Scheingeschäft durch Stellvertreter als geheimer Vorbehalt

BGH, Versäumnisurt. v. 1. 6. 1999  XI ZR 2 01/98 (Stuttgart)


Fundstelle:

NJW 1999, 2882



Amtl. Leitsatz:

1. Bei Gesamtvertretung einer Vertragspartei genügt es für das Einverständnis i. S. des § 117 I BGB, wenn lediglich ein Vertreter wußte, daß der Vertragspartner seine Erklärung nur zum Schein abgeben wollte.
2. Der Vertragspartner kann den Einwand des Scheingeschäfts jedoch nicht geltend machen, wenn die Simulationsabrede gegenüber dem Vertretenen kollusiv geheimgehalten werden sollte.



Zentralproblem des Falles:

Das Standardproblem des arglistigen Zusammenwirkens von Vertreter und anderer Vertragspartei zum Schaden des Vertretenen (Kollusion) besteht meist darin, daß der Vertretene an das nachteilige Rechtsgeschäft nicht gebunden sein will. Dies ergibt sich aus § 138 I BGB (Sittenwidrigkeit). In der vorliegenden Fallkonstellation ging es darum, daß der Vertreter und die andere Vertragspartei ein Geschäft im Namen des Vertretenen nur zum Schein abgeschlossen hatten und der Vertretene das Geschäft gelten lassen wollte. An sich liegt in einem solchen Fall ein nach § 117 I BGB unwirksames Scheingeschäft vor, selbst wenn der Vertretene nicht wußte, daß die andere Partei ihre Willenserklärung nur zum Schein abgegeben hat. Für den Fall der Kollusion sieht der BGH hier allerdings zu Recht einen Fall analog § 116 BGB zu behandelnden Fall des unbeachtlichen geheimen Vorbehalts: Der Geschäftspartner spiegelt dann mit Hilfe des Vertreters dem Vertretenen in gleicher Weise wie in § 116 BGB anvisiert das Vorhandensein eines rechtsgeschäftlichen Willens vor. Für den Grundkurs sind insbesondere die fett wiedergegebenen Passagen wichtig.
Zum "mißlungenen Scheingeschäft" sowie zur Zurechnung der Scheinabrede eines Verhandlungsgehilfen s. BGH, Urt. v. 26. Mai 2000 - V ZR 399/99 = NJW 2000, 3127.



Zum Sachverhalt:

Die kl. Bank macht Rückzahlungsansprüche aus Darlehensvertragen geltend. Die Kl. belastete am 17. 3. 1992 ein Kreditkonto des Bekl. in Höhe von 220 000 DM und schrieb den Betrag einem Geschäftskonto des Bekl. gut. Die Parteien streiten darüber, ob diesem Vorgang ein Darlehen der Kl. an den Bekl. zugrunde liegt, welches den Bekl. zur Rückzahlung verpflichtet, oder ob nur zum Schein ein Darlehensverhältnis mit ihm begründet wurde, in Wirklichkeit aber ein Dritter, der Zeuge W, zur Rückzahlung verpflichtet sein sollte. Der Bekl. hat eingewendet: Das angebliche Darlehen sei nur deshalb als solches bezeichnet worden, um der Kl. die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit dem Zeugen W zu ermöglichen. Es sei ausdrücklich vereinbart worden, daß nicht der Bekl., sondern allein der Zeuge W die Rückzahlung aus den Gewinnen seiner Immobiliengeschäfte vornehmen sollte. Hintergrund der Vereinbarung sei gewesen, daß die von dem Zeugen W geführte I-GmbH und dieser persönlich verpflichtet gewesen seien, ein zum 31. 12. 1991 fällig gewordenes Darlehen von 220 000 DM an den Bekl. zurückzuzahlen. Dazu seien beide Schuldner aufgrund finanzieller Schwierigkeiten jedoch nicht in der Lage gewesen. Um Vollstreckungsmaßnahmen des Bekl. und den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Zeugen W und der 1-GmbH zu vermeiden, habe das damalige Vorstandsmitglied der Kl., der Zeuge T, vorgeschlagen, die Rückzahlung des von dem Bekl. an den Zeugen W gewährten Darlehens durch die Kl. vorzunehmen, indem sie dem Bekl. zum Schein ein Darlehen gewährte, zu dessen Rückzahlung allein der Zeuge W verpflichtet sein sollte.
Das LG hat die Klage auf Rückzahlung dieses Darlehens abgewiesen. Die Berufung der Kl. wurde zurückgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit die Berufung der Kl. zurückgewiesen worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Die im Frühjahr 1992 von der Kl. vorgenommene Auszahlung des Betrags von 220 000 DM auf das Geschäftskonto des Bekl. beruhe nicht auf einem verbindlich geschlossenen Darlehensvertrag der Parteien. Ein solcher sei nur zum Schein geschlossen worden und habe eine in Wirklichkeit gewollte dreiseitige Abrede unter Einschluß des Zeugen W verdeckt, nach der ausschließlich der Zeuge W gegenüber der Kl. zur Rückzahlung der Darlehenssumme verpflichtet sein sollte. Daß dem äußeren Schein nach ein Darlehensvertrag geschlossen worden sei, habe der Bekl. nie in Abrede gestellt. Im übrigen ergebe sich dies aus den vorliegenden Unterlagen der Kl., insbesondere aus dem internen Kreditantrag vom 5. 3. 1992 und der darin niedergelegten Genehmigung des Vorstandes sowie aus den Kontounterlagen der Kl. Der Einwand des Bekl., dieses Darlehen sein nur pro forma eingegangen worden, es handele sich insoweit um ein Scheingeschäft, sei aufgrund der Bekundungen der vom LG vernommenen Zeugen als erwiesen anzusehen. Diese hätten als Teilnehmer an den maßgebenden Verhandlungen, die der Zeuge T, der Streithelfer der Kl., als damaliger Vorstand der Kl. für diese führte, übereinstimmend die erörterte und schließlich mündlich vereinbarte Lösung geschildert. Danach habe im Ergebnis Einigkeit darüber bestanden, dem Zeugen W die Fortführung seiner Geschäfte zu ermöglichen, weil man sich aus der Veräußerung der von ihm erworbenen Immobilien nicht nur eine Erfüllung der Kreditforderungen der Kl. versprach, sondern allseits davon überzeugt gewesen sei, die Verkaufserlöse würden den Zeugen W zu einem späteren Zeitpunkt auch in die Lage versetzen, zusätzlich den Betrag von 220 000 DM aufzubringen und an die Kl. zurückzuzahlen. Deshalb sei vereinbart worden, daß die Kl. den Betrag von 220 000 DM vorab an den Bekl. auszahlen sollte. Die Rückzahlung sollte ausschließlich von dem Zeugen W aus den von ihm erzielten Verkaufserlösen bewirkt werden. Zum Schein sollte aber ein Darlehensvertrag mit dem Bekl. geschlossen werden. Soweit der Zeuge T zum Kernpunkt der Besprechung abweichende Angaben gemacht habe, seien diese nicht geeignet, die Aussagen der anderen Zeugen zu widerlegen. Im Außenverhältnis sei der Zeuge T als Vorstand bevollmächtigt gewesen, die Kl. rechtsgeschäftlich zu vertreten. Das Risiko eines etwaigen Vollmachtsmißbrauches habe die Kl. zu tragen. Ein Mißbrauch, insbesondere ein kollusives Zusammenwirken zum Nachteil der Kl., sei aber nicht erkennbar. Es liege vielmehr auf der Hand, daß der Zeuge T in der konkreten für die Kl. schwierigen Situation das im wirtschaftlichen Interesse der Kl. liegende unternommen habe, um das nicht unerhebliche Kreditengagement bei dem Zeugen W nicht zu gefährden und letztlich eine Erfüllung der Forderungen der Kl. zu erreichen.

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung teilweise nicht stand.

1. Nicht zu beanstanden ist, daß das BerGer. zu der Annahme gelangt, die Vereinbarung eines Darlehens über 220 000 DM zwischen den Parteien habe nach dem übereinstimmenden Willen der handelnden Personen nur zum Schein vorgenommen werden sollen. Die diesbezügliche in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbare Beweiswürdigung des BerGer. läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Sie enthält keine Widersprüche und berücksichtigt das Gesamtergebnis der mündlichen Verhandlung. Sie wird von der Revision auch nicht angegriffen.

