"ne ultra petita" und Feststellungsurteil anstelle von Leistungsurteil

BGH, Urteil v. 31.01.1984  - VI ZR 150/82  

Fundstellen:

NJW 1984, 2295 mit instruktiver Anm. Walter
LM § 256 ZPO Nr. 136
MDR 1984, 660
JZ 1984, 439
FamRZ 1984, 556
VersR1984, 389



Amtl. Leitsatz:

Erweist sich die erhobene Leistungsklage als unbegründet, entspricht aber der Erlaß eines Feststellungsurteils dem Interesse der klagenden Partei, so kann das Gericht dem in dem Leistungsbegehren enthaltenen Antrag auf Feststellung des Rechtsverhältnisses auch dann stattgeben, wenn dieser Antrag nicht ausdrücklich hilfsweise gestellt ist.


Zum Sachverhalt:

Der Kl. verlangt von der bekl. Bundesrepublik nach § 844 II BGB Ersatz des ihm durch den tödlichen Unfall seiner Ehefrau entstandenen Unterhaltsschadens. Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Bekl. dem Grunde nach in vollem Umfang hierfür einstehen muß. Streitig ist nur noch die Höhe des Schadens und die Frage, ob das BerGer. die Leistungsklage in eine Feststellungsklage umdeuten und das Feststellungsurteil der Höhe nach auf einen Betrag von 470 DM begrenzen konnte.
Das LG hat dem Kl. 470 DM zuerkannt, und zwar bis längstens 11. 3. 2023 als dem Zeitpunkt der statistischen Lebenserwartung seiner Ehefrau. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das OLG hat auf die Berufung der Bekl. das Urteil des LG dahin abgeändert, daß derzeit überhaupt kein Anspruch bestehe; dem Antrag auf Leistung für künftigen Unterhaltsschaden hat es im Wege eines Feststellungsurteils stattgegeben, jedoch begrenzt auf die Zahlung einer monatlichen Rente von höchstens 470 DM bis längstens 11. 3. 2023. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung der Bekl. zurückgewiesen.
Die Revision des Kl. hatte im wesentlichen keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

... II. 3. Zu Recht beanstandet aber die Revision, daß das BerGer. den für künftigen, möglicherweise durch Krankheit, Unfall oder Erwerbslosigkeit entstehenden Unterhaltsschaden des Kl. zuerkannten Feststellungsanspruch im Urteilstenor auf einen Höchstbetrag von monatlich 470 DM begrenzt.
a) Allerdings wendet die Revision sich folgerichtig, da der Kl. insoweit nicht beschwert ist, nicht dagegen, daß das BerGer. die (nach seiner Meinung unbegründete) Leistungsklage nur als solche abweist, im übrigen aber das Begehren des Kl. in einen Antrag auf Feststellung umdeutet und diesem stattgibt. Das war nach § 308 ZPO, dessen Voraussetzungen von Amts wegen zu prüfen sind, zulässig, da das begehrte Leistungsurteil die Feststellung der Ansprüche zur Voraussetzung hatte (BGH, LM § 169 BEG 1956 Nr. 16), es sich bei der Feststellungsklage also um ein Weniger gegenüber dem Leistungsbegehren handelt. Die Zuerkennung von weniger verbietet aber § 308 ZPO nicht (für viele: Rosenberg-Schwab, ZPR, 13. Aufl., § 134 I 1 b). Auch steht es mit der allgemeinen Meinung im Einklang, daß der Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage keine Klageänderung darstellt (für viele: Stein-Jonas-Schumann-Leipold, ZPO, 19. Aufl., § 268 IV 3 m. w. Nachw.). Entspricht der Erlaß eines Feststellungsurteils statt des begehrten, aber nicht begründeten Leistungsurteils - wie im Streitfall - dem Interesse des Kl., dann bestehen keine Bedenken, daß das Gericht diesem im weiteren Antrag enthaltenen eingeschränkten Klagebegehren auch ohne ausdrückliche hilfsweise Geltendmachung durch den Kl. stattgeben kann (ebenso Baumbach-Lauterbach, ZPO, 42. Aufl., Anm. I B, und Zöller, ZPO, 13. Aufl., Anm. II 2 b - beide zu § 308; a. A.: Stein-Jonas, § 256 Anm. IV 2 b; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. § 308 Anm. B II a 1).
b) Es war jedoch rechtsfehlerhaft, den Feststellungsausspruch auf Zahlung einer monatlichen Rente von höchstens 470 DM (bis zum 11. 3. 2023) zu begrenzen. Im Verfahren, das zum Erlaß eines Feststellungsurteils führt (§ 256 ZPO), ist für eine Prüfung und Entscheidung über die Höhe des festzustellenden Anspruchs kein Raum. Voraussetzung ist lediglich, daß mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis Ansprüche entstanden sind oder in Zukunft entstehen können; letzteres zieht auch die Bekl. hier nicht in Zweifel. Erst im späteren, auf Leistung gerichteten Verfahren wird das dann zur Entscheidung berufene Gericht zu prüfen haben, ob ihm - gegebenenfalls unter Berücksichtigung des § 323 ZPO - durch eine bereits erfolgte rechtskräftige Teilabweisung hinsichtlich der Höhe der zuzuerkennenden Ansprüche Grenzen gesetzt sind. Es ist zwar unbedenklich, wenn bereits in den Gründen des Feststellungsurteils vorsorglich zur Klarstellung auf einen solchen künftig zu beachtenden Umstand hingewiesen wird; im Urteilstenor ist jedoch für eine solche Begrenzung, die ohnehin immer unter dem Vorbehalt des § 323 ZPO stehen würde, kein Raum. Der Urteilstenor war dementsprechend zu berichtigen.


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