Strafrechtliche und zivilrechtliche Kausalität, Voraussetzungen des Betrugstatbestands und Kausalität i.S.v. § 823 II BGB, (möglicher) Einwand des Mitverschuldens nach § 254 I BGB bei vorsätzlichem Verhalten des Schädigers
BGH, Urteil vom 5. März 2002 - VI ZR 398/00 - OLG Naumburg - LG Dessau

Fundstelle:

NJW 2002, 1643


Zentrale Probleme:

In der sehr lehrreichen Entscheidung geht es um die Unterschiede zwischen strafrechtlicher und haftungsrechtlicher Kausalität. Beides wird in lehrbuchartiger Weise dargelegt. Die Klägerin war von den Beklagten durch vorsätzlich falsche Angaben zu einem Vertragsschluß gebracht worden, weil das verkaufte dingliche Recht (Miteigentum und Wohnungseigentum) gar nicht existierte bzw. nicht zur Existenz kommen konnte. Dies allein bewirkte allerdings noch keinen Vermögensschaden, weil die Klägerin erst nach Eintragung einer Auflassungsvormerkung hätte bezahlen müssen. Ein Vermögensschaden war erst deshalb eingetreten, weil die Klägerin auf Aufforderung der Bauträger-Gesellschaft bereits vor Eintragung einer solchen Vormerkung (ungesichert) Zahlungen geleistet hat, wozu sie nicht verpflichtet gewesen wäre. Der BGH bejaht den objektiven Tatbestand des Betruges i.S.v. § 263 StGB ebenso wie die haftungsbegründende Kausalität nach § 823 II BGB, stellt aber fest, daß trotz des vorsätzlichen Verhaltens der Beklagten der Mitverschuldenseinwand nach § 254 I BGB durchgreifen könne.


Amtl. Leitsätze:

a) Zu den Voraussetzungen des Betrugstatbestandes als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.
b) Einem vorsätzlichen Schädiger ist es nicht unter allen Umständen verwehrt, sich auf ein Mitverschulden des Geschädigten an der Schadensentstehung zu berufen.
c) Ein Anscheinsbeweis für die vorsätzliche Verwirklichung einer Straftat kommt grundsätzlich nicht in Betracht.

Tatbestand:

Die Beklagten und Gerold M. waren (in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts) Eigentümer eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in W.. Sie beabsichtigten, gemäß § 8 Abs. 1 WEG eine Teilung in Miteigentumsanteile herbeizuführen und Wohnungseigentum zu begründen. Zu diesem Zweck ließen sie am 16. Juni 1994 eine Teilungserklärung notariell beurkunden, die dem zuständigen Grundbuchamt am 21. Juni 1994 zum Vollzug vorgelegt wurde. Am 13. und 19. Dezember 1994 gaben die Beklagten eine weitere notariell beurkundete Teilungserklärung ab. Diese unterschied sich inhaltlich von der Erklärung vom 16. Juni 1994 und sah die Teilung ihres Eigentums in fünf Miteigentumsanteile, jeweils verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung, vor.

Mit notariellem Vertrag vom 19. Dezember 1994 kaufte die Klägerin, vertreten durch eine Notariatsangestellte, von den Beklagten und Gerold M. auf der Grundlage der Teilungserklärung vom 13. und 19. Dezember 1994 einen 179,27/1000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 4, zum Kaufpreis von 219.241 DM. Der Erwerb dieser Wohnung war ihr von dem Finanzberater B. empfohlen worden, um ihre steuerliche Belastung zu minimieren. Vereinbarungsgemäß sollte der Kaufpreis nach Baufortschritt in Raten auf ein von den Verkäufern noch einzurichtendes Konto geleistet und erst dann fällig werden, wenn entweder zugunsten der Klägerin eine Auflassungsvormerkung eingetragen oder ihr eine Bankbürgschaft in Höhe der jeweiligen Kaufpreisrate verschafft worden war. In § 12 des Vertrages erklärten die Beklagten und Gerold M., daß der vorgelegte Grundbuchauszug, der die Teilungserklärung vom 16. Juni 1994 nicht wiedergab, den aktuellen Stand ausweise und unerledigte, das Kaufobjekt betreffende Anträge auf Eintragung in das Grundbuch nicht gestellt seien.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 1994 forderte der Finanzberater B. die Klägerin auf, zur Abwicklung des Kaufvertrages 69.500 DM auf ein Konto der S.-Bauträger GmbH zu zahlen. Diesem Schreiben war eine Rechnung der S.-GmbH, deren alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer die Beklagten und Gerold M. waren, über 149.969 DM beigefügt, welche auf Veranlassung des Finanzberaters B. sowie des Versicherungsberaters der Klägerin gefertigt worden war. Obwohl die vertraglichen Fälligkeitsvoraussetzungen noch nicht vorlagen, überwies die Klägerin am 29. Dezember 1994 den von ihrem Finanzberater genannten Betrag an die S.-Bauträger GmbH.

