Vertragsschluss an der Tankstelle, Tanken ohne
Bezahlen, Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung (§§ 280 I, II, 286
BGB); Verzug (§ 286 BGB), Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 286 II Nr. 4
BGB
BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 - VIII ZR 171/10
Fundstelle:
NJW 2011, 2871
Amtl. Leitsatz:
a) Ein Kunde, der an einer
Selbstbedienungstankstelle Kraftstoff in seinen Tank füllt, schließt bereits
zu diesem Zeitpunkt mit dem Tankstellenbetreiber beziehungsweise unter
dessen Vermittlung mit dem Mineralölunternehmen einen Kaufvertrag über die
entnommene Menge Kraftstoff.
b) Entrichtet der Kunde einer Selbstbedienungstankstelle den Kaufpreis für
den getankten Kraftstoff nicht, so gerät er mit dem Verlassen des
Tankstellengeländes in Verzug, ohne dass es hierzu einer Mahnung bedarf.
Zentrale Probleme:
Eine sehr lehrreiche Entscheidung zu Grundfragen des
Vertragsschlusses sowie des Allgemeinen Leistungsstörungsrechts,
insbesondere des Verzugsrechts: Ein „Kunde“ hatte an einer Selbstbedienungstankstelle Treibstoff im Wert von ca.
10.- € getankt, an der Kasse aber lediglich einen Schokoriegel bezahlt. Der
klagende Tankstellenbetreiber beauftragte einen Privatdetektiv mit der
Auswertung der Aufnahmen der an der Tankstelle installierten Überwachungskamera
und der Ermittlung des späteren Beklagten. Gegen diesen macht er die Kosten der
Einschaltung des Privatdetektivs sowie Anwaltskosten und eine Auslagenpauschale
geltend. Der Senat bejaht einen Anspruch des Klägers auf Ersatz der geltend
gemachten Kosten aus dem Gesichtspunkt eines Verzugsschadens (Schadensersatz
wegen Verspätung der Leistung) gem. § 280 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 286 BGB.
a) Der Kaufvertrag komme an Selbstbedienungstankstellen anders als etwa in
Selbstbedienungssupermärkten nicht erst an der Kasse, sondern bereits an der
Zapfsäule mit dem Betanken des Fahrzeugs zustande. Die Tatsache, dass in
Selbstbedienungsläden der Kaufpreis erst an der Kasse und nicht etwa bereits mit
der Entnahme der Ware aus dem Regal zustande komme, rechtfertige sich daraus,
dass dort die vom Kunden entnommene Ware unschwer wieder zurückgelegt und
anderweitig verkauft werden könne. Deshalb gebe nach der Verkehrsanschauung der
die Ware entnehmende Kunde durch die Entnahme noch keine Willenserklärung zum
Abschluss eines Kaufvertrags ab. Da an Selbstbedienungstankstellen aber durch
das Abfüllen des Kraftstoffs in den Tank des Kunden ein „praktisch unumkehrbarer
Zustand“ geschaffen werde (gemeint ist wohl insbesondere ein Eigentumserwerb des
Kunden nach §§ 948, 947 BGB), entspreche es dem Interesse der Parteien, dass
bereits zu diesem Zeitpunkt ein Kaufvertrag zustande komme.
Dem ist im uneingeschränkt zuzustimmen. Der Senat vertieft dabei allerdings die
(in der Tat praktisch unbedeutende) Frage nicht, worin konkret Angebot und
Annahme bestehen. Während manche im betriebsbereiten Aufstellen der Tanksäule
lediglich eine invitatio ad offerendum sehen wollen (so etwa Herzberg NJW 1984,
896, 897 m. Fn. 6), sollte man dies richtigerweise bereits als Offerte „ad
incertas personas“ qualifizieren. Der Tankvorgang durch den Kunden stellt dann
die erforderliche Annahmeerklärung dar, auf deren Zugang der Betreiber gem. §
151 S. 1 BGB verzichtet. Für den Vertragsschluss ist es somit – anders als bei
der strafrechtlichen Beurteilung des Vorgangs (s.u.) - ohne Belang, ob der Kunde
beim Tankvorgang vom Tankstellenbetreiber oder einem vertretungsberechtigten
Mitarbeiter gesehen wird. Ein abweichender innerer Wille des Kunden, keinen
Vertrag schließen zu wollen, wäre nach § 116 BGB als geheimer Vorbehalt
unbeachtlich.
