Zulässigkeit der verdeckten Teilklage

BGH, Urteil v. 15.06.1994 - XII ZR 128/93 

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage der Zulässigkeit einer Teilklage in dem Verfahren zur Regelung des Zugewinnausgleichs.



Fundstellen:

NJW 1994, 3165
LM H. 10/1994 § 1378 BGB Nr. 16
MDR 1995, 69
FamRZ 1994, 1095
LM § 1378 BGB Nr. 16
FamRZ 1994, 1095
MDR 1995, 69
Vgl. auch BGHZ 135, 178 = NJW 1997, 1990


Zum Sachverhalt:

Die am 4. 12. 1964 geschlossene Ehe der Parteien ist auf den am 7. 11. 1985 zugestellten Scheidungsantrag der Kl. (damals Ast.) durch das insoweit seit dem 16. 2. 1988 rechtskräftige Urteil des AG Charlottenburg vom 1. 10. 1987 geschieden. Im Verbundverfahren hatte die Kl. mit Schriftsatz vom 24. 7. 1986 eine Zugewinnausgleichsforderung von 132 129 DM nebst Zinsen geltend gemacht. Das diesem Antrag stattgebende Urteil des AG war dadurch rechtskräftig geworden, daß das KG mit Urteil vom 19. 4. 1988 die Berufung des Bekl. zurückgewiesen hatte. Mit der vorliegenden Klage fordert die Kl. weiteren Zugewinnausgleich.
Das AG hat der Klage nur teilweise entsprochen. Auf die Berufung der Kl. hat das KG den Bekl. verurteilt, an die Kl. 50027,80 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28. 9. 1990 (Eintritt der Rechtshängigkeit) zu zahlen. Die weitergehende Berufung der Kl. sowie die Berufung des Bekl. hat es zurückgewiesen. Die zugelassene Revision des Bekl. führte lediglich zu einer Verminderung der Urteilssumme auf 50014,30 DM.

Aus den Gründen:

I. Die Revision wendet sich in erster Linie dagegen, daß das BerGer. eine Nachforderungsklage im Zugewinnausgleichsverfahren zugelassen hat. Sie vertritt die Auffassung, im Scheidungsverbundverfahren sei über die zwischen den Parteien bestehenden Zugewinnausgleichsansprüche abschließend entschieden worden mit der Folge, daß der Klage der Einwand der Rechtskraft (§ 322 I ZPO) entgegenstehe. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

