlagpreises; ...
2. Ausschluß eines Entgeltes für den Versteigerer
Der Versteigerer hat keine Entgeltansprüche gegen den Einlieferer.

Am 10. April 1992 übergab der Kläger dem Geschäftsführer S. der Beklagten, der zugleich die Funktion des Versteigerers wahrnimmt, folgende in seinem Eigentum stehende Aquarelle: "Sommerlandschaft" von Erich Heckel, "Fischfang auf hoher See" von Hermann Max Pechstein und "Bauernhof in Rumbke am Lebasee" von Karl Schmidt-Rottluff, die auf einer von der Beklagten organisierten Kunstauktion am 30. Mai 1992 versteigert werden sollten. Der Kläger erhielt über die Einlieferung seiner Bilder eine Empfangsquittung sowie einen von der Beklagten unterzeichneten Versteigerungsauftrag, die eine Auflistung über die Schätzpreise und das jeweilige Limit der Aquarelle enthielten. Das mit "Versteigerungsauftrag" überschriebene Formular, in dem es u.a. heißt, daß der Einlieferer die ihm ausgehändigten Versteigerungsbedingungen und Bedingungen des Versteigerungsauftrags der Beklagten als verbindlich anerkenne, wurde vom Kläger nicht unterschrieben. Die Beklagte nahm die Bilder des Klägers mit den von ihr vermerkten Schätzpreisen in ihren Katalog zur Versteigerung am 30. Mai 1992 auf, den sie dem Kläger am 7. Mai 1992 zusandte.

Der Kläger nahm an der von der Beklagten durchgeführten Frühjahrsauktion teil, nachdem er zuvor einen Bieterzettel unterzeichnet hatte. Nach dem Bieterzettel erklärt sich der Bieter mit den "Auktionsbedingungen gemäß Katalog" einverstanden. Diese Versteigerungsbedingungen sehen die Zahlung eines Aufgeldes von 15 % auf die Zuschlagsumme vor. Der Kläger bot bei der Versteigerung seiner eigenen Bilder mit und erhielt jeweils den Zuschlag für das Aquarell von Pechstein bei einem Gebot von 36.000,-- DM und das Gemälde von Schmidt-Rottluff bei einem Gebot von 72.000,-- DM. Das Aquarell von Heckel wurde einem Mitbieter bei einem Gebot von 40.000,-- DM zugeschlagen.

Die Beklagte stellte dem Kläger für die Ersteigerung seiner beiden Kunstwerke am 4. August 1992 insgesamt 30.780,-- DM (15 % Aufgeld sowie 10 % Einliefererprovision, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer, von der Zuschlagsumme in Höhe von 108.000,-- DM) in Rechnung. Über die Versteigerung des Heckel-Aquarells erteilte sie dem Kläger mit Schreiben vom 31. Juli 1992 eine Abrechnung, die mit einem Guthaben des Klägers von 33.606,-- DM endete, das sie nur in Höhe von 2.826,-- DM an den Kläger auskehrte. Den restlichen Betrag verrechnete die Beklagte mit ihrer vermeintlichen Gegenforderung aus der Rechnung vom 4. August 1992.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt, ihm für die Ersteigerung seiner eigenen Bilder Aufgeld und Einlieferungsprovision zu berechnen. Er habe ihr keinen Versteigerungsauftrag erteilt. Die Geschäftsbedingungen der Beklagten hätten mithin auch nicht Vertragsgegenstand werden können. Die Beklagte habe die Schätzpreise für die ihr übergebenen Aquarelle zu niedrig bemessen. Das habe er auch mehrfach beanstandet. Der Geschäftsführer S. der Beklagten habe ihm jedoch erklärt, daß mit Sicherheit höhere Preise für die Bilder erzielt werden könnten. Um einen Verkauf seiner Gemälde unter Wert zu verhindern, sei er allerdings gezwungen gewesen, bei der Auktion mitzubieten. Einen Anspruch auf Zahlung von Aufgeld und einer Einliefererprovision habe die Beklagte dadurch aber nicht erlangt.