2. Das BerGer. ist zu Unrecht davon ausgegangen, der Streithelfer der Kl. sei als Vorstand im Außenverhältnis ohne Einschränkung bevollmächtigt gewesen, die Kl. zu vertreten. Bei der Kl. handelt es sich um eine eingetragene Genossenschaft. Diese wird durch den Vorstand vertreten, der aus mindestens zwei Mitgliedern besteht (§ 24 I, II GenG). Die Mitglieder des Vorstandes sind grundsätzlich nur gemeinschaftlich zur Vertretung befugt, wobei das Statut Abweichendes bestimmen kann (§ 25 1 GenG). Feststellungen über eine solche abweichende Bestimmung hat das BerGer. nicht getroffen. Die von der Kl. in der Revisionsinstanz vorgelegte Satzung der Kl. enthält in § 15 leine der gesetzlichen Regelung entsprechende Bestimmung. Der Streithelfer der Kl. war daher nicht allein vertretungsberechtigt.
Die Anwendung des § 117 BGB scheitert allerdings nicht bereits daran, daß der Darlehensvertrag vom Gesamtvorstand der Kl. genehmigt wurde, während die Simulationsvereinbarung nur mit dem Streithelfer der Kl. getroffen wurde. Das in § 117 I BGB vorausgesetzte Einverständnis über den Widerspruch von Willen und Erklärung ist nicht rechtsgeschäftlicher Natur (vgl. RGZ 134, 33 [37]; Erman/Brox, BGB, 9. Aufl., § 117 Rdnr. 4; Staudinger/Dilcher, BGB, 11. Bearb., § 117 Rdnr. 12). Bei der Simulationsabrede müssen sich nur beide Teile bewußt sein, daß ihren Erklärungen kein Wille entsprechen soll (RGZ 134, 33 [371). Bei Gesamtvertretung einer Vertragspartei genügt es für dieses Bewußtsein und damit für das Einverständnis i. S. des § 117 BGB, wenn  wie hier  lediglich ein Gesamtvertreter wußte, daß der Vertragspartner seine Erklärung nur zum Schein abgeben wollte (Senat, NJW 1996, 663 [664 unter III 1] = LM H. 4/1996 § 117 BGB Nr. 15).
3. Nicht berücksichtigt hat das BerGer. jedoch, daß der zum Schein abgeschlossene Darlehensvertrag unter den hier gegebenen Umständen gegenüber der Kl. ausnahmsweise als gültig zu behandeln sein kann.
Schließt ein Vertreter zur Täuschung des Vertretenen in Kollusion mit dem Geschäftsgegner ein Scheingeschäft ab, so ist das Geschäft gegenüber dem gutgläubigen Vertretenen wirksam. Denn der Geschäftsgegner müßte sich, um sich dem Vertretenen gegenüber mit dem Einwand des Scheingeschäfts durchzusetzen auf seine eigene Täuschungsabsicht berufen. Er hat dem Vertretenen das Vorhandensein eines rechtsgeschäftlichen Willens in gleicher Weise vorgespiegelt, wie wenn er mit ihm ohne das Zwischenglied eines Vertreters verhandelt hätte. Bei der Kollusion zwischen dem Vertreter und dem Geschäftsgegner ist die Scheingeschäftsabrede daher gegenüber dem Vertretenen wie ein  unbeachtlicher  geheimer Vorbehalt des Geschäftsgegners zu werten (vgl. RGZ 134, 33 [37]; Erman/Brox, § 117 Rdnr. 10; Kramer, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 117 Rdnr. 17; Schramm, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 166 Rdnr. 6; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 117 Rdnr. 7; Soergel/Hefermehl, BGB, 12. Aufl., § 117 Rdnr. 15; Soergel/Leptien, BGB, 12. Aufl., § 166 Rdnr. 18; Staudinger/Schilken, BGB, 12. Bearb., § 166 Rdnr. 19, § 167 Rdnr. 100). Der der vertretenen Kl. gegenüber kollusiv geheim gehaltene Vorbehalt des Bekl., den Darlehensvertrag nur zum Schein abzuschließen und eine Haftung in Wirklichkeit nicht übernehmen zu wollen, wäre daher der Kl. gegenüber unbeachtlich (§ 116 BGB analog).
Das BerGer. hat die Kollusion nur unter dem Gesichtspunkt des Vollmachtsmißbrauchs behandelt und sie verneint, da ein Zusammenwirken des Bekl. und des Vertreters zum Nachteil der Kl. nicht erkennbar sei. Darum geht es im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht. Wenn der Vertreter und der Geschäftsgegner bewußt zum Nachteil des Vertretenen zusammenwirken, ist das Rechtsgeschäft nach § 138 BGB nichtig (vgl. Schramm, in: MünchKomm, § 164 Rdnr. 99; Staudinger/ Schilken, § 167 Rdnr. 100). Das macht auch die Kl. nicht geltend. Sie stützt sich im Gegenteil auf die Verbindlichkeit des vom Bekl. ohne Rechtsbindungswillen abgeschlossenen Darlehensvertrags. Die Entscheidung, ob der Zeuge T wie das BerGer. meint  mit der Simulationsabrede "das im wirtschaftlichen Interesse der Kl. liegende unternommen" hat, oblag dem Gesamtvorstand. Sollte diesem der fehlenden Rechtsbindungswille nach den übereinstimmenden Absichten des Bekl. und des Zeugen verheimlicht werden, um eine negative Entscheidung zu vermeiden, könnte sich der Bekl. gegenüber dem Erfüllungsverlangen der Kl. nicht auf die Scheinnatur des Darlehensvertrags berufen (Staudinger/Schilken, § 166 Rdnr. 19, § 164 Rdnrn. 93, 100). 



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