Folgen des Verlusts der Rechts- und Parteifähigkeit während des Rechtsstreits

BGH, Urteil v. 29.09.1981 - VI ZR 21/80

Fundstellen:

NJW 1982, 238
LM § 50 ZPO Nr. 34
MDR 1982, 220
JZ 1981, 843
BB 1982, 694
DB 1981, 2601
WM 1981, 1387
ZIP 1981, 1268



Amtlicher Leitsatz

1.) Verlieren eine KG und ihre Komplementär-GmbH während des Rechtsstreits ihre Rechts- und Parteifähigkeit, so ist der Rechtsstreit, sofern die gegen sie gerichtete Klage bis dahin begründet war, in der Hauptsache erledigt.
2.) Trotz Verlustes der Rechts- und Parteifähigkeit können die erloschenen Gesellschaften im Prozeß eine Erledigungserklärung abgeben und gegebenenfalls auch zur Tragung von Kosten verurteilt werden.



Zum Sachverhalt:

Das LG hat die Erstbekl., eine GmbH & Co. KG, und die Zweitbekl., die Komplementär-GmbH der Erstbekl., verurteilt. Während des Berufungsverfahrens ist die Firma der Erstbekl. im Handelsregister von Amts wegen gelöscht worden. Auch die Zweitbekl. ist, und zwar gem. § 2 des Löschungsgesetzes, im Handelsregister gelöscht worden. Daraufhin haben die Kl. den Rechtsstreit hinsichtlich der beiden Erstbekl. in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dem haben diese indessen widersprochen und weiter auf Klagabweisung bestanden. Das OLG hat die Verurteilung der Bekl. für wirkungslos erklärt. Die bis zum Erlöschen der Erstbekl. und der Zweitbekl. entstandenen zweitinstanzlichen Kosten hat es diesen Bekl. als Gesamtschuldnern auferlegt. Auf die - zugelassene - Revision hat der BGH entschieden, daß der Rechtsstreit der Kl. gegen die beiden Bekl. in der Hauptsache erledigt ist.

Aus den Gründen:

... A. ... I. Die Revision der beiden Bekl. ist zulässig, obwohl sie, wie darzulegen sein wird, während des Berufungsrechtszuges ihre Rechtsfähigkeit und damit ihre Parteifähigkeit verloren haben (§ 50 ZPO). Die Erstbekl. macht nämlich geltend, sie habe in Wahrheit ihre Parteifähigkeit nicht verloren, und will eine Abweisung der Klage aus Sachgründen erreichen, hilfsweise will sie mit ihrer Revision die Klage als unzulässig abgewiesen haben, weil sie mangels Parteifähigkeit aus dem Prozeß ausgeschieden sei und ihr auch keine Kosten auferlegt werden könnten. Auch die Zweitbekl., die von dem Verlust ihrer Rechts- und damit Parteifähigkeit ausgeht, begehrt aus diesem letzten Grunde Abweisung der Klage ohne Kostenlast. Damit steht die Parteifähigkeit dieser beiden Bekl. im Streit, mindestens die prozessualen und kostenrechtlichen Folgen des Verlustes ihrer Parteifähigkeit. Zur Austragung dieses Streites sind die Bekl. aber als parteifähig zu behandeln (BGHZ 24, 91 (94) = NJW 1957, 989 m. Nachw.; ferner BGHZ 74, 212 (215) = NJW 1979, 1592).

II. Der Rechtsstreit gegen die Erstbekl. ist in der Hauptsache erledigt, soweit die Klage gegen sie von Anfang an begründet war. Die KG ist voll beendet und damit nicht mehr existent. Dasselbe gilt für die Zweitbekl., die Komplementär-GmbH. Das ist im Urteil auszusprechen und führt im Ergebnis zur Belastung mit den anteiligen Kosten des Rechtsstreits.