Mit seiner Klage hat der Kläger begehrt, die Beklagte zur Zahlung des ihm seiner Ansicht nach aus der Versteigerung des Aquarells von Heckel noch zustehenden restlichen Guthabens zu verurteilen. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.780,-- DM nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat behauptet, der Kläger habe sich mit den im schriftlichen Versteigerungsauftrag und im Auktionskatalog genannten Schätzpreisen einverstanden erklärt. Sie hat überdies die Auffassung vertreten, der Versteigerungsvertrag habe auch mündlich wirksam geschlossen werden können. Die Vorschrift des § 1 Satz 1 der Verordnung über gewerbsmäßige Versteigerungen (VerstV), wonach der Versteigerer nur aufgrund eines schriftlichen Vertrages versteigern dürfe, stehe dem nicht entgegen, da diese Bestimmung nur die Art und Weise, in der der Versteigerer sein Gewerbe ausüben dürfe, und nicht die Wirksamkeit eines Versteigerungsauftrags regele.

Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht entschieden, daß die Beklagte berechtigt gewesen sei, gegen die Forderung des Klägers aus der Versteigerung des Aquarells von Heckel mit einem Anspruch auf Zahlung von 18.468,-- DM (15 % Aufgeld für die vom Kläger selbst ersteigerten Bilder) aufzurechnen; insoweit hat es die Klage - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - abgewiesen.

Mit der (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Die Revision hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Beklagte Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Aufgelds habe, dagegen nicht auf die Einliefererprovision. Dazu hat es ausgeführt:

Der Beklagten stehe die beanspruchte Einliefererprovision nicht zu, weil es hierfür - mangels Einhaltung der in § 1 Satz 1 VerstV vorgesehenen Schriftform - an einem wirksamen Vertrag zwischen den Parteien fehle. Die genannte Formvorschrift gelte auch für den zwischen den Parteien geschlossenen, den Regeln des Kommissionsrechts unterstehenden Vertrag. Zwar werde die Beklagte selbst nicht als Versteigerer tätig. Gleichwohl handele es sich bei dem in Rede stehenden Vertragsverhältnis nicht lediglich um einen grundsätzlich formfreien Kommissionsvertrag, sondern auch um einen Versteigerungsvertrag, den die Beklagte für ihre beiden Geschäftsführer als Versteigerer geschlossen habe. Denn aus dem Inhalt der gesamten Vertragsgestaltung ergebe sich, daß neben dem als Versteigerungsauftrag bezeichneten Vertrag kein zusätzlicher Vertrag mit den Versteigerern habe geschlossen werden sollen. Bei einer derartigen Fallgestaltung stellten sich Kommissions- und Versteigerungsvertrag als Einheit dar. Der Kläger habe die Beklagte mündlich nicht nur damit beauftragt, das Aquarell von Heckel im eigenen Namen, aber für seine Rechnung versteigern zu lassen, sondern auch die ebenfalls überlassenen Bilder von Pechstein und Schmidt-Rottluff. Dies ergebe sich aus seinem eigenen Vortrag, wonach er sich in dem letzten Gespräch vor der Versteigerung mit dem Geschäftsführer S. der Beklagten auf dessen Erklärung verlassen habe, es seien mit Sicherheit höhere Preise als im Versteigerungsauftrag angegeben zu erzielen. Ein Widerspruch gegen die Versteigerung sei nicht erfolgt.

Die Regelung in § 1 Satz 1 VerstV sei eine Formvorschrift i.S. von § 125 BGB. Die Bestimmung wende sich zwar in erster Linie an den Versteigerer und bezwecke eine wirksame behördliche Überwachung der Versteigerung; sie diene aber auch dem Schutz des Auftraggebers, der insbesondere durch die Schriftform vor den nicht unerheblichen Risiken eines Versteigerungsauftrags gewarnt werden solle. Dieser Schutzzweck könne nur dadurch erreicht werden, daß die Schriftform auch für einen den Regeln des Kommissionsrechts unterstehenden Vertrag konstitutiv wirke.

II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Beklagte beschwert ist, und zur vollständigen Abweisung der Klage.

1. Dem Berufungsgericht ist entgegen der Auffassung der Revision darin zuzustimmen, daß die Parteien einen einheitlichen Kommissions- und Versteigerungsvertrag geschlossen haben.

2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die zwischen den Parteien mündlich getroffenen Vereinbarungen seien nach § 125 BGB nichtig, weil sie entgegen § 1 Satz 1 VerstV nicht schriftlich niedergelegt worden seien. Die Vorschrift des § 1 Satz 1 VerstV, nach der der Versteigerer nur aufgrund eines schriftlichen Vertrages versteigern darf, begründet kein Schriftformerfordernis, von dessen Einhaltung die bürgerlich-rechtliche Wirksamkeit eines Versteigerungsvertrags abhängt.

a) Der Beurteilung des Berufungsgerichts steht allerdings nicht entgegen, daß es sich bei der Versteigerungsverordnung nicht um ein Gesetz im formellen Sinn handelt. Nach Art. 2 EGBGB ist Gesetz im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches - und damit von § 125 BGB - jede Rechtsnorm (vgl. Soergel/Hartmann, BGB, 12. Aufl., Art. 2 EGBGB Rdn. 7).

b) Nicht jedes Gesetz, das die Form eines Rechtsgeschäfts regelt, ist aber als Formvorschrift i.S. von § 125 BGB einzuordnen. Es kommt vielmehr darauf an, ob das Gesetz die Gültigkeit des in Rede stehenden Rechtsgeschäfts nur für den Fall anerkennen will, daß dieses die gesetzlich vorgeschriebene Form einhält (vgl. MünchKommBGB/Förschler, 3. Aufl., § 125 Rdn. 29). Davon, daß ein Rechtsgeschäft der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, kann mithin nur gesprochen werden, wenn nach dem Gesetz das Rechtsgeschäft erst und nur dadurch zustande kommt, daß seine sämtlichen Teile in einer von den Vertragsparteien unterzeichneten Urkunde aufgenommen werden (BGH, Urt. v. 16.4.1957 - VIII ZR 212/56, LM § 125 BGB Nr. 7). Das ist bei einem entgegen der Formvorschrift des § 1 Satz 1 VerstV nur mündlich geschlossenen Versteigerungsvertrag nicht der Fall.

aa) Die Bestimmung des § 1 Satz 1 VerstV trifft nach ihrem unmittelbaren Regelungsinhalt keine Anordnung über die Einhaltung einer bestimmten Form bei Abschluß von Versteigerungsverträgen. Die Vorschrift enthält vielmehr das an den Versteigerer gerichtete Gebot, "nur aufgrund eines schriftlichen Vertrages" zu versteigern. Sie unterscheidet sich damit schon dem Wortlaut nach deutlich von Formvorschriften (wie beispielsweise § 313 Satz 1, § 518 Abs. 1, §§ 766, 780, 781 BGB), in denen ausdrücklich bestimmt ist, daß die Gültigkeit des jeweiligen Vertrags die Einhaltung der in den genannten Regelungen vorgeschriebenen Form erfordert.

bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich auch nicht aus Sinn und Zweck des § 1 Satz 1 VerstV, daß für den wirksamen Abschluß eines Versteigerungsvertrags die Einhaltung der Schriftform konstitutiv wirkt.
Die Versteigererverordnung hat ihre Grundlage in § 34b Abs. 8 GewO. Nach dieser Vorschrift ist der Bundesminister für Wirtschaft ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates unter Berücksichtigung des Schutzes der Allgemeinheit sowie der Auftraggeber und der Bieter Vorschriften über den Umfang der Befugnisse und der Verpflichtungen bei der Ausübung des Versteigerergewerbes zu erlassen. Wie aus der Begründung des Entwurfs der Versteigererverordnung zu ersehen ist, bezweckte der Verordnungsgeber mit ihrem Erlaß - im Hinblick auf die Treuhänderstellung des Versteigerers sowie im Interesse der beteiligten Personen - eine Grundlage für die behördliche Kontrolle des ordnungsgemäßen Ablaufs der Versteigerung zu schaffen. Das Schriftformerfordernis sollte diesem gewerbepolizeilichen Ordnungszweck dienen. Auf seine Einhaltung wird durch den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 24 Nr. 1 VerstV hingewirkt. Die zwischen Auftraggeber und Versteigerer bestehenden Rechtsbeziehungen sollten dagegen nicht geregelt werden, da diese bürgerlich-rechtlicher Art sind und sich nach den einschlägigen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Handelsgesetzbuches richten (vgl. BR-Drucks. 401/60, S. 2 f.). Insbesondere aus der zuletzt angeführten Begründung zu § 1 VerstV wird deutlich, daß die Gültigkeit des privatrechtlichen Versteigerungsvertrags zwischen Auftraggeber und Versteigerer gerade nicht nach den Vorschriften der einem gewerberechtlichen Ordnungszweck dienenden Versteigererverordnung beurteilt werden soll.

3. Da die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien somit wirksam sind, hat die Beklagte gegen den Kläger auch einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Einliefererprovision gemäß § 4 der "Bedingungen für den Versteigerungsauftrag", die nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts Vertragsinhalt geworden sind.

a) Dieser Anspruch scheitert entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht daran, daß die mündlich getroffene Vereinbarung einschränkend dahin auszulegen wäre, die Beklagte könnte von dem selbst mitbietenden Einlieferer im Falle des ihm erteilten Zuschlags allenfalls das von dem Ersteigerer nach § 3 Ziffer 1 der "Versteigerungsbedingungen" geschuldete Aufgeld von 15 % verlangen. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung sind im Streitfall die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung nicht gegeben.