Im Juni 1995 lehnte das zuständige Grundbuchamt den grundbuchrechtlichen Vollzug der Teilungserklärung vom 13. und 19. Dezember 1994 sowie des Kaufvertrages mit der Klägerin unter Hinweis auf die Teilungserklärung vom 16. Juni 1994 ab. Über das Vermögen der S.-GmbH wurde in der Folgezeit das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten im Wege des Schadensersatzes die Rückzahlung des an die S.-Bauträger GmbH gezahlten Betrages. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten den Straftatbestand des Betruges verwirklicht; sie hat behauptet, ihnen sei im Notartermin am 19. Dezember 1994 bewußt gewesen, daß zuvor eine abweichende Teilungserklärung protokolliert, dem Grundbuchamt vorgelegt und dort noch nicht erledigt worden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagten - den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten zu 2 durch Versäumnisurteil - antragsgemäß verurteilt. Mit der Revision verfolgt der Beklagte zu 1 seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichtes steht der Klägerin auch gegen den Beklagten zu 1 ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB zu. Die Beklagten hätten die Klägerin dadurch getäuscht, daß sie die Unwahrheit über die Existenz aus dem vorgelegten Grundbuchauszug nicht ersichtlicher unerledigter Anträge bekundet hätten. Hierdurch hätten sie bei der Klägerin bzw. ihrer Vertreterin einen Irrtum erregt, aufgrund dessen die Klägerin zu einer Vermögensverfügung in Gestalt des Vertragsabschlusses veranlaßt worden sei. Der erforderliche Vermögensschaden, für den eine Vermögensgefährdung genüge, liege darin, daß die Klägerin mit Abschluß des Vertrages Zahlungsverpflichtungen eingegangen sei, obwohl die Gegenleistung dadurch gefährdet gewesen sei, daß dem Grundbuchamt bereits eine andere als die dem Vertrag zugrundeliegende Teilungserklärung hinsichtlich des Grundstücks vorgelegen habe. Zwar scheide eine Vermögensgefährdung in der Regel dann aus, wenn der Getäuschte auf einer Vorleistung bestehen könne oder ein Zurückbehaltungsrecht habe. Auch in dieser Konstellation sei jedoch ein Vermögensdelikt dann nicht ausgeschlossen, wenn der Getäuschte unter Verzicht auf sein Leistungsverweigerungsrecht vorleiste. Das gelte insbesondere dann, wenn die Vorleistung des Getäuschten erfolgreich verlangt worden sei. Hiervon sei im Streitfall auszugehen, da für die Klägerin schon am Tag der Vertragsunterzeichnung eine Rechnung der S.-GmbH, deren einzige Gesellschafter und Geschäftsführer die Beklagten und M. gewesen seien, über einen Betrag in Höhe von 149.969 DM gefertigt worden sei. Die Rechnung enthalte damit eine den Beklagten zuzurechnende Zahlungsaufforderung.

