Verjährung von Ansprüchen aus pVV (Pflichtverletzung nach §§ 280 I, 241 II BGB n.F.) analog §§ 606, 548 I 1 BGB n.F.; Gebrauchsüberlassungsvereinbarung im Werkvertrag


Fundstelle:

NJW 2002, 1336


Amtl. Leitsatz:

Überläßt der Besteller dem Werkunternehmer unentgeltlich ein Gerät zur Herstellung des Werkes, unterliegen Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung wegen Beschädigung des Gerätes der kurzen Verjährungsfrist entsprechend den §§ 558, 606 BGB (Fortführung von BGHZ 54, 264 und 119, 35).


Zentrale Probleme:

Die Problematik der sehr lehrreichen Entscheidung stellt sich auch nach der Modernisierung des Schuldrechts. Der Anspruch des Bestellers würde sich nunmehr - sachlich unverändert - wegen der Verletzung einer Nebenpflicht i.S.v. § 241 II BGB aus § 280 I BGB ergeben und grundsätzlich nach §§ 195, 199 I in drei Jahren, spätestens in 10 Jahren (§ 199 III Nr. 1) verjähren. Da es sich nicht um einen Mangelfolgeschaden aus einer mangelhaften Werkleistung, sondern um die Verletzung einer mangelunabhängigen Nebenpflicht handelt, wäre die - auch für Mangelfolgeschäden geltende - Verjährungsregel des § 634a BGB nicht anwendbar.
Nach neuem Recht würde übrigens die (hier ohnehin nicht rechtzeitige) Streitverkündung im Vorprozeß nicht mehr zu Unterbrechung (jetzt: "Neubeginn") der Verjährung, sondern nach § 204 I Nr. 6 BGB n.F. lediglich zur Hemmung der Verjährung führen.
Die im Leitsatz angesprochene mietrechtliche Verjährungsregel ist nach der Reform des Mietrechts jetzt in § 548 I 1 BGB zu finden.
Zur Problematik der Mangelfolgeschäden im Werkvertrag nach der Schuldrechtsreform s. die Anm. zu BGH NJW 2002, 816.

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Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen Beschädigung einer Hebebühne.

Die Klägerin hatte den Beklagten den Auftrag erteilt, Jalousien an einem Bürohaus zu montieren. Die für die Montage benötigte fahrbare Hebebühne hatte sie, vertreten durch den Beklagten zu 1, bei der Firma Autohaus M. gemietet und den Beklagten unentgeltlich für die Dauer der Montage zur Verfügung gestellt.

Der Mietvertrag untersagte die Weitergabe der Hebebühne an nicht in die Benutzung eingewiesene Dritte.

Der Beklagte zu 1 überließ die Hebebühne einem Mitarbeiter einer Drittfirma, der nicht mit der Benutzung vertraut gemacht worden war. Durch dessen unsachgemäße Handhabung kam es zu einem Unfall, bei dem die Hebebühne beschädigt wurde. Am 30. November 1994 gaben die Beklagten die beschädigte Hebebühne an die Vermieterin, die Firma Autohaus M. , zurück. In einem von dieser gegen die Klägerin geführten Rechtsstreit wurde die Klägerin zum Ersatz der für die Reparatur der Hebebühne angefallenen Kosten verurteilt. In diesem Rechtsstreit hatte die Klägerin den Beklagten mit Schriftsatz vom 7. Oktober 1996, der am 8. Oktober 1996 bei Gericht einging, den Streit verkündet.

Die Klägerin verlangt im Wege des Rückgriffs von den Beklagten Zahlung der Urteilssumme und der Verfahrenskosten. Sie hat mit bei Gericht am 26. Mai 1997 eingegangenem Antrag über diese Beträge einen Mahnbescheid gegen die Beklagten erwirkt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen.

