Produzentenhaftung: Beweislastumkehr bzgl. der Fehlerursache bei besonderer Pflicht des Herstellers zur Produktprüfung ("Mineralwasser I")

BGH, Urteil v. 08.12.1992 - VI ZR 24/92
Fundstellen:

NJW 1993, 528
LM § 823 (Dc) BGB Nr. 186
JZ 1993, 678
BB 1993, 248
DB 1993, 427
WM 1993, 461
ZIP 1993, 440
VersR1993, 367
Vgl. auch BGHZ 129, 353 ("Mineralwasser II")



Amtl. Leitsätze:

1. Trägt ein Produkt erhebliche Risiken für den Verbraucher in sich, die in der Herstellung geradezu angelegt sind und deren Beherrschung einen Schwerpunkt des Produktionsvorgangs darstellt, so daß über die übliche Warenendkontrolle hinaus besondere Befunderhebungen des Herstellers erforderlich sind, so kann aus der Verletzung dieser Pflicht zur Befunderhebung die Beweislast des Herstellers dafür folgen, daß der schadenstiftende Produktfehler nicht in seinem Verantwortungsbereich entstanden ist (Bestätigung von BGHZ 104, 323 = NJW 1988, 2611 = LM § 823 (E) BGB Nr. 16).
2. Teilt der insoweit darlegungspflichtige Hersteller die von ihm zur Erfüllung dieser Befunderhebungspflicht ergriffenen Kontrollmaßnahmen nur so allgemein mit, daß auch ein sachverständig beratener Geschädigter die Überprüfungsvorgänge technisch nicht nachvollziehen kann, so darf sich der Geschädigte, der gegen den Hersteller auf Schadensersatz klagt, zunächst darauf beschränken, die Funktionstüchtigkeit dieser Kontrollmechanismen in Abrede zu stellen.
3. Will der Tatrichter nicht bereits auf der Grundlage einer solchen allgemeinen Darlegung der Überprüfungsmaßnahmen und der Behauptung des Geschädigten, sie seien unzureichend, angebotenen Sachverständigenbeweis erheben und die Ermittlung der näheren technischen Einzelheiten dem Gutachter überlassen, so muß er durch richterlichen Hinweis den Hersteller zu ins einzelne gehenden Erläuterungen seiner Kontrollvorrichtungen veranlassen und sodann dem Geschädigten Gelegenheit geben, hierzu kritisch Stellung zu nehmen.


Zum Sachverhalt:

Der Kl. nimmt die Bekl., die Mineralwasser abfüllt und vertreibt, auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihm dadurch entstanden sei, daß er am 13. 7. 1988 durch die Explosion einer Mineralwasserflasche aus der Produktion der Bekl. im Keller seines Hauses erheblich an den Beinen verletzt worden sei. Der Kl. hat den Unfall darauf zurückgeführt, daß die verwendete Mehrwegflasche bereits einen feinen Riß oder einen vergleichbaren Fehler aufgewiesen habe, als sie den Betrieb der Bekl. verlassen habe. Letztere habe nicht in gebotenem Maße Vorsorge getroffen, daß vorgeschädigte Mehrwegflaschen nicht wieder mit Mineralwasser befüllt und sodann in den Verkehr gebracht würden; insbesondere sei die von ihr vorgesehene Prüfung der Flaschen auf Druckfestigkeit nicht ausreichend gewesen. Die Bekl. hat einen ihrem Bereich zuzurechnenden Fehler der Flasche in Abrede gestellt und vorgetragen, sie erreiche durch eine Reihe von Maßnahmen einen einwandfreien Zustand der von ihr neu zu befüllenden Flaschen. Nach einer umfangreichen Reinigung würden die Flaschen mit Hilfe einer aufwendigen elektronischen Inspektionsmaschine und einer Durchleuchtungsstation auf Beschädigung und andere Mängel untersucht, wobei fehlerhafte Flaschen ausgeschleust würden; die Funktionsfähigkeit der Inspektionsmaschinen werde täglich mehrfach mit präparierten Flaschen geprüft und darüber Protokoll geführt. Zusätzlich finde eine visuelle Kontrolle durch Fachpersonal statt, das nach höchstens einer halben Stunde abgelöst werde. Im Anschluß an diese Kontrollvorgänge würden die Flaschen mit einem Vorspanndruck bis zu 6 bar geprüft.