Die Beklagten hätten auch vorsätzlich gehandelt. Da die objektiven Voraussetzungen eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB erfüllt seien, spreche hierfür der Beweis des ersten Anscheins. Diesen hätten die Beklagten nicht erschüttert. Der Umstand, daß die Klägerin nicht vorleistungspflichtig gewesen sei, hindere nicht die Feststellung, daß die Beklagten hinsichtlich der durch den Vertragsschluß und die Rechnungslegung entstandenen Vermögensgefährdung vorsätzlich gehandelt hätten. Nach den Regeln des Anscheinsbeweises sei davon auszugehen, daß sie es jedenfalls nicht für ausgeschlossen gehalten hätten, auf die Rechnung vom 19. Dezember 1994 eine sofortige Zahlung zu erhalten. Der von den Beklagten beabsichtigte rechtswidrige Vermögensvorteil liege in dem Zahlungsanspruch gegenüber der Klägerin, den sie nur durch die Täuschungshandlung erlangt hätten.

Die Beklagten müßten der Klägerin daher die durch ihre Zahlung erlittene Vermögenseinbuße ausgleichen. Der Kausalzusammenhang zwischen dem deliktischen Verhalten der Beklagten und dem der Klägerin entstandenen Schaden fehle nicht deshalb, weil ihre Zahlung auch auf die Aufforderung ihres Finanzberaters B. zurückzuführen sei. Der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang sei ebenfalls gegeben. Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht wegen Mitverschuldens gemäß § 254 BGB gemindert. Selbst wenn man davon ausgehe, daß sie aus Unachtsamkeit wesentliche Vorsichtsmaßnahmen außer acht gelassen habe, trete selbst grobe Fahrlässigkeit hinter dem Vorwurf vorsätzlichen Fehlverhaltens der Beklagten zurück.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision des Beklagten zu 1 (künftig: der Beklagte) nicht stand. Die bisher getroffenen Feststellungen vermögen einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB nicht zu tragen.

1. Allerdings ist das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß der Beklagte den objektiven Tatbestand des Betruges gegenüber der Klägerin erfüllt hat.

a) Entgegen der Auffassung der Revision steht einem durch die falschen Angaben des Beklagten in § 12 des notariellen Kaufvertrages hervorgerufenen Irrtum der Klägerin nicht entgegen, daß diese vor Genehmigung der auf den Abschluß des Vertrages gerichteten Erklärung ihrer Vertreterin nichts unternommen hat, um die Angaben des Beklagten zu überprüfen. Denn für die Frage der Irrtumserregung ist der Umstand, daß der Getäuschte bei hinreichend sorgfältiger Prüfung die Täuschung hätte erkennen können, unerheblich (BGHSt 34, 199, 201; BGH, Urteil vom 25. Juli 2000 - 1 StR 162/00 - NJW 2000, 3013, 3014).

b) Zwar beanstandet die Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht die zur Verwirklichung des Betrugstatbestandes erforderliche Vermögensverfügung der Klägerin bereits im Abschluß des notariellen Kaufvertrages gesehen hat. Eine Vermögensverfügung in diesem Sinne setzt ein Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten voraus, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt (vgl. BGHSt 14, 170, 171). Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgeführt hat, genügt der Abschluß eines Vertrages, der den Getäuschten nur Zug um Zug zur Leistung verpflichtet oder aufgrund dessen der Getäuschte auf Vorleistung des Täuschenden bestehen kann, diesen Anforderungen in der Regel nicht. In derartigen Fällen führt der Vertragsabschluß nämlich noch keinen Vermögensschaden oder eine diesem gleichstehende Vermögensgefährdung herbei; vielmehr sichert das Leistungsverweigerungsrecht des Getäuschten den in seiner Werthaltigkeit beeinträchtigten Gegenanspruch (ständ. Rechtspr., vgl. z.B. BGH, Urteile vom 2. März 1994 - 2 StR 620/93 - NJW 1994, 1745, 1746; vom 9. Dezember 1994 - 3 StR 433/94 - StV 1995, 255; vom 18. September 1997 - 5 StR 331/97 - NStZ 1998, 85 und vom 12. Juni 2001 - 4 StR 402/00 - NStZ-RR 2001, 328, 329). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wirkte sich der Vertragsschluß für die Klägerin nicht unmittelbar vermögensmindernd aus. Die vertraglichen Vereinbarungen schützten sie hinreichend vor einer Vermögenseinbuße: Sie war zur Kaufpreiszahlung so lange nicht verpflichtet, als nicht zu ihren Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen oder ihr eine Bankbürgschaft in Höhe der jeweiligen Kaufpreisrate erteilt worden war. Eine Vormerkung konnte nur unter der Voraussetzung eingetragen werden, daß die der Erfüllung des Kaufvertrages entgegenstehende Teilungserklärung vom 16. Juni 1994 beseitigt oder entsprechend abgeändert worden war. An dieser rechtlichen Bewertung des Vertragsschlusses ändert sich nichts dadurch, daß die Klägerin in der Folgezeit 69.500 DM an die S.-Bauträger GmbH gezahlt hat. Dem Vertragsschluß als solchem kommt nicht aufgrund der späteren Entwicklung eine unmittelbar vermögensschädigende Wirkung zu.