Mit der - zugelassenen - Revision verfolgen die Kläger ihren Klagantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der auf einer positiven Vertragsverletzung beruhende Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten wegen der Beschädigung der Hebebühne sei in entsprechender Anwendung der §§ 558 [Anm.: jetzt § 548 I 1 BGB n.F.], 606, 1057 BGB verjährt. Hierzu hat es unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den Schadensfällen, in denen die Überlassung einer Sache im Zusammenhang mit einem anderen Vertrag stand und in denen er auf die Schadensersatzansprüche die Regeln der kurzen Verjährung angewandt hat (vgl. u.a. Urteil vom 21. Mai 1968 - VI ZR 131/67 - NJW 1968, 1472 f.; BGHZ 119, 35 f. m.w.N.), ausgeführt:

Bei der Überlassung der Hebebühne handele es sich zwar nicht um eine Leihe im eigentlichen Sinn des § 598 BGB, da die Überlassung der Sache hier nicht im ausschließlichen Interesse des Entleihers, sondern auch der Klägerin gelegen habe. Allerdings handele es sich um einen der Leihe ähnlichen, zeitlich begrenzten Gebrauchsüberlassungsvertrag, aus dem sich ebenso wie bei der Leihe für den Beklagten die Pflicht ergeben habe, sorgsam mit der übergebenen Sache umzugehen. Auf diesen Vertrag seien wegen der gleichartigen Sach- und Interessenlage die Verjährungsvorschriften der §§ 558, 606, 1057 BGB entsprechend anzuwenden. Zweck dieser kurzen Verjährungsfrist sei es nämlich, eine beschleunigte Klarstellung der Ansprüche wegen des Zustandes der überlassenen Sache bei ihrer Rückgabe zu erreichen und eine rasche Auseinandersetzung zwischen den Parteien herbeizuführen. Eine schnelle Abwicklung sei wünschenswert, weil Gebrauchsüberlassungsverhältnisse häufig wechselnde Interessen berührten und der Zustand der zurückgegebenen Sache nach längerer Zeit nur noch schwer feststellbar sei. Diesen Zweck gelte es auch in Fällen der vorliegenden Art zu erfüllen, in denen dem Empfänger - wie hier den Beklagten - im Zusammenhang mit einem anderen Vertragsverhältnis eine zeitlich begrenzte Einwirkungsmöglichkeit auf die überlassene Sache eingeräumt werde, die die Möglichkeit einer Schädigung biete.

Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die kurze Verjährung sei auch nicht deshalb abzulehnen, weil der Schwerpunkt der vertraglichen Beziehungen der Parteien im Werkvertragsrecht liege und es sich hier um eine Nebenpflicht der Beklagten im Rahmen dieses Vertrages handele. So habe auch der Bundesgerichtshof in seiner genannten Rechtsprechung die Verjährungsvorschriften der §§ 558, 606 und 1057 BGB für entsprechend anwendbar erklärt, ohne dabei darauf abzustellen, ob der vertragliche Schwerpunkt der Rechtsbeziehungen der Parteien auf der Gebrauchsüberlassung liege.

Die Forderung der Klägerin gegen den Beklagten auf Ersatz des durch die Beschädigungen der Hebebühne entstandenen Schadens sei verjährt, nachdem die Hebebühne am 30. November 1994 zurückgegeben und die erste zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Maßnahme, nämlich die Streitverkündung, im Oktober 1996 vorgenommen worden sei.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.

1. Die Annahme des Berufungsgerichtes, das Landgericht habe zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus positiver Vertragsverletzung bejaht, nimmt die Revision als ihr günstig hin. Sie ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

2. Die Revision ist jedoch der Ansicht, dieser Anspruch verjähre gemäß § 195 BGB in 30 Jahren. Rechtsgrundlage für diesen Anspruch sei die Verletzung der allgemeinen Schutzpflicht der Beklagten, sich bei Abwicklung des Werkvertrags so zu verhalten, daß Rechtsgüter der Klägerin nicht verletzt würden. Eine solche Schutzpflicht bestehe auch hinsichtlich eines Arbeitsgerätes, das vom Besteller im Rahmen einer Mitwirkung nach § 642 BGB dem Unternehmer zur Verfügung gestellt worden sei. Da die Überlassung der Hebebühne nur im Zusammenhang mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag zum Zwecke der Montage der Jalousien erfolgt sei und es sich daher nur um einen Werkvertrag, nicht etwa um einen gemischten Vertrag aus verschiedenen Vertragstypen handele, müsse sich auch die Haftung und Verjährung allein nach dem Haftungs- und Verjährungsgefüge des Werkvertragsrechts richten. Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung im Rahmen dieses Werkvertrages unterlägen aber der dreißigjährigen Verjährung nach § 195 BGB. Es sei systemwidrig, die Verjährungsvorschriften entsprechend der Leihe allein deshalb heranzuziehen, weil der Besteller dem Werkunternehmer die Sache unentgeltlich zum Gebrauch überlassen habe.

