Fristsetzung nach § 634 I 1 BGB, Wegfall des Nachbesserungsanspruchs und Fälligkeit des Werklohnanspruchs ohne Abnahme
BGH, Urt. v. 16. 9. 1999 - VII ZR 456/98 (Schleswig)

Fundstelle:

NJW 1999, 3710
vorgesehen für die amtliche Sammlung


Amtliche Leitsätze:

1. Nach Ablauf der gem. § 634 I BGB vor Abnahme wirksam gesetzten Frist wird das Vertragsverhältnis in das Abwicklungsverhältnis umgewandelt, wenn der Unternehmer die gerügten Mängel nicht bis zum Fristablauf beseitigt hat. Mit der Umwandlung wird der Werklohn des Unternehmers fällig.
2. Die Aufforderung des Bestellers, der Unternehmer möge die Mängel beseitigen und innerhalb einer Frist erklären, ob und in welchem Umfang er zur Mängelbeseitigung bereit sei, genügt den Voraussetzungen des § 634 I 1 BGB nicht.
3. Ist eine Fristsetzung deshalb entbehrlich, weil der Unternehmer die Mängelbeseitigung nachhaltig und endgültig verweigert, treten die Rechtsfolgen des § 634 I 3 BGB erst dann ein, wenn der Besteller sich für die sekundären Gewährleistungsansprüche entschieden und dem Unternehmer seine Entscheidung mitgeteilt hat. 


Zum Sachverhalt:

Der Kl. verlangt vom Bekl. Vergütung für ausgeführte Metallbauarbeiten in Höhe von 52581,69 DM nebst Zinsen. Der Bekl. verteidigt sich vorrangig mit der Einrede der Verjährung. Im Juni 1992 erteilte der Bekl. dem Kl. den Auftrag, an den 16 Balkonen der drei Mietshäuser in S. neue Balkongeländer nebst Verkleidung anzubringen. Nach Abschluß der Arbeiten verlangte der Kl. mit Rechnung vom 14. 12. 1992 insgesamt 65 166,69 DM. Mit Schreiben vom 16. 12. 1992 beanstandete der Bekl. die Arbeiten des Kl. und verweigerte die Zahlung sowie die Abnahme der Werkleistung. Durch Schreiben seines Rechtsanwalts vom 26. 1. 1993 übersandte er dem Kl. das Mängelgutachten des von ihm beauftragten Architekten. In dem Schreiben wurde der Kl. zur Beseitigung der Mängel aufgefordert und gebeten, sich bis zum 10. 2. 1993 darüber zu äußern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er bereit sei, die vorhandenen Mängel zu beseitigen; für den Fall, daß die Frist erfolglos ablaufen sollte, lehnte er, der Bekl., die Nachbesserung ab. Der Kl. äußerte sich nicht. Mit der am 10. 2. 1993 eingereichten Klage verlangte er die Abnahme seiner Werkleistung und Zahlung der Vergütung. Diese Klage nahm er später zurück. Mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 12. 9. 1994 forderte der Bekl. den Kl. zur Mängelbeseitigung bis zum 30. 10. 1994 auf und erklärte, nach erfolglosem Fristablauf werde er die Leistungen des Kl. ablehnen. Der Kl. führte keine Arbeiten aus. Er hat am 21. 12. 1996 die Klage auf Zahlung von 52581,69 DM nebst Zinsen erhoben.
Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Vergütungsanspruch des Kl. sei verjährt. Die Berufung des Kl. hat keinen Erfolg gehabt. Das BerGer. hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, "ob bei Erhebung einer Zahlungsklage als Antwort auf die Fristsetzung zur Rückäußerung über die Bereitschaft zur Mängelbeseitigung die Rechtswirkung des § 634 I BGB angenommen werden könne." Die Revision des Kl. hatte Erfolg, sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Aus den Gründen:

I. ...
II. 1. Das BerGer. hat die Verjährung der Vergütungsforderung des Kl. wie folgt begründet:
a) Die Vergütungsforderung des Kl. sei mit Ablauf des 10. 2. 1993 fällig geworden, weil das Erfüllungsverhältnis sich gem. § 634 I 3 i. V. mit II BGB in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt habe. Die dem Kl. bis zum 10. 2. 1993 gesetzte Frist zur Rückäußerung erfülle nicht die Voraussetzung des § 634 I 1 BGB, sie sei jedoch rechtlich nicht wirkungslos. Der Unternehmer sei nach Treu und Glauben gehalten, auf eine derartige Aufforderung zu reagieren. Die Reaktion des Kl., die Erhebung der Klage auf Abnahme und Zahlung der Vergütung, habe der Bekl. nur als endgültige Weigerung, die Mängel zu beseitigen, verstehen können. Die auf Abnahme und Zahlung gerichtete Klage sei die nachhaltigste Verweigerung der Nachbesserung.
b) Der Vergütungsanspruch des Kl. sei gem. § 196 I Nr. 1 BGB verjährt. Maßgeblich sei die zweijährige Verjährungsfrist, weil der Kl. seine Leistung nicht für den Gewerbebetrieb des Bekl. erbracht habe. Das Mietshausgrundstück sei nicht dem Dachdeckergewerbe des Bekl. zuzurechnen, weil der Bekl. das Mietsgrundstück als Kapitalanlage für seine Alterssicherung erworben habe. Die Klage habe die Verjährungsfrist nicht mehr unterbrechen können, weil sie erst nach Ablauf der Verjährungsfrist eingereicht worden sei.
2. Die Erwägungen des BerGer. zur Fälligkeit und damit zum Beginn der Verjährungsfrist halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Die Vergütungsforderung ist nicht verjährt. Sie ist nicht zum 10. 2. 1993 fällig geworden, weil das Vertragsverhältnis sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt harte. Die Erklärung des Bekl. war nicht geeignet, die Umwandlung des Vertragsverhältnisses nach § 634 I 3 BGB herbeizuführen.
(1) Die in § 634 I 3 BGB angeordnete Rechtsfolge führt dazu, daß das vertragliche Erfüllungsverhältnis auch vor der Abnahme in das Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis umgewandelt wird. Die Umwandlung des Vertragsverhältnisses bewirkt, daß der Erfüllungsanspruch des Bestellers sowie die Vorleistungspflicht des Unternehmers und dessen Nachbesserungsrecht entfallen (BGH, NJW 1979, 549 = LM VOR Teil B Nr. 102 = BauR 1979, 152; Thode, ZfBR 1999, 116 [119]). Die Umwandlung des Vertragsverhältnisses hat mittelbar zur Folge, daß die Werklohnforderung des Unternehmers auch ohne Abnahme fällig wird (BGH, NJW 1979, 549= LM VOB Teil B Nr. 102 = BauR 1979, 152).
Die Rechtsfolgen des § 634 I 3 BGB sind nicht eingetreten, weil es an einer nach § 634 I 1 BGB erforderlichen Erklärung des Bestellers fehlt. Eine Erklärung i. S. des § 634 I 1 BGB liegt nur vor, wenn der Besteller den Unternehmer auffordert, die Mängel innerhalb der gesetzten Frist zu beseitigen und ankündigt, daß er nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Nachbesserung ablehne. Diesen Anforderungen genügt die Erklärung des Bekl. nicht. Er hat die Frist nur zur Beseitigung der Mängel gesetzt und den Kl. lediglich dazu aufgefordert, innerhalb der Frist zu erklären, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er bereit sei, die gerügten Mängel zu beseitigen. Die Ansicht des BerGer., aus der nachfolgenden Reaktion des Kl. als Unternehmer sei zu folgern, daß das Vertragsverhältnis in ein Abwicklungsverhälmis übergegangen sei, ist nicht zutreffend.