1. Die Zweitbekl., die Komplementär-GmbH der Erstbekl., ist durch Vollbeendigung erloschen und besteht auch nicht als Liquidationsgesellschaft weiter. Ihre Löschung ist nämlich wegen Vermögenslosigkeit erfolgt, und nach den Feststellungen des BerGer. gibt es auch kein Vermögen, das (noch) zu verteilen sein könnte. Eine Liquidation hat nicht stattgefunden und kann auch nicht stattfinden, weil kein Aktivvermögen vorhanden ist. Die GmbH existiert sachlich-rechtlich nicht mehr und kann deshalb auch nicht mehr rechtsfähig sein. Die Möglichkeit, daß der bekl. GmbH aus dem laufenden Prozeß noch Kostenerstattungsansprüche zustehen könnten, steht dem nicht entgegen (vgl. BGHZ 74, 212 = NJW 1979, 1592, für den Fall des Erlöschens eines rechtsfähigen Vereins; a. A. Theil, JZ 1979, 568).
Mit dem Erlöschen der Zweitbekl. als Rechtsperson und damit dem Wegfall ihres persönlich haftenden Gesellschafters ist von der bekl. KG nur noch ein Kommanditist übrig geblieben; eine Handelsgesellschaft existiert schon deshalb nicht mehr. Im übrigen ist die KG auch voll beendet, weil sie unstreitig ihre Geschäfte eingestellt hat, Vermögen nicht vorhanden ist (weshalb sie auch nicht als Liquidationsgesellschaft weiterbestehen kann) und sie im Handelsregister gelöscht ist. Da die Erstbekl. mithin rechtlich nicht mehr existent ist, hat sie ihre nach § § 161, 124 HGB bis dahin begründete Parteifähigkeit verloren, ohne daß es darauf ankommt, daß der Wegfall ihrer vertretungsberechtigten Gesellschafterin, der Zweitbekl., für sich allein nicht zu einer Unterbrechung des Prozesses führen konnte, weil sie durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (§ 246 ZPO), ein Umstand, aus dem die Revision vergeblich das Weiterbestehen der Parteifähigkeit der Erstbekl. herleiten will.

2. Mit der Vollbeendigung der Erstbekl. und dem Erlöschen der Zweitbekl. ist die gegen sie gerichtete Klage nachträglich unzulässig geworden; hätten die Kl. sie weiter verfolgt, hätte sie als unzulässig abgewiesen werden müssen (BGHZ 74, 212 = NJW 1979, 1592). Nach der Ansicht des RG (RGZ 141, 274 ff. m. Nachw.; ihm folgend noch Baumbach-Duden, HGB, 24. Aufl., § 124 Anm. 5 E) sollten freilich die Gesellschafter persönlich, wenn auch in ihrer Eigenschaft als Träger des Gesamthandsvermögens, Partei im Gesellschaftsprozeß sein mit der Folge, daß sie nach Vollbeendigung der Gesellschaft Partei bleiben, wenn auch nicht als Gesamthänder, sondern jeder allein und für sich; notfalls sei das Rubrum zu berichtigen. Danach wäre also kein eigentlicher Parteiwechsel eingetreten. Im Streitfall wäre anstelle der Erstbekl. nunmehr deren einziger, z. Zt. der Beendigung der Gesellschaft vorhandener Kommanditist Bekl., obwohl seine Haftung für Gesellschaftsschulden beschränkt ist, eine Konsequenz, die freilich auch vom RG so nie gezogen worden ist. Indessen ist es nicht richtig, daß der Rechtsstreit gegen die KG sich nach Vollbeendigung automatisch gegen die verbliebenen Gesellschafter richtet. Gesellschaft und Gesellschafter sind verschiedene Prozeßobjekte und müssen auch als solche behandelt werden. Das hat zur Folge, daß eine Fortsetzung des mit der Gesellschaft geführten Prozesses nur im Wege der Parteiänderung nach § 263 ZPO erfolgen kann (Fischer, in: Festschr. f. Hedemann, 1958, S. 85 ff.; ders., in: Großkomm. z. HGB, 3. Aufl., § 124 Anm. 32, 33; Schlegelberger-Geßler, HGB, 4. Aufl., § 124 Anm. 27; Huber, ZZP 82 (1969), 249 ff.; BGHZ 62, 131 = NJW 1974, 750; OLG Frankfurt, BB 1976, 2292; teilweise abweichend Henckel, ZGR 1975, 232). Jedoch ist der Kl. nicht genötigt, den Gesellschaftsprozeß gegen einen oder mehrere Gesellschafter fortzusetzen. Er kann gute Gründe haben, einzelne Gesellschafter nicht in Anspruch zu nehmen, etwa weil eine Forderung gegen sie nicht zu realisieren wäre. Im Streitfall fällt für ihn die persönlich haftende Gesellschafterin der KG, die Zweitbekl., schon deshalb als Prozeßgegner aus, weil sie ebenfalls nicht mehr existent ist. Der verbliebene Kommanditist würde nur gem. § 171 HGB haften. In einem solchen Fall müssen die Kl. sowohl gegenüber der Erstbekl. als auch gegenüber der Zweitbekl. die Möglichkeit haben, sofern und soweit ihre Klage bis zum Verlust von deren Rechts- und Parteifähigkeit begründet war, ohne Kostenlast den Prozeß zu beenden. Der geeignete Weg dazu, den die Kl. im Streitfall auch beschritten haben, ist die Erklärung der Erledigung der Hauptsache. Tatsächlich hat sich der Rechtsstreit nachträglich durch ein von den Kl. nicht zu vertretendes Ereignis erledigt (Fischer, S. 85 ff.; ders., in: Großkomm. z. HGB, § 124 Anm. 32, 33; Schlegelberger-Geßler, § 124 Anm. 27; Huber, ZZP 82 (1969), 249 ff.; Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 93 Rdnr. 1, gegen Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 39. Aufl., § 93 Anm. 4).