3. Mit dieser Ansicht dringt die Revision nicht durch.

Zwar unterliegen Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung regelmäßig der allgemeinen dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Der hier gegebene Schadensersatzanspruch der Klägerin aus positiver Verletzung der mit den Beklagten getroffenen Abrede über die unentgeltliche zeitweise Überlassung einer Hebebühne ist jedoch den für die Ansprüche aus Leihe geltenden Vorschriften über die kurze Verjährung entsprechend den §§ 558 Abs. 1, 606 BGB a.F. zu unterstellen.

a) Dabei kann zunächst dahingestellt bleiben, ob die vereinbarte Überlassung der Hebebühne eine Leihe oder ein der Leihe ähnlicher Vertrag ist. Denn die genannten Verjährungsvorschriften finden auf ähnliche Gebrauchsüberlassungsverhältnisse entsprechende Anwendung (vgl. BGH, Urteile vom 18. Februar 1964 - VI ZR 260/62 = NJW 1964, 1225 und vom 21. Mai 1968 - VI ZR 131/67 = NJW 1968, 1472; BGHZ 119, 35, 38 ff.). Der diese Rechtsprechung tragende Gesichtspunkt liegt darin, daß die Interessenlage bei anderen Gebrauchsüberlassungsverträgen die gleiche ist. Das Oberlandesgericht geht im übrigen zutreffend davon aus, daß die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung verschiedenartigen Vertragstypen (Werkvertrag einerseits und Gebrauchsüberlassungsvertrag andererseits) zuzuordnende Elemente enthält, von denen die Gebrauchsüberlassung einen eigenständigen Charakter hat. Die Beklagten haben sich zur Montage der Jalousien, die Klägerin hat sich als Gegenleistung zur Zahlung des Werklohns verpflichtet. Zusätzlich war vereinbart, daß die Klägerin den Beklagten eine Hebebühne zur Durchführung der Montage unentgeltlich zur Verfügung stellt.

Dabei kann offenbleiben, ob, wie die Revision meint, die vereinbarte Überlassung der Hebebühne eine Mitwirkungspflicht der Klägerin im Sinne des § 642 BGB begründet; denn auch in diesem Falle beschränkt sich die werkvertragliche Regelung auf die Folgen, die sich ergeben, wenn der Besteller mit der Mitwirkungshandlung in Verzug gerät (§§ 642, 643 BGB a.F.). Darum geht es hier jedoch ersichtlich nicht. Der Einwand der Revision ist daher nicht geeignet, das Vertragsgefüge ausschließlich dem Typus des Werkvertrags zuzuordnen und den dortigen Haftungs- und Verjährungsregeln bzw. der dreißigjährigen Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung zu unterstellen.

