ÍPR/Europarecht: Internationales Namensrecht nach "Grunkin-Paul" (EuGH NJW 2009, 135); Anwendungsvorrang des (primären) Gemeinschaftsrechts; "domicile"-Begriff


OLG München, 31. Zivilsenat Beschluss vom 19.1.2010 31 Wx 152/09


Fundstelle:

NJW-RR 2010, 660


Amtl. Leitsatz:

Der Anwendungsvorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts kann es gebieten, den für ein in England geborenes deutsches Kind von seinen deutschen Eltern bestimmten, aus den Namen der Eltern zusammengesetzten Doppelnamen in das deutsche Geburtenregister einzutragen, auch wenn dieser Name dem auf den Fall anwendbaren deutschen Namensrecht widerspricht (im Anschluss an EuGH NJW 2009, 135 -„Grunkin-Paul").


Zentrale Probleme:

Es handelt sich - soweit ersichtlich - um die erste Entscheidung zum Internationalen Namensrecht, welche die Problematik der "Grunkin-Paul" Entscheidung des EuGH umsetzt. Zu Recht löst das OLG den Fall nicht auf der Ebene des Kollisionsrechts, sondern des Sachrechts. S. auch EuGH v. 22.12.2010 - C-208/09 „Sayn-Wittgenstein“

©sl 2010


Gründe:

I.

Die miteinander verheirateten Beteiligten zu 1 und 2 sind die Eltern des am 2.12.2008 in London geborenen Kindes L. Eltern und Kind haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Eltern leben seit Mitte 2007 in London. Sie haben bei ihrer Eheschließung keinen gemeinsamen Ehenamen bestimmt. Auf Wunsch der Eltern wurde im englischen Geburtenregister als Nachname des Kindes der aus den Familiennamen des Vaters und der Mutter zusammengesetzte Doppelname eingetragen.

Am 26.1.2009 gaben die Eltern vor der Konsularbeamtin der deutschen Auslandsvertretung in London eine Erklärung zur Namensführung des Kindes dahin ab, dass das Kind den Familiennamen der Mutter führt. Am 3.2.2009 beurkundete das deutsche Standesamt die Geburt des Kindes im deutschen Geburtenregister mit dem Familiennamen der Mutter.

Am 15.4.2009 beantragten die Eltern die Beurkundung und Eintragung des im Vereinigten Königreich geführten Doppelnamens ihres Sohnes im deutschen Geburtenregister. Zur Begründung beziehen sie sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs; danach müsse der in einem Wohnsitzmitgliedstaat der Europäischen Union im Geburtenregister eingetragene Nachname im Heimatmitgliedstaat auch dann anerkannt werden, wenn er dem dortigen Namensrecht nicht entspreche. Vor der Konsularbeamtin hätten sie nur deshalb eine anderslautende Namenserklärung abgegeben, weil ihnen dort gesagt worden sei, dass die Auswirkungen der genannten EuGH-Rechtsprechung in den Ressorts noch geprüft werde und bei der Wahl eines Doppelnamens mit einer baldigen Ausstellung eines Ausweises für den Sohn nicht gerechnet werden könne. Um von ihrer Reisefreiheit Gebrauch machen zu können, hätten sie sich daher gezwungen gesehen, den Namen eines Elternteils zu wählen und einen auf diesen Namen lautenden Reisepass zu beantragen. Dies sei vorläufig und unter Vorbehalt einer späteren Auseinandersetzung mit dem Standesamt bzw. einer gerichtlichen Klärung geschehen. Die Deutsche Botschaft hat dies im Wesentlichen bestätigt.

