Kein "großer Schadensersatz" nach § 463 BGB bei verschuldetem Untergang der Kaufsache
LG Saarbrücken, Urteil v. 08.03.1996 - 13 AS 60/94
Fundstelle:

NJW 1996, 1971


(Eigener) Leitsatz:

Der Käufer kann Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 463 BGB in Form des "großen Schadensersatzes" dann nicht verlangen, wenn wegen des Untergangs der Kaufsache auch eine Wandelung ausgeschlossen wäre (Rechtsgedanke des § 351 BGB).



Der Kl. hat bei dem Bekl. einen gebrauchten Pkw gekauft. Er trägt vor, der Bekl. habe arglistig einen Rahmenschaden verschwiegen. Der Kl. begehrt Schadensersatz, u.a. die Rückzahlung des Kaufpreises. Der Bekl. wendet ein, der Kl. habe schuldhaft an dem gekauften Pkw einen Motorschaden verursacht. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.
Dem Kl. steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 463 BGB - gerichtet auf den sogenannten großen Schadensersatz - nicht zu.
Der Kl. kann einen Schadensersatzanspruch nicht daraus herleiten, daß das Fahrzeug bei Übergabe einen Rahmenschaden hatte. Der Sachverständige hat in dem Gutachten vom 25. 1. 1993 an dem Fahrzeug einen erheblichen Rahmenschaden festgestellt und diesen in seinem Ergänzungsgutachten vom 29. 9. 1995 dahingehend präzisiert, daß derartige Rahmenschäden am Rahmenlängsträger hinten, an der Bodengruppe und an den vorderen Rahmenlängsträgern und Radhäusern vorlagen und das Fahrzeug offensichtlich durch Front- und Heckanstoß bis in die Mittelzelle gestaucht worden war.
Hieraus ergibt sich zugleich, daß der Bekl. hiervon auch Kenntnis hatte. Dies um so mehr, als sich bei der von dem AG durchgeführten Zeugenvernehmung ergeben hat, daß der Bekl. selbst unfallbedingte Reparaturen an dem Fahrzeug vorgenommen hat ... Hat der Bekl. demnach offensichtlich um die vorhandenen Rahmenschäden gewußt, hat er ihre Abwesenheit vorgetäuscht, indem er in dem schriftlichen Kaufvertrag die Zusicherung abgab, daß an dem Fahrzeug keine Rahmenschäden festgestellt worden seien. Die Vortäuschung der Abwesenheit von Fehlern durch Handlungen in arglistiger Absicht steht aber dem Verschweigen i.S. des § 463 S. 2 BGB gleich (vgl. Palandt/Putzo, BGB, 53. Aufl. (1994), § 463 Rdnr. 12).
Anders als bei der Tatsache, daß es sich bei dem Fahrzeug um einen Unfallwagen handelte, konnte der Kl. als Laie bei der Besichtigung des Fahrzeuges nicht ohne weiteres erkennen, daß es sich um Rahmenschäden handelte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen waren die im vorderen und hinteren Rahmenbereich ausgeführten Reparaturen zwar "vollständig unsachgemäß'. Wenn beispielsweise bei der Besichtigung des Fahrzeuges der Bekl. dem Kl. die im Kofferraum vorhandene Schweißnaht zeigte, mußte der Kl. trotzdem nicht erkennen, daß es sich hierbei um eine unsachgemäße Reparatur und deshalb um einen weiterhin bestehenden Rahmenschaden handelte.
Wegen § 477 I 1 BGB ist die von dem Bekl. geltend gemachte Verjährung nicht eingetreten. Gleichwohl kann der Kl. Schadensersatz aus § 463 BGB nicht verlangen.
Der Kl. beansprucht den sogenannten "großen Schadensersatz" und fordert von dem Bekl. die Rückzahlung des Kaufpreises. Insoweit entspricht die Situation derjenigen, in der der Käufer Wandelung verlangt. Deshalb verliert der Käufer unter den Voraussetzungen, unter denen er das Wandelungsrecht einbüßt, auch den Anspruch auf den großen Schadensersatz in Gestalt der Rückzahlung des Kaufpreises; die Vorschriften der §§ 351 bis 353 BGB sind analog anzuwenden (Reinking/Eggert, 5. Aufl. (1992), Rdnr. 2019). Dies bedeutet, daß selbstverschuldete Beschädigungen des Fahrzeuges den Ausschluß des Wandelungsrechts und ebenso des Anspruchs auf den großen Schadensersatz in Form der Rückzahlung des Kaufpreises bewirken; Beschädigungen jedoch nur, wenn sie als wesentliche Verschlechterung i.S. von § 351 anzusehen sind (Reinking/Eggert, Rdnr. 755). Die Kammer ist aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 19. 7. 1994 davon überzeugt, daß der festgestellte Motorschaden bei der Übergabe des Fahrzeuges an den Kl. in der Anlage noch nicht vorhanden war und erst danach entstanden, und zwar von dem Kl. schuldhaft verursacht worden ist. Der Sachverständige führt die an Kurbelwelle und Bleuel festgestellten Beschädigungen auf einen Ölmangel-Schaden zurück. Es ist unstreitig, daß der Kl. mit dem Fahrzeug 14000 km gefahren ist und während dieser gesamten Zeit nicht ein einziges Mal einen Ölwechsel vornehmen ließ. Diese Nachlässigkeit des Kl. wiegt um so schwerer, als es sich - wie bereits ausgeführt - um ein älteres Fahrzeug mit einer bereits vorhandenen höheren Fahrleistung handelte...
Aus alledem ergibt sich, daß der Kl. versäumt hat, die Ursache für den behaupteten Wasserverlust feststellen und rechtzeitig beheben, nach den gegebenen Umständen veranlaßte Überprüfungen, Wartungen oder Inspektionen des Fahrzeuges vornehmen und eventuell erforderliche Reparaturen ausführen zu lassen. Die in seiner Berufungsbegründung vorgetragene Behauptung, er habe die immer wieder auftretenden Probleme mit einem Verwandten in Eigenregie beseitigt und das Fahrzeug sei immer wieder gewartet worden, ist unzureichend und unsubstantiiert. Aus den vom Sachverständigen zu dem Motorschaden getroffenen Feststellungen muß die Schlußfolgerung gezogen werden, daß die erforderlichen Wartungen und Reparaturen gerade nicht durchgeführt worden sind. Der Kl. hat auch selbst nicht behauptet, daß er die erforderliche Sachkenntnis und das handwerkliche Können zur Durchführung von Reparaturen habe, wie sie beispielsweise in dem von ihm vorgelegten Kostenvoranschlag der Firma Waufgeführt sind.