Voraussetzungen der gewillkürten Prozeßstandschaft, Wahrung des Interessen des Beklagten (Sicherheit für Prozeßkosten)
BGH, Urteil v. 21.12.1989  - VII ZR 49/89 (Saarbrücken)


Fundstellen:

NJW 1990, 1117 f
LM § 51 ZPO Nr. 21
MDR 1990, 709
DB 1990, 1324
WM 1990, 655
ZIP 1990, 330



Amtl. Leitsatz:

Klagt der ursprüngliche Inhaber einer sicherungshalber abgetretenen Forderung diese zulässig in gewillkürter Prozeßstandschaft ein und tritt erst danach sein Vermögensverfall zutage, so bestehen jedenfalls dann keine Bedenken gegen die Fortdauer seiner Prozeßführungsbefugnis, wenn der Zessionar für den Fall des Unterliegens dem Gegner Bankbürgschaften anbietet, die dessen volles Prozeßkostenrisiko abdecken (Fortführung von Senatsurteilen BGHZ 96, 151 = NJW 1986, 850 = LM § 51 ZPO Nr.  14; NJW 1989, 1932 und NJW-RR 1989, 1104 = BauR 1989, 610 = ZfBR 1989, 199).



Zum Sachverhalt:

Die Kl. begehrt die Zahlung von Restwerklohn in Höhe von noch 1199075,52 DM nebst Zinsen. Sie führte aufgrund Vertrages vom 5. 11. 1979 mit dem Bekl. Erd-, Maurer- und Rohrverlegungsarbeiten für den Hauptsammler in O. durch. Die Kl. trat die Werklohnforderung bereits vor Klageerhebung an die Kreissparkasse ab. Mit am 23. 3. 1984 eingegangener Klage machte die Kl. den von ihr in der Schlußrechnung vom September 1983 ermittelten Restwerklohn erstmals - entsprechend der Ermächtigung der Zessionarin im eigenen Namen - gerichtlich geltend; die erwähnte Abtretung offenbarte sie zunächst nicht. Am 11. 12. 1985 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen mangels kostendeckender Masse abgelehnt. Die Kl. hat von dem Bekl. - bereits im landgerichtlichen Verfahren - zuletzt Zahlung an die Kreissparkasse verlangt. Der Bekl. ist der Forderung und der Prozeßführung durch die Kl. entgegengetreten. Die Kl. befindet sich mittlerweile in Liquidation. Seit Januar 1986 ist die Abtretung offengelegt.
Die vor dem LG zum größten Teil obsiegende Kl. hat Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische Bürgschaft der genannten Kreissparkasse erbracht, wobei 30000 DM auf erstinstanzliche Kosten entfallen sollen. In der mündlichen Berufungsverhandlung bot die Kl. zudem "zur Absicherung aller dem Bekl. eventuell aus der Fortführung des Rechtsstreits erwachsenden Kostenerstattungsansprüche" eine Bürgschaft der Sprakasse über weitere 60000 DM an. Der Prozeßbevollmächtigte des Bekl. lehnte jedoch den Abschluß eines Bürgschaftsvertrages als nicht von seiner Vollmacht gedeckt ab. Das von der Kl. nach Abschluß der mündlichen Berufungsverhandlung, aber vor Verkündung des Berufungsurteils wiederholte Angebot, einen entsprechenden Bürgschaftsvertrag abzuschließen, nahm der Bekl. ebenfalls nicht an. Das OLG hat die Klage für unzulässig gehalten und abgewiesen. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:

Das BerGer. nimmt an, es liege kein schutzwürdiges Eigeninteresse der Kl. an der Geltendmachung des fremden Rechts im eigenen Namen vor. Es sei zu besorgen, daß gegen die Kl. gegebenenfalls weder Kostenerstattungsansprüche des Bekl. noch Gebührenforderungen der Landeskasse durchgesetzt werden könnten. Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf jemand ein fremdes Recht aufgrund einer ihm von dem Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen im Prozeß verfolgen, sofern er hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat (sog. gewillkürte Prozeßstandschaft; vgl. BGHZ 100, 217 (218) = NJW 1987, 2018 = LM § 51 ZPO Nr. 15 m. w. Nachw.; zuletzt Senat, NJW 1989, 1932; NJW-RR 1989, 1104 = BauR 1989, 610 = ZfBR 1989, 199).
2. Die Ermächtigung muß wirksam erteilt worden sein und darf nicht nachträglich entfallen sein. Das hat das BerGer. jedoch ohne Rechtsirrtum angenommen. Anhaltspunkte für eine von vornherein bestehende Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) der Ermächtigung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Daß im Zeitpunkt der Abtretung und Ermächtigung die Sittenwidrigkeit begründende Umstände vorgelegen hätten, ist nicht dargetan. Insbesondere kann nach dem Sach- und Streitstand nicht etwa angenommen werden, die Ermächtigung sei in dem Bewußtsein oder gar mit dem Ziel der "Risikoverlagerung" erteilt worden. Die Ermächtigung ist auch nicht nachträglich sittenwidrig geworden; es kommt insoweit auf die Verhältnisse im Zeitpunkt ihrer Erteilung an (Senat, NJW 1989, 1932 (1933) m. Nachw.). Schließlich hat die Sparkasse die Ermächtigung auch nie widerrufen.
3. Ein eigenes schutzwürdiges Interesse der Kl. daran, die Klageforderung im eigenen Namen gegen den Bekl. weiter gerichtlich geltend zu machen, ist entgegen der Annahme des BerGer. hier zu bejahen.
a) Das schutzwürdige Eigeninteresse ist beispielsweise angenommen worden, wenn der Verkäufer einer abgetretenen Forderung diese wegen der ihn treffenden Gewährleistung aus § 437 BGB einklagt (BGH, NJW 1979, 924 (925)). Dieses Interesse ist ferner anzuerkennen, wenn der Zedent abgetretene Gewährleistungsansprüche geltend macht, weil im Falle der Nichtdurchsetzbarkeit der abgetretenen Rechte seine subsidiäre Eigenhaftung wieder auflebt (vgl. Senatsurteil BGHZ 70, 389 (394) = NJW 1978, 1375 = LM § 633 BGB Nr. 30). Ganz ähnlich liegt es im Streitfall, in dem die Kl. ihre behaupteten Ansprüche "zur Deckung von Schulden" an die Sparkasse abgetreten hat. Hier ist zudem durch die landgerichtliche Beweisaufnahme ein Prozeßstand erreicht, dessen Erhalt allein vernünftiger wirtschaftlicher Prozeßführung entspricht und deshalb beiden Prozeßparteien nur dienlich sein kann. Auch angesichts dessen sind an die Fortdauer des Eigeninteresses des ursprünglichen Gläubigers der eingeklagten Forderung an deren Geltendmachung keine zu strengen Anforderungen zu stellen (vgl. etwa Senat, NJW 1989, 1932 (1933)).
b) Schutzwürdig ist dieses Interesse der Kl. allerdings nur dann, wenn der Bekl. durch die gewählte Art der Prozeßführung nicht unbillig benachteiligt wird (BGHZ 96, 151 (155 f.) = NJW 1986, 850 = LM § 51 ZPO Nr. 14). Auch das ist hier aber nicht der Fall. Es kann schon nicht unterstellt werden, daß mit der gewählten Verfahrensweise der Zweck verfolgt wird, den Bekl. ungerechtfertigt schlechterzustellen. Für eine solche Annahme fehlt nach den Feststellungen jeder konkrete Anhaltspunkt. Gegen sie spricht das Bestreben der Kl., den Bekl. wegen seines ihm bei erfolgloser Klage zustehenden Kostenerstattungsanspruches vorab durch Bürgschaft gerade der Zessionarin zu sichern. Diese Bemühungen der Kl. werden auch nicht dadurch in Frage gestellt oder gar vollends entwertet, daß der Bekl. sie für unzureichend bzw. verspätet gehalten hat. Die Annahme des Angebots auf Abschluß eines Bürgschaftsvertrages hätte dem Bekl. keinesfalls nachteilig sein können.
