Streitgegenstandsbegriff bei Widerklage; Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Widerklage,; Zulässigkeit der Widerklage im Urkundsprozeß gegen "normale" Klage

BGH, Urteil vom 28. November 2001 - VIII ZR 75/00 - KG Berlin - LG Berlin


Fundstelle:

NJW 2002, 751
für BGHZ vorgesehen


Amtl. Leitsatz:

Zur Zulässigkeit einer Widerklage in der Form des Urkundenprozesses gegenüber einer im ordentlichen Verfahren erhobenen Klage.


Tatbestand:

Die Klägerin kaufte durch zwei notarielle Verträge vom 17. Juni 1997 von den Beklagten zu 1 bis 4 deren Geschäftsanteile an der TBGmbH (im folgenden: TBG), E. sowie gemeinsam mit einer U. und Verwaltungs GmbH von dem Beklagten zu 1. jeweils einen Geschäftsanteil an der THR Tanklager R. GmbH (im folgenden: THR), B. . In dem Vertrag über die THR-Anteile ist bestimmt, daß dessen Wirksamkeit an die des Kaufvertrages über die TBG-Anteile gebunden sein soll. In § 2 Abs. 3 und 4 des notariellen Vertrages über den Verkauf der TBG-Anteile heißt es unter anderem:

3. Die Käuferin wird die gemäß Abs. 4 vorgelegte Stichtagsbilanz auf den 1.1.1997 innerhalb von 14 Tagen durch einen Wirtschaftsprüfer ihres Vertrauens prüfen lassen. Die Kosten hierfür trägt die Käuferin.

4. Die Kaufpreise werden von der Käuferin spätestens 10 Bankgeschäftstage nach Wirksamkeit dieses Vertrages überwiesen, frühestens jedoch nach Vorlage der mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehenen Stichtagsbilanz und der nach Abs. 3 durchgeführten Überprüfung.

Nachdem die Klägerin an der ihr zunächst übersandten Bilanz das Fehlen einer Gewinn- und Verlustrechnung nebst Anhang gerügt hatte, ließen die Beklagten ihr Anfang August 1997 eine um diese Anlagen vervollständigte und als Anwachsungsbilanz bezeichnete Bilanz der TBG zum 1. Januar 1997 nebst einem Prüfungsbericht mit Bestätigungsvermerk vom 30. Juli 1997 zukommen. Mit Schreiben vom 24. September 1997 erklärte die Klägerin die Anfechtung der notariellen Verträge, weil die Beklagten ihr wesentliche Veränderungen der Umschlagsmengen bei der TBG, welche sich nach Erstellung des für ihren Kauf wesentlichen Ertragswertgutachtens ergeben hätten, nicht mitgeteilt hätten.

Mit der Klage begehrt die Klägerin im Hauptantrag die Feststellung, daß die notariellen Verträge nichtig sind. Hilfsweise hat sie beantragt, die Beklagten zu 1 bis 4 als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von der Kaufpreisverbindlichkeit für den Kauf der TBG Zug um Zug gegen Rückübertragung der Geschäftsanteile freizustellen. In gleicher Weise hat sie vom Beklagten zu 1 Freistellung von der Kaufpreisverbindlichkeit für den THR-Anteil verlangt.

Mit ihrer im Urkundenprozeß erhobenen Widerklage nehmen die Beklagten die Klägerin auf Zahlung des Kaufpreises aus beiden Verträgen in Anspruch.