 Das LG hat die auf Ersatz des materiellen Schadens und Zahlung eines Schmerzensgeldes gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. ist ohne Erfolg geblieben. Die Revision des Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. läßt die zwischen den Parteien streitigen Fragen offen, ob die explodierte Mineralwasserflasche aus dem Betrieb der Bekl. stammte und vom Kl. sachgemäß gehandhabt wurde. Eine Einstandspflicht der Bekl. könne schon deshalb nicht bejaht werden, weil nicht erwiesen sei, daß ein Produktfehler bereits vorhanden gewesen sei, als die Flasche den Betrieb der Bekl. verlassen habe. Dafür trage der Kl. als Geschädigter die Beweislast. Zwar komme ausnahmsweise eine Beweislastumkehr in Betracht, wenn dem Hersteller eine besondere Beschaffenheitsüberprüfungs- und Befundsicherungspflicht obgelegen habe und er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei; diese Voraussetzungen habe der hierfür beweispflichtige Kl. aber nicht hinreichend substantiiert dargetan und nicht nachgewiesen. Zwar könne vom Kl. eine ins einzelne gehende Darlegung der Maßnahmen der Bekl. zur Sicherung und Kontrolle ihrer Produkte nicht verlangt werden, da sie ihm unbekannt seien, weil sie sich im Geschäftsbereich der Bekl. abspielen. Insoweit sei letztere gehalten, für Aufklärung zu sorgen. Die Bekl. habe hier jedoch in zureichender Weise die in ihrem Betrieb vorgesehenen Prüfungs- und Kontrollvorgänge zur Sicherung der Fehlerfreiheit der Mehrwegflaschen mitgeteilt. Es sei deshalb Sache des Kl. gewesen, im einzelnen vorzutragen, weshalb die von der Bekl. geschilderten Sicherungsvorkehrungen unzulänglich gewesen seien. Insoweit fehle es aber an substantiiertem Vorbringen des Kl. Seine lediglich pauschale Behauptung, die Bekl. habe durch technisch mögliche und wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen die Inverkehrgabe vorgeschädigter Flaschen ausschließen können, genüge nicht und könne nicht Grundlage einer Beweisaufnahme durch Erhebung eines Sachverständigengutachtens sein. Ebensowenig erlaube die Tatsache, daß eine Flasche explodiert sei, einen Rückschluß auf Mängel der Sicherheitsmaßnahmen der Bekl.; die Unfallursache könne ebenso gut erst gesetzt worden sein, nachdem das Produkt den Herstellungsbetrieb der Bekl. bereits verlassen gehabt habe. Schließlich reiche angesichts der von der Bekl. mitgeteilten umfassenden Kontrollmaßnahmen für den gebotenen konkreten Vortrag des Kl. auch nicht die Behauptung aus, ein Vorspanndruck von 6 bar sei für die Druckprüfung zu gering.

 II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das BerGer. hat zu hohe Anforderungen an die Darlegungen des Kl. zu den von der Bekl. mitgeteilten Sicherungsmaßnahmen gestellt, die der Kontrolle der Mehrwegflaschen vor Wiederbefüllung in ihrem Betrieb dienen sollen. Die Revision rügt zu Recht, daß das BerGer. auf dieser Grundlage fehlerhaft vom Kl. angetretenen Sachverständigenbeweis nicht erhoben hat.