Daraus folgt entgegen der Ansicht der Revision jedoch nicht, daß deshalb eine Verwirklichung des objektiven Betrugstatbestandes ausgeschlossen wäre. Eine täuschungs- und irrtumsbedingte Vermögensverfügung der Klägerin im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB liegt vielmehr in ihrer vor Fälligkeit und unter Verzicht auf ihr Leistungsverweigerungsrecht erfolgten Zahlung von 69.500 DM an die S.-Bauträger GmbH. Dieses Verhalten führte - anders als der Vertragsabschluß - unmittelbar einen Vermögensschaden herbei, da sich die Klägerin eines Vermögenswertes begeben hat, dem lediglich ein zum Zeitpunkt der Zahlung nicht erfüllbarer und damit erheblich im Wert geminderter Anspruch gegenüberstand.

c) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Zahlung der Klägerin auch ursächlich auf den von dem Beklagten hervorgerufenen Irrtum zurückzuführen. Zwar wurde sie auch durch die Aufforderung des Finanzberaters B. vom 28. Dezember 1994 veranlaßt. Dieser Umstand läßt den Kausalzusammenhang im hier maßgeblichen strafrechtlichen Sinn jedoch nicht entfallen. Nach der von den Strafsenaten des Bundesgerichtshofes in ständiger Rechtsprechung angewandten Bedingungstheorie ist als haftungsbegründende Ursache eines strafrechtlich bedeutsamen Erfolges jede Bedingung anzusehen, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele. Dabei ist gleichgültig, ob neben dieser Bedingung noch andere Umstände zur Herbeiführung des Erfolges mitgewirkt haben (BGHSt 39, 195, 197 f.; 39, 322, 324, jeweils m.w.N.). Eine haftungsbegründende Ursächlichkeit des Täterhandelns wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Verhalten des Opfers oder eines Dritten zur Herbeiführung des Erfolges mitgewirkt haben (vgl. BGHSt 39, 195, 197 f. m.w.N.). Ein Ursachenzusammenhang wäre nur dann zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat (vgl. BGHSt 39, 195, 197 f.; 39, 322, 324); so liegt der Streitfall jedoch nicht. Es ist vielmehr auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen davon auszugehen, daß die Klägerin, hätte sie gewußt, daß dem Grundbuchamt bereits am 21. Juni 1994 eine Teilungserklärung vorgelegt worden war, die sich inhaltlich von der dem Kaufvertrag zugrundeliegenden Teilungserklärung vom 13. und 19. Dezember 1994 unterschied und daher die Durchführbarkeit des Kaufvertrages in Frage stellte, nicht zur Abwicklung dieses Vertrages ungesichert und vor Fälligkeit eine Anzahlung auf den Kaufpreis geleistet hätte. Ihr Irrtum war für ihre Zahlung jedenfalls mitbestimmend.