1. Die jede neue Verhandlung und Entscheidung über denselben Anspruch ausschließende materielle Rechtskraft eines Urteils reicht nach § 322 I ZPO nur soweit, wie über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Hat ein Kläger im vorangegangenen Prozeß nur einen Teilanspruch geltend gemacht, so erfaßt die Rechtskraft des Urteils nur diesen Teil des Anspruchs und erstreckt sich nicht auf den nicht eingeklagten restlichen Anspruch (vgl. BGHZ 34, 337 (339) = NJW 1961, 917 = LM § 322 ZPO Nr. 27; BGHZ 36, 365 (367) = NJW 1962, 1109 = LM § 322 ZPO Nr. 38; Senat, BGHZ 93, 330 (334) = NJW 1985, 1340 = LM § 322 ZPO Nr. 104). Voraussetzung ist allerdings, daß der nur zum Teil eingeklagte Anspruch seiner Natur nach teilbar ist; daran fehlt es beispielsweise, wenn eine Klage auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines bestimmten Rechtsverhältnisses gerichtet war oder wenn sie die Übertragung eines bestimmten Miteigentumsanteils zum Gegenstand hatte (BGHZ 36, 365 (368) = NJW 1962, 1109 = LM § 322 ZPO Nr. 38). Der Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns ist jedoch gem. § 1378 BGB auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet und daher teilbar (OLG Düsseldorf, FamRZ 1984, 795 (796), insoweit bestätigt durch Senat, Urt. v. 15. 5. 1985 - IVb ZR 21/84 - nicht veröff.). Von dieser auch vom BerGer. zu Recht geteilten Auffassung geht auch das Schrifttum aus, soweit dort kontrovers (nur) diskutiert wird, ob es eines ausdrücklichen oder jedenfalls klar erkennbaren Vorbehalts im Erstverfahren bedarf, um in einem späteren Verfahren einen weiteren Teil als Zugewinn nachfordern zu können (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, 2. Aufl., § 1378 BGB Rdnr. 3; Gernhuber, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 1378 Rdnr. 34; Soergel/Lange, BGB, 11. Aufl., § 1378 Rdnr. 19; Baumeister, in: FamGb, § 1378 FamGbdnr. 45).
Soweit vereinzelt Bedenken selbst gegen eine ausdrücklich erhobene Teilklage im Hinblick darauf erhoben worden sind, daß die rechnerische Handhabung des Zugewinnausgleichs auf unteilbare Gesamtvermögensgrößen abstellt (Schwab, in: Hdb. d. ScheidungsR, 2. Aufl., Teil VI Rdnr. 7), vermag sie der Senat nicht zu teilen. Jedenfalls dann, wenn aufgrund von feststehenden Vermögensgrößen kein Zweifel darüber besteht, in welche Richtung sich der Zugewinnausgleich zu vollziehen hat, kann es dem Ausgleichsberechtigten nicht verwehrt sein, wenigstens schon den Teil vorweg zu beanspruchen, der ihm unter Vernachlässigung der umstrittenen Vermögenspositionen in jedem Falle zusteht. Seinem Interesse, die tatsächliche Durchsetzbarkeit dieses Teilanspruchs nicht durch zunehmenden Zeitablauf gefährdet zu sehen und über die ihm insoweit - möglicherweise für seinen eigenen Unterhalt - zukommenden Mittel möglichst bald verfügen zu können, stehen schutzwürdige Interessen des Ausgleichspflichtigen nicht entgegen.
Kann danach der Berechtigte einen Teil des Zugewinnausgleichsanspruchs unter den genannten Voraussetzungen einklagen, bestehen auch keine Bedenken gegen die Geltendmachung einer solchen Teilforderung im Verbundverfahren.

2. Die Frage, ob einer Nachforderungsklage der Einwand der Rechtskraft entgegengehalten werden kann, wenn der Ausgleichsberechtigte im vorangegangenen Verfahren nicht zu erkennen gegeben hat, daß er über den beantragten Ausgleichsbetrag hinaus später noch einen weiteren Betrag beanspruchen werde (sog. verdeckte Teilklage), hat das BerGer. zwar erörtert, aber letztlich offengelassen. Denn die Frage, ob im Zugewinnausgleichsprozeß nur offene Teilklagen zulässig sind, stelle sich nicht, weil die Kl. im Vorprozeß erkennbar nicht ihren vollen Anspruch eingeklagt habe.
Zur Begründung hat das BerGer. ausgeführt, die Kl. habe sich in ihrer Klageschrift vom 24. 7. 1986 ausdrücklich vorbehalten, ihren Anspruch zu erhöhen, falls sich im Laufe des Prozesses ein höheres Endvermögen des Bekl. als das von ihr in der Klagebegründung angenommene ergeben werde. Als sich im Laufe des Rechtsstreits herausgestellt habe, daß ihr voraussichtlich ein höherer als der eingeklagte Anspruch zustehe, habe sie einen unter Vorbehalt geschlossenen Vergleich vom 6. 8. 1987, der den Bekl. zur Bezahlung der beantragten Summe verpflichten sollte, widerrufen. Angesichts dieses prozessualen Verhaltens hätten der Bekl. und das Gericht die Klage nur als Teilklage verstehen können; davon sei die Amtsrichterin auch bereits in einer Verfügung vom 17. 7. 1987 ausgegangen, ohne beim Bekl. Widerspruch zu finden.
Die Revision hält dem entgegen, daß die vom BerGer. genannten Erklärungen der Kl. im Vorprozeß die gezogenen Folgerungen nicht rechtfertigen. In der Klageschrift habe sie sich nur eine Erweiterung der bereits erhobenen Klage, nicht jedoch eine Nachforderungsklage vorbehalten; aus ihren sonstigen Erklärungen sei indessen zu entnehmen, daß sie davon ausgegangen sei, den ihr seinerzeit erkennbaren und beweisbaren Ausgleichsanspruch in voller Höhe geltend gemacht zu haben. Aus dem nicht näher begründeten Widerruf des Vergleichs könne bezüglich der Zugewinnausgleichsforderung nichts hergeleitet werden, denn der Vergleich habe eine Reihe anderer Punkte enthalten, in denen sie ihr nachteiligen Regelungen habe zustimmen sollen. Die von dem Amtsrichter in einem Nebensatz geäußerte Ansicht habe den Charakter der von der Kl. erhobenen Klage nicht zu bestimmen vermocht. Das BerGer. habe demgegenüber nicht gewürdigt, daß sich die Kl. in keinem Schriftsatz weitergehender Zugewinnausgleichsansprüche berühmt habe, weder in bestimmter noch in unbestimmter Höhe. Sie habe dem Bekl. dadurch keine Gelegenheit gegeben, eine negative Feststellungsklage zu erheben.
Mit diesen Angriffen hat die Revision keinen Erfolg.