Die an den §§ 133, 157 BGB orientierte ergänzende Vertragsauslegung dient dazu, den von den Parteien bei ihren Absprachen entwickelten und einverständlich festgelegten Regelungsplan für solche Lücken zu ergänzen, für die ein Regelungsbedarf besteht, den die Parteien zwar nicht erkannt haben, dem sie aber genügt hätten, wenn ihnen die Regelungsbedürftigkeit bekannt gewesen wäre (BGH, Urt. v. 24.11.1998 - X ZR 21/97, WRP 1999, 323, 324 - Deckelfaß). Danach ist Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung eine planwidrige Regelungslücke. Eine solche liegt vor, wenn der Regelungsplan der Parteien vervollständigungsbedürftig ist, mithin ohne diese Vervollständigung eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (BGHZ 90, 69, 74; BGH, Urt. v. 13.5.1993 - IX ZR 166/92, NJW 1993, 2935, 2937).

Im Streitfall besteht keine derartige Regelungslücke. Das Fehlen einer Provisionsregelung für den Fall, daß der Einlieferer seine eigenen Gegenstände ersteigert, stellt sich bei einer Gesamtbetrachtung der vertraglichen Absprachen nicht als bewußtes oder unbewußtes Versäumnis der Vertragsparteien dar, sondern beruht auf der von ihnen gewählten Vertragsgestaltung. Danach ist zwischen dem Vertragsverhältnis über die Einlieferung einerseits und dem Erwerb eines Gegenstands durch Gebot und Zuschlag andererseits zu unterscheiden. Es handelt sich insoweit um jeweils selbständig zu beurteilende Rechtsgeschäfte, aus denen der Beklagten Provisionsansprüche - Einliefererprovision und Aufgeld - erwachsen.

b) Dem Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Einliefererprovision steht auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen. Der Umstand, daß der Kläger in der Versteigerung am 30. Mai 1992 zwei der von ihm selbst eingelieferten Kunstwerke ersteigert hat, rechtfertigt es nicht, der Beklagten den mit der Einlieferung bereits erworbenen Provisionsanspruch im nachhinein zu versagen. Der Kläger hat mit der Unterzeichnung des Bieterzettels vor Beginn der Auktion die "Bedingungen für den Versteigerungsauftrag" der Beklagten und deren "Versteigerungsbedingungen" anerkannt. Ihm war mithin bekannt, daß die Beklagte neben der Einliefererprovision auch ein Aufgeld von dem Ersteigerer beanspruchen konnte. Wenn der Kläger sich gleichwohl entschieden hat, bei der Versteigerung seiner Aquarelle mitzubieten, mußte er damit rechnen, bei Erhalt des Zuschlags zur Zahlung sowohl des Aufgelds als auch der bereits zuvor entstandenen Einliefererprovision verpflichtet zu sein. Die Beklagte beansprucht nur diejenige Provision, die ihr zugestanden hätte, wenn der Zuschlag nicht dem Kläger, sondern einem Dritten erteilt worden wäre. Damit verstößt sie nicht gegen Treu und Glauben, da der Kläger die Leistungen der Beklagten wie ein sonstiger Teilnehmer an der Versteigerung in Anspruch genommen hat. Um der von ihm befürchteten Gefahr einer Veräußerung seiner Gemälde unter Wert zu entgehen, hätte der Kläger im übrigen die Möglichkeit gehabt, sie von der Versteigerung zurückzuziehen. Ein Mitbieten war somit nicht erforderlich.

4. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung scheitert die von der Beklagten erklärte Aufrechnung schließlich nicht an § 5 der Bedingungen des Versteigerungsauftrags. Nach dieser Bestimmung ist die Beklagte u.a. verpflichtet, den Versteigerungserlös anzunehmen, aufzubewahren und unter Einbehalt des Entgelts und der Kosten innerhalb von zwei Wochen nach Zahlungsgutschrift an den Einlieferer abzusenden. Die Beklagte hat die Aufrechnung mit Provisionsansprüchen erklärt, die ihr gerade aus dem vom Kläger erteilten Versteigerungsauftrag erwachsen sind. Das ist ihr nach § 5 der genannten Bedingungen nicht verwehrt.

III. Danach ist auf die Revision der Beklagten das Berufungsurteil aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abzuweisen.