(2) Fehlt es an einer eindeutigen Erklärung des Bestellers i. S. des § 634 I 1 BGB, können die Rechtsfolgen des § 634 I 3 BGB nicht eintreten. Die Fristsetzung unter Ablehnungsandrohung soll den Unternehmer zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung anhalten und ihm das Risiko vor Augen führen, daß er nach fruchtlosem Ablauf der Frist sein Recht verliert, das Werk nachzubessern. Die Erklärung des Bestellers muß dem Unternehmer unmißverständlich verdeutlichen, daß er entscheiden muß, ob er die Folgen einer Verweigerung der Nachbesserung auf sich nehmen oder ob er sie durch eine fristgerechte Nachbesserung abwenden will (BGH, NJW 1983, 1731 = BauR 1983, 258 = ZfBR 1983, 123; BGH, NJW-RR 1995, 939). Das Erfordernis einer eindeutigen Aufforderung zur fristgerechten Beseitigung der gerügten Mängel und einer Ablehnungsandrohung dient zugleich dem Interesse des Bestellers. Ihm soll bewußt werden, daß er aufgrund einer derartigen Erklärung das verschuldensunabhängige Nachbesserungsrecht verlieren kann (§ 634 I 3 BGB).
(3) Dem Erfordernis einer klaren und unmißverständlichen Aufforderung zur Mängelbeseitigung innerhalb der gesetzten Frist mit einer Ablehnungsandrohung genügt die Aufforderung des Bekl. nicht, der Kl. möge sich zu seiner Erfüllungsbereitschaft äußern. Die Reaktion des Unternehmers auf ein derartiges Aufforderungsschreiben ist im Rahmen des § 634 I BGB unerheblich, sie ist lediglich von Bedeutung für die Frage, ob der Unternehmer die Nachbesserung i. S. des § 634 II BGB nachhaltig verweigert hat (Staudinger/Peters, BGB, 1994, § 634 Rdnr. 17 II).
b) Der Vergütungsanspruch des Kl. ist auch nicht aus anderen Gründen bereits im Februar 1993 fällig geworden. Nach § 634 II BGB ist eine Fristsetzung für die Mängelbeseitigung unter anderem dann nicht erforderlich, wenn der Unternehmer die Mängelbeseitigung ernsthaft verweigert. Hat der Unternehmer die Nachbesserung nachhaltig verweigert, dann wird der Werkvertrag nicht ohne weiteres vom Erfüllungsstadium in das Stadium der Abrechnung und der sekundären Gewährleistungsrechte des Bestellers übergeleitet (Staudinger/Peters, § 634 Rdnr. 24). Der Unternehmer verliert nicht sein Nachbesserungsrecht, die Vergütung wird nicht fällig. Die Umwandlung des Vertragsverhältnisses mit ihren Rechtsfolgen in das Stadium der sekundären Gewährleistungsansprüche tritt nicht durch das Verhalten des Unternehmers ein, sondern erst durch das Verhalten des Bestellers. Er muß, wenn der Unternehmer die Nachbesserung nachhaltig verweigert hat, sein Wahlrecht ausüben, ob er Nachbesserung oder sekundäre Gewährleistungsansprüche geltend machen will, und seine Entscheidung dem Unternehmer mitteilen (BGH, NJW-RR 1990, 1300 = LM § 635 BGB Nr. 93 = ZfBR 1990 275 - BauR 1990, 725; Staudinger/Peters, § 634 Rdnr. 24).
c) Das Vertragsverhältnis wurde erst in das Stadium der sekundären Gewährleistungsansprüche umgewandelt, als die Frist abgelaufen war, die der Bekl. in seinem Schreiben vom 21. 9. 1994 zur Beseitigung der Mängel und der damit verbundenen Ablehnungsandrohung gesetzt hatte. Da die Vergütungsforderung des Kl. erst am 31. 10. 1994 fällig geworden ist, war die Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Erhebung der Klage nicht abgelaufen. 


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