Anfängliche objektive Unmöglichkeit im Mietrecht und Haftung nach § 325 BGB 

BGH, Beschl. v. 25. 11. 1998 - XII ZR 12/97

Fundstelle:

NJW 1999, 635



Zentrale Probleme:

Im Mittelpunkt der Entscheidung stehen grundsätzliche Fragen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts sowie seiner Bezüge zu den mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften (zu letzterem Problem vgl. insbesonder auch die hier vom BGH zitierte Entscheidung BGHZ 136, 102: Verhältnis §§ 537 f BGB zur c.i.c.).
Verspricht der Vermieter eine Leistung, die ihm rechtlich unmöglich ist, stellt sich zunächst die Frage der Abgrenzung von Unvermögen und Unmöglichkeit. Bei öffentlich-rechtlichen Leistungshindernissen wird i.d.R. (objektive) Unmöglichkeit angenommen, weil das Leistungshindernis für niemanden behebbar, die Leistung also nicht nur dem Schuldner, sondern jedermann unmöglich ist.
Aus §§ 537, 538 BGB folgert der BGH, daß im Bereich des Mietrechts § 306 BGB nicht anwendbar ist, wenn das Fehlen des vereinbarten Zustands zugleich einen Sachmangel darstelle: Es könne nicht sein, daß Gewährleistungsansprüche erst nach Überlassung entstünden, vorher aber der Vertrag nach § 306 BGB nichtig sei.
Damit stellt sich die (seltene) Frage der Haftung im Falle anfängl. Unmöglichkeit auf das positive Interesse (nicht zu verwechseln mit der Haftung aus § 307 BGB bei Vertragsnichtigkeit!). Der BGH nimmt hier eine Haftung analog § 325 BGB an. Das Vertretenmüssen leitet er dann ähnlich wie im Fall anfängl. Unvermögens aus der im Leistungsversprechen enthaltenen Garantieübernahme her.



Amtl. Leitsätze:

1. Verpflichtet sich in einem Mietvertrag der Vermieter, die Mietsache in einem Zustand zur Verfügung zu stellen, der nicht herstellbar ist, und kommt es deshalb nicht zur Überlassung der Mietsache, so kommt ein Schadensersatzanspruch des Mieters nach § 325 BGB in Betracht (vgl. Senat, BGHZ 136, 102 = NJW 1997, 2813 = LM H. 1/1998, § 306 BGB Nr. 13 = NJWE-MietR 1997, 247 L).
2. Der Schuldner hat die Unmöglichkeit der Leistung nicht nur zu vertreten, wenn er das zur Unmöglichkeit führende Ereignis schuldhaft herbeigeführt hat, sondern auch dann, wenn er sich uneingeschränkt zur Leistung verpflichtet hat, obwohl er das Leistungshindernis bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt bei Vertragsschluß hätte erkennen oder voraussehen können. 



Zum Sachverhalt:

Der Bekl. hat den Kl. Arztpraxisräume vermietet und sich zum vereinbarungsgemäßen Umbau verpflichtet. Der geplante Umbau konnte aber wegen entgegenstehender öffentlichrechtlicher Vorschriften, insbesondere des Denkmalschutzes, nicht durchgeführt werden. Die Kl. haben Schadensersatz wegen Nichterfüllung begehrt. Der Senat hat die Revision des Bekl. gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 10. 12. 1996 nicht angenommen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und die Revision im Endergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg habe.

Aus den Gründen:

Zwar leitet das BerGer. den den Kl. zustehenden Schadensersatzanspruch aus § 538 I BGB her. Diese Vorschrift ist nicht anwendbar, weil die Mietsache dem Mieter nicht übergeben worden ist. Die - dem BGB an sich fremde - verschuldensunabhängige Garantiehaftung. des § 538 I BGB tritt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 537 I BGB, auf den § 538 BGB verweist, erst mit der Überlassung der Mietsache an den Mieter ein (Senat, BGHZ 136, 102 [107 ff.] = NJW 1997, 2813 = LM H. 1/1998 § 306 BGB Nr. 13 = NJWEMietR 1997, 247 L). Von diesem Zeitpunkt an ist der Mieter in besonderer Weise schutzwürdig. Der Vermieter kann im Zusammenhang mit der Übergabe klären, ob die Mietsache den vereinbarten Zustand hat. Der Schadensersatzanspruch der Kl. ergibt sich aber aus § 325 BGB. Der Bekl. hat den Kl. zum Betrieb einer Arztpraxis Räume vermietet, die vor der Übergabe umgebaut werden sollten, um sie in den vereinbarten Zustand zu versetzen. Nach den Feststellungen des BerGer. war der Umbau in der geplanten Form wegen entgegenstehender öffentlichrechtlicher Bestimmungen und einem Eingreifen der Denkmalschutzbehörde nicht möglich. Daraus ergibt sich nicht, daß der Mietvertrag nach § 306 BGB wegen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit nichtig ist. § 306 BGB ist nämlich in solchen Fällen nicht anwendbar, der Vertrag bleibt wirksam (Senat, BGHZ 136, 102 = NJW 1997, 2813 = LM H. 1/1998 § 306 BGB Nr. 13 = NJWE-MietR 1997,247 L m. Nachw.), und der Vermieter bleibt im Grundsatz zur Leistung verpflichtet. Die gegenseitigen Ansprüche der Vertragsparteien richten sich nach den allgemeinen Regeln des Schuldrechts über Leistungsstörungen (Senat, BGHZ 136, 102 = NJW 1997, 2813 = LM H. 1/1998 § 306 BGB Nr. 13 = NJWE-MietR 1997, 247 L). Der Mieter ist nicht etwa gezwungen, zunächst auf Leistung zu klagen, um anschließend einen Schadensersatzanspruch nach den §§ 283, 325 II BGB geltend machen zu können. Er kann vielmehr, auch wenn die Unmöglichkeit nicht erst nachträglich eingetreten ist, nach dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung sofort nach § 325 BGB vorgehen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (Emmerich, in: MünchKomm, 3. Aufl., Vorb. § 275 Rdnrn. 14, 15; Staudinger/Löwisch, BGB, 13. Bearb. [1995], § 283 Rdnr. 5), wenn der Vermieter die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Es kann offen bleiben, ob der Bekl. in dem Mietvertrag eine besondere Einstandspflicht dafür übernommen hat, daß die Räume in der vereinbarten Weise umgebaut werden können. Auch wenn das nicht der Fall ist, hat er die Unmöglichkeit zu vertreten, weil er sich uneingeschränkt zur Leistung verpflichtet hat, obwohl er das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluß bei Anwendung der forderlichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen (BGH, LM BGB § 325 Nr. 8 = MDR 1960, 304 = BB 1960, 303; Emmerich, in: MünchKomm, § 275 Rdnr. 71; Bailhaus, in: RGRK, 12. Aufl., § 325 Rdnr. 5; Palandt/Heinrichs, BGB, 57. Aufl., § 275 Rdnr. 23 m. w. Nachw.). Das Haus stand unter Denkmalschutz. In einem Verwaltungsstreitverfahren zwischen der Eigentümergemeinschaft, zu der der Bekl. gehörte, und dem Oberstadtdirektor von W. war ca. drei Jahre vor Abschluß des Mietvertrags der Parteien ein Sachverständigengutachten eingeholt worden, das zur Begründung der Notwendigkeit, das Haus unter Denkmalschutz zu stellen, ausdrücklich die Dienstbotentreppe erwähnt hat. Aufgrund dieser Umstände hätte dem Bekl. klar sein müssen, daß die Dienstbotentreppe nicht ohne weiteres beseitigt werden durfte.