Unzulässigkeit der Feststellungsklage auf Ersatzpflicht "möglicher" zukünftiger Mängel


BGH, Urteil v. 26.09.1991 – VII ZR 245/90 (Frankfurt)


Fundstelle:

NJW 1992, 697
LM § 256 ZPO Nr. 167


Amtl. Leitsatz:

Eine Feststellungsklage ist im Regelfall unzulässig, wenn sie auf die Feststellung gerichtet ist, daß ein Bauunternehmer Schadensersatz für Mängel an einem Bauwerk zu leisten hat, die bisher nicht in Erscheinung getreten sind.


Zum Sachverhalt:

Die Kl. verlangen als Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft von dem Bekl. Kosten für Mängelbeseitigung und Fertigstellung sowie Schadensersatz für die verspätete Herstellung der Wohnanlage. Darüber hinaus begehren sie die Feststellung, daß dem Bekl. aus den Erwerbsverträgen kein Anspruch mehr zusteht und der Bekl. verpflichtet ist, Schadensersatz für alle weiteren, in den eingeholten Gutachten bisher nicht festgestellten Mängel zu leisten.

Das LG hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Es hat den Bekl. zur Zahlung von 256157,44 DM an die Kl. als Gesamtgläubiger, von 1068,52 DM an den Kl. zu 1 und von 6700 DM an die Kl. zu 2 - jeweils nebst Zinsen - verurteilt. Den Feststellungsanträgen hat es stattgegeben. Die Berufung des Bekl. ist erfolglos geblieben. Auf die Anschlußberufung der Kl. hat das OLG den an sie als Gesamtgläubiger zu zahlenden Betrag um 2800 DM erhöht. Die Revision des Bekl. hatte im Umfang der Annahme durch den BGH Erfolg.

Aus den Gründen:

Nach der Annahmeentscheidung ist in der Sache nur noch darüber zu befinden, ob die beiden Vorinstanzen dem hinsichtlich weiterer, bisher nicht festgestellter Mängel gestellten positiven Feststellungsantrag stattgeben durften. Das ist nicht der Fall.

1. Die Kl. haben insoweit vorgetragen, der schlechte Bautenstand bei Einstellung der Arbeiten rechtfertige für sie die begründete Annahme, daß über die bereits festgestellten Mängel hinaus weitere - bislang nicht entdeckte - Mängel vorhanden seien. Sie hätten deshalb ein schützenswertes Interesse an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des Bekl. hinsichtlich weiterer etwaiger Mängel.

Das LG hat dem Antrag mit der Begründung entsprochen, die Vielzahl der festgestellten Mängel rechtfertige die Besorgnis, daß an dem vom Bekl. errichteten Bauvorhaben noch weitere Mängel vorhanden seien, die bisher noch nicht erkannt worden seien. Dem ist das BerGer. gefolgt.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Kl., der die Feststellung eines Rechtsverhältnisses begehrt, hat grundsätzlich die dafür erforderlichen Tatsachen vorzutragen (Senat, BGHZ 103, 362 (365) = NJW 1988, 2542 = LM § 322 ZPO Nr. 117). Will er die Verpflichtung zum Schadensersatz dem Grunde nach festgestellt wissen, hat er deshalb das schadensersatzbegründende Verhalten sowie die weiteren Voraussetzungen der die Schadensersatzpflicht begründenden Norm substantiiert darzulegen.

Die Feststellungsklage setzt allerdings nicht voraus, daß ein Schaden feststeht. Es reicht aus, daß die Entstehung eines zu ersetzenden Schadens wahrscheinlich ist (BGH, NJW 1978, 544 = LM § 256 ZPO Nr. 111).

a) Dem genügt jedoch der Vortrag der Kl. nicht. Sie verlangen Schadensersatz für alle Schäden, die auf Mängeln beruhen können, die die Gutachter bisher noch nicht festgestellt haben. Als anspruchsbegründende Tatsachen tragen sie lediglich die Besorgnis vor, es seien noch weitere Mängel vorhanden. Damit ist der Richter nicht in die Lage versetzt, über die Verpflichtung des Bekl. zum Ersatz der Schäden aus etwaigen Mängeln zu entscheiden. Diese Verpflichtung kann sich aus einer positiven Vertragsverletzung oder aus § 635 BGB ergeben. Beide zum Schadensersatz verpflichtende Anspruchsgrundlagen knüpfen die Pflicht an eine Vertragsverletzung, die in der schuldhaft mangelhaften Herstellung des Werks liegt. Haftungsbegründende Voraussetzung ist demnach ein Mangel, den der Bekl. zu vertreten hat. Es ist deshalb - jedenfalls im Regelfall wie hier - erforderlich, daß die Kl. den Mangel, aus dem sie Schadensersatzansprüche ableiten, konkret bezeichnen (vgl. das nicht veröffentlichte Senatsurt. v. 28. 2. 1974 - VII ZR 127/71, S. 33 f.). Fehlt es daran und ergeht dennoch ein dem Antrag stattgebendes Feststellungsurteil, wird die Verpflichtung zum Ausgleich künftiger Schadensfolgen (vgl. BGH, NJW 1991, 2707) festgestellt, ohne daß der Schaden an sich (also die "Anspruchsbasis") feststünde. Einen so weitgehenden Feststellungsanspruch gewährt aber § 256 I ZPO nicht. Vielmehr fehlt der Klage in einem derartigen Fall nicht nur der sachlich-rechtliche Anspruchsgrund, sondern auch der Vortrag der tatsächlichen Voraussetzungen des Rechtsverhältnisses, das Gegenstand der Feststellungsklage sein soll (vgl. Werner-Pastor, Der Bauprozeß, 6. Aufl., Rdnr. 400; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 49. Aufl., § 256 Anm. 3), so daß sie insoweit als unzulässig abzuweisen ist (vgl. auch Senat, Urt. v. 28. 2. 1974 - VII ZR 127/71, S. 33 Ziff. 2 b).

b) Das ist auch interessengerecht. Der Bauunternehmer, der ebenso wie der Bauherr den Mangel noch nicht kennt, ist nicht in der Lage, sich gegen die Feststellungsklage zu verteidigen. Ihm wären sämtliche Einwendungen zum Grund des Anspruchs, über die mitentschieden wäre (vgl. BGH, NJW 1978, 544 = LM § 256 ZPO Nr. 111; BGHZ 103, 362 (365) = NJW 1988, 2542 = LM § 322 ZPO Nr. 117; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, § 322 Anm. 4 B, "Feststellungsurteil", b aa), abgeschnitten.

Nicht hingenommen werden kann aber auch, daß mit einer derart weitgreifenden Feststellung, wie sie die Vorinstanzen getroffen haben, die auf das Rechtsverhältnis anwendbaren Regelungen zur Verjährung des Anspruchs ausgehöhlt würden.

3. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, soweit der Senat die Revision angenommen hat. Die entsprechende Feststellungsklage ist vielmehr unter Aufhebung der beiden darauf bezogenen tatrichterlichen Urteilsaussprüche als unzulässig abzuweisen.