c) Auch dem Senatsurteil BGHZ 96, 151 = NJW 1986, 850 = LM § 51 ZPO Nr. 14 (vgl. dazu Boecken-Krause, NJW 1987, 420; Bülow, WuB VII A § 51 I ZPO 1. 86; Crezelius, EWiR 1986, 203; Olzen, JR 1986, 289; Karsten Schmidt, JuS 1986, 318), auf das sich das BerGer. zu Unrecht beruft, ist nichts anderes zu entnehmen. Aus dieser Entscheidung folgt lediglich, daß einer überschuldeten vermögenslosen GmbH oder GmbH & Co. KG, die keine Aussicht hat, die Geschäfte fortzuführen, in aller Regel das schutzwürdige Eigeninteresse daran fehlt, abgetretene Forderungen nach Offenlegung der Abtretung im eigenen Namen und auf eigene Kosten mit Ermächtigung des neuen Gläubigers zu dessen Gunsten einzuklagen. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der verklagten Partei ist nach dem genannten Senatsurteil regelmäßig darin zu sehen, daß der ihr bei erfolgloser Klage zustehende Kostenerstattungsanspruch infolge Zahlungsunfähigkeit des Prozeßstandschafters aller Voraussicht nach nicht durchzusetzen ist (vgl. BGHZ 96, 151 (155) = NJW 1986, 850 = LM § 51 ZPO Nr. 14 m. w. Nachw.). Diese  Grundsätze beruhen auf der Überlegung, daß ein erkennbarer Mißbrauch der gewillkürten Prozeßstandschaft nicht hingenommen werden kann (BGHZ 96, 151 (156) = NJW 1986, 850 = LM § 51 ZPO Nr. 14; vgl. auch Senat, NJW-RR 1989, 1104 = BauR 1989, 610 (611) = ZfBR 1989, 199 (200)).
Die Annahme eines solchen Mißbrauchs drängte sich im Falle BGHZ 96, 151 = NJW 1986, 850 = LM § 51 ZPO Nr. 14 schon aus der zeitlichen Abfolge der maßgebenden Umstände auf, insbesondere der Ablehnung der Konkurseröffnung über das Vermögen der späteren Kl., dann erst Offenlegung der Abtretung, Eingeständnis der Überschuldung der späteren Kl., schließlich Klageerhebung durch sie und ihre Ermächtigung durch die Zessionarin. Ganz anders liegt es im vorliegenden Fall, in dem der Vermögensverfall erst über 11/2 Jahre nach Einreichung der Klage zutage getreten ist. Unter den hier gegebenen Umständen liegt ein Mißbrauch nicht vor. Dem Risiko, von einem Kl. in Anspruch genommen zu werden, der bei erfolgloser Klage Kostenerstattungsansprüche nicht befriedigen kann, ist ohnehin jeder Bekl. ausgesetzt. Auf die Frage eines etwaigen realisierbaren Kostenerstattungsanspruchs des Bekl. kommt es somit nicht mehr entscheidend an. Das gleiche gilt für die hier zu unterstellende Gerichtsgebührenfreiheit des Bekl.; denn dadurch dürfen die Rechte der Kl. nicht verkürzt werden.
Dieses Ergebnis ist allein sach- und interessengerecht. Auch hier (vgl. etwa Senat, NJW 1989, 1932 (1934)) ist nicht zu verkennen, daß die Kl. der ursprüngliche Vertragspartner des Bekl. war. Ohne die Abtretung an die Sparkasse wäre die Kl. zu allen Zeiten der allein in Frage kommende Prozeßgegner des Bekl. gewesen, mit der sich dieser zuvor aus freien Stücken zur Vertragspartnerschaft verbunden hatte. Eine nicht hinnehmbare "gezielte Prozeßrollenverschiebung" - und damit ein Mißbrauch - liegt daher nicht vor (vgl. dazu etwa Rosenberg-Schwab, ZPR, 14. Aufl., § 65 VII 4).
Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob § 561 ZPO der Berücksichtigung der unstreitigen Tatsache entgegensteht, daß die Kl. dem Bekl. mit Schreiben vom 8. 5. 1989 eine neuerliche Bürgschaftserklärung der Kreissparkasse vom 24. 4. 1989 übersandt hat. In dieser bietet die Sparkasse an, "gegenüber dem Bekl. für die diesem gegenüber der Kl. im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreites in 1., 2. und/oder 3. Instanz entstehenden bzw. bereits entstandenen Kostenerstattungsansprüche (Anwalts- und Gerichtskosten) die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrage von 175000 DM" zu übernehmen. Der Bekl. hat sich hierzu nicht abschließend geäußert (zur Beachtlichkeit neuer Tatsachen im Revisionsverfahren vgl. BGHZ 85, 288 (290) = NJW 1983, 867 = LM Art. 103 GG Nr. 7).
4. Nach alledem kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben; es ist aufzuheben. Da hinreichende tatrichterliche Feststellungen des BerGer. zur sachlichen Berechtigung der der Kl. vom LG zugesprochenen Forderung fehlen, ist der Senat zu eigener abschließender Entscheidung nicht in der Lage (§ 565 III Nr. 1 ZPO). Die Sache ist daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen.


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