2. Die Revision wendet sich im Ergebnis auch ohne Erfolg gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, zwischen dem von ihm angenommenen deliktischen Verhalten des Beklagten und dem der Klägerin durch ihre Zahlung entstandenen Schaden seien auch im zivilrechtlichen Sinne eine Kausalitätsbeziehung und ein haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang zu bejahen.

a) Der durch die falschen Angaben des Beklagten bei Vertragsschluß hervorgerufene Irrtum der Klägerin über die Realisierbarkeit des Kaufvertrages war auch adäquat kausal für ihre Zahlung. Ein derartiger adäquater Ursachenzusammenhang besteht, wenn ein Ereignis im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach regelmäßigem Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet ist (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1997 - III ZR 4/97 - NJW 1998, 138, 140). Es liegt nicht völlig außerhalb des zu erwartenden Verlaufs der Dinge, daß der Käufer einer Eigentumswohnung, die ihm von einem Finanzberater vermittelt worden war und zu deren Erwerb er sich aus Gründen der Steuerersparnis entschlossen hatte, noch vor Jahresende und vor Fälligkeit einen Teil des Kaufpreises auf die Aufforderung des Finanzberaters hin an die von diesem benannte Bauträgergesellschaft zahlt.

b) Auch fehlt es nicht am Zurechnungszusammenhang zwischen dem vom Berufungsgericht bejahten deliktischen Verhalten des Beklagten und dem eingetretenen Schaden (vgl. dazu BGHZ 57, 137, 142; Senatsurteil vom 2. Februar 1988 - VI ZR 133/87 - VersR 1988, 736, 737). Durch die Schädigung hat sich eine Gefahr verwirklicht, der durch § 263 StGB begegnet werden soll. Denn die Klägerin hat sich durch eine täuschungs- und irrtumsbedingte Vermögensverfügung selbst geschädigt. Der haftungsrechtliche Zusammenhang entfällt nicht dadurch, daß ihre Handlung unmittelbar erst durch ein weiteres Ereignis, nämlich die Aufforderung des Finanzberaters, verbunden mit ihrer Entscheidung, auf die ihr im Kaufvertrag eingeräumten Sicherungen zu verzichten, ausgelöst worden ist. Da es für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 263 Abs. 1 StGB ausreicht, daß der Irrtum des Getäuschten für seine Vermögensverfügung zumindest mitbestimmend war, verliert dieser Irrtum seine haftungsbegründende Bedeutung nicht dadurch, daß das Verhalten eines Dritten die Vermögensverfügung mitveranlaßt hat (vgl. BGHSt 39, 195, 197 f.). Auch insoweit will die Betrugsvorschrift den Getäuschten in seinen Vermögensinteressen schützen. Dann aber kann bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Zielsetzung des die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB auslösenden strafrechtlichen Schutzgesetzes nicht aus zivilrechtlicher Sicht der Zurechnungszusammenhang als unterbrochen erachtet werden, zumal die Klägerin nicht irgendeinen Folgeschaden, sondern unmittelbar den Schaden geltend macht, dessen Entstehung Tatbestandsvoraussetzung des § 263 Abs. 1 StGB ist.

c) Entgegen der Auffassung der Revision entfällt eine Haftung des Beklagten auch nicht unter dem Gesichtspunkt rechtmäßigen Alternativverhaltens. Zwar ist dem Schädiger in der Regel ein Schaden dann nicht zuzurechnen, wenn er auch bei rechtmäßigem Verhalten entstanden wäre (vgl. BGHZ 120, 281, 285 f.; BGH, Urteil vom 26. Oktober 1999 - X ZR 30/98 - NJW 2000, 661, 663). Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor. Es spricht nichts dafür, daß die Klägerin, hätten ihr die Beklagten bei Vertragsabschluß mitgeteilt, daß dem Grundbuchamt bereits am 21. Juni 1994 eine anderslautende Teilungserklärung zum Vollzug vorgelegt worden war, auch dann vor Fälligkeit und ungesichert einen Teil des Kaufpreises gezahlt hätte.

3. Die Revision rügt jedoch mit Erfolg, daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen des subjektiven Tatbestands des § 263 Abs. 1 StGB bezüglich des Beklagten nicht rechts- und verfahrensfehlerfrei bejaht hat.

a) Von Rechtsirrtum beeinflußt ist zunächst die Auffassung des Berufungsgerichtes, für den erforderlichen Vorsatz des Beklagten spreche der Beweis des ersten Anscheins. Ein derartiger Anscheinsbeweis kommt nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder Folge hinweist und so sehr das Gepräge des Gewöhnlichen und Üblichen trägt, daß die besonderen individuellen Umstände in ihrer Bedeutung zurücktreten (vgl. z.B. BGHZ 100, 214, 216; 104, 256, 259; Senatsurteil vom 3. Juli 1990 - VI ZR 239/89 - NJW 1991, 230, 231). Er scheidet demgegenüber aus, wenn es um die Feststellung eines individuellen menschlichen Willensentschlusses geht, wie etwa bei der Frage, ob jemand vorsätzlich einen Straftatbestand verwirklicht hat. Ob einem Menschen ein kriminelles Verhalten dieser Art zuzutrauen ist, hängt so stark von seiner Persönlichkeit, seinen besonderen Lebensumständen und seinen Wert- und Moralvorstellungen ab, daß die Annahme einer Typizität eines solchen Verhaltens nicht in Betracht kommt (vgl. BGHZ 104, 256, 261; 100, 214, 216). Da es vorliegend um einen Betrugsvorsatz des Beklagten geht, hätte das Berufungsgericht für den Nachweis dieser "inneren" Tatsache der Klägerin nicht die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises zugute kommen lassen dürfen.

b) Des weiteren hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht konsequent - keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob sich der Vorsatz des Beklagten auf die Zahlung der Klägerin vor Fälligkeit und den ihr dadurch entstandenen Vermögensschaden erstreckte. Der Tätervorsatz muß sich auf alle Merkmale des objektiven Straftatbestandes beziehen. Da die rechtlich entscheidende Vermögensverfügung der Klägerin entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes nicht bereits im Vertragsschluß, sondern erst in der Zahlung der 69.500 DM zu sehen ist, hätte der Beklagte nur dann vorsätzlich gehandelt, wenn er es bei Vertragsabschluß zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hätte, daß die Klägerin abweichend von den vertraglichen Regelungen bereits vor Eintragung einer Auflassungsvormerkung und ohne Erteilung einer Bankbürgschaft einen Teil des Kaufpreises erbringen wird (vgl. dazu BGH, Urteile vom 2. März 1994 - 2 StR 620/93 - aaO; vom 9. Dezember 1994 - 3 StR 433/94 - aaO und vom 18. September 1997 - 5 StR 331/97 - aaO; BGH, Beschlüsse vom 4. Juni 1991 - 1 StR 169/91 - BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 31 und vom 31. Oktober 1995 - 1 StR 584/95 - BGHR StGB 263 Abs. 1 Vermögensschaden 49) und hierdurch eine Vermögenseinbuße erleidet. Hierfür ist es mangels des auch zum bedingten Vorsatz gehörenden voluntativen Elementes allein nicht ausreichend, wenn der Beklagte - wie das Berufungsgericht unter rechtsfehlerhafter Heranziehung der Grundsätze über den Anscheinsbeweis feststellt - eine sofortige Zahlung der Klägerin lediglich für nicht ausgeschlossen hielt.

c) Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichtes rechtfertigen auch nicht die Annahme, der Beklagte habe in der Absicht gehandelt, sich oder einen Dritten zu bereichern. Bereicherungsabsicht in diesem Sinne ist nur dann gegeben, wenn es dem Täter auf die Erlangung eines dem Vermögensschaden des Getäuschten entsprechenden Vermögensvorteils ankommt, auf den er keinen Anspruch hat (vgl. BGHSt 6, 115, 116; 34, 379, 391). Da der Vermögensschaden der Klägerin nicht bereits im Vertragsabschluß, sondern erst in der Zahlung der 69.500 DM liegt, müßte der Beklagte dementsprechend bei Vertragsschluß nicht - wie das Berufungsgericht angenommen hat - lediglich den Zahlungsanspruch gegen die Klägerin, sondern auch die (durch die Zahlung) günstigere Gestaltung der Vermögenslage der S.-Bauträger GmbH erstrebt haben. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

4. Durchgreifenden Bedenken begegnen auch die Erwägungen des Berufungsgerichtes zum Mitverschulden der Klägerin. Zwar gehört die Abwägung der Verantwortlichkeiten von Schädiger und Geschädigtem in den Bereich tatrichterlicher Würdigung und ist mit der Revision nur beschränkt angreifbar. Das Revisionsgericht kann jedoch nachprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrundegelegt hat (vgl. z.B. Senatsurteile vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87 - VersR 1988, 1238, 1239 und vom 12. Januar 1993 - VI ZR 75/92 - VersR 1993, 442, 443).

Vorliegend hat das Berufungsgericht ausgeführt, selbst wenn man davon ausgehe, daß die Klägerin aus Unachtsamkeit wesentliche Vorsichtsmaßnahmen außer acht gelassen habe, trete selbst grobe Fahrlässigkeit hinter dem Vorwurf vorsätzlichen Verhaltens der Beklagten zurück. Das Berufungsgericht hat insoweit ersichtlich einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts zugrunde gelegt, daß einem vorsätzlichen Schädiger in jedem Fall die Berufung auf ein fahrlässiges mitwirkendes Verhalten des Geschädigten verwehrt sei. Es hat nicht hinreichend berücksichtigt, daß ein solcher Grundsatz keineswegs uneingeschränkt gilt, sondern daß Ausnahmen von dieser Abwägungsregel zugelassen werden müssen, wenn besondere Umstände im Einzelfall Anlaß zu einer abweichenden Wertung geben und eine Schadensteilung rechtfertigen (vgl. Senatsurteile vom 22. September 1970 - VI ZR 193/69 - VersR 1970, 1152, 1154 und vom 6. Dezember 1983 - VI ZR 60/82 - VersR 1984, 191, 192; s. auch BGHZ 98, 148, 158; BGH Urteil vom 21. Mai 1987 - III ZR 25/86 - NJW 1988, 129, 130). Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß der Vorsatz des Schädigers nicht schlechthin zum Freibrief für jeden Leichtsinn des Geschädigten werden darf (vgl. Senatsurteile vom 3. Februar 1970 - VI ZR 245/67 - WM 1970, 633, 637 und vom 6. Dezember 1983 - VI ZR 60/82 - aaO; BGH, Urteil vom 9. Oktober 1991 - VIII ZR 19/91 - NJW 1992, 310, 311). Das Berufungsgericht hätte vorliegend Anlaß zu einer Prüfung unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gehabt, da die Schadensursache zu einem erheblichen Teil bei der Klägerin liegt. Hätte sie nicht ohne erkennbare Notwendigkeit und ohne hierzu verpflichtet zu sein auf die Sicherungen, die im Kaufvertrag zu ihren Gunsten vereinbart worden waren, verzichtet und vor Fälligkeit und völlig ungesichert gezahlt, wäre ihr der nun geltend gemachte Schaden nicht entstanden. Hinzu kommt, daß sie die Zahlung an eine andere Person als ihren Vertragspartner geleistet hat. Die Klägerin hat hier die in eigenen Angelegenheiten gebotene Vorsicht in erheblichem Maße außer acht gelassen. Jedenfalls dann, wenn der Beklagte bedingt vorsätzlich gehandelt haben sollte, was derzeit mangels entsprechender Feststellungen nicht beurteilt werden kann, wäre eine Schadensteilung gemäß § 254 Abs. 1 BGB in Betracht zu ziehen.

5. Das Berufungsurteil kann auch nicht aus anderen Gründen aufrechterhalten werden. Für einen Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB fehlt es an hinreichenden Feststellungen, die eine Beurteilung dahin tragen könnten, der Beklagte habe die Klägerin in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich geschädigt. Auch eventuelle vertragsrechtliche Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten auf Rückgewähr ihrer an die S.-Bauträger GmbH erbrachten Zahlung, zu denen im Berufungsurteil nicht Stellung genommen worden ist, lassen sich auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.

III.

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.