b) Damit verletzt der nichtzahlende Kunde seine vertragliche Zahlungspflicht aus
§ 433 Abs. 2 BGB. Zutreffend definiert der Senat den geltend gemachten Schaden
als Verspätungsschaden, so dass ein Schadensersatzanspruch über diese
Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) hinaus nach § 280 Abs. 2 BGB das Vorliegen
von Verzug i.S.v. § 286 BGB voraussetzt. Da hier eine Mahnung nicht erfolgt war,
stellte sich die Frage der Entbehrlichkeit einer solchen, wofür hier allein §
286 Abs. 2 Nr. 4 BGB in Betracht kam. Diese Regelung setzt voraus, dass „aus
besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige
Verzugseintritt gerechtfertigt ist“. Auch dies wird mit überzeugender Begründung
bejaht: Da es sich beim Tanken an Selbstbedienungstankstellen um ein anonymes
Massengeschäft handelt und es dem Tankstellenbetreiber daher kaum oder
jedenfalls nur unter erheblichem Kostenaufwand möglich ist, die Personalien des
Kunden festzustellen, bestehe ein ebenso wichtiges wie erkennbares Interesse an
einem Verzugseintritt ohne Mahnung. Das lässt sich fraglos unter § 286 Abs. 1
Nr. 4 BGB subsumieren, der u.a. jene Fälle erfassen will, in welchen bereits vor
dem Inkrafttreten der Neuregelung im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung des
Jahres 2002 durch die Rechtsprechung die Entbehrlichkeit der Mahnung anerkannt
war. Hierunter fallen insbesondere Situationen, in welchen das Interesse des
Gläubigers an sofortiger Leistung für den Schuldner dermaßen evident ist, dass
eine Mahnung als unnötige Förmelei aufgefasst würde. In der Tat würden es Kunden
wohl als unnötig empfinden, wenn Tankstellenbetreiber etwa auf der Zapfsäule ein
Schild mit dem Hinweis „zahlbar sofort“ anbringen würden. Die Vorschrift will
aber auch Fälle erfassen, in welchen die sofortige Erfüllung besonders evident
ist oder aber sich der Schuldner einer Mahnung entzieht (s. nur BT-Drucks.
14/6040 S. 146, re. Sp.). Genau das tut aber der Tankstellenkunde, der sich nach
dem Tanken anonym entfernt. Nachgerade als Frechheit muss hier übrigens das
Argument des Beklagten aufgefasst werden, der Tankstellenbetreiber hätte ihn an
der Kasse fragen müssen, ob er getankt habe.
c) Bleibt die Frage des ersatzfähigen Schadens. Anerkanntermaßen sind
Aufwendungen des Gläubigers zur Rechtsverfolgung als Verzugsschaden ersatzfähig,
wenn sie erforderlich und zweckmäßig sind. Der Senat bejaht dies hier vollkommen
zu recht. Für die Frage der Zweckmäßigkeit ist auch nicht das Verhältnis dieser
Kosten zur (hier relativ geringen) Höhe der Forderung relevant. Maßgeblich ist
allein, ob ein verständiger Mensch in gleicher Lage diese Kosten aufwenden
würde. Insbesondere konnte von der Klägerin nicht verlangt werden, die
aufwändigen Nachforschungen in eigener Person oder durch eigene Angestellte
vorzunehmen. Sie muss sich selbstverständlich auch nicht darauf verweisen
lassen, in Anbetracht des relativ geringfügigen Betrages der Forderung auf
Nachforschungen ganz zu verzichten. Das wäre schon aus generalpräventiven
Gründen evident interessenwidrig.
Die strafrechtliche Beurteilung eines solchen Vorgehens ist weiterhin stark
umstritten und wird von dem vorliegenden Urteil nicht berührt (s. zum Ganzen
schon Herzberg NJW 1984, 896 ff): Nach der Rspr. des BGH stellt das Tanken ohne
Bezahlen, wenn es vorgefasster Absicht nach geschieht, einen Fall des
(versuchten) Betrugs (§ 263 StGB) dar. Für die Frage der Vollendung wird darauf
abgestellt, ob das Kassenpersonal den Tankvorgang bemerkt hat, da es sonst
sowohl an einem Irrtum als auch an einer Vermögensverfügung fehlt (s. schon BGH
NJW 1984, 896; aus jüngerer Zeit s. BGH NStZ 2009, 694). Vorliegend wäre ein
vollendeter Betrug wohl schon deshalb zu bejahen gewesen, weil der Kunde an der
Kasse durch das Bezahlen (nur) des Schokoriegels durch positives Tun den
Eindruck erweckt hatte, nicht getankt zu haben und es das Tankstellenpersonal es
aufgrund eines entsprechenden Irrtums unterlassen hatte, den bereits
entstandenen Zahlungsanspruch geltend zu machen. Anders als in den Fällen des
Diebstahls in Selbstbedienungsläden lag damit auch eine entsprechende
Vermögensverfügung vor (s. dazu etwa Schönke/Schröder/Cramer/Perron, StGB, 28.
Aufl. 2010, § 263 Rn. 58, 63a m.w.N.). Der Anspruch des Klägers wäre daher
zivilrechtlich auch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB verzugsunabhängig
begründet gewesen. Schadensersatzrechtlich wäre dabei dieselben Erwägungen
maßgeblich wie im Rahmen des Verspätungsschadens.
©sl 2011
Tatbestand:
1 Die Klägerin, Betreiberin einer
Selbstbedienungstankstelle, nimmt den Beklagten auf Erstattung von Kosten in
Anspruch, die sie aufgewendet hat, um nach einem unbezahlten Tankvorgang die
Identität des Beklagten zu ermitteln.
