Besitzkehr bei Abschleppen eines Falschparkers vom Privatparkplatz 

LG Frankfurt, Urteil v. 22.06.1983 - 2/1 S 59/83


Fundstelle:

NJW 1984, 183
Zur Gesamtproblematik vgl. Schwarz/Ernst NJW 1997, 2550 ff



Leisätze:

1. Der Besitzer eines Parkplatzes kann sich sofort nach Entziehung des Besitzes durch Abschleppen des rechtswidrig abgestellten Fahrzeugs wieder des Besitzes bemächtigen.
2. Von der nach  § 859 III BGB geforderten 'sofortigen' Besitzkehr kann auch dann gesprochen werden, wenn der Pkw erst etwa vier Stunden nach dem Abstellen abgeschleppt wird und die Motorhaube bereits abgekühlt ist.



Zum Sachverhalt:

Die Kl. begehrt Schadensersatz in Höhe von 1468,82 DM, weil der Bekl. am 20. 5. 1982 gegen 0.15 Uhr ihren Wagen von seinem Parkplatz auf dem Parkoberdeck des Hauses M. abschleppen ließ. Die Kl. hatte den Wagen am 19. 5. 1982 gegen 20 Uhr auf dem Parkplatz des Bekl. abgestellt, am Morgen des 20. 5. 1982 Diebstahlsanzeige beim 10. Polizeirevier in der G-Straße erstattet und erst am 28. 6. 1982 in der L-Straße wiedergefunden, wohin der Wagen abgeschleppt worden war.
Das AG hat der Klage in Höhe von 792 DM stattgegeben.
Die hiergegen gerichtete Berufung des Bekl. hatte Erfolg, die Anschlußberufung des Kl. wurde zurückgewiesen.

Aus den Gründen:

... Die Kl. kann von dem Bekl. keinen Schadensersatz gem.  § 823 I BGB verlangen, da der Bekl. in berechtigter Weise ihren Pkw von seinem Parkplatz hat abschleppen lassen. Der Bekl. hat nicht widerrechtlich gehandelt, da er sich der rechtswidrigen Störung seines Besitzes an dem Parkplatz und der verbotenen Eigenmacht ( § 858 BGB) der Kl. dadurch erwehren konnte, daß er den Wagen der Kl. abschleppen ließ. In Literatur und Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, daß auf die Fälle vorliegender Art § 859 III BGB Anwendung findet, wonach der Besitzer des Parkplatzes als Besitzer eines Grundstückteiles sich sofort nach Entziehung des Besitzes durch Entsetzung des Täters durch Abschleppen des rechtswidrig abgestellten Fahrzeuges wieder des Besitzes bemächtigen kann. Dies räumt die Kl. unter Bezugnahme auf das Referat von Jung (21. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1983, Arbeitskreis VI - Abschleppen von Kraftfahrzeugen) auch selbst ein. Soweit sie in diesem Zusammenhang allerdings die Ansicht vertritt, daß von der nach  § 859 III BGB geforderten 'sofortigen' Besitzkehr dann nicht mehr gesprochen werden könne, wenn der Wagen erst etwa vier Stunden nach dem Abstellen abgeschleppt werde und die Motorhaube bereits abgekühlt gewesen sei, vermag die Kammer dem nicht zu folgen.
'Sofort' ist dahingehend auszulegen, daß die Besitzkehr so schnell wie nach objektiven Maßstäben möglich zu erfolgen habe ohne Rücksicht auf die subjektive Kenntnis der Entziehung (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 42. Aufl. (1983), § 859 Anm. 3b; Staudinger-Bund, BGB, 12. Aufl. (1982), § 859 Rdnr. 17). Dies bedeutet nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur aber nicht, wie die Kl. meint, daß die Entsetzung des Täters augenblicklich nach der Besitzentziehung und so lange die Motorhaube noch warm ist, erfolgen müsse (vgl. Staudinger-Bund, § 859 Rdnr. 17). Vielmehr dürfen keine übertrieben strengen Anforderungen gestellt werden, sondern es ist eine am Zweck der Norm ausgerichtete interessengerechte Auslegung vorzunehmen, wobei zu berücksichtigen ist, daß der Besitzer des Parkplatzes, wenn er seinen Platz besetzt findet, meist nicht feststellen kann, wann das Fahrzeug abgestellt wurde und wie lange es dort schon steht. Bereits aus der Entstehungsgeschichte des  § 859 III BGB ergibt sich, daß nach dem Willen des Gesetzgebers 'sofort' nicht im Sinne von augenblicklichem bzw. blitzschnellem Handeln verstanden werden darf, da bei einer so engen Auslegung das Wiederbemächtigungsrecht in seiner Wirksamkeit zu weit beeinträchtigt würde (vgl. Prot. III 39, 40). Es ist daher gleichermaßen in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, daß eine Entsetzung des Besitzstörers 'noch am gleichen Tag' oder 'noch am gleichen Abend', aber auch 'noch am folgenden Tag' als in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Besitzstörung und damit als sofort i. S. des  § 859 III BGB angesehen werden muß (vgl. RG, GA 51, 191: noch an demselben Nachmittag des Tages; OLG Karlsruhe, OLGZ 1978, 206 (207): noch am gleichen Abend; der Mieter handelt noch 'sofort', wenn er sich einen Tag nach der gewaltsamen Entziehung der Wohnung wieder bemächtigt, vgl. RG, SeuffBl 68, 145; Haase, in: MünchKomm, § 859 Rdnr. 24; Staudinger-Bund, § 859 Rdnr. 17). Da der Bekl. unstreitig nur wenige Stunden nach dem Abstellen des Wagens der Kl. zu dem Parkplatz kam und nach einer ihm zuzubilligenden Informations-, Überlegungs- und Vorbereitungszeit (vgl. Prot. III, 39, 40; Palandt-Bassenge, § 859 Anm. 3; BGH, NJW 1967, 46 (48)) noch am gleichen Abend unverweilt zur Entsetzung der Kl. aus seinem Besitz schritt, hat er sofort i. S. des  § 859 III BGB gehandelt.
Die Kl. kann sich auch nicht darauf berufen, daß der Bekl. widerrechtlich gehandelt habe, weil er bei dem Abschleppen über das zur Abwehr der Besitzstörung gebotene Maß hinausgegangen sei. Ein Abstellen auf einen anderen Parkplatz auf dem Parkoberdeck war nicht zu verlangen, da dadurch möglicherweise wiederum eine verbotene Eigenmacht gegenüber anderen Parkplatzbesitzern begangen worden wäre und der Bekl. nicht wissen konnte, welche anderen Parkplätze auf dem Parkoberdeck unvermietet waren bzw. unbelegt bleiben würden. Dem Bekl. kann auch nicht vorgeworfen werden, daß er den Wagen in die Nähe des zuständigen 10. Polizeireviers abschleppen ließ und nicht in unmittelbarer Nähe des Parkplatzes im öffentlichen Verkehrsraum abstellte. Der Bekl. hat hierzu vorgetragen, daß dies wegen der Parkplatznot im gesamten Wohnbereich M. und dem Umstand, daß bekanntermaßen gerade dort viele Wagen aufgebrochen und gestohlen würden, nicht möglich bzw. angezeigt gewesen sei. Da der Bekl. im Rahmen seiner Schadensgeringhaltungspflicht aber auch gehalten war, für einen möglichst sicheren Abstellplatz Sorge zu tragen, kann nicht beanstandet werden, daß er den Wagen auf Anraten des Abschleppunternehmers und der Polizei in der Nähe des Polizeireviers abstellen ließ.
Dem Bekl. kann schließlich auch nicht vorgeworfen werden, daß er schuldhaft seine aus  § 242 BGB sich ergebende Pflicht zur Ergreifung zumutbarer Maßnahmen zur Schadensgeringhaltung (vgl. Palandt-Bassenge, § 859 Anm. 2) im Rahmen des  § 859 BGB verletzt habe. Eine besondere Information des zur Nachtzeit nicht erreichbaren Hausmeisters am nächsten Tag über den Abschleppvorgang war nicht geboten, da der Bekl. seinerseits davon ausgehen durfte, daß die Kl. von der Polizei entsprechend darüber informiert werden würde oder ihrerseits beim Hausmeister nachfragen würde, wer Mieter oder Eigentümer des Parkplatzes sei, auf dem sie ihr Fahrzeug abgestellt hatte. 



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