Das Landgericht hat durch Teilurteil die Klage sowohl hinsichtlich der Hauptanträge als auch der Hilfsanträge als unzulässig abgewiesen. Der Widerklage hat es in vollem Umfang stattgegeben und der Klägerin die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil, soweit dieses die Feststellungsanträge abgewiesen hat, antragsgemäß aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen. Hinsichtlich der Widerklage hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen; hiergegen richtet sich deren Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt:

Der Widerklage stehe nicht die Rechtshängigkeit der zuvor erhobenen Klagen auf Feststellung der Unwirksamkeit der Verträge entgegen, weil das Rechtsschutzziel der Leistungsklage über das der Feststellungsklage hinausgehe und deshalb nicht denselben Streitgegenstand habe. Die Widerklage sei auch nicht wegen der Hilfsanträge der Klägerin, sie von den Kaufpreisansprüchen "freizustellen", unzulässig; auch insoweit stehe die Rechtshängigkeit nicht nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegen. Die Anträge stellten der Sache nach Feststellungsbegehren dar, mit denen die Klägerin im Ergebnis die Feststellung erstrebe, daß den Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsschluß aus dem Vertrag keine Ansprüche gegen sie, die Klägerin, zustünden. Der Gläubiger müsse auch nach Erhebung einer solchen Klage die Möglichkeit haben, seinerseits Leistungsklage zu erheben.

Die Widerklage in der Form des Urkundenprozesses sei auch im normalen Verfahren grundsätzlich statthaft. § 595 ZPO, der nur die Widerklage gegenüber einer Urkundenklage betreffe, ergreife nach seinem Zweck, der Herbeiführung einer alsbaldigen Entscheidung, nicht die Urkundenwiderklage im ordentlichen Verfahren. Denn der Widerkläger könne statt dessen auch eine gesonderte Klage erheben und sei deshalb nicht schutzwürdig. Daß es sich bei dem Urkundenverfahren um eine andere Prozeßart handele, stehe der Urkundenwiderklage nicht entgegen, weil dies nur eine Trennung der Verfahren rechtfertige und nach Erlaß des Vorbehaltsurteils beide Verfahren ohnehin verbunden werden könnten. Die Zulassung der als Urkundenklage erhobenen Zahlungswiderklage im selben Verfahren entspreche, da sie die Gefahr widersprechender Entscheidungen vermindere, auch der Prozeßökonomie.

Der Erlaß des Vorbehaltsurteiles sei gerechtfertigt, weil die Beklagten mit den im Urkundenprozeß zulässigen Beweismitteln dargetan hätten, daß die Kaufpreisforderungen nicht nur bestehen, sondern auch fällig seien. Die von den Beklagten vorgelegte Anwachsungsbilanz zum 1.1.1997 erfülle die Voraussetzungen des Kaufvertrages.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand:

1. Der Zulässigkeit der Widerklage steht nicht der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO im Hinblick auf die mit der Klage verfolgten Ansprüche entgegen.

a) Zu Recht und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht angenommen, daß die auf Feststellung der Nichtigkeit der Verträge gerichteten Hauptanträge der Klägerin nicht dieselbe Streitsache im Sinne von § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO wie die Widerklage betreffen. Die Zahlungsklage der Beklagten reicht weiter als die Feststellungsklage und hat deshalb einen anderen Streitgegenstand (BGHZ 7, 268, 271; BGH, Urteil vom 21.12.1989 - IX ZR 234/88, NJW-RR 1990, 1532 unter I 2).

b) Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht des weiteren davon ausgegangen, daß der von den Beklagten erhobenen Widerklage auch nicht die (bedingte) Rechtshängigkeit der hilfsweise erhobenen Klageanträge der Klägerin entgegensteht. Allerdings kann es dahingestellt bleiben, ob diese auf Freistellung von den Kaufpreisforderungen der Beklagten lautenden Anträge, wie das Berufungsgericht meint, als Feststellungsbegehren oder, wie die Revision geltend macht, als Leistungsklagen aufzufassen sind. Selbst wenn nämlich die Hilfsanträge der Klägerin als Leistungsklagen auf Befreiung von den Kaufpreisverbindlichkeiten auszulegen wären, hätten sie nicht denselben Streitgegenstand im Sinne von § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO wie die auf Zahlung der Kaufpreisschuld gerichtete Widerklage. Die Zahlungsklage reicht im Klageantrag weiter, weil sie im Falle ihres Erfolges dem Kläger - hier dem Beklagten und Widerklägern - auch einen vollstreckbaren Titel verschafft. Das Verhältnis der Klage auf Befreiung zu der Widerklage auf Zahlung entspricht insofern demjenigen zwischen einer Zahlungsklage und einer negativen Feststellungsklage, mit welcher das Nichtbestehen eines Zahlungsanspruchs geltend gemacht wird. Die Rechtshängigkeit einer solchen negativen Feststellungsklage steht der Zahlungsklage nicht nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 entgegen (BGH, Urteil vom 20. Januar 1989 - V ZR 173/87 - NJW 1989, 2064 unter 1).

