"Keine Haftung für Rat und Auskunft" (§ 675 II BGB, früher: § 676 BGB): Konkludenter Abschluß eines Auskunftsvertrags (Bankauskunft mit Schutzwirkung für Dritte)

BGH, Urteil v. 16.10.1990  - XI ZR 165/88 (Frankfurt) 

Fundstellen:

NJW 1991, 352
LM § 676 BGB Nr. 40
MDR 1991, 338
WM 1990, 1990



Amtl. Leitsatz:

Zur Frage des Zustandekommens eines stillschweigenden Auskunftsvertrages, wenn sich ein Landrat im Rahmen einer gesellschaftlichen Veranstaltung bei dem Vorstandssprecher einer Bank erkundigt, ob die Finanzierung eines privaten Bauprojekts gesichert sei.



Zum Sachverhalt:

Die Kl. nimmt die bekl. Bank auf Schadensersatz wegen falscher Auskunft in Anspruch. Die Kl. lieferte in den Jahren 1983 und 1984 aufgrund eines mit der Grundstücksgesellschaft H-GmbH und der C-Wohn- und Gewerbebau GmbH abgeschlossenen Werkvertrages Bauteile für den Umbau eines im Landkreis D. gelegenen ehemaligen Lungensanatoriums in ein Krankenhaus. Am 3. 10. 1983 wurde der bereits fertiggestellte Teil des Klinikums im Rahmen eines Erntedankfestes der Öffentlichkeit vorgestellt. Bei dieser Veranstaltung kam es zwischen dem Vorstandssprecher der Bekl. F und dem Landrat des Landkreises Dr. K zu einem Gespräch, über dessen Inhalt die Parteien streiten. Die Kl. hat behauptet, F habe auf Befragen erklärt, daß die Gesamtfinanzierung des Bauvorhabens gesichert sei und sich mit der Weitergabe der Auskunft an die beteiligten Handwerker einverstanden erklärt. Nachdem sie Kenntnis von dieser Äußerung erhalten habe, habe sie für den Weiterbau Leistungen erbracht, für die sie 805438,20 DM beanspruchen könne. Sie hat mit der Klage einen erstrangigen Teilbetrag von 500000 DM geltend gemacht.
Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG hat der Kl. einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des negativen Interesses dem Grunde nach zuerkannt. Die Revision der Bekl. führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat die Schadensersatzansprüche auf der Grundlage eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter für begründet erachtet und dazu unter anderem ausgeführt:
Durch die Erklärung des Vorstandssprechers der Bekl. F gegenüber dem Landrat Dr. K, die Gesamtfinanzierung des Vorhabens sei sichergestellt, sei ein stillschweigender Auskunftsvertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Kl. zustande gekommen. Für F als Vertreter der Bekl. sei klar gewesen, daß die Auskunft nicht Dr. K persönlich, sondern den Vertragspartnern der Bauherren hätte dienen sollen. Damit seien diese in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen worden.
II. Diese Ausführungen greift die Revision mit Erfolg an. Die Bekl. haftet der Kl. nicht aus einem stillschweigend abgeschlossenen Auskunftsvertrag auf Schadensersatz.
1. Ein solcher Vertrag kommt nach gefestigter Rechtsprechung zustande, wenn die Auskunft der Bank für den Anfragenden erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Vermögensverfügungen machen will (BGH, LM § 676 BGB Nr. 15 = WM 1976, 498; NJW 1979, 1595 = LM § 676 BGB Nr. 19 = WM 1979, 548; NJW 1986, 180 = LM § 676 BGB Nr. 31 = WM 1985, 1531 (1532); Senat, NJW 1989, 1029 = LM § 676 BGB Nr. 36 = WM 1988, 1828 (1829); NJW 1989, 2882 = WM 1989, 1409 (1411)). Anfragender und Empfänger der Auskunft war hier jedoch nicht die Kl., sondern Dr. K. Daß dieser die Auskunft zur Grundlage irgendwelcher Vermögensdispositionen machen wollte, schied nach den Gesamtumständen ersichtlich aus.