Das Standesamt hat im Wege der Zweifelsvorlage dem Amtsgericht die Frage unterbreitet, ob der Geburtseintrag in den Doppelnamen zu berichtigen ist. Mit Beschluss vom 15.5.2009 lehnte das Amtsgericht die Anordnung der Berichtigung ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluss vom 7.9.2009 zurück. Mit der weiteren Beschwerde verfolgen die Eltern ihr Ziel der Berichtigung des Geburtseintrags weiter. Die Standesamtsaufsicht hält die angefochtene Entscheidung für richtig; sie verweist insbesondere darauf, dass die Eltern auch nach englischem Recht die Möglichkeit gehabt hätten, für das Kind einen Namen zu wählen, der mit dem hier maßgeblichen deutschen Namensrecht in Einklang steht.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet. Das Standesamt hat den Eintrag im Geburtenregister wie beantragt zu berichtigen.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem hier anwendbaren deutschen Recht sei die Bestimmung eines aus den Familiennamen der Eltern zusammengesetzten Doppelnamens nicht zulässig. Dies sei den Eltern auch bekannt gewesen, ebenso der Umstand, dass die vor dem Konsularbeamten abgegebene Namenserklärung zugunsten des Familiennamens der Mutter unwiderruflich sei. Seitens des Konsularbeamten seien die Eltern ausdrücklich darüber belehrt worden, dass die Auswirkungen der Namenserklärung auf eine eventuell später beantragte Änderung des Geburtsnamens auf den gewünschten Doppelnamen nicht abgeschätzt werden könne. Allerdings sei es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs mit dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht unvereinbar, wenn die Behörde des Heimatstaates die Anerkennung des nach dem Geburts- und Aufenthaltsstaates des Kindes rechtmäßig geführten Namens ablehne. Die Kammer sehe sich gleichwohl gehindert, dem Antrag auf Berichtigung nachzukommen; insoweit müsse zunächst der deutsche Gesetzgeber tätig werden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Anwendung des deutschen Namensrechts hier zu einem mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht nicht übereinstimmenden Ergebnis führt. Rechtsirrig ist seine Auffassung, dass es gleichwohl das deutsche Recht anwenden müsse, solange nicht der Gesetzgeber eine Anpassung des innerstaatlichen Rechts an die Gemeinschaftsrechtslage vorgenommen habe. Das verkennt den von allen nationalen Gerichten der Mitgliedstaaten zu beachtenden Vorrang des Gemeinschaftsrechts.

a) Zu Recht hat das Standesamt den Antrag der Eltern als Antrag auf Berichtigung (nicht: Änderung) der gemäß § 36 PStG im deutschen Geburtenregister vorgenommenen Nachbeurkundung einer im Ausland erfolgten Geburt ausgelegt. Denn die Eltern machen nicht einen der deutschen Erstbeurkundung nachfolgenden Namensänderungstatbestand geltend. Sie behaupten vielmehr der Sache nach, dass der Eintrag im deutschen Register von Anfang an unrichtig war.

b) Welcher Name des Kindes einzutragen ist, richtet sich auch bei der Nachbeurkundung einer im Ausland erfolgten Geburt nach dem vom deutschen Kollisionsrecht berufenen Sachrecht. Das ist hier das deutsche Recht, da Art. 10 Abs. 1 EGBGB auf die Staatsangehörigkeit des Namensträgers abstellt und das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Nach § 1617 Abs. 1 BGB können die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern entweder den Namen des Vaters oder den Namen der Mutter zum Geburtsnamen des Kindes bestimmen. Die Bestimmung eines aus diesen Namen zusammengesetzten Doppelnamens ist im Gesetz nicht vorgesehen und nach allgemeiner Meinung ausgeschlossen. Es handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die auch nicht gegen das Grundgesetz verstößt (vgl. BVerfG NJW 2002, 1256). Nach nationaler deutscher Rechtslage ist somit die Eintragung des von den Eltern seinerzeit in England gewählten Doppelnamens ausgeschlossen.

c) Dieses unter Anwendung deutschen Rechts gefundene Ergebnis steht jedoch mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs nicht in Einklang. Mit
Urteil vom 14.10.2008 (Rs. C-353/06 - „Grunkin-Paul"; NJW 2009, 135) hat der EuGH eine Verletzung des in Art. 18 EG garantierten Rechts auf Freizügigkeit bejaht, wenn die Behörden eines Mitgliedstaates es ablehnen, den Nachnamen eines Kindes anzuerkennen, der in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und eingetragen wurde, in dem dieses Kind - das wie seine Eltern nur die Staatsangehörigkeit des erstgenannten Mitgliedstaates besitzt - geboren wurde und seitdem wohnt. Im dortigen Ausgangsfall ging es um ein in Dänemark geborenes Kind deutscher Eltern, das in Dänemark einen Doppelnamen erhalten hatte. Im Unterschied zum deutschen Kollisionsrecht, das für den Namen an die Staatsangehörigkeit des Namensträgers anknüpft, wenden die dänischen Behörden auch bei Auslandsbezug ausschließlich Ortsrecht an. Da das Kind ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, lag die Ausstellung von Ausweispapieren allein in der Zuständigkeit der deutschen Behörden. Die deutschen Behörden erkannten den in Dänemark registrierten Doppelnamen nicht an. Der EuGH hält es für eine Behinderung der Freizügigkeit, wenn der Namensträger etwa zum Nachweis seiner Identität auf Ausweispapiere angewiesen wäre, die auf einen anderen Namen lauten als der in den Registern des Geburtslandes eingetragene und dort geführte Name.