2. Die von den Beklagten erhobene Widerklage ist auch in der Form des Urkundenprozesses zulässig. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß gegenüber einer im ordentlichen Verfahren erhobenen Klage eine Widerklage im Urkundenprozeß erhoben werden kann.

a) Der prozessualen Befugnis, eine Widerklage auch im Urkundenprozeß zu erheben, steht zunächst nicht entgegen, daß in den Vorschriften über den Urkundenprozeß nur die Klage und der Kläger angesprochen werden (vgl. §§ 593, 596, 597 ZPO). Die Widerklage hat nämlich in der Zivilprozeßordnung keine eigenständige Regelung erfahren. Die Zivilprozeßordnung setzt ihre grundsätzliche Zulässigkeit voraus, erwähnt sie in besonderen Fällen, in denen sie ausgeschlossen ist (etwa §§ 530 Abs. 1, 595 Abs. 1, 610 Abs. 2, 640 c Abs. 1 ZPO), und enthält für die Widerklage einige vom Verfahren über die Klage abweichende Vorschriften (etwa §§ 33, 145 Abs. 2 ZPO). Die für die Klage geltenden Regelungen finden auf die Widerklage deshalb auch ohne besondere Erwähnung Anwendung.

b) Die Statthaftigkeit einer Urkundenwiderklage gegenüber einer im ordentlichen Verfahren erhobenen Klage ist nicht durch § 595 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Diese Vorschrift untersagt eine Widerklage nur gegenüber einer im Urkundenprozeß erhobenen Klage.

§ 595 Abs. 1 ZPO kann auf die Urkundenwiderklage im ordentlichen Verfahren auch nicht entsprechend angewendet werden, weil es an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Das Verbot der Widerklage im Urkundenprozeß ist in der Gesetzesbegründung damit gerechtfertigt worden, daß eine Widerklage "die notwendig zu erhaltende Einfachheit des Verfahrens (scil. Urkundenverfahren) stören würde" (Motive zum Entwurf der CPO, in: Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2, S. 391). Diese Erwägung ist im Zusammenhang damit zu sehen, daß der im Urkundenprozeß klagenden Partei durch das unter Zurückstellung nicht urkundlich belegter Einwendungen zustande kommende Vorbehaltsurteil ein Vollstreckungsprivileg gewährten werden soll (vgl. Motive, in: Hahn, aaO, S. 387). Das Verbot der Widerklage dient deshalb ihrem Interesse daran, daß der Erlaß eines Vorbehaltsurteils nicht durch eine Widerklage verzögert wird. Diese Interessenlage besteht aber nicht, wenn ein Beklagter gegenüber einer Klage im ordentlichen Verfahren eine Widerklage im Urkundenprozeß erhebt. Zwar ist die entstehende Prozeßverbindung mit der zuvor erhobenen ordentlichen Klage möglicherweise geeignet, die Erledigung der Urkundenwiderklage zu verzögern. Der im Urkundenprozeß klagende Widerkläger hätte dies aber verhindern können, wenn er seinen Anspruch mit einer selbständigen Urkundenklage geltend gemacht hätte. Unterläßt er dies, verzichtet er auch auf die aus § 595 Abs. 1 ZPO folgende Privilegierung.

c) Dahinstehen kann hier die Frage, ob die Zulässigkeit einer Widerklage voraussetzt, daß sie "in derselben Prozeßart" erhoben wird wie die Klage (vgl. OLG Düsseldorf, OLGR 1993, 217; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., Anh. § 253 Rn. 8; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 33 Rn. 24). Selbst wenn man nämlich entsprechend dem Grundgedanken des § 260 ZPO verlangt, daß die Widerklage in derselben Prozeßart wie die Klage erhoben wird, steht dies jedenfalls der Erhebung einer Urkundenwiderklage gegenüber einer im ordentlichen Verfahren erhobenen Klage nicht entgegen. Die Einschränkung des § 260 ZPO verfolgt den Zweck, daß in einem Prozeß nicht Klagen miteinander verbunden werden sollen, deren Verfahrensregeln derart gravierende Unterschiede aufweisen, daß eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung nicht oder nur unter Schwierigkeiten möglich ist. Derartige Unterschiede bestehen zwischen dem ordentlichen Erkenntnisverfahren und dem Urkundenverfahren jedoch nicht:

aa) Ein solcher wesentlicher Unterschied zwischen Verfahren, der einer Prozeßverbindung entgegensteht, ist anzunehmen, wenn für die Rechtsmittel gegen die Entscheidung über verschiedene Klageanträge oder eine Widerklage unterschiedliche Instanzenzüge gegeben sind. Aus diesem Grund ist etwa eine Verbindung familienrechtlicher Verfahren mit ordentlichen Verfahren - über den Anwendungsbereich von § 610 Abs. 1 ZPO hinaus - nicht zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1978 - IV ARZ 73/78, NJW 1979, 426 unter II 3). Die über eine Klage im Urkundenprozeß entscheidenden Urteile unterliegen jedoch denselben Rechtsmitteln wie Urteile im ordentlichen Verfahren. Ein selbständig anfechtbares Vorbehaltsurteil mit anschließendem Nachverfahren kennt auch das ordentliche Verfahren im Fall einer Aufrechnung (§ 302 ZPO).

bb) Anders als der Wechsel- und Scheckprozeß enthält das Urkundsverfahren keine Vorschriften über die Verkürzung von Ladungsfristen (vgl. § 604 Abs. 2 und 3 ZPO) und keine Sonderbestimmung für die Änderung von Terminen (vgl. § 227 Abs. 3 Nr. 4 ZPO). Derartige Unterschiede hat der Bundesgerichtshof im Verhältnis zwischen Wechselprozeß und Urkundenprozeß als Grund dafür angesehen, daß in einem Wechselprozeß nicht hilfsweise für den Fall, daß der Wechsel ungültig ist, eine Urkundenklage erhoben werden kann (BGHZ 53, 11, 17; 82, 200, 207 f; BGH, Urteile vom 3. Mai 1982 - II ZR 229/81, NJW 1982, 2258 und vom 7. Dezember 1981 - II ZR 134/81, WM 1982, 271). Über Klagen im ordentlichen Verfahren und im Urkundenverfahren kann deshalb jedenfalls zusammen terminiert und verhandelt werden.

cc) Auch die zentrale Besonderheit des Urkundenverfahrens, daß nämlich über die Urkundenklage unter Ausschluß der nicht durch Urkunden belegbaren streitigen Einwendungen des Beklagten ein Vorbehaltsurteil zu ergehen hat, steht einer gemeinsamen Durchführung mit Klagen im ordentlichen Prozeß nicht entgegen. Dem Umstand, daß die Urkundenklage im Regelfall in einem früheren Stadium des Prozesses entscheidungsreif sein wird als die Klage im ordentlichen Verfahren, kann durch den Erlaß eines Teilurteils (§ 301 Abs. 1 ZPO) grundsätzlich ausreichend Rechnung getragen werden. Bedarf es etwa nach dem Ergebnis der ersten mündlichen Verhandlung für die Entscheidung über die Klage im ordentlichen Verfahren einer Beweisaufnahme, während der Rechtsstreit für die Entscheidung über die Urkundenwiderklage aufgrund der Beweismittelbeschränkung schon entscheidungsreif ist, so kann und muß das Gericht über die Widerklage, sofern der Erlaß eines Teilurteils nicht aus anderen Gründen ausnahmsweise unzulässig ist, durch Teil-Vorbehaltsurteil entscheiden. Das Nachverfahren, für welches die Beschränkungen in der Beweisführung nicht mehr gelten, kann sodann auch hinsichtlich einer etwaigen Beweisaufnahme gemeinsam mit dem Verfahren über die Klage im ordentlichen Verfahren fortgesetzt werden.

dd) Der Verbindung einer ordentlichen Klage und einer Urkundenwiderklage kann schließlich nicht entgegengehalten werden, durch die "Vermischung der Verfahrensformen" könne die Beschränkung auf die im Urkundenprozeß zulässigen Beweismittel unterlaufen werden (Musielak/Voit, ZPO, 2. Aufl., § 595 Rn. 2). Einer Verwertung von bereits aus der Verhandlung zur Klage mit anderen Mitteln als Urkunden oder Parteivernehmung gewonnenen Beweisergebnissen für das Vorbehaltsurteil stünde nämlich § 595 Abs. 2 ZPO entgegen. Für die Beurteilung der Sachgerechtheit eines Verfahrens ist von dem Regelfall auszugehen, daß das Gericht prozeßordnungsgemäß vorgeht. Im Nachverfahren wäre eine derartige Verwendung von Beweisergebnissen aus der Verhandlung zur Klage im ordentlichen Verfahren ohnehin möglich, weil hier die einschränkende Vorschrift des § 595 Abs. 2 ZPO nicht gilt.

d) Die Zulassung einer Urkundenwiderklage im ordentlichen Verfahren ist, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, prozeßökonomisch und trägt einem praktischen, schutzwürdigen Interesse des Beklagten Rechnung. Denn er kann mit einer solchen Klage die Vorteile einer Widerklage mit der vom Urkundenverfahren eingeräumten Chance verbinden, schneller als im ordentlichen Verfahren zu einem vorläufigen Vollstreckungstitel zu gelangen.

aa) Das Interesse eines Beklagten, seinen mit Urkunden belegbaren Anspruch gegen den Kläger gerade mit einer Widerklage und nicht mit einer selbständigen Urkundenklage geltend zu machen, ergibt sich, von Kostenvorteilen abgesehen, daraus, daß er den Gerichtsstand des § 33 ZPO nutzen kann. Ferner vermindert eine Verbindung die bei getrennten Prozessen bestehende Gefahr widersprechender Entscheidungen (vgl. BGHZ 40, 185, 188 m.w.N.). Dies zeigt sich im gegebenen Fall in besonderem Maße. Die Klageanträge betreffen Vorfragen, die für die Begründetheit der Widerklage präjudiziell sind (vgl. § 256 Abs. 2 ZPO). Deshalb entspräche es bei ursprünglich getrennten Prozessen über die Klage und die Urkundenklage der Beklagten der Prozeßökonomie, die Verfahren zur Vermeidung einer Entscheidungsdivergenz - jedenfalls nach Übergang in das Nachverfahren - gemäß § 147 ZPO zu verbinden. Eine Verbindung wäre der statt dessen in Betracht kommenden Aussetzung des Nachverfahrens nach § 148 ZPO vorzuziehen. Bestehen derartige Interessen nicht, weil es an einem sachlichen Zusammenhang zwischen beiden Ansprüchen fehlt, so kann das Gericht die Urkundenwiderklage nach § 145 Abs. 2 ZPO abtrennen.

bb) Die als Widerklage erhobene Urkundenklage bietet auch bei gemeinsamer Verhandlung mit der im ordentlichen Verfahren erhobenen Klage im Regelfall die Chance, daß der Widerkläger schneller als im ordentlichen Verfahren ein vorläufig vollstreckbares Urteil erlangen kann; denn das Vorbehaltsurteil kann, wie dargelegt, grundsätzlich vorab im Wege eines Teilurteils ergehen.

3. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler auf der Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens angenommen, daß der von der Klägerin geschuldete Kaufpreis fällig ist, weil die Beklagten, wie nach § 2 Abs. 3 und 4 des Kaufvertrages über die Anteile der TBG erforderlich, eine mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk vorgesehene Stichtagsbilanz zum 1. Januar 1997 vorgelegt haben.

a) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe nicht mit im Urkundenverfahren zulässigen Beweismitteln festgestellt, daß die von den Beklagten der Klägerin übermittelte Bilanz vom 12. Mai 1997, obwohl sie als "Anwachsungsbilanz" bezeichnet ist, der im Kaufvertrag als Fälligkeitsvoraussetzung vereinbarten Stichtagsbilanz entsprochen habe. Daß das Berufungsgericht dies nicht näher begründet, sondern auf die Ausführungen in dem von den Beklagten vorgelegten Gutachten der Sachverständigen K. verwiesen hat, ist unschädlich. In dieser Verweisung liegt keine unzulässige Verwertung eines Sachverständigengutachtens, sondern eine im Rahmen von § 313 ZPO mögliche Verweisung auf den Vortrag einer Partei, dem das Gericht aufgrund eigener Überzeugung gefolgt ist.

Die in Bezug genommenen Ausführungen legen den Kaufvertrag dahin aus, daß Fälligkeitsvoraussetzung die Vorlage einer zum 1. Januar 1997 um 1.01 Uhr zu erstellenden Bilanz sein sollte, die die Jahresabschlußbilanz zum 31. Dezember 1996 fortsetzt und nur die beiden in der Zwischenzeit erfolgten Anwachsungsvorgänge fortschreibt. Eine solche Bilanz haben die Beklagten vorgelegt. Die Vertragsauslegung, die das Berufungsgericht dementsprechend, dem Gutachten folgend, vorgenommen hat, ist revisionsrechtlich nur beschränkt darauf überprüfbar, ob gesetzliche Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt sind (vgl. etwa Senat, BGHZ 135, 269, 273). Solche Fehler macht die Revision nicht geltend. Die Auslegung des Berufungsgerichtes ist im übrigen jedenfalls naheliegend, weil die Parteien in § 1 Nr. 3 des Vertrages die schuldrechtliche Wirkung des Kaufs im Innenverhältnis "auf den 1.1.1997, 1.01 Uhr (Stichtag)" festgelegt und in § 3 Nr. 3 ausdrücklich zwei Abschlüsse - den Jahresabschluß 1996 und den Zwischenabschluß zum 1.1.1997 - unterschieden und nur den letzteren als Stichtagsbilanz bezeichnet haben.

b) Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe ihren Vortrag übergangen, der von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am 30. Juli 1997 erteilte Bestätigungsvermerk für die Bilanz könne sich nicht auf die Gewinn- und Verlustrechnung und den Anhang beziehen, weil diese erst nach dem 23. Juli 1997 erstellt worden seien und die Prüfung im Juni 1997 stattgefunden habe, ergibt sich daraus kein Rechtsfehler des Berufungsgerichtes. Das Berufungsgericht hat nämlich festgestellt, daß die Gewinn- und Verlustrechnung und der Anhang dem Prüfungsbericht vom 30. Juli 1997 beigefügt waren. Die Gewinn- und Verlustrechnung und der Anhang dokumentieren in wenigen Zeilen lediglich die beiden Anwachsungsvorgänge am 1. Januar 1997. Das Berufungsgericht durfte deshalb davon ausgehen, daß beide von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zur Kenntnis genommen und in die erteilte Bestätigung einbezogen worden sind.