a) Eines förmlichen Vorbehalts der Nachforderung bedurfte es weder aus prozessualen noch aus materiell-rechtlichen Gründen. Grundsätzlich braucht ein Kläger, der einen bezifferten Anspruch geltend macht, nicht zu erklären, er behalte sich die darüber hinausgehenden Ansprüche vor, denn das ergibt sich schon daraus, daß die Rechtskraft nur den im Prozeß geltend gemachten Anspruch ergreift, der gem. § 308 ZPO durch den Klageantrag beschränkt wird (vgl. BGHZ 34, 337 (340) = NJW 1961, 917 = LM § 322 ZPO Nr. 28). Die Rechtskraft eines Urteils erstreckt sich nicht auf den nicht eingeklagten Rest eines teilbaren Anspruchs oder auf andere Ansprüche aus dem gleichen Sachverhalt, selbst wenn sich das Urteil darüber ausläßt (BGHZ 85, 367 (373) = NJW 1983, 390 = LM § 465 BGB Nr. 5; Senat, BGHZ 93, 330 (334) = NJW 1985, 1340 = LM § 322 ZPO Nr. 104 m. w. Nachw.). Diesem Grundsatz stimmt die Literatur überwiegend zu (vgl. Rosenberg/Schwab, ZPR, 15. Aufl., § 154 V; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rdnrn. 161 bis 163; Gottwald, in: MünchKomm-ZPO, § 322 Rdnrn. 119 bis 121; Thomas/Putzo, ZPO, 18. Aufl., § 322 Rndr. 23; Habscheid, FamRZ 1962, 352; Pohle, ZZP 77, 98; Batsch, ZZP 86, 254 (289); Kuschmann, in: Festschr. f. Schiedermair, 1976, S. 351 (367 ff.); a. A. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 52. Aufl., § 322 Rdnr. 53; vgl. auch Zöller/Vollkommer, ZPO, 18. Aufl., Vorb. § 322 Rdnrn. 47 f. m. w. Nachw.). Die Rechtsprechung hat zwar Ausnahmen anerkannt, etwa für einen Anspruch auf Erhöhung einer Enteignungsentschädigung (BGHZ 34, 337 = NJW 1961, 917 = LM § 322 ZPO Nr. 38) oder wenn der Kläger im Erstprozeß die Höhe eines Schadensersatzanspruches in das Ermessen des Gerichts gestellt hatte (RG, Warn. 1925, 138). Diese zu Sonderfällen ergangenen Entscheidungen lassen aber - wie der V. Zivilsenat des BGH bereits entschieden hat (NJW 1985, 2825 (2826) = LM § 1011 BGB Nr. 3) - den dargelegten Grundsatz unberührt. Das gleiche gilt für die Rechtsprechung des Senats zum Unterhaltsprozeß, in dem im Hinblick darauf, daß Unterhalt regelmäßig in voller Höhe eingeklagt wird, eine Vermutung gegen eine Teilklage spricht mit der Folge, daß der Kläger entweder ausdrücklich einen Teilanspruch geltend machen oder sich wenigstens erkennbar eine Nachforderung vorbehalten muß (Senat, BGHZ 94, 145 (147) = NJW 1985, 1701 = LM § 323 ZPO Nr. 45; NJW 1991, 429 = FamRZ 1991, 320, jeweils m. w. Nachw.). Mit ähnlichen auf § 323 ZPO gestützten Erwägungen erfährt der dargelegte Grundsatz eine Ausnahme in anderen Streitfällen, in denen im Vorprozeß wiederkehrende Leistungen i. S. des § 258 ZPO auch für die Zukunft geltend gemacht worden sind (vgl. dazu BGH, NJW 1986, 3142 = LM § 322 ZPO Nr. 112 m. w. Nachw.).
Demgegenüber kann beim Zugewinnausgleich nicht davon ausgegangen werden, daß eine Forderung auf Zugewinnausgleich regelmäßig in voller Höhe geltend gemacht und damit der Gesamtanspruch zur Entscheidung gestellt wird. Zwar mögen es prozeßökonomische Gründe wünschenswert erscheinen lassen, den Zugewinnausgleich möglichst umfassend in (nur) einem Verfahren zu regeln. Gleichwohl kann einer Zugewinnausgleichsklage nicht ohne weiteres die Vermutung beigemessen werden, der Gläubiger mache damit den gesamten Zugewinnausgleich geltend.

b) Ob dieser Umstand den Schluß erlaubt, daß der Ausgleichsberechtigte, dem auf seine Klage antragsgemäß ein Ausgleichsbetrag zugesprochen worden ist, auch dann einen etwaigen weiteren Betrag einklagen kann, wenn im Erstverfahren weder für den Gegner noch das Gericht erkennbar war, daß nur eine Teilforderung geltend gemacht wurde (sog. verdeckte Teilklage), braucht hier indessen nicht entschieden zu werden. Die Kl. hat nämlich im vorangegangenen Verfahren hinreichend deutlich gemacht, daß sie mit dem geltend gemachten Betrag nur einen Teil ihrer Zugewinnausgleichsforderung eingeklagt hatte. Der Senat ist insoweit zwar nicht an die Auffassung des BerGer. gebunden, denn es handelt sich um die Auslegung prozessualer Erklärungen, die er als RevGer. selbständig prüfen kann (vgl. BGHZ 4, 328 (334) = NJW 1952, 515 = LM § 253 ZPO Nr. 2; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., Vorb. § 128 Rdnr. 194). Er teilt die Beurteilung des BerGer. jedoch im Ergebnis.
Schon die Erklärungen im Schriftsatz vom 24. 7. 1986, mit dem die Kl. ihren Antrag auf Zugewinnausgleich im Verbundverfahren ankündigte, lassen sich entgegen der Auffassung der Revision nicht dahin einschränkend verstehen, daß sich die Kl. lediglich die Erweiterung des Antrags im damaligen Verfahren vorbehalten wollte. Hinzu kommen indessen weitere Äußerungen. So hat die Kl. im Schriftsatz vom 18. 9. 1987 unter Nr. 4 erklärt, daß das vom Bekl. genannte Endvermögen "den gegenwärtig anhängigen Teil des Zugewinnausgleichsanspruchs" decke. Mit Schriftsatz vom 23. 10. 1987 - mit dem die Kl. die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Bekl. beantragte, um die Erfüllung der ihm durch Teilurteil vom 2. 3. 1987 auferlegten Verpflichtung zur eidesstattlichen Versicherung zu erzwingen - begründete sie ihr fortbestehendes Rechtsschutzinteresse auch nach dem am 1. 10. 1987 verkündeten Scheidungsverbundurteil mit dem Hinweis, daß im bisherigen Verfahren lediglich "ein Teil des Zugewinnausgleichs geltend gemacht wurde". Im Hinblick auf diese bereits ausreichenden Erklärungen kommt es nicht mehr darauf an, ob die Kl. den am 6. 8. 1987 geschlossenen Vergleich für den Bekl. erkennbar deshalb widerrufen hat, weil sie über den im Verfahren geltend gemachten und ihr durch den Vergleich in vollem Umfang zuerkannten Ausgleichsbetrag hinaus einen weiteren Zugewinnausgleich erreichen wollte.
Daß auch die im Vorprozeß mit der Sache befaßten Gerichte von der Erhebung einer Teilklage ausgegangen sind, ergibt sich für die erste Instanz sowohl aus der bereits vom KG genannten Verfügung der Familienrichterin vom 12. 7. 1987 wie auch aus dem Aktenvermerk, den die gleiche Richterin in dem vorliegenden Verfahren unter dem 1. 8. 1991 gefertigt hat. Damit stimmt überein, daß im Urteil vom 1. 10. 1987 ausgeführt wird, der Zugewinn des Ag. übersteige denjenigen der Ast. um "mindestens 264258 DM", so daß er "jedenfalls" den geltend gemachten Betrag schulde. In der Berufungsinstanz sind weder abweichende Erklärungen der Kl. abgegeben worden, noch ist eine andere Beurteilung zutage getreten. Demgemäß heißt es im Berufungsurteil vom 19. 4. 1988, die Klageforderung von 132129 DM sei in jedem Fall begründet, denn das Endvermögen des allein ausgleichspflichtigen Bekl. sei "auf jeden Fall" über 300000 DM zu veranschlagen.

Die Kl. hat nach alledem für Gegner und Gerichte eindeutig erkennen lassen, daß es sich bei der im Verbundverfahren erhobenen Ausgleichsforderung nur um eine Teilklage handelte. Damit ist im Vorprozeß einer sog. offenen Teilklage stattgegeben worden und der Kl. auf jeden Fall die Möglichkeit einer Nachforderungsklage eröffnet (vgl. Senat, Urt. v. 15. 5. 1985 - IVb ZR 21/84).

II. Den vom Bekl. erhobenen Einwand der Verwirkung eines Nachforderungsanspruchs hat das BerGer. nicht durchgreifen lassen. Das hat es damit begründet, daß schon zweifelhaft sei, ob die Kl. mit der Geltendmachung ihrer Restforderung zu lange gewartet habe. Jedenfalls habe aber der Bekl. angesichts der Intensität, mit der die Kl. ihre Ansprüche stets verfolgt habe, nicht damit rechnen können, daß sie keine Nachforderung erheben werde.
Verwirkt ist ein Recht, wenn es illoyal verspätet geltend gemacht wird und zu dem Zeitablauf besondere auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (st. Rspr.; vgl. etwa BGHZ 105, 290 (298) = NJW 1989, 836 = LM § 16 (B) VOB/B 1973 Nr. 8). Weder das sogenannte Zeitmoment noch das sogenannte Umstandsmoment rechtfertigen vorliegend die Annahme einer Verwirkung. Die Erhebung der Nachforderungsklage erfolgte noch innerhalb von drei Jahren seit dem Erlaß des Berufungsurteils im Erstprozeß. In welcher Weise sich der Bekl. darauf eingerichtet haben will, daß eine weitere Forderung nicht mehr erhoben werde, hat er nicht geltend gemacht.

III. Die restliche Ausgleichsforderung - an deren Geltendmachung die Kl. danach weder aus prozessualen noch aus materiell-rechtlichen Gründen gehindert ist - hat das BerGer. mit 50027,80 DM auf folgendem Wege bestimmt:

1. Die Kl. habe unstreitig keinen Zugewinn erzielt, denn ihr Anfangsvermögen übersteige ihr Endvermögen. Das Endvermögen des Bekl. zum 7. 11. 1985 habe 364313,60 DM betragen. Davon seien Werte in Höhe von insgesamt 257212,34 DM unstreitig. Hinzuzurechnen sei ein Betrag von 182,94 DM (Mehrbetrag des Guthabens auf einem Konto bei der G-Bank) sowie der Wert von 800 T.-Aktien mit 144000 DM. Davon, daß diese am Stichtag zum Vermögen des Bekl. gehörten, hat sich das BerGer. aufgrund der Art und Weise überzeugt erklärt, wie der Bekl. sich dazu eingelassen und im Laufe des Verfahrens diese Einlassung gewechselt habe. Der Aktivverband seines Endvermögens (401395,28 DM) sei um unbestrittene Schulden (26914,14 DM und 5300,40 DM) sowie um Prozeßkosten (4867,14 DM), insgesamt somit um Passiva in Höhe von 37081,68 DM auf 364313,60 DM zu kürzen. Dieser Betrag, der zugleich den Zugewinn des Bekl. darstelle, stehe zur Hälfte - also in Höhe von 182156,80 DM - der Kl. zu. Da ihr im Vorprozeß bereits 132129 DM zuerkannt worden seien, verbleibe eine restliche Forderung von 50027,80 DM.

2. Dieser Betrag ist jedoch um 13,50 DM zu kürzen, da dem BerGer. bei der Berücksichtigung der unbestrittenen Schulden ein Übertragungsfehler unterlaufen ist, den zu berichtigen auch das RevGer. berechtigt ist (vgl. BGH, NJW-RR 1988, 411 = LM § 852 BGB Nr. 95 = BGHRZPOO § 319 Zuständigkeit 1). Der zu berücksichtigende Posten beträgt nicht 26914,14 DM, sondern 26941,14 DM). Danach ergibt sich ein Zugewinn des Bekl. in Höhe von 364286,60 DM und eine Ausgleichsforderung von 182143,30 DM, die die Kl. noch in Höhe restlicher 50014,30 DM beanspruchen kann.

3. Die Revision greift erfolglos mit Verfahrensrügen die Erwägungen des BerGer. an, mit denen es seine Überzeugung begründet hat, der Bekl. sei am Stichtag Eigentümer von 800 T.-Aktien gewesen.

a) Es kann dahinstehen, ob die Beurteilung des BerGer. zutrifft, der Bekl. habe im Vorprozeß den Besitz der Aktien zugestanden (§ 288 ZPO). Denn das BerGer. hat die vom Gesetz an ein Geständnis geknüpfte Rechtsfolge gerade nicht zu Lasten des Bekl. gezogen, sondern die behauptete Tatsache weiterhin als beweisbedürftig angesehen. Es hat sich lediglich nicht gehindert gesehen, den eigenen Vortrag des Bekl. in seinem im Vorprozeß eingereichten Schriftsatz vom 10. 11. 1986 als Erkenntnisquelle im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu verwerten. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 18. Aufl., § 288 Rdnr. 4).

b) Die Rüge, das BerGer. habe sich einseitig nur mit dem wechselnden Vortrag des Bekl. zu der streitigen Tatsachenbehauptung (Aktienbesitz) auseinandergesetzt und die von ihm vorgetragenen Hintergründe für die jeweiligen Abweichungen nur unzureichend gewürdigt, greift ebenfalls nicht durch. Der Tatrichter braucht nur die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen (§ 286 I 2 ZPO; Senat, NJW 1987, 1557 = LM § 16 BGB Nr. 14 = BGHRZPOO § 286 Abs. 1 Revisionsrüge 1 m. w. Nachw.); diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil gerecht. Die Revision übersieht außerdem, daß die Prozeßbehauptungen der Kl. zu dem fraglichen Besitz der T.-Aktien nur Reaktionen auf den wechselnden Vortrag des Bekl. darstellen konnten, der allein über den Erwerb dieser Aktien unterrichtet war und darüber Angaben zu machen imstande war. Soweit daher auch in ihrem Vortrag zu dieser Frage Schwankungen festzustellen wären, die das BerGer. nicht im einzelnen festgehalten hat, läßt sich daraus nicht der Vorwurf herleiten, die Beweiswürdigung habe nicht alle Umstände vollständig berücksichtigt.

c) Daß das BerGer. "ohne Beweisaufnahme" entschieden hat, rechtfertigt ebenfalls nicht den Erfolg einer Verfahrensrüge. Die Revision zeigt nicht auf, daß das BerGer. ein förmliches Beweisangebot des Beklagten übergangen hat. Seine tatsächlichen Feststellungen darf der Tatrichter gem. § 286 ZPO aber auf den gesamten Prozeßstoff stützen; dazu gehört nicht nur das Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme, sondern gerade auch das Verhalten einer Partei einschließlich ihrer Erklärungen (vgl. Senat, BGHRZPOO § 286 Abs. 1, Prozeßverhalten 1).

d) Auch die weiteren Rügen von Verfahrensmängeln hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 565a ZPO).