Allerdings ist darüber hinaus anerkannt, daß eine Haftung des Auskunftgebers gegenüber dem auf die Auskunft Vertrauenden ausnahmsweise auch dann begründet sein kann, wenn die Auskunft einem Dritten erteilt worden ist. Bei dieser Sachlage ist aber erforderlich, daß die Auskunft für jenen bestimmt und der Auskunftgeber sich bewußt war, daß sie für diesen in der erwähnten Weise bedeutsam und als Grundlage entscheidender Vermögensdispositionen dienen werde (vgl. BGH, LM § 676 BGB Nr. 15 = WM 1976, 498 m. w. Nachw.; Steffen, in: RGRK, 12. Aufl., § 676 Rdnr. 42). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
a) Das BerGer. nimmt an, Dr. K habe sich, für F erkennbar, zugunsten der am Bau tätigen Handwerker einschalten wollen. Aus der von ihm gewählten Eröffnung des Gesprächs, "er sei angesprochen worden, man habe Sorgen", und der daran anknüpfenden Frage, "ob man beruhigt sein könne", ergebe sich, daß ein Vertrag mit Schutzwirkung auch zugunsten der Kl. gewollt war. Dem kann nicht gefolgt werden.
b) Ansprüche der Kl. unter dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kommen schon deshalb nicht in Betracht, weil das BerGer. nicht festgestellt hat und auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß Dr. K im eigenen Namen mit der Bekl. einen Auskunftsvertrag geschlossen hätte, in dessen Schutzbereich die Kl. hätte einbezogen werden können.
aa) Dr. K war dem Zeugen F bei einem zufälligen Zusammentreffen während einer Festveranstaltung als Landrat des Kreises vorgestellt worden und hatte sich nach dem Inhalt seiner Zeugenaussage - für den Zeugen F erkennbar - in dieser Eigenschaft nach dem Stand der Finanzierung erkundigt. Für ihn stand nach seiner Darstellung im Vordergrund, "Erkenntnisse über das Vorhaben zu sammeln", um informiert zu sein, "falls politisch jemand in die Verantwortung genommen" würde. Anders konnte die Motivation für seine allgemein gehaltene Frage von dem Zeugen F auch kaum verstanden werden. Die Annahme des BerGer., die Gesprächspartner hätten die Erkundigungen des Landrats Dr. K als Antrag auf Abschluß eines Auskunftsvertrages aufgefaßt, der Zeuge F habe eine solche Auskunft im Rahmen dieses privaten Gesprächs mit einem Politiker geben wollen, findet deshalb im Beweisergebnis keine Stütze.
bb) Die Frage nach der Schutzwirkung eines solchen Vertrages stellt sich damit nicht. Die erforderliche vertragliche Grundlage läßt sich auch nicht aus der von dem Zeugen Dr. K bei seiner Vernehmung geäußerten Auffassung herleiten, für ihn sei klar gewesen, daß er den Inhalt des Gesprächs in seiner Funktion als Landrat verwerten dürfe, da Vertraulichkeit nicht vereinbart worden sei. War eine Bankauskunft von keinem der Gesprächspartner gewollt, so entfaltet der Inhalt des Gesprächs auch bei einer Weitergabe an Dritte keine rechtsgeschäftlichen Wirkungen. Die Annahme eines Auskunftsvertrages mit dem, den es angeht (vgl. BGH, NJW 1970, 1737; Steffen, in: RGRK, § 676 Rdnr. 41), setzt voraus, daß wenigstens im Verhältnis zu diesem Dritten die Grundlagen für eine vertragliche oder vertragsähnliche Bindung gegeben sind, insbesondere also nach dem Willen der Gesprächspartner der Inhalt der Antwort die Grundlage für wesentliche Vermögensdispositionen desjenigen bilden soll, für den die Auskunft bestimmt ist. Davon kann allenfalls dann ausgegangen werden, wenn nicht nur die Absicht der Übermittlung, sondern auch die von ihr abhängenden Entscheidungen des oder der Empfänger unmißverständlich zum Ausdruck kommen. Etwas derartiges konnte den allgemein gehaltenen, nach seiner eigenen Einschätzung vorwiegend politisch motivierten Fragen des Zeugen Dr. K nicht entnommen werden. Ein Hinweis darauf, daß Handwerker die Erbringung weiterer Leistungen für das Bauvorhaben von dem Inhalt der Antwort des Zeugen F abhängig machen könnten, ist nicht erfolgt. Nach der Schilderung seiner Motivation erscheint sogar zweifelhaft, daß der Zeuge Dr. K damals an eine derartige Möglichkeit gedacht hat.