b) Es kommt im vorliegenden Fall auch nicht entscheidend darauf an, ob das Schwergewicht der Vereinbarungen auf dem Werkvertrag oder dem Gebrauchsüberlassungsvertrag liegt. Denn die aus dem Gebrauchsüberlassungsvertrag herrührende eigenständige Sorgfaltspflicht der Beklagten in bezug auf das überlassene Gerät bleibt sich unabhängig davon gleich, ob das Schwergewicht der Vereinbarung auf dem Werk- oder dem Gebrauchsüberlassungsvertrag ruht. Enthält ein Vertragswerk, wie hier, eigenständige Regelungen, die ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen nach jeweils nur einem der darin enthaltenen Vertragstypen zuzuordnen sind, so bestimmt sich das anzuwendende Recht nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen Regelungen und der Interessenlage. Dabei ist es grundsätzlich geboten, die jeweils sachnächsten Vorschriften anzuwenden, soweit sie nicht im Widerspruch zum Gesamtvertrag stehen (vgl. MünchKomm/Thode BGB 4. Aufl. § 305 Rdn. 67 m.w.N.). Wird die Sorgfaltspflicht aus dem Gebrauchsüberlassungsvertrag verletzt und entstehen hieraus Schadensersatzansprüche, so ist es, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausführt, sachgerecht, die Rechtsfolgen aus einer schuldhaften Beschädigung der dem Werkunternehmer unentgeltlich überlassenen Gerätschaften auch hinsichtlich der Verjährung dem Recht der Leihe als dem sachnächsten Recht zu unterstellen. Nach §§ 558 Abs. 1, 606 BGB a.F. verjähren Schadensersatzansprüche aus Miete und Leihe wegen Veränderung oder Verschlechterung der Sache binnen sechs Monaten ab Rückgabe der Sache.

Der Zweck dieser kurzen Verjährung besteht darin, die Abwicklung beendeter Gebrauchsüberlassungsverträge so schnell wie möglich sicherzustellen (vgl. BGHZ 54, 264, 267 m.w.N.). Dieser Zweck rechtfertigt eine Anwendung der §§ 558, 606 BGB a.F. unabhängig davon, ob sich eine vereinbarte Gebrauchsüberlassung im Einzelfall als Miete, Leihe, als ein der Leihe ähnlicher Vertrag oder aber als eine dem Recht der Leihe sachnahe Nebenabrede in einer Vereinbarung darstellt, deren Schwergewicht auf einem anderen Vertragstyp beruht. In allen diesen Fällen ist, wie der Bundesgerichtshof wiederholt für ähnliche Gebrauchsüberlassungsverträge entschieden hat, die Interessenlage der Parteien dieselbe: Der überlassene Gegenstand wird vielfach in rascher Folge verschiedenen Personen zugänglich gemacht und so die Feststellung von etwaigen Schäden, Schädigern und Schadensursachen mit zunehmendem Zeitablauf immer schwieriger. Daher erscheint eine rasche Abwicklung etwaiger Schadensersatzansprüche im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs wünschenswert (BGHZ 54, aaO 267; 119 aaO 39, BGH, Urteil vom 21. Mai 1968 aaO jew. m.w.N.). So liegen die Dinge auch hier. Auch im vorliegenden Fall ist die von der Klägerin gemietete und für zwei Tage an die Beklagten weitergegebene Hebebühne von der Art ihrer Verwendung her einem schnellen Wechsel der Benutzer ausgesetzt. Es besteht deshalb auch bei diesem Gebrauchsüberlassungsvertrag ein schützenswertes Interesse der Beteiligten an einer schnellen Klärung etwaiger Schadensersatzansprüche.

c) Dieses aus Sinn und Zweck der genannten Vorschriften gewonnene Ergebnis ist um so unbedenklicher, als damit eine nicht vertretbare Schlechterstellung der Klägerin nicht verbunden ist. Einerseits genießt sie im Verhältnis zum Eigentümer der Hebebühne, von dem sie diese ihrerseits gemietet hatte, den Schutz der kurzen Verjährung, andererseits ist im Verhältnis zu ihren Schuldnern, den Beklagten, nicht einzusehen, warum ihr nicht angesonnen werden sollte, ihre Ansprüche alsbald, nämlich innerhalb von sechs Monaten nach Rückgabe der überlassenen und beschädigten Sache geltend zu machen (vgl. BGHZ 54, aaO S. 268).

d) Die Beklagten haben die Hebebühne am 30. November 1994 zurückgegeben. Die sechsmonatige Verjährungsfrist endete mithin am 31. Mai 1995. Sie konnte durch die mit Schriftsatz vom 7. Oktober 1996 gegenüber der Beklagten erklärte Streitverkündung in dem Rechtsstreit der Vermieterin gegen die Klägerin nicht mehr unterbrochen werden.