 1. Rechtsfehlerfrei geht das BerGer. allerdings davon aus, eine im Streitfall allein in Betracht kommende deliktische Haftung der Bekl. aus § 823 I BGB habe zur Voraussetzung, daß außer einem Mangel der Mineralwasserflasche und dessen Ursächlichkeit für den geltend gemachten Schaden auch die Zurechnung des Produktfehlers zum Verantwortungsbereich der Bekl. als Herstellerin festgestellt werden könne. Da Darlegungen des Kl. dahin, daß der Bekl. eine Fertigung möglich und zumutbar war, welche das explosive Bersten von Mineralwasserflaschen generell ausschließt (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 104, 323 (329 f.) = NJW 1988, 2611 = LM § 823 (E) BGB Nr. 16), fehlen und die getroffenen Feststellungen auch keine Anhaltspunkte dafür erkennen lassen, daß die explodierte Flasche wegen zu geringer Befüllung einen überhöhten Innendruck aufgewiesen hat, setzt diese Zurechnung voraus, daß der Flasche bereits ein Fehler (etwa ein Haarriß) anhaftete, als sie den Betrieb der Bekl. verlassen hat.

 2. Zutreffend ist auch die weitere Überlegung des BerGer., es sei grundsätzlich Sache des Geschädigten, darzulegen und nachzuweisen, daß der in Frage stehende Produktmangel aus dem Verantwortungsbereich des Herstellers stamme. Insoweit stehen dem Kl. hier nicht die Regeln des Anscheinsbeweises zur Seite, da der gefahrbringende Zustand der Mineralwasserflasche auch erst außerhalb des Herstellerbetriebes auf dem weiteren Vertriebsweg entstanden sein kann (vgl. Senatsurteile BGHZ 104, 323 (330 f.) = NJW 1988, 2611 = LM § 823 (E) BGB Nr. 16; Senat, NJW 1987, 1694 = LM § 823 (Bf) BGB Nr. 93 = VersR 1987, 587 (588)).

 3. Das BerGer. geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats davon aus, daß in solchen Fällen ausnahmsweise eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Geschädigten in Betracht kommt, wenn den Hersteller zum Schutze des Verbrauchers zur Vermeidung sonst drohender schwerer Gefahren eine besondere Pflicht dahin trifft, sich über das Freisein seines Produkts von Mängeln, die typischerweise aus dem Herstellerbereich stammen, zuverlässig zu vergewissern und in diesem Rahmen den "Status" des Produkts vor der Inverkehrgabe zu überprüfen und den Befund zu sichern, und wenn der Geschädigte nachweist, daß der Hersteller dieser Pflicht zur "Statussicherung" nicht hinreichend nachgekommen ist (Senatsurteil BGHZ 104, 323 (333 f.) = NJW 1988, 2611 = LM § 823 (E) BGB Nr. 16). Der Senat hält an diesen Grundsätzen auch unter Berücksichtigung im Schrifttum hiergegen verschiedentlich vorgebrachter Bedenken (vgl. dazu z. B. Arens, ZZP 104 (1991), 123 (131 ff.); Brüggemeier, VuR 1988, 345 ff.; Foerste, VersR 1988, 958 ff.; Schmidt=Salzer, Produkthaftpflicht international (PHI) 1988, 146 (149 ff.); Winkelmann, MDR 1989, 16 ff.) fest. Die besondere Überprüfungs- und Befundsicherungspflicht des Herstellers, deren Verletzung im genannten Sinne zur Beweislastumkehr führen kann, ist nicht gleichzusetzen mit der Pflicht des Herstellers zur üblichen Warenendkontrolle bei einem beliebigen Produktionsvorgang (vgl. dazu Kullmann, PHI 1989, 110 (123) mit Hinweis auf den Nichtannahmebeschluß des Senats vom 25. 10. 1988 - VI ZR 120/88). Vielmehr setzt diese Pflicht zur "Statussicherung" ein Produkt voraus, das erhebliche Risiken für den Verbraucher in sich trägt, die in der Herstellung geradezu angelegt sind und deren Beherrschung deshalb einen Schwerpunkt des Produktionsvorgangs darstellt, so daß über die übliche Warenendkontrolle hinaus besondere Befunderhebungen des Herstellers erforderlich sind, weil dieser den Verbraucher nicht sehenden Auges solchen Gefahren seiner Produktionsentscheidung aussetzen darf. Eine derartige Situation ist beispielsweise dort gegeben, wo sich der Hersteller zur Verwendung von Mehrwegflaschen für kohlensäurehaltige Getränke entscheidet und damit ein besonderes Berstrisiko der unter starkem Innendruck stehenden mehrfach verwendeten Glasbehälter zum Mittelpunkt der Herstellung macht (vgl. Senatsurteil BGHZ 104, 323 (335) = NJW 1988, 2622 = LM § 823 (E) BGB Nr. 16). Diese Befunderhebungs- und Sicherungspflicht ist weder eine "Beweiserhaltungspflicht" des Herstellers (Winkelmann, MDR 1989, 16 ff.) noch eine dem Hersteller nicht obliegende Dokumentationspflicht (Foerste, VersR 1988, 958 ff.). Sie umfaßt hier zwar alle zur Wiederbefüllung vorgesehenen Mehrwegflaschen, geht aber inhaltlich keineswegs dahin, eine Dokumentation im Sinne der Auflistung von Einzelflaschen-Prüfergebnissen zu erstellen. Befundsicherung im genannten Sinne bedeutet vielmehr die Sicherstellung eines Kontrollverfahrens, durch das der Zustand einer jeden Flasche ermittelt und gewährleistet wird, daß - soweit technisch möglich - alle nicht einwandfreien Flaschen von der Wiederverwendung ausgeschlossen werden (vgl. dazu Kullmann, PHI 1989, 110 (123)). Die Verletzung der so verstandenen besonderen Pflicht zur "Statussicherung" führt hinsichtlich der Frage, ob das Berstrisiko dem Herstellerbereich zuzurechnen ist, deshalb zur Beweislast des Herstellers, weil unzureichend geprüfte Mehrweg-Mineralwasserflaschen seinen Betrieb verlassen haben, ihr einwandfreier Zustand daher für diesen Zeitpunkt nicht sichergestellt war. Es wäre ein mit § 242 BGB nicht zu vereinbarender Widerspruch zur materiellrechtlichen Pflichtenstellung des Herstellers, wenn er sich im Prozeß auf den nicht zu klärenden Zustand der Flaschen berufen könnte, den er für diesen Zeitpunkt materiellrechtlich festzustellen hatte.