cc) Die Rechtsprechung des BGH zur Haftung für Gutachten oder Testate von Personen, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen (vgl. Senat, NJW 1989, 1029 = LM § 676 BGB Nr. 36 = WM 1988, 1828 (1829)), besagt nichts anderes. Selbst diese Personen haften nicht für den Inhalt von irgendwelchen privaten Einschätzungen, sondern nur für sachverständige Äußerungen, denen nach Form und Inhalt besondere Beweiskraft auch Dritten gegenüber zukommen soll. Im übrigen gehört der Zeuge F nicht zu diesem Personenkreis.
2. Es kann unter diesen Umständen offen bleiben, ob die Bedeutung, die das BerGer. dem Inhalt der von dem Zeugen Dr. K im einzelnen geschilderten Äußerungen des Zeugen F beigelegt hat, einer rechtlichen Überprüfung standhalten würde.
III. Das BerGer. hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - ungeprüft gelassen, ob sich eine Schadensersatzpflicht der Bekl. aus einer von dem Zeugen F dem Geschäftsführer der Kl. am 3. 10. 1983 erteilten Bankauskunft herleiten ließe. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor. Einer weiteren Aufklärung und Beweiserhebung bedarf es insoweit nicht.
Das LG ist davon ausgegangen, daß der Zeuge F im weiteren Verlauf der Festveranstaltung gegenüber den Handwerkern erklärt hat, die Finanzierung sei gesichert, die Handwerker bekämen ihr Geld. Der beantragten weiteren Beweiserhebung zu der Behauptung der Kl., der Zeuge F habe das am 25. 1. 1985 selbst eingeräumt, bedurfte es daher nicht. Die Auffassung des LG, eine Bankauskunft sei nach den Gesamtumständen in dieser Äußerung nicht zu sehen, ist rechtsfehlerfrei. Das LG hat darauf abgestellt, daß das Gespräch mit den Handwerkern in der "euphorischen Stimmung" des Erntedankfestes stattgefunden habe, die Fragen der Handwerker angesichts des nach den Zeugenaussagen fehlenden konkreten Anlasses für Bedenken hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit des Bauherrn lediglich auf allgemeinem Interesse der Handwerker beruhten und deshalb für den Zeugen F nicht deutlich gewesen sei, daß die Handwerker die weitere Ausführung von Arbeiten von seiner Antwort abhängig machen würden.
Diese Würdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der dagegen von der Kl. in der Berufungsinstanz im wesentlichen erhobene Einwand, das LG habe übersehen, daß der Zeuge F jedenfalls von dem Zeugen Dr. K über die unter den Handwerkern bestehende Unruhe, die sogar die politischen Gremien erreicht habe, informiert worden sei, ist nicht begründet. Aus dem Gespräch mit dem Zeugen Dr. K, der nach seiner Bekundung damals keine konkreten Anzeichen für eine Besorgnis hatte, konnte der Zeuge F - wie dargelegt - gerade nicht entnehmen, daß die Handwerker eine verbindliche Bankauskunft erwarteten.
IV. Der Schadensersatzanspruch der Kl. erweist sich damit als unbegründet. Das Berufungsurteil mußte daher aufgehoben werden. Da die Sache zur Entscheidung reif ist, war gem. § 565 III Nr. 1 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.



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