2 Der Beklagte tankte am 7. März 2008 an der von der Klägerin betriebenen
Selbstbedienungstankstelle Dieselkraftstoff zum Preis von 10,01 €. Den
Kraftstoff verkauft die Klägerin in Kommission für die O. Deutschland GmbH.
Der Beklagte bezahlte an der Kasse lediglich einen Schokoriegel und zwei
Vignetten zu einem Gesamtpreis von 25,30 €.
3 Die Klägerin schaltete, nachdem sie bemerkt hatte, dass der Kraftstoff
nicht bezahlt worden war, ein Detektivbüro zur Ermittlung des dafür
verantwortlichen Tankkunden ein. Hierfür sind ihr Kosten in Höhe von 137 €
entstanden.
Mit der Beitreibung des Kaufpreises und der Detektivkosten beauftragte sie
einen Rechtsanwalt. Dafür sind Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 39 €
angefallen. Die Klägerin begehrt die Erstattung dieser Kosten sowie eine
Auslagenpauschale von 25 €.
4 Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat ihr auf die
Berufung der Klägerin stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erst-instanzlichen
Urteils.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
6 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner
Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im
Wesentlichen ausgeführt:
7 Die Klägerin sei aktivlegitimiert. Da sie den Kraftstoff in Kommission
verkaufe, tätige sie die mit dem Vertrieb des Kraftstoffs verbundenen
Geschäfte im eigenen Namen; ebenso habe sie das Detektivbüro und den
Rechtsanwalt im eigenen Namen beauftragt. Im Übrigen seien die geltend
gemachten Ansprüche "hilfsweise" von der Kraftstofflieferantin an die
Klägerin abgetreten worden.
8 Die Klage sei auch begründet. Die Klägerin könne die geltend gemachten
Kosten nach § 280 Abs. 1 BGB ersetzt verlangen. Zwischen den Parteien sei
ein Kaufvertrag über den getankten Dieselkraftstoff dadurch zustande
gekommen, dass der Beklagte das als Realofferte in der Aufstellung der
betriebsbereiten Zapfsäule liegende Angebot der Klägerin durch die Entnahme
desKraftstoffs angenommen habe (§§ 145, 151 BGB). Bei einer
Selbstbedienungstankstelle habe der Kunde die vertragliche Nebenpflicht, die
getätigte Betankung durch Angabe der benutzten Zapfsäule an der Kasse
anzumelden. Diese Nebenpflicht habe der Beklagte schuldhaft verletzt. Soweit
der Beklagte in der Berufungsinstanz erstmals ein Unterlassen der Mitteilung
an der Kasse mit Nichtwissen bestritten und später eine Vornahme der
Mitteilung behauptet habe, stehe dieses Vorbringen im Widerspruch zu seinem
bisherigen Vortrag, wonach er an den Bezahlvorgang keine konkrete Erinnerung
mehr habe.
9 Daneben stehe der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auch aus § 280
Abs. 2, § 286 Abs. 1, 2 Nr. 4 BGB zu. Der Kaufpreis für den Kraftstoff sei
nach Beendigung des Tankvorgangs gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig. Gemäß
§ 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB sei eine Mahnung für den Verzugseintritt entbehrlich.
Die besonderen Gründe für den sofortigen Verzugseintritt lägen darin, dass
bei Selbstbedienungstankstellen dem Gläubiger die Identität des Schuldners
regelmäßig unbekannt und auch nicht ohne weiteres zu ermitteln sei. Zudem
sei zu berücksichtigen, dass bei Selbstbedienungstankstellen, anders als bei
anderen Barverkaufsgeschäften, dem Gläubiger bei Nichtzahlung aufgrund
seiner Vorleistung die Ware nicht erhalten bleibe.
10 Die Detektivkosten seien erforderlich und angesichts des von der Klägerin
dargelegten Umfangs der Tätigkeit angemessen. Sie stünden auch nicht außer
Verhältnis zur Höhe des ausstehenden Tankbetrages. Abgesehen davon, dass es
nicht möglich sei, eine abstrakte Bagatellgrenze festzulegen, bei deren
Unterschreitung die Ermittlung und Verfolgung des Tankschuldners
unterbleiben müsse, sei der darin liegende Verzicht auf die Eintreibung von
Bagatellbeträgen den Tankstellenpächtern nicht zuzumuten. Für ein
Mitverschulden der Klägerin, welches darin liegen könne, dass deren
Angestellte es unterlassen habe, den Beklagten nach einem etwaigen
Tankvorgang zu befragen, fehle es an einem Beweisangebot des Beklagten.
II.
11 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Dem Kläger
steht der geltend gemachte Anspruch aus § 280 Abs. 1, 2, § 286 Abs. 1, 2 Nr.
4 BGB zu, so dass offen bleiben kann, ob die Annahme des Berufungsgerichts,
der geltend gemachte Anspruch bestehe auch aus § 280 Abs. 1 BGB, zutreffend
ist.
12 1. Der Beklagte war mit der Bezahlung des am 7. März 2008
getankten Kraftstoffs in Verzug geraten, als er das Tankstellengelände
verließ, ohne den Kