Rechtshängigkeitssperre nach Art. 21 EuGVÜ (jetzt: Art. 27 EuGVO) bei Konkurrenz von Feststellungs- und Leistungsklage

BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 - VIII ZR 106/01 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart


Fundstelle:

NJW 2002, 2795


Amtl. Leitsätze:

1. Der Begriff desselben Anspruchs in Art. 21 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] umfaßt auch den Fall, daß eine Partei vor dem Gericht eines ausländischen Vertragsstaats auf Feststellung des Vorliegens eines wichtigen Grundes für eine Kündigung klagt und die andere Partei im Inland einen Schadensersatzanspruch gerichtlich geltend macht, der voraussetzt, daß diese Kündigung unberechtigt war.
2. § 539 ZPO berechtigt das Berufungsgericht nicht, den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen, wenn dieses das Verfahren entgegen Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ nicht ausgesetzt hat. Vielmehr muß das Berufungsgericht seinerseits dem Gebot des Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ durch die Aussetzung des Berufungsverfahrens Rechnung tragen.


Beachte: Das EuGVÜ ist mit Wirkung vom 1.3.2002 durch eine entsprechende EG-Verordnung (EuGVO - sog. "Brüssel I-VO) abgelöst worden. Die entsprechenden Normen der EuGVO sind in eckigen Klammern wiedergegeben und nicht Bestandteil der Originalentscheidung.


Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen unberechtigter Kündigung eines Handelsvertretervertrages.
Die in Deutschland ansässige Klägerin war für die Beklagte, die ihren Sitz in Italien hat und Gußteile aus Aluminium und Zink herstellt, aufgrund eines bis zum 1. Juli 1998 befristeten Vertrages als Handelsvertreterin tätig. In dem Vertrag ist vereinbart, daß für das Vertragsverhältnis das am Sitz des Handelsvertreters geltende Recht maßgebend ist und Gerichtsstand für Streitigkeiten der Sitz des Klägers sein soll. Zwischen Juli 1997 und März 1998 verhandelten die Parteien über eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses über den 1. Juli 1998 hinaus. Mit Fax-Schreiben vom 13. März 1998 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31. März 1998 und bot der Klägerin eine Abfindung an. Die Klägerin widersprach einer vorzeitigen Beendigung des Vertrages und bot die Fortsetzung ihrer Leistungen bis zum vereinbarten Vertragsende an. Die Beklagte hielt jedoch an ihrer Kündigung fest und forderte die Klägerin auf, ihre Tätigkeit für sie einzustellen. Daraufhin erklärte die Klägerin ihrerseits mit Schreiben vom 22. April 1998 die außerordentliche Kündigung des Vertrages, weil durch die unberechtigte Kündigung der Beklagten das Vertrauensverhältnis zu ihr zerstört sei, und meldete die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen an.
Am 15. Juli 1998 reichte die Beklagte eine Klage beim Tribunale di Ancona/Italien ein, die der Klägerin vor dem ersten Termin am 1. März 1999 zugestellt wurde. Sie beantragt in diesem Verfahren unter anderem festzustellen, daß für ihre Kündigung ein wichtiger Grund bestanden habe und der Klägerin kein Ausgleich nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zustehe.
Mit der vorliegenden, am 16. September 1999 beim Landgericht Stuttgart eingereichten Klage hat die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz für die ihr bis zum 30. Juni 1998 entgangenen Provisionen in Höhe von 49.573,22 DM verlangt. Das Landgericht hat vor mündlicher Verhandlung durch Beschluß vom 24. Februar 2000 den Antrag der Beklagten, das Verfahren gemäß Art. 21 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] auszusetzen, zurückgewiesen, weil ein Fall doppelter Anhängigkeit nicht vorliege; zugleich hat es eine Aussetzung nach Art. 22 EuGVÜ [jetzt: Art. 28 EuGVO] abgelehnt. Durch Urteil vom 19. Juni 2000 hat das Landgericht der Klage in Höhe von 46.000 DM stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil sowie das ihm zugrundeliegende Verfahren aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer - zugelassenen - Revision.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Das erstinstanzliche Verfahren leide an einem wesentlichen Verfahrensfehler, weil das Landgericht das Verfahren nach Art. 21 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] hätte aussetzen müssen. Für die Frage, ob zwei Klagen "derselbe Anspruch" im Sinne des Art. 21 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] zugrunde liege, sei nicht die formale Identität der Anträge entscheidend, sondern es seien die Kernpunkte beider Streitigkeiten zu bewerten. Gemeinsamer Kernpunkt der Feststellungsklage der Beklagten in Italien und der Schadensersatzklage der Klägerin sei die Frage, ob die Kündigung des Handelsvertretervertrages durch die Beklagte aus wichtigem Grund zu Recht erfolgt sei. Im Falle einer positiven Feststellung durch das italienische Gericht und der Zuerkennung von Schadensersatz durch das deutsche Gericht würden einander entgegengesetzte Entscheidungen gegeben sein, die im jeweils anderen Vertragsstaat nicht anerkannt werden könnten.
Da das angefochtene Urteil wegen der von Amts wegen auszusprechenden Aussetzung nach Art. 21 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] nicht hätte ergehen dürfen, sei das Verfahren nicht lediglich in der Berufungsinstanz auszusetzen, vielmehr seien das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen. Denn ein Urteil, das entgegen einem von Amts wegen zu beachtenden Aussetzungsgebot ergangen sei, sei solchen Urteilen gleichzustellen, die während einer kraft Gesetzes eingetretenen Unterbrechung des Verfahrens oder während einer Aussetzung ergangen seien.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nur insoweit stand, als sie die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] bejahen. Mit Erfolg rügt die Revision dagegen, daß gleichwohl die Voraussetzungen einer Zurückverweisung an das Landgericht nicht vorliegen.
1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß das Landgericht das Verfahren nach Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] hätte aussetzen müssen. Denn die beim Tribunale di Ancona anhängige Klage der hiesigen Beklagten betrifft, soweit sie auf die Feststellung gerichtet ist, daß für die Kündigung des Handelsvertretervertrages durch die Beklagte ein wichtiger Grund bestanden hat, denselben Anspruch im Sinne des Art. 21 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] wie die hiesige Klage. Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] schreibt dem Gericht in diesem Falle eine Aussetzung des Verfahrens zwingend vor.
a) Die Auslegung des Begriffs "derselbe Anspruch" in Art. 21 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] hat sich daran zu orientieren, daß soweit wie möglich Parallelprozesse vor Gerichten verschiedener Vertragsstaaten vermieden werden, in denen Entscheidungen ergehen können, die miteinander "unvereinbar" im Sinne von Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ [jetzt: Art. 34 Nr. 3 EuGVO] sind und deshalb in dem jeweils anderen Staat nicht anerkannt werden (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 1987 - Rs. 144/86, Slg. 1987, 4861 = NJW 1989, 665 unter Tz. 8 und 13). Für die Unvereinbarkeit zweier Entscheidungen im Sinne des Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ [jetzt: Art. 34 Nr. 3 EuGVO] und die Beurteilung, ob in zwei Prozessen derselbe Anspruch verfolgt wird, kommt es deshalb nicht auf die "formale Identität" der Klagen, sondern darauf an, ob der "Kernpunkt" beider Rechtsstreitigkeiten derselbe ist (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 1987, aaO, unter Tz. 16 und 17). Derselbe Anspruch wird in zwei Prozessen deshalb auch dann verfolgt, wenn Gegenstand des einen eine Zahlungsklage ist und Gegenstand des anderen eine Feststellungsklage mit dem Antrag festzustellen, daß entweder der geltend gemachte Zahlungsanspruch (so in EuGH, Urteil vom 6. Dezember 1994 - C-406/92, Slg. 1994 I, 5439 = EuZW 1995, 309 und BGHZ 134, 201, 208 ff) oder ein für den Zahlungsanspruch vorgreifliches Rechtsverhältnis (so in EuGH, Urteil vom 8. Dezember 1987, aaO, und Senatsurteil vom 8. Februar 1995 - VIII ZR 14/94, WM 1995, 1124 = NJW 1995, 1758) nicht besteht. Eine Unvereinbarkeit im Sinne von Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ [jetzt: Art. 34 Nr. 3 EuGVO] liegt nämlich auch dann vor, wenn der durch das anzuerkennende Leistungsurteil zugesprochene Anspruch nach einem Feststellungsurteil des Anerkennungsstaates nicht bestehen kann (Senatsurteil vom 8. Februar 1995, aaO, unter II 1; Schlosser, EuGVÜ, Art. 27-29 Rdnr. 20). Die Reihenfolge der Klageeinreichung ist dafür ohne Bedeutung. Art. 21 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] greift deshalb auch ein, wenn die Feststellungsklage zuerst anhängig geworden ist (Senatsurteil vom 8. Februar 1995, aaO unter II.2. m.w.Nachw.).
b) Die Klage beim Tribunale di Ancona betrifft, soweit sie auf die Feststellung gerichtet ist, daß für die Kündigung des Handelsvertretervertrages durch die Beklagte ein wichtiger Grund bestand, ein für die hiesige Zahlungsklage auf Schadensersatz wegen entgangener Provisionen vorgreifliches Rechtsverhältnis. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin setzt nach § 89 a Abs. 2 HGB voraus, daß sie zu ihrer eigenen Kündigung vom 22. April 1998 durch ein von der Beklagten zu vertretendes Verhalten veranlaßt worden ist. Als ein solches Verhalten der Beklagten kommt allein die Kündigung des Handelsvertretervertrages zum 31. März 1998 in Betracht, die wegen der Befristung des Vertrages nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes berechtigt war. Wird deshalb auf die Klage in Italien hin rechtskräftig festgestellt, daß für die Kündigung der Beklagten ein wichtiger Grund bestand, so ist aufgrund der nach Art. 26 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt: Art. 33 Nr. 1 EuGVO] zu beachtenden materiellen Rechtskraft die Zahlungsklage der Klägerin ohne weiteres als unbegründet abzuweisen. Wird hingegen der Feststellungsantrag der Beklagten abgewiesen, ist aufgrund der präjudiziellen Rechtskraftwirkung dieses Urteils für die hiesige Zahlungsklage der Klägerin davon auszugehen, daß die Kündigung der Beklagten unwirksam und damit vertragswidrig war, was eine der notwendigen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin ist. Daß mit der Abweisung der Feststellungsklage der Beklagten noch nicht feststeht, ob der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegeben ist, weil dafür noch weitere Voraussetzungen vorliegen müssen, steht der Annahme einer doppelten Rechtshängigkeit im Sinne des Art. 21 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] nicht entgegen. Ausreichend ist nach dessen Zweck schon die Möglichkeit, daß es in beiden Prozessen zu unvereinbaren Entscheidungen kommen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 1987, aaO unter Tz. 8).
c) Der Rechtshängigkeitssperre des Art. 21 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] steht im Streitfall entgegen der Meinung der Revision nicht eine überlange Verfahrensdauer des von der Beklagten angestrengten Prozesses in Italien entgegen. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtshängigkeitssperre des Art. 21 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] nachträglich wegfällt, wenn eine überlange Dauer des zuerst anhängig gewordenen ausländischen Verfahrens eine Verletzung des Justizgewährungsanspruchs des inländischen Klägers aus Art. 6 Abs. 1 EMRK zur Folge hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 335/81, NJW 1983, 1269 unter III.2. zu Art. 3, 4 Deutsch-Ital. AVA; Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozeßrecht, 1996, S. 178-182; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 21 EuGVÜ Rdnr. 47; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 2. Aufl., Art. 21 EuGVÜ Rdnr. 16). Da dem EuGVÜ das Prinzip der Gleichwertigkeit der Justizgewährung in allen Vertragsstaaten zugrunde liegt, kann eine Nichtbeachtung der Rechtshängigkeit allenfalls in seltenen Ausnahmefällen überlanger Verfahrensdauer in Betracht kommen. Das ist bei dem von der Beklagten angestrengten Verfahren bislang nicht der Fall.
2. Die vom Landgericht zu Unrecht abgelehnte Aussetzung des Verfahrens berechtigte das Berufungsgericht jedoch nicht, das erstinstanzliche Verfahren nach § 539 ZPO - wie auch alle nachfolgend erwähnten Bestimmungen der ZPO in der für das bisherige Berufungsverfahren geltenden Fassung - aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht durfte die Sache nicht an das Landgericht zurückverweisen, weil es selbst dem Aussetzungsgebot des Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] durch eine Aussetzung des Berufungsverfahrens Rechnung tragen konnte.
a) Leidet das erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Mangel, kann nach § 539 ZPO das Berufungsgericht das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zurückverweisen. Im Rahmen der nach §§ 539, 540 ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung kommt aber auch beim Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers eine Zurückverweisung nicht in Betracht, wenn dem Berufungsgericht eine Entscheidung ohne weitere Sachaufklärung möglich ist (BGH, Urteil vom 9. Mai 2000 - KZR 1/99, LM Nr. 30 zu § 539 ZPO unter II. 2. b aa; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. Februar 1986 - VI ZR 220/84, NJW 1986, 2436 unter II. 1. b ). Eine eigene Entscheidungsmöglichkeit des Berufungsgerichtes, die einer Zurückverweisung entgegensteht, kann auch dann anzunehmen sein, wenn das Berufungsgericht ein in erster Instanz fehlerhaft nicht ausgesetztes Verfahren ebenso wie das erstinstanzliche Gericht aussetzen kann (BGH, Urteile vom 9. Mai 2000, aaO., und vom 25. Mai 1973 - IV ZR 41/72, NJW 1973,1367). So ist es hier.
Die vom Landgericht in erster Instanz fehlerhaft unterlassene Aussetzung des Verfahrens nach Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] rechtfertigte keine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, weil das Berufungsgericht das Berufungsverfahren aussetzen konnte und nur dieses Vorgehen sachgerecht war. Denn der Rechtsstreit kann nach Beendigung des italienischen Prozesses vom Berufungsgericht fortgeführt und möglicherweise durch eine eigene Entscheidung in der Sache erledigt werden, so daß sich eine Zurückverweisung in diesem Fall als unnötig erweist.
Mit einer rechtskräftigen Sachentscheidung über die von der Beklagten in Italien erhobene Feststellungsklage endet die Anhängigkeit dieses Anspruchs und entfällt das Aussetzungsgebot des Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO]. Wird der Feststellungsklage rechtskräftig stattgegeben, so ist aufgrund der materiellen Rechtskraft dieses Urteils der Entscheidung im hiesigen Verfahren zugrunde zu legen, daß die Kündigung der Beklagten berechtigt war. Damit würde es an dem für den Schadensersatzanspruch der Klägerin notwendigen Erfordernis einer vertragswidrigen Kündigung durch die Beklagte fehlen und deshalb die Klage ohne weiteres abzuweisen sein. Wird andererseits die Feststellungsklage vom italienischen Gericht rechtskräftig abgewiesen, weil ein wichtiger Grund für die Kündigung nicht vorgelegen habe, so steht fest, daß die Kündigung der Beklagten nicht berechtigt war. Ist danach vom Bestehen dieser Voraussetzung des Schadensersatzanspruches der Klägerin auszugehen, so kann das Berufungsgericht für die weiteren Voraussetzungen an die Ergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens anknüpfen. Eine Zurückverweisung an das Landgericht kommt in diesem Fall nur dann noch in Betracht, wenn, wofür im Streitfall bislang nichts ersichtlich ist, das erstinstanzliche Verfahren aus einem anderen Grund an einem wesentlichen Verfahrensfehler leidet.
b) Die Zurückverweisung wegen einer vom Gericht erster Instanz zu Unrecht unterlassenen Aussetzung des Verfahrens ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil das erstinstanzliche Urteil solchen Urteilen gleich zu stellen ist, die während einer Unterbrechung oder Aussetzung des Verfahrens ergangen sind. Die während eines Verfahrensstillstandes ergangenen Urteile beruhen deshalb auf einem Verfahrensverstoß, der zur Aufhebung und Zurückverweisung führen muß, weil nach § 249 Abs. 2 ZPO die während einer Unterbrechung oder Aussetzung von den Parteien zur Hauptsache vorgenommenen Prozeßhandlungen ohne rechtliche Wirkung sind und die Parteien deshalb im Sinne des § 551 Nr. 5 ZPO nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten waren (vgl. zur Zurückverweisung durch das Revisionsgericht: BGHZ 66, 59, 61; BGH, Urteile vom 11. Juli 1985 - VIII ZR 253/83, WM 1984, 1170, vom 5. November 1987 - VII ZR 208/97, ZIP 1988, 446 unter 2 und vom 21. Juni 1995 - VIII ZR 224/94, WM 1995, 1607). Daran fehlt es bei einer zwar gebotenen, aber nicht angeordneten Aussetzung; hier nimmt das Verfahren gerade seinen Fortgang.
c) Eine Entscheidung des Berufungsgerichtes nach § 539 ZPO wegen einer in erster Instanz zu Unrecht unterlassenen Aussetzung des Verfahrens nach Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] kann nicht allein damit begründet werden, daß nur bei einer Aufhebung und Zurückverweisung das vorläufig vollstreckbare erstinstanzliche Urteil beseitigt wird, während es bei einer Aussetzung des Berufungsverfahrens vorläufig unangetastet bleibt. Zwar unterliegt auch ein vorläufig vollstreckbares Urteil der Anerkennung nach den Art. 26 ff EuGVÜ, so daß es der in erster Instanz siegreiche Kläger in einem Vertragsstaat für vollstreckbar erklären lassen könnte. Der Beklagte kann jedoch jedenfalls für die Zeit der Aussetzung des Berufungsverfahrens nach Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 in Verbindung mit § 707 ZPO erreichen. Solange eine doppelte Rechtshängigkeit im Sinne von Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] gegeben ist und das zuerst angerufene ausländische Gericht seine Zuständigkeit nicht verneint hat, wird das Berufungsgericht dem Einstellungsantrag stattzugeben haben. Bei identischen Ansprüchen ist mit rechtskräftiger Bejahung der Zuständigkeit durch das Erstgericht die zweite Klage abzuweisen. Hat das ausländische Verfahren - wie hier - nur eine Vorfrage für den inländischen Prozeß zum Gegenstand, hängt jedenfalls die im inländischen Prozeß zu treffende Entscheidung vom Ausgang des ausländischen Verfahrens ab. Daß die Einstellung nach § 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO in der Regel nur gegen eine Sicherheitsleistung des Beklagten erfolgen kann, zwingt nicht zur Aufhebung des Urteils nach § 539 ZPO. Dieses Erfordernis gilt für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil generell, also unabhängig davon, an welchem Mangel das erstinstanzliche Urteil möglicherweise leidet, und damit auch für andere Urteile, die aus prozessualen Gründen nicht hätten ergehen dürfen. Es ist nicht ersichtlich, daß für die Vorschriften des Art. 21 EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO] nach Sinn und Zweck des Übereinkommens hiervon eine Ausnahme geboten wäre.
d) Das Oberlandesgericht war auch verfahrensrechtlich befugt, das Berufungsverfahren nach Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ auszusetzen. Dem steht § 512 2. Halbs. ZPO nicht entgegen. Allerdings unterlag der Beschluß des Landgerichts, mit dem die beantragte Aussetzung des Verfahrens abgelehnt worden war, in dem auf die Aussetzung nach Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ entsprechend anzuwendenden Verfahren des § 148 ZPO (allg.M., vgl. Geimer/Schütze, aaO, Art. 21 EuGVÜ Rdnr. 45; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 6. Aufl., Art. 21 EuGVÜ Rdnr. 23 je m.w.Nachw.) nach § 252 Satz 2 ZPO dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde. Davon hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Es kann dahin gestellt bleiben, ob damit dem Berufungsgericht nach § 512 2. Halbs. ZPO die Befugnis zur Beurteilung der Frage entzogen war, ob das erstinstanzliche Verfahren wegen der nicht erfolgten Aussetzung an einem Verfahrensfehler litt. Unabhängig davon wäre dem Berufungsgericht durch § 512 2. Halbs. ZPO nämlich nur verwehrt, die Entscheidung des Landgerichts zu überprüfen; es wäre aber nicht gehindert, für das Berufungsverfahren eine abweichende Entscheidung zu treffen. Zwar bewirkt § 512 2. Halbs. ZPO für Entscheidungen in Urteilen, die dem Endurteil vorausgehen, die Erstreckung einer sich aus § 318 ZPO ergebenden Bindung des erstinstanzlichen Gerichts auf das Berufungsgericht (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 512 Rdnr. 8; Musielak/Ball, aaO, § 512 Rdnr. 1; Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 512 Rdnr. 4). Eine entsprechende Anwendung dieser Regelung auf Beschlüsse ist aber allenfalls für solche Beschlüsse gerechtfertigt, die - anfechtbaren Zwischenurteilen vergleichbar - entweder eine Entscheidung in der Hauptsache treffen oder über die Zulässigkeit der Klage oder eines Rechtsbehelfs befinden, nicht aber für Beschlüsse, die wie die Entscheidung über eine Aussetzung des Verfahrens nur prozeßleitenden Inhalt haben. Mit einem solchen Beschluß trifft das Gericht des ersten Rechtszuges eine Entscheidung allein für das seiner Herrschaft unterliegende erstinstanzliche Verfahren. Auch aus § 577 Abs. 3 ZPO ergibt sich nichts anderes. Selbst wenn danach das Landgericht zu einer Abänderung seines Beschlusses nicht befugt gewesen sein sollte, hätte sich dieses Verbot als Ausnahmebestimmung zu § 571 ZPO wie diese Regelung nur an das Landgericht als Ausgangsgericht gerichtet (vgl. Bauer NJW 1991, 1711, 1713 f).
III. Wegen des Verstoßes gegen die §§ 539, 540 ZPO waren daher das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 564 Abs. 1 und § 565 Abs. 1 ZPO, nach § 26 Nr. 7 EGZPO in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung). Eine Aussetzung des Revisionsverfahrens durch den Senat kam schon deshalb nicht in Betracht, weil das Revisionsverfahren mit der Entscheidung darüber, ob das Berufungsgericht die Sache zu Recht unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils an das Landgericht zurückverwiesen hat, abgeschlossen ist.