 4. Das BerGer. ist der Auffassung, die Voraussetzungen für die derartige Beweislastumkehr zu Gunsten des Kl. seien hier nicht erfüllt, weil letzterer einen Verstoß der Bekl. gegen ihre Pflicht, den mangelfreien Zustand ihres Produkts im Herstellerbereich zu sichern, nicht hinreichend dargelegt habe. Diese Beurteilung ist, wie die Revision zu Recht rügt, nicht frei von Verfahrensfehlern. Denn das BerGer. hat - wie schon das LG - unter den hier gegebenen Umständen an die Substantiierung des Klägervorbringens zu hohe Anforderungen gestellt und auf dieser Grundlage zu Unrecht von der Erhebung angebotener Beweise abgesehen.

 a) Nicht zu beanstanden (und von der Revision als ihr günstig auch nicht angegriffen) ist allerdings die Ansicht des BerGer., die insoweit nicht beweisbelastete Bekl. sei verpflichtet gewesen, an der prozessualen Aufklärung der von ihr zur Erfüllung der Pflicht zur Befundsicherung der Flaschen ergriffenen Kontrollmaßnahmen mitzuwirken. Steht die darlegungs- und beweispflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes und besitzt sie keine nähere Kenntnis von den wesentlichen Tatsachen - wie es hier beim Kl. hinsichtlich der von der Bekl. in ihrem Betrieb durchgeführten Maßnahmen zur Überprüfung der Mehrwegflaschen der Fall ist -, so hat der Prozeßgegner, der über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, hierzu ihm zumutbare nähere Angaben zu machen (vgl. BGHZ 86, 23 (29) = NJW 1983, 687 = LM § 840 ZPO Nr. 10a; BGHZ 100, 190 (195 f.) = NJW 1987, 2008 = LM § 823 (Be) BGB Nr. 29; BGHZ 109, 139 (149) = NJW 1990, 314 = LM § 535 BGB Nr. 123; Senat, LM § 92 VerglO Nr. 5 = VersR 1983, 1035 (1037); BGH, NJW 1991, 1057 (1058 f.) = LM § 41 KO Nr. 15). Demgemäß war es zunächst Sache der Bekl., die von ihr getroffenen Maßnahmen zur Befunderhebung und -sicherung zu schildern; erst dadurch konnte der Kl. in die Lage versetzt werden, seinerseits substantiierte Behauptungen über deren Unzulänglichkeit aufzustellen und hierfür Beweis anzutreten. Dabei hängen die Anforderungen, die an die Darlegungen des Kl. zu stellen sind, davon ab, wie substantiiert ihrerseits die Bekl. zu den nur ihr bekannten innerbetrieblichen Vorgängen vorgetragen hat (vgl. hierzu BGHZ 109, 47 (55) = NJW 1990, 45 = LM § 42 VerglO Nr. 6; BGH, GRUR 1982, 681 (683)).