Nach der Ansicht von Huber kann nun der Kl. eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht geltend machen: Übereinstimmende Erledigungserklärungen könnten nicht abgegeben werden, weil die bekl. Gesellschaften mangels Parteifähigkeit keine wirksamen Prozeßhandlungen mehr vornehmen könnten; eine Erledigungserklärung auf Antrag des Kl. könnte nicht erlassen werden, weil gegen die nicht parteifähige Gesellschaft kein Urteil, auch kein Erledigungsurteil, mehr ergehen könne; auch könnten den nicht mehr parteifähigen Gesellschaften keine Kosten mehr auferlegt werden (Huber, ZZP 82 (1969), 250). Der von ihm vorgeschlagene Ausweg, die Klage statt gegen die Gesellschaft gegen die Gesellschafter zu richten, ist indessen, wie dargelegt, nicht immer gangbar und den Kl. auch nicht zuzumuten. Seinem Standpunkt kann auch aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Wenn, wie oben bereits dargelegt, die Parteifähigkeit der voll beendeten, nicht mehr existenten Gesellschaft insoweit fingiert wird, als es im Rechtsstreit noch um diese Parteifähigkeit geht, muß das auch für den Fall der Erledigung der Hauptsache durch Erlöschen der Rechts- und Parteifähigkeit gelten. Die Frage, ob und gegebenenfalls mit welcher Kostenfolge die erloschene Gesellschaft aus dem Prozeß ausscheidet, betrifft jedenfalls noch ihre Parteifähigkeit. Es muß ihr mithin gestattet sein, ebenfalls im Prozeß eine Erledigungserklärung abzugeben und gegen den Prozeßgegner Kostenanträge zu stellen. Erst recht muß es ihr gestattet sein, mit prozessualer Wirkung einer Erledigungserklärung der Kl. zu widersprechen. Die Parteien können gerade darum streiten, ob einer verklagten Gesellschaft die Rechts- und damit Parteifähigkeit von Anfang an gefehlt hat oder ob sie erst im Laufe des Prozesses verlorengegangen ist, ob mithin die Klage von vornherein unzulässig war, so daß sie abzuweisen ist, oder erst später unzulässig geworden ist, womit der Rechtsstreit seine Erledigung gefunden hat.