Säumniskosten bei Klagerücknahme


BGH, Beschluß vom 13. 5. 2004 - V ZB 59/03 .


Fundstelle:

NJW 2004, 2309
Für BGHZ vorgesehen


Amtl. Leitsatz:

Der Beklagte, gegen den ein Versäumnisurteil (in gesetzlicher Weise) ergangen ist, trägt die durch die Versäumnis veranlassten Kosten auch dann, wenn der Kläger die Klage zurücknimmt.


Zentrales Problem:

Der Beklagte, gegen den ein Versäumnisurteil ergangen war, hat nach § 344 ZPO die Kosten der Säumnis auch dann zu tragen, wenn nach dem Einspruch (§ 338 ZPO) eine abändernde Entscheidung ergeht. Es war lange Zeit strittig, ob dem Beklagten, gegen den ein Versäumnisurteil ergangen war, gem. § 344 ZPO die Kosten der Säumnis auch dann aufzuerlegen sind, wenn der Kläger später die Klage zurücknimmt und daher nach § 269 III 2 ZPO die Kosten zu tragen hat. Der BGH bejaht dies nunmehr entgegen der bisherigen Rechtsprechung. Für die Neuregelung des Kostenrechts kann das jetzt auch auf § 269 III 2 ZPO gestützt werden, denn dort heißt es, daß der Kläger im Falle der Klagerücknahme die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, soweit diese nicht „dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind“. § 344 ZPO ist ein solcher Grund. Im zu entscheidenden Fall kam es freilich doch nicht zu einer solchen Kostentragungspflicht, weil die Tatbestandsvoraussetzungen von § 344 ZPO nicht erfüllt waren – das Versäumnisurteil war nicht rechtmäßig ergangen.

©sl 2004


Gründe:

I. Die Klägerin erwarb ein von dem Beklagten bewohntes Anwesen und forderte ihn erfolglos zur Räumung bis 31. 5. 2002 auf. Die Räumungsklage ist dem Beklagten, zusammen mit der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens, der Aufforderung, die Absicht der Rechtsverteidigung binnen zwei Wochen anzuzeigen, und der Belehrung über die Folgen der Nichtanzeige am 16. 8. 2002 durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt worden. Am 5. 9. 2002 ist ohne mündliche Verhandlung ein Versäumnisurteil gegen ihn erlassen worden. Der Beklagte hat mit der Behauptung, dass er sich vom 15.8. bis 15. 9. 2002 in Urlaub in der Türkei befunden habe, Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gestellt. Im Einspruchstermin hat die Kl. die Klage zurückgenommen. Das AG hat die durch die Säumnis entstandenen Kosten dem Beklagten, die übrigen Kosten der Kl. auferlegt. Das LG hat die sofortige Beschwerde des Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte seinen Antrag, der Kl. auch die durch die Säumnis entstandenen Kosten aufzuerlegen, weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II. Das Beschwerdegericht meint, der Beklagte habe so, als ob das gegen ihn ergangene Versäumnisurteil auf Einspruch abgeändert worden wäre, die durch die Versäumnis veranlassten Kosten zu tragen. Die Voraussetzung hierfür, der Erlass des Versäumnisurteils in gesetzlicher Weise, sei erfüllt. Ersteres hält der rechtlichen Überprüfung stand, Letzteres nicht.
1. Die Frage, ob bei einer Klagerücknahme nach einem Versäumnisurteil gegen den Beklagten der Kl. die gesamten Kosten des Rechtsstreits trägt (§ 269 III 2 ZPO) oder ob dem Beklagten die durch seine Versäumnis veranlassten Kosten (§ 344 ZPO) aufzuerlegen sind, ist seit langem in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
a) Die in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bisher überwiegende Auffassung spricht sich für einen Vorrang des § 269 III 2 ZPO (§ 271 III 2 ZPO a.F., § 234 III 1 CPO) aus, der eine Kostentrennung in direkter oder analoger Anwendung des § 344 ZPO (§ 309 CPO) verbiete (OLG Dresden, SächsArch 3 [1893], 636 [640]; OLG Hamburg, SeuffArch 52 [1897], 217 [219f.]; OLGRspr 35, 66; OLG Frankfurt, HRR 1931, 1966; MDR 1979, 1029; OLG Düsseldorf, JMBlNRW 1955, 209; OLGZ 89, 250; KG, NJW 1970, 1799; OLG Stuttgart, MDR 1976, 51; OLG Bremen, NJW 1976, 632; OLG Hamm, MDR 1977, 233; GRUR 1990, 642; OLG Oldenburg, NdsRpfl 1977, 276; OLG München, MDR 1981, 940; OLG Nürnberg, JurBüro 1984, 1586; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1995, 955; OLG Rostock, NJW-RR 1996, 832; OLG Schleswig, NJW-RR 1998, 1151; OLG Naumburg, OLGR 1999, 62; OLG Brandenburg, NJW-RR 1999, 871; aus der Literatur: Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 271 Anm. C I c 1; Wassermann, in: AltKomm-ZPO, 1987, § 269 Rdnr. 8; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 269 Rdnr. 63; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, 2. Aufl., § 344 Rdnr. 13; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZivilprozessR, 15. Aufl., § 130 III 2a; Anders/Gehle, Antrag und Entscheidung im Zivilprozess, 3. Aufl., Teil B, Rdnr. 514; Schneider, MDR 1961, 545 [549f.]). Diese Ansicht wurde zum Teil auf die bis zum In-Kraft-Treten des Kindesunterhaltsgesetzes vom 6. 4. 1998 (BGBl I, 666) geltende Gesetzesfassung gestützt, wonach eine Abweichung von der vollen Kostentragungspflicht nach Klagerücknahme nur zugelassen wurde, soweit über die Kosten bereits rechtskräftig erkannt war. Bei einer Klagerücknahme fehle es jedoch an einer Entscheidung über die Säumniskosten. Im Übrigen liege keine abändernde Entscheidung in der Sache vor, die § 344 ZPO voraussetze. § 269 III 2 ZPO stelle einen selbstständigen und von den anderen Kostenregelungen unabhängigen Tatbestand der Kostenpflicht des Kl. dar, die als zwingende Folge der Klagerücknahme von Gesetzes wegen eintrete. Die auf Antrag des Beklagten ergehende Kostenentscheidung habe daher lediglich feststellenden Charakter, während § 344 rechtsgestaltende Wirkung entfalte. Für eine analoge Anwendung des § 344 ZPO fehle es an einer Regelungslücke, weil es kein zwingendes Gebot materieller Kostengerechtigkeit sei, dass der Beklagte die von ihm verursachten Säumniskosten auch im Falle der Klagerücknahme tragen müsse. Diese Kosten habe der Kl. durch seine Klageerhebung mittelbar verursacht.
b) Die Gegenmeinung (RG, JW 1887, 311; KG, OLGRspr 17, 320; KGBl 1920, 40 [41]; KG-Report 2001, 371; OLG Dresden, SächsAnn 30 [1909], 494 [495]; OLG Düsseldorf, MDR 1972, 1043; NJW 1975, 1569 [1570]; OLG Hamm, OLGZ 89, 464; OLG Köln, AnwBl 1992, 332; VersR 1993, 722; MDR 1990, 256; OLG München, OLG-Report 1993, 15; JurBüro 1997, 95; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1996, 383; OLG Bremen, OLG-Report 2001, 34; Lüke, in: MünchKomm-ZPO, 2. Aufl., § 269 Rdnrn. 41, 42; Zimmermann, ZPO, 6. Aufl., § 269 Rdnr. 13a; Schneider, Die Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl., S. 181f.; Coester-Waltjen, DRiZ 1976, 240; Brammsen/Leible, JuS 1997, 54 [58]; Habel, NJW 1997, 2357 [2359f.]; Schneider, abl. Anm. zu OLG Hamm, MDR 1977, 233) sieht weder im Wortlaut noch in der Systematik des Gesetzes einen Hinderungsgrund für eine entsprechende Anwendung des § 344 ZPO. § 269 S. 2 ZPO a.F. habe die Aussonderung anderer Kosten nicht ausgeschlossen. § 91 ZPO ordne ausnahmslos die Kostentragungspflicht des Unterliegenden an, gleichwohl werde die Anordnung durch andere Kostenvorschriften, wie zum Beispiel auch § 344 ZPO, durchbrochen. Sowohl § 269 III 2 ZPO als auch § 344 ZPO seien Ausprägungen des Veranlassungsprinzips, die nebeneinander anwendbar seien. Seit der Neufassung des § 269 III 2 ZPO durch das am 1. 7. 1998 in Kraft getretene Kindesunterhaltsgesetz habe die entsprechende Anwendung des § 344 ZPO im Rahmen einer Kostenentscheidung nach § 269 III 2 ZPO eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage (OLG München, NJW-RR 2001, 1150 [1151]; NJW-RR 2002, 142; Musielak/Stadler, ZPO, 3. Aufl., § 344 Rdnr. 1; Habel, NJW 1997, 2357 [2360]). Eine endgültige Klarstellung habe die seit dem 1. 1. 2002 geltende Ergänzung durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. 7. 2001 (BGBl I, 1887) bewirkt, wonach die Kostentragungspflicht des Kl. ausscheidet, wenn die Kosten dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind (OLG Schleswig, MDR 2002, 1274 [1275]; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl, § 269 Rdnr. 34; Hannich/Meyer-Seitz/Engers, ZPO-Reform 2002, § 269 Rdnr. 8; Musielak/Foerster, ZPO, 3. Aufl., § 269 Rdnr. 12; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 269 Rdnr. 15; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 269 Rdnr. 18a; Zöller/Herget, § 91 Rdnr. 13 „Klagerücknahme“ u. § 344 Rdnr. 2; Bonifacio, MDR 2002, 499; Schneider, JurBüro 2002, 509).
2. Der Senat schließt sich der unter 1b dargestellten Ansicht an. Danach sind der beklagten Partei im Rahmen der Kostenentscheidung nach Klagerücknahme (§ 269 III 2 ZPO) die durch ihre Säumnis veranlassten Kosten in entsprechender Anwendung des § 344 ZPO aufzuerlegen.
a) Diese Auslegung, die bereits während der bis zum 30. 6. 1998 geltenden Fassung des § 269 III 2 ZPO gerechtfertigt war (nachstehend b-d), hat nunmehr in dem seit 1. 1. 2002 geltenden Gesetzestext, wonach von der Kostentragungspflicht des Kl. auch Kosten ausgenommen werden, die dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind, eine gesicherte Grundlage. Durch das Kindesunterhaltsgesetz war bereits dokumentiert worden, dass über den Fall der rechtskräftigen (Teil-)Kostenentscheidung hinaus eine Kostenbelastung des Beklagten möglich ist. Wenn auch die Gesetzesbegründung als einzigen Anwendungsfall den neu eingeführten § 93d ZPO nannte (BT-Dr 13/7338, S. 33), der eine Kostentragungspflicht des Beklagten wegen Verletzung der unterhaltsrechtlichen Auskunftspflicht vorsieht, schloss die gewählte Formulierung auch andere gesetzlich vorgesehene Kostenaussonderungen nicht aus. Durch den Zusatz „aus einem anderen Grund“, der durch das Zivilprozessreformgesetz eingefügt worden ist, wird die generelle Öffnung für gesetzlich geregelte Ausnahmen von der Kostentragungspflicht des Kl. zum Ausdruck gebracht. Hierzu zählt auch die Berücksichtigung des § 344 ZPO im Rahmen des § 269 III 2 ZPO (Bonifacio, MDR 2002, 509; Schneider, JurBüro 2002, 509). Die Gesetzesbegründung (BT-Dr 14/4772, S. 80) nimmt auf die durch das Kindesunterhaltsgesetz geschaffene Öffnung für eine Kostenentscheidung zu Lasten des Beklagten Bezug. Die mit dem Zivilprozessreformgesetz vorgenommene Ergänzung „aus einem anderen Grund“ stelle klar, dass den Kl. die Kostenlast nicht treffe, wenn einer der schon bisher von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle vorliege. Zwar nennt die Gesetzesbegründung bei der Aufzählung der Beispiele den Fall der Klagerücknahme nach Versäumnisurteil nicht eigens, sie verweist aber auf die Literatur, die ihrerseits als Ausnahme von der generellen Kostentragungspflicht des Kl. ein vorausgegangenes Versäumnisurteil gegen den Beklagten mit entsprechender Belastung des Säumigen gem. § 344 ZPO anführt (Hinweis auf Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 269 Rdnr. 18a). Dies zeigt, dass dem Gesetzgeber die Fallkonstellation bekannt war und er sie in seinen Willen aufgenommen hat (zutr. OLG Schleswig, MDR 2002, 1275).
b) Die gesonderte Belastung des Beklagten nach Klagerücknahme mit den von ihm zuvor verursachten Säumniskosten ordnet sich in die Systematik des Gesetzes ein.
Es trifft zwar zu, dass § 344 ZPO als Ausnahme zu den allgemeinen Kostenregelungen nach §§ 91ff. ZPO einen Prozessabschluss durch gerichtliche Entscheidung voraussetzt, während die Kostenentscheidung nach § 269 III 2 ZPO an eine Prozessbeendigung durch Parteierklärung anknüpft. Daraus kann aber nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, der in § 344 ZPO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Kostentrennung sei nicht analogiefähig. Denn abgesehen davon, dass auch die allgemeinen kostenrechtlichen Regelungen der §§ 91a und 98 ZPO Fälle der Prozessbeendigung durch Parteierklärung behandeln, setzt § 344 ZPO nur deshalb eine gerichtliche Entscheidung als Abschluss des Verfahrens voraus, weil sich die Frage der gesonderten Auferlegung der Säumniskosten dann stellen kann, wenn das Versäumnisurteil abgeändert wird. § 344 ZPO kann jedenfalls nicht entnommen werden, dass nur in diesem Fall eine Kostenentscheidung zu Lasten eines säumigen Beklagten zulässig ist (zutr. OLG München, NJW-RR 2001, 1150; OLG Schleswig, MDR 2002, 1275).
Durch die Fiktion des § 269 III 1 ZPO, wonach der Rechtsstreit bei Klagerücknahme als nicht anhängig geworden anzusehen ist, und demzufolge ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wirkungslos wird, entfallen zwar rückwirkend die Rechtshängigkeit und grundsätzlich auch die materiell-rechtliche Wirkung der Verjährungshemmung (§ 204 I Nr. 1 BGB). Aber, wie die Einräumung der sofortigen Beschwerde in § 269 V 1 ZPO zeigt, bleibt der Rechtsstreit wegen der Kosten anhängig, so dass die kostenverursachenden Kriterien so zu berücksichtigen sind, wie sie im Verlauf des Rechtsstreits auch tatsächlich eingetreten sind (OLG München, NJW-RR 2001, 1150). In Bezug auf die Kostenentscheidung entfaltet die gesetzliche Fiktion daher keine Wirkung. Anderenfalls gäbe es weder eine prozessrechtliche Kostenpflicht noch Kostenentstehungstatbestände bei der Klagerücknahme (Coester-Waltjen, DRiZ 1976, 240).
c) Dem Beklagten die Säumniskosten auch bei Klagerücknahme aufzuerlegen, entspricht dem Leitgedanken des prozessualen Kostenrechts, dem Veranlassungsprinzip. Danach soll derjenige, dessen Verhalten zur Entstehung von Kosten Anlass gegeben hat, diese auch tragen. Dies gilt ohne weiteres in den gesetzlich geregelten Grundfällen, dass jemand einen nicht bestehenden Anspruch behauptet oder sich unberechtigt gegen seine Inanspruchnahme wehrt (§ 91 ZPO), dass er das Verfahren unnötig verzögert (§§ 95, 96, 344, 380, 409 ZPO) oder die Durchführung eines von ihm eingeleiteten Verfahrens abbricht (§§ 269, 494a, 516, 565 ZPO). Die vorliegende Konstellation ist dadurch gekennzeichnet, dass zwei Folgen des Veranlassungsprinzips aufeinander treffen. Für die Klagerücknahme gilt, dass derjenige, der zurücknimmt, zahlen soll, und wegen des vorangegangenen Versäumnisurteils gilt der Grundsatz, dass der Säumige die Kosten der Säumnis trägt. Beide Postulate schließen sich aber nicht gegenseitig aus, haben vielmehr nebeneinander Geltung und sind in ein und derselben Kostenentscheidung sachgerecht zu verwirklichen. Denn die Säumnis ist nicht durch die Klageerhebung veranlasst.
d) Schließlich sprechen angesichts des geltenden Kostenrechts auch prozessökonomische Gesichtspunkte für eine i.S. des § 344 ZPO differenzierte Kostenverteilung bei der Klagerücknahme. Seit In-Kraft-Treten des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 vom 24. 6. 1994 (BGBl I, 1325) wäre die Klagerücknahme ohne Aussonderung der Säumniskosten teurer als ein klageabweisendes Urteil, so dass der gebührenrechtliche Anreiz zur freiwilligen Prozessbeendigung mit Entlastungswirkung für das Gericht ausbliebe. Bis zum In-Kraft-Treten des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 am 1. 7. 1994 fiel bei Klagerücknahme nach mündlicher Verhandlung lediglich eine Gerichtsgebühr an, und für das echte Versäumnisurteil entstand keine zusätzliche Gebühr. Daher war die Klagerücknahme auch dann der kostengünstigere Weg der Erledigung gegenüber dem streitigen Endurteil, wenn dem Kl.gem. § 269 III 2 ZPO - unter Außerachtlassung der Säumnis des Beklagten - sämtliche Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden, weil er zwei Urteilsgebühren sparte.
Seit der Geltung des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 gibt es für den Fall eines vorangegangenen Versäumnisurteils keine gebührenrechtliche Privilegierung der Klagerücknahme gegenüber der streitigen Entscheidung mehr, weil die zu Beginn nach Nr. 1210 KV GKG (Nr. 1201 KV GKG a.F.) angefallene dreifache Verfahrensgebühr wegen des vorausgegangenen (Versäumnis-)Urteils trotz Klagerücknahme nicht gem. Nr. 1211a KV GKG (Nr. 1202a KV GKG a.F.) reduziert wird (LG Berlin, JurBüro 1995, 430; OLG Hamburg, JurBüro 1996, 488; OLG Hamm, OLG-Report 1996, 72; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 638; OLG München, MDR 1996, 968; JurBüro 1997, 95; OLG Bremen, OLG-Report 2001, 34). Würden den Kl. auch noch die Säumniskosten treffen, wie etwa die halbe Verhandlungsgebühr seines Rechtsanwalts für die Beantragung des Versäumnisurteils (§§ 11, 33 I 1 BRAGO), die gem. § 38 II BRAGO nicht auf die im Einspruchstermin angefallene Verhandlungs- oder Erörterungsgebühr angerechnet wird, zuzüglich Mehrwertsteuer (§ 25 II BRAGO), eventuell Reisekosten zur Wahrnehmung des Einspruchstermins, Kosten für eine zusätzliche oder nochmalige Ladung von Zeugen sowie deren Verdienstausfall, würde die kostenmäßige Begünstigung der Klagerücknahme vollständig entfallen und der Klagerücknahme in der Praxis eine Grundlage entzogen (OLG Bremen, OLG-Report 2001, 34).
3. Eine Aussonderung der durch den Beklagten verursachten Säumniskosten scheidet indessen im Streitfalle aus, weil die Voraussetzungen des § 344 ZPO entgegen der Ansicht des BeschwGer. nicht erfüllt sind.
a) § 344 ZPO greift nur ein, wenn das Versäumnisurteil nach §§ 330ff. ZPO in gesetzlicher Weise ergangen ist. Der Beklagte ist vom Gericht zwar mit der vorgesehenen Belehrung aufgefordert worden, seine Verteidigungsabsicht anzuzeigen (§ 276 I 1, II ZPO). Die Kl. hat auch einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren nach § 331 III ZPO gestellt. Aber der Erlass des Versäumnisurteils verstößt gegen die Vorschrift des § 337 S. 1 ZPO, die auf die bekl. Partei, die im schriftlichen Vorverfahren keine Verteidigungsanzeige macht, entsprechend anzuwenden ist (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl. [2003], § 337 Rdnr. 4). Denn die Säumnis des Beklagten ist unverschuldet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das fehlende Verschulden des Beklagten am Erscheinen für das Gericht, woran es hier fehlte, erkennbar war. Maßgeblich ist allein die objektive Rechtslage (BGH, NJW 1961, 2207; statt aller: Musielak/Stadler, § 344 Rdnr. 2).
b) Für den Begriff des Verschuldens i.S. des § 337 1 ZPO ist die Rechtsprechung zum Wiedereinsetzungsgrund nach § 233 ZPO heranzuziehen (Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 337 Rdnr. 3; Musielak/Stadler, § 337 Rdnr. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 344 Rdnr. 4). Danach muss eine Partei, die nicht bereits in einen Prozess verwickelt ist und auch nicht mit dem Beginn eines Verfahrens rechnen muss, keine allgemeinen Vorkehrungen für eine mögliche Fristwahrung treffen (RGZ 78, 121 [125]; BGH, NJW 1986, 2958; Stein/Jonas/Roth, § 233 Rdnr. 64 „Abwesenheit“ a; Musielak/Grandel, § 233 Rdnr. 6). Das BVerfG hat in ständiger Rechtsprechung (BVerfGE 34, 154 [156f.] = NJW 1973, 187; NJW 1976, 1537; NJW 1993, 847 m.w. Nachw.) bei einer Urlaubsabwesenheit von „längstens etwa sechs Wochen“ die Zumutbarkeit besonderer Vorkehrungen wegen der möglichen, aber zeitlich ungewissen Zustellung - in jenen Fällen eines Bußgeldbescheids oder Strafbefehls - sogar dann verneint, wenn der Betroffene vorher zu der Beschuldigung polizeilich vernommen worden war (BVerfGE 34, 156 = NJW 1973, 187). Hier handelt es sich um eine Urlaubsabwesenheit von einem Monat. Der Beklagte hatte auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass ihm während seiner Abwesenheit eine Räumungsklage zugestellt würde. Es war im Gegenteil ungewiss, ob die Kl. ihren Anspruch weiterverfolgen und wenn ja, ob und wann sie ein gerichtliches Verfahren gegen den Beklagten einleiten würde. Denn die von der Kl. bis zum 31. 5. 2002 gesetzte Räumungsfrist lag zum Zeitpunkt des Urlaubsreiseantritts des Beklagten bereits zweieinhalb Monate zurück und die Kl. hatte weder bei der Fristsetzung noch nach deren fruchtlosem Ablauf gerichtliche Schritte angekündigt.