 b) Entgegen der Ansicht des BerGer. hat die Bekl. ihre innerbetrieblichen Kontrollvorgänge bisher nicht so konkret geschildert, daß vom Kl. hätte verlangt werden können, detailliert zur Unzulänglichkeit dieser Überprüfungsmaßnahmen vorzutragen. Wenn die Bekl. ausführt, eine Untersuchung der Flaschen finde mittels einer "aufwendigen elektronischen Inspektionsmaschine und einer Durchleuchtungsstation" statt, wobei fehlerhafte Flaschen ausgeschleust würden, so kann selbst ein Sachverständiger dem über die Funktionsweise dieser Inspektionsmaschine und der Durchleuchtungsstation, über den physikalischen und technischen Ablauf der jeweiligen Prüfungsvorgänge sowie ihre Ergebnisse und Zuverlässigkeit nichts entnehmen; daran ändert auch der weitere Vortrag nichts, die Funktionsfähigkeit der Inspektionsmaschinen werde täglich mehrfach mit präparierten Flaschen geprüft. Der Kl. als Geschädigter konnte - selbst wenn er sich sachverständig hätte beraten lassen - auf dieser Grundlage die Überprüfungsvorgänge nicht nachvollziehen und keine ins einzelne gehende Kritik dartun. Solange die Bekl. ihre Kontrollmechanismen nur derart allgemein bezeichnete, blieb dem Kl. letztlich nichts anderes übrig, als pauschal zu behaupten, die getroffenen Prüfungsmaßnahmen seien nicht ausreichend, um die Wiederverwendung vorgeschädigter Flaschen soweit wie möglich auszuschließen.

 c) Das BerGer. durfte bei dieser Sachlage das Vorbringen des Kl. nicht als unsubstantiiert behandeln und aus diesem Grunde von der beantragten Erhebung eines Sachverständigengutachtens absehen. Zwar kann eine Beweisaufnahme zu einer entscheidungserheblichen Tatsache dann abgelehnt werden, wenn die Erheblichkeit des Vorbringens mangels näherer Bezeichnung der unter Beweis gestellten Tatsachen nicht zu beurteilen ist (vgl. BGH, NJW 1992, 1967 = LM H. 9/1992 § 286 (E) ZPO Nr. 25 = MDR 1992, 804 f.). Vorliegend war das BerGer. aber nicht gehindert, das Vorbringen des Kl., die von der Bekl. geschilderten Überprüfungsmaßnahmen gewährleisteten keinen hinreichend zuverlässigen Ausschluß ungeeigneter Flaschen von der Wiederbefüllung, als rechtserhebliche und durch Sachverständigengutachten zulässig unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung zu erachten. Eine weitergehende, zur Überprüfung der Behauptung erforderliche Kenntnis von den technischen Einzelheiten, über die der Kl. nichts wissen konnte und von deren Darlegung durch ihn die Beweisaufnahme daher auch nicht abhängig gemacht werden durfte (vgl. hierzu Senat, NJW-RR 1989, 23 = LM § 636 RVO Nr. 38 = VersR 1988, 1276 (1277)), konnte sich der Sachverständige im Rahmen seiner gutachterlichen Arbeit verschaffen. Denn es kann einem Sachverständigen auch die Aufgabe zufallen, nähere tatsächliche Umstände zu ermitteln, vor allem dann, wenn den Beweisführer gerade seine fehlende Sachkunde daran hindert, zu näherer Substantiierung dienliche Umstände selbst zu ermitteln (vgl. Senat, NJW 1974, 1710 = LM § 138 ZPO Nr. 14). Von einem auf unzulässige Ausforschung gerichteten Beweisantrag kann nicht die Rede sein, weil die Bekl. hier aus den dargelegten Gründen gerade gehalten war, betriebsinterne Vorgänge, über die nur sie Kenntnis hatte, zu offenbaren.

 d) Meinte das BerGer. hingegen, eine Beweisaufnahme durch Erhebung eines Sachverständigengutachtens erst dann beschließen zu können, wenn es selbst über eine konkretere tatsächliche Beurteilungsgrundlage hinsichtlich der technischen Gegebenheiten verfügte, und erwartete es insoweit vom Kl. eine nähere Substantiierung seines Vortrags, so hätte es zunächst die Bekl. durch geeigneten richterlichen Hinweis zu einer ins einzelne gehenden Erläuterung der Funktionsweise der von ihr bisher nur allgemein bezeichneten Kontrolleinrichtungen veranlassen müssen. Solange dies nicht geschehen war, war eine Beurteilung dahin unzulässig, das Vorbringen des Kl. sei unsubstantiiert und einer Beweisaufnahme nicht zugänglich.

 5. Das BerGer. hat das Vorbringen des Kl. auch insoweit für unbeachtlich gehalten, als er behauptet und durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt hat, die Vorspannung der Mineralwasserflaschen vor der Wiederbefüllung mit einem Druck bis zu 6 bar sei zur erforderlichen Druckprüfung nicht ausreichend gewesen. Dies rügt die Revision zu Recht als verfahrensfehlerhaft. Der Kl. hat hier konkret die Unzulänglichkeit einer bestimmten von der Bekl. mitgeteilten Kontrollmaßnahme behauptet. Dies stellt schlüssigen und erheblichen Tatsachenvortrag dar, dem das BerGer., das nicht selbst über die erforderliche Sachkunde verfügte, in der gebotenen Weise durch Erhebung des beantragten Sachverständigenbeweises nachzugehen hatte. Hiervon konnte das BerGer. nicht wie geschehen mit dem Hinweis auf Überlegungen des erkennenden Senats im Urteil BGHZ 104, 323 ff. (= NJW 1988, 2611 = LM § 823 (E) BGB Nr. 16), die sich mit dem dort gegebenen Sachverhalt befaßten, absehen. Es durfte vom Kl. auch nicht nähere Darlegungen zu der Frage verlangen, ob und inwieweit der Druckprüfung neben weiteren von der Bekl. vorgesehenen Sicherheitsvorkehrungen Bedeutung zukommen konnte. Denn die Bekl. selbst hatte die Kontrolle der Flaschen mittels Vorspanndruckes bis zu 6 bar als selbständigen Teil ihrer Überprüfungsmaßnahmen geschildert, also dieser Druckprüfung durchaus Relevanz im Rahmen der von ihr vorgenommenen "Statussicherung" zuerkannt. Stellte der Kl. die Geeignetheit dieser bestimmten Kontrollmaßnahme in Abrede, so trug er damit eine beweisbedürftige Tatsache vor: die Nichterhebung des vom Kl. angetretenen Beweises durch das BerGer. verletzt § 286 ZPO.

 6. Das Berufungsurteil beruht auf den aufgezeigten Verfahrensfehlern. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß das BerGer., hätte es das Vorbringen des Kl. wie geboten berücksichtigt und den angetretenen Beweis erhoben, zu einer anderen, dem Kl. günstigeren Beurteilung hinsichtlich der Beweislastverteilung bei der Frage gelangt wäre, ob die Mineralwasserflasche den Herstellerbereich der Bekl. bereits in vorgeschädigtem Zustand verlassen hat.