NJW 1968, 2287 f
Vgl. dazu auch Köhler, PdW SchuldR
AT Fall 141
Amtl. Leitsatz:
Das Verbot, den Körper und die Gesundheit
eines anderen zu verletzen, soll nicht davor schützen, daß bei
einem Unfallverletzten eine bis dahin verborgene Krankheit (hier: Hirnarteriosklerose)
entdeckt wird und der Verletzte deshalb früher in den Ruhestand versetzt
wird, als es sonst geschehen wäre. Der Schaden, den der Verletzte
durch die frühere Pensionierung erleidet, liegt nicht im Schutzbereich
des § 823 Abs. 1 BGB und ist daher nicht von dem Schädiger zu
ersetzen (Fortbildung von BGHZ 27, 137 = NJW 1958, 1041).
Aus den Gründen:
....Das Berufungsgericht hat den Beklagten dafür
verantwortlich gemacht, daß die mit dem Unfall nicht zusammenhängende
Erkrankung des Klägers (Hirnarteriosklerose) infolge des Unfalls früher
entdeckt wurde, als es sonst der Fall gewesen wäre, und daß
der Kläger deshalb schon am 1.5.1963 wegen dieser schicksalsbedingten
Erkrankung in den Ruhestand versetzt wurde.
Nun ist es zwar richtig, daß der Kläger
ohne den Unfall zu einem späteren Zeitpunkt in den Ruhestand versetzt
worden wäre. Daher kann nicht zweifelhaft sein, daß die unerlaubte
Handlung des Beklagten eine conditio sine qua non für die Pensionierung
zum 1.5. 1963 und den damit verbundenen Schaden des Klägers war. Sie
war auch eine adäquate Bedingung für diesen Schaden, den es liegt
nicht außerhalb der Erfahrung, daß eine Kopfverletzung, wie
sie der Kläger bei dem Unfall erlitten hat, zu ärztlichen Untersuchungen
und dazu führt, daß die Voraussetzungen für eine Pensionierung
des Verletzten früher entdeckt werden, als es sonst der Fall gewesen
wäre.
Das allein kann indes in einem Falle wie dem vorliegenden
nicht ausreichen, um die Ersatzpflicht des Beklagten für diesen Schaden
zu bejahen. Der erkennende Senat hat schon in seinem Urteil BGHZ 27, 137
= NJW 58, 1041 im Anschluß an die Rechtslehre und an frühere
Entscheidungen des BGH darauf hingewiesen, daß der Gesichtspunkt
der adäquaten Kausalität nicht in allen Fällen geeignet
ist, das Problem einer gerechten Begrenzung der Haftung in geeigneter Weise
zu lösen. Vielmehr ist daneben auch zu fragen, ob die Tatfolge, für
die Ersatz begehrt wird, innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm
liegt. Diese Frage ist nicht nur in Fällen der Haftung aus der Verletzung
eines Schutzgesetzes (§ 823 Abs. 2 BGB) zu stellen (vgl. BGHZ 12,
213, 217 = NJW 54, 865 und BGHZ 19, 114, 126 = NJW 56, 217). Sie ist vielmehr,
wie der BGH in dem schon erwähnten Urteil BGHZ 27, 137 = NJW 58, 1041
entschieden hat, nicht minder von Bedeutung, wenn wie hier Ersatzansprüche
aus § 823 Abs. 1 BGB hergeleitet werden. Auch im Rahmen dieser Bestimmung
ist zu prüfen, ob der geltend gemachte Schaden innerhalb des Schutzzweckes
der Vorschrift liegt, m.a.W., ob es sich dabei um Folgen handelt, die in
den Bereich der Gefahren fallen, um deretwillen die Rechtsnorm erlassen
wurde.
Die Forderung Essers, neben der Kausalität
den “Rechtswidrigkeitszusammenhang” zu prüfen, läuft im Ergebnis
auf das Gleiche hinaus. Auch nach seiner These sollen dem Täter nur
solche Folgen zugerechnet werden, die durch den Gebots- und Verbotszweck
der Norm verhindert werden sollen. Er ist ebenfalls der Meinung, daß
die Haftungsnorm nicht alle Schadensfolgen erfassen will, sondern nur,
die, welche gerade durch das übertretene Verbot hintangehalten werden
sollen (ESSER, Schuldrecht, 1960, § 61). Hiernach sind Sinn und Tragweite
der verletzten Norm zu untersuchen, um zu klären, ob der geltend gemachte
Schaden durch diese Norm verhütet werden sollte. § 823 Abs. 1
BGB, auf den sich der Kläger in erster Linie stützt, schützt
in dem hier in Betracht kommenden Teil die Unversehrtheit des Körpers
und die Gesundheit. Diese Bestimmung will durch das Verbot, diese Rechtsgüter
anderer zu verletzen, und durch die Pflicht zur Wiedergutmachung, die an
die schuldhafte Verletzung des Körpers und der Gesundheit geknüpft
ist, gegen die Gefahren zu schützen, die sich aus einer Verletzung
dieser Rechtgüter ergeben.
Wird jemand, wie im vorliegenden Falle der Kläger,
bei einem Unfall verletzt, so kann nicht zweifelhaft sein, daß nicht
nur die Heilungskosten, sondern auch der Ersatz des Verdienstausfalls,
den der Verletzte erleidet, weil er wegen der Unfallverletzungen seinem
Beruf oder seinem Erwerb nicht mehr nachgehen kann, innerhalb des Schutzzweckes
liegen, dem § 3 823 Abs. 1 BGB dient. Das gleiche gilt für den
Ausgleich der Nachteile, die der Verletzte dadurch erleidet, daß
wegen der beim Unfall erlittenen Gesundheitsschäden vorzeitig in den
Ruhestand versetzt wird. All das sind Folgen der Körperverletzung,
die § 823 Abs. 1 BGB hintanhalten will. Sie fallen also in den Schutzbereich
des Gesetzes.
Anders verhält es sich aber mit dem Schaden,
dessen Ersatz der Kläger begehrt. Das Verbot der Körperverletzung
soll nicht davor schützen, daß bis dahin verborgen gebliebene
Erkrankungen entdeckt werden und dann zur Pensionierung führen. Insoweit
sind durch den Unfall keine Gefahren verwirklicht worden, die das Gesetz
verhüten will. Daß eine Krankheit erkannt wird, ist ein Geschick,
das dem Menschen jederzeit widerfahren kann. Es gehört zu den allgemeinen
Lebensrisiken, fällt aber nicht in den Gefahrenbereich, den §
823 Abs. 1 BGB schützen will.
Die gleichen Erwägungen gelten, soweit §
7 StVG als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt. Auch hier liegt die Tatfolge,
für die der Kläger Ersatz begehrt, außerhalb des Schutzbereiches
der gesetzlichen Bestimmung.
<- Zurück mit dem "Back"-Button Ihres Browsers!