d) Kollidiert bei der Lösung eines Falles die nationale deutsche Rechtsordnung mit unmittelbar geltendem Gemeinschaftsrecht, so genießt das Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang (
EuGHE 1964, 1251/1279 - „Costa/ENEL" und ständige Rspr.; vgl. auch BVerfGE 31, 145/174; 73, 339; 75, 223; Groeben/Thiesing/Ehlermann/Zuleeg Kommentar zum EU-/EG-Vertrag 5. Aufl. Art. 1 EG Rn. 24 ff.; Grabitz/Hilf/Nettesheim Das Recht der Europäischen Union, Art. 1 EG Rn. 47 ff., 55ff.; Streinz EUV/EGV Art. 1 EG Rn. 19 ff.; Dauses/Müller-Graff Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, A.I Rn. 92; Geiger EUV/EGV 4. Aufl. Art. 10 EGV Rn. 31). Freilich dürfte es angebracht sein, dass der deutsche Gesetzgeber eine generelle Lösung zur Abwendung solcher Kollisionsfälle schafft (vgl. nur Mansel/Thorn/Wagner IPRax 2009, 1/2 ff.; Lipp StAZ 2009, 1/8). Das bedeutet jedoch nicht, dass der nationale Richter, wenn bei ihm ein konkreter Fall zur Entscheidung ansteht, bevor der Gesetzgeber die erforderliche Anpassung an das Gemeinschaftsrecht vorgenommen hat, ungeachtet des Gemeinschaftsrechts nach dem derzeit geltenden nationalen Recht entscheiden dürfte. Vielmehr verhält es sich gerade umgekehrt: Er hat dem Gemeinschaftsrecht zur Wirksamkeit zu verhelfen und das entgegenstehende nationale Recht, sofern sich die Konkordanz zwischen den Rechtsordnungen nicht durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts ermöglichen lässt, ohne Weiteres unangewendet zu lassen (vgl. EuGHE 1978, 629/644 - „Simmenthal II", ständige Rechtsprechung und heute allgemeine Rechtsüberzeugung, vgl. nur die oben zum Anwendungsvorrang angeführten Nachweise). Das gilt für die Gerichte aller Instanzen und nimmt förmliches Gesetzesrecht nicht aus; insoweit verhält es sich anders als im innerstaatlichen Verhältnis von förmlichem Gesetzesrecht zum höherrangigen Verfassungsrecht (Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts, Vorlagepflicht der Fachgerichte).

3. Nach diesen Grundsätzen hat das Standesamt den Doppelnamen des Kindes trotz des entgegenstehenden deutschen Rechts, das insoweit unangewendet bleibt (für eine gemeinschaftsrechtkonforme Auslegung sieht der Senat keinen Raum), in das deutsche Geburtenregister einzutragen. Soweit der EuGH seine Entscheidung mit der einschränkenden Klausel „unter Bedingungen wie denen des Ausgangsverfahrens" versieht, liegt keine wesentliche Abweichung vor; der Kerngehalt der Rechtsprechung des EuGH greift auch hier. Durchgreifende Gründe, die der Eintragung entgegenstehen, liegen nicht vor.

a) Es kann keinen substanziellen Unterschied ausmachen, dass es hier um einen aus dem Namen des Vaters und dem Namen der Mutter zusammengesetzten (sog. echten) Doppelnamen geht, während der im dänischen Fall nach dem dortigen Wohnsitzrecht bestimmte „Doppelname" des Kindes der - nach dänischem Recht aus Mittelnamen und Nachnamen gebildete - zweigliedrige Name der Mutter gewesen zu sein scheint, der dann zu einem Bindestrich-Doppelnamen verbunden wurde (vgl. die gegenüber dem Urteil ausführlichere Sachverhaltsschilderung im Schlussantrag der Generalanwältin Sharpston, StAZ 2008, 274/276; zum damaligen dänischen Namensrecht: Rieck NJW2009, 125, 126f.). Auch der Umstand, dass der Name des Kindes im dänischen Fall überhaupt erst nach der Geburt in den Doppelnamen G.-P. geändert worden war (zuvor, im ersten Geburtseintrag, hieß das Kind P., mit G. als Mittelnamen), spielte für die Erwägungen des EuGH keine Rolle. Letztlich ist unklar, wie es nach dänischem Recht zu dem durch Bindestrich verbundenen Doppelnamen kommen konnte (vgl. Sharpston aaO Fußn. 18, die gleichwohl als Tatsache unterstellt, dass die Eltern nach dänischem Recht den Namen G.-P. wählen konnten; Rieck aaO weist darauf hin, dass das damalige dänische Recht jedenfalls die Wahl eines aus den Namen der Eltern zusammengesetzten Doppelnamens gar nicht vorsah).

b) Allerdings weist die vom common law geprägte englische Rechtstradition (innerhalb des Vereinigten Königreichs greift hier die englische Teilrechtsordnung) auch im Namensrecht beträchtliche Unterschiede zum kontinental-europäischen Rechtsdenken auf. Diese Unterschiede sind unter dem hier anzulegenden Prüfungsmaßstab aber nicht derart, dass die Rechtsprechung des EuGH als vorliegend nicht einschlägig betrachtet werden könnte.

aa) In der Rechtstradition des common law ist der Name etwas Privates. Er wird als gesellschaftliches und nicht als rechtliches Phänomen begriffen. Er kann vom Namensträger jederzeit unabhängig von einer familienrechtlichen Statusänderung abgeändert werden („deed poll on change of name"; „statutary declaration"), sofern nur der Namensträger dem neuen Namen eine „reputation", d. h. Publizität und Anerkennung auf gesellschaftlicher Ebene, verschafft (vgl. Staudinger/Hepting BGB Bearbeitung 2007, Vorbem. zu Art. 10 EGBGB Rn. 30, 37). Zulässig sind auch Phantasienamen, die keine Beziehung zum familiären Umfeld des Namensträgers haben, oder etwa der Name einer Kartoffelchip-Marke (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 8.12.2009: „Mister Monster Munch").

bb) Auch einen „Geburtsnamen" im engeren Sinn des deutschen Rechts kennt das englische Recht nicht. Doch kann im hier erörterten Zusammenhang ohne Weiteres von dem anlässlich der Geburt registrierten Namen ausgegangen werden, der seiner Funktion nach dem Geburtsnamen des deutschen Rechts am Nächsten kommt (vgl. OLG München vom 23.1.2009, 31 Wx 33/08, StAZ 2009, 108 = FamRZ 2009, 1581). Dabei kann offen bleiben, ob nach englischem Recht ein Kind den Namen, den die Eltern bei der Registrierung der Geburt angeben, mit der Geburt oder jedenfalls im Zeitpunkt der Registrierung erwirbt, oder ob auch hier für den Namenserwerb zusätzlich das Entstehen einer „reputation" erforderlich ist (vgl. Meyer-Witting, Das Personennamensrecht in England, 1990, S. 133). Unter dem hier maßgeblichen Blickwinkel der gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit kommt es auf den registrierten und in der englischen Geburtsurkunde ausgewiesenen Namen des Kindes an, den das Kind in England auch tatsächlich führt. Das ist hier der Doppelname.

cc) Diesen Namen führt das Kind in England auch rechtmäßig entsprechend der dortigen Rechtstradition. Legt man allerdings die im englischen Kollisionsrecht für den Namen allgemein befürwortete Anknüpfung an das „domicile" des Namensträgers zugrunde (vgl. Wolff, Private International Law, 2. Aufl. S. 353 Fn.4; Rabel, The Conflict of Laws, 2. Aufl. Bd. I S. 181 ff.; Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Großbritannien, Bearbeitungsstand 2006, III.A.3; auch OLG Hamburg StAZ 1980, 285/286 m.w.N.; zur Problematik Staudinger/Hepting Rn. 156), so ist zweifelhaft, ob die englische Registrierungsbehörde für den Namen des deutschen Kindes überhaupt englisches Recht anwenden durfte. Der Begriff des „do-micile" im anglo-amerikanischen Recht ist weder Wohnsitz noch Aufenthalt; er verkörpert die Zugehörigkeit zu einer Rechtsordnung bzw. einem Rechtsgebiet. Ein „domicile" des Kindes, abgeleitet von demjenigen seiner Eltern, wäre nur dann in England, wenn diese, deren Ursprungsdomizil in Deutschland ist, in England ein Wahldomizil (domicile of choice) begründet hätten. Das setzt nicht nur den gewöhnlichen Aufenthalt in England voraus, sondern auch die Absicht, auf unbestimmte Dauer - ohne Absicht späterer Rückkehr - dort zu bleiben („intention to reside permanently"; vgl. Cheshire/North, Private International Law, 13. Aufl. S. 144 f.; Henrich aaO: „animus manendi sine animo revertendi"). Hierzu haben die Tatsacheninstanzen keine Feststellungen getroffen, doch kann das im Ergebnis auch offen bleiben. Denn in ständiger englischer Praxis wird, wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, in Fällen dieser Art das englische Namensrecht unabhängig vom Bestehen eines „domicile" angewandt, soweit es um die Namensführung in England geht (vgl. auch Meyer-Witting S. 169 ff.). Gerade dies - die Namensführung in England - ist aber im hier erörterten Zusammenhang der entscheidende Gesichtspunkt. Da es Gesetzesrecht in diesem Bereich in England nicht gibt und auch entsprechendes Richterrecht nicht feststellbar ist, kann es insoweit nur auf die ständige englische Praxis ankommen. Nach dieser Praxis konnten die Eltern für das Kind den Doppelnamen wählen.

c) Die gemeinschaftsrechtliche Dimension des Falles wird nicht dadurch ausgeräumt, dass es den Eltern freigestanden hätte, einen mit dem deutschen Namensrecht übereinstimmenden Namen zu wählen. Diese Möglichkeit hätten sie allerdings gehabt. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die englische Registrierungsbehörde bei entsprechender Wahl der Eltern den Namen des Vaters oder den Namen der Mutter als Nachnamen des Kindes eingetragen und über diesen Namen eine Geburtsurkunde ausgestellt hätte. Dies war jedoch in dem der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Ausgangsfall nicht anders. Denn auch nach dem damals anwendbaren dänischen Recht hätten die Eltern für das Kind problemlos einen mit dem deutschen Namensrecht übereinstimmenden Namen wählen können. Hierauf ist der EuGH mit keinem Wort eingegangen. Unter dem Gesichtspunkt der Freizügigkeit in der Auslegung des EuGH ist offensichtlich nicht entscheidend, ob nach der Rechtsordnung im Land der Geburt ein bestimmter Name vorgegeben ist oder ob eine Auswahl besteht und sich die Diskrepanz zur heimatlichen Rechtsordnung durch entsprechende Namenswahl von vornherein vermeiden ließe. Entscheidend ist allein, dass der im Land der Geburt bestimmte und registrierte Name dem von der dortigen Registrierungsbehörde anzuwendenden Recht entspricht. Demgemäß kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Eltern bei der Ausübung der ihnen im Land der Geburt des Kindes zugestandenen Namenswahl etwa in Unkenntnis des abweichenden heimatlichen Namensrechts gehandelt oder die Abweichung vom heimatlichen Namensrecht bewusst in Kauf genommen haben.

d) Ein anderes Ergebnis ergibt sich hier auch nicht aus der vor der Konsularbeamtin abgegebenen Namenserklärung der Eltern, mit der sie den Namen der Mutter des Kindes gewählt haben. Diese Erklärung ist allerdings nicht schon deshalb unwirksam, wie die weitere Beschwerde meint, weil die Eltern bereits zuvor, in England, eine Namenswahl getroffen haben und deshalb an einer nochmaligen Wahl gehindert gewesen wären. Die zuerst getroffene Wahl war aus der Sicht des vom deutschen Standesamt anzuwendenden deutschen Rechts, das die Wahl eines aus dem Namen des Vaters und dem Namen der Mutter zusammengesetzten Doppelnamens nicht zulässt, unwirksam. Demgemäß konnten die Eltern, da sie keinen Ehenamen führen, zum Zeitpunkt der Erklärung durchaus noch für das Kind eine Auswahl unter den Namen der Eltern treffen.

Entscheidend ist hier etwas anderes: Die Erklärung geht nicht auf einen Sinneswandel der Eltern zurück, von der ihnen kraft Gemeinschaftsrecht zustehenden Möglichkeit, auf die Eintragung des Doppelnamens auch im deutschen Geburtenregister zu bestehen, abzurücken (was ihnen frei gestanden hätte). Die Erklärung wurde vielmehr, wie die Deutsche Botschaft in ihrem Begleitschreiben an das deutsche Standesamt bestätigt hat, entgegen dem ausdrücklich vorgebrachten eigentlichen Anliegen der Eltern, den Doppelnamen eintragen zu lassen, nur aus dem Bestreben heraus abgegeben, in angemessener Zeit für das Kind von den deutschen Behörden Ausweis- und Reisepapiere zu erhalten. Wie ihnen von der Konsularbeamtin erläutert worden war, wäre dies bei Angabe des in England geführten Doppelnamens nicht gewährleistet gewesen (eine Prognose, die sich als richtig erwiesen hat, mussten die Eltern doch im hier anhängigen Personenstandsverfahren immerhin durch drei gerichtliche Instanzen gehen, bevor die Eintragung des Doppelnamens nunmehr angeordnet wird). Nun wäre dies aus der Sicht des deutschen Rechts, isoliert gesehen, unbeachtlich, da derartige Namenserklärungen bedingungsfeindlich sind und nicht „unter Vorbehalt der Klärung der Rechtslage" abgegeben werden können. Es wäre indes nicht richtig, im hier erörterten Zusammenhang allein auf die Sicht des deutschen Rechts abzustellen. Die nach der Entscheidung des EuGH in Deutschland eingetretene Phase der Unsicherheit und Prüfung, welche Konsequenzen für das deutsche Recht und die Praxis der Standesämter zu ziehen sind, kann nicht zu Lasten der Beschwerdeführer gehen. Auch insoweit ist der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts zu beachten. Er führt hier dazu, dass der gemeinschaftsrechtlich gebotenen (und von den Eltern durchgängig gewünschten) Eintragung des Doppelnamens nicht die vor der Konsularbeamtin zum Zweck der raschen Erlangung von Ausweispapieren abgegebene Erklärung entgegengehalten werden kann.

e) Für ein missbräuchliches Ausnutzen der Unterschiede in den Namensrechten der Mitgliedstaaten, das eine andere Beurteilung der Rechtslage gebieten könnte („Namenstourismus"), besteht kein Anhalt. Das Kind als Namensträger weist eine (von seinen Eltern abgeleitete) substanzielle Verbindung zu dem Staat auf, in dem es geboren wurde und seitdem lebt. Die Eltern wohnen und leben seit Mitte 2007 in London und arbeiten dort für internationale Unternehmen.

f) Schließlich ist auch ein sonstiger besonderer Grund, der die „Anerkennung" des in England rechtmäßig erteilten Namens durch das deutsche Standesamt entgegenstehen könnte, nicht ersichtlich. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den ordre public der deutschen Rechtsordnung vor (was der EuGH als denkbaren entgegenstehenden Grund zu akzeptieren scheint, vgl. Rn. 39 des Urteils). Der Ausschluss von Doppelnamen im deutschen Recht ist zum einen nicht durchgängig. Insoweit sei hier nur auf die Möglichkeit zur Bestimmung von Doppelnamen während der Übergangsphase nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5.3.1991 (NJW 1991, 1602) bis zum Inkrafttreten der Neuregelung des Namensrechts zum 1.4.1994 verwiesen, ferner auf Art. 224 § 3 Abs. 3 EGBGB, der auch heute noch zur Anwendung gelangen kann (vgl. OLG München vom 9.8.2007, 31 Wx 34/07, StAZ 2007, 368). Zum anderen entspricht die Möglichkeit, dem Kind einen aus den Namen der Eltern zusammengesetzten Doppelnamen zu geben, dem Wunsch vieler Eltern und ist auch in Deutschland immer wieder Gegenstand rechtspolitischer Diskussion. Im Übrigen werden außerhalb von auf das hochkompliziert gewordene deutsche Namensrecht spezialisierten Kreisen etwa auch die aus Ehenamen und Begleitnamen zusammengesetzten Bindestrich-Namen allgemein als „Doppelnamen" angesehen.

4. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO in der vor Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes geltenden Fassung). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer wird nicht angeordnet (§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Auferlegung von Kosten auf die Standesamtsaufsicht, die im Verfahren nach dem Personenstandsgesetz das öffentliche Interesse wahrnimmt, nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt (vgl. grundsätzlich ablehnend BGH StAZ 1994, 42/45; KG StAZ2000, 216/217; StAZ 2003, 361). Da die Standesamtsaufsicht durchaus Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Eintragung des Doppelnamens haben konnte - Rechtsprechung zu dieser Frage ist, soweit ersichtlich, bisher nicht veröffentlicht -, sieht der Senat von der Anordnung der Kostenerstattung ab (vgl. BayObLG StAZ 1997, 207).

Einer Festsetzung des Geschäftswerts für gerichtliche Zwecke bedarf es nicht. Für Zwecke der Anwaltsvergütung wäre von einem Geschäftswert von 3.000 € auszugehen (§ 30 Abs. 2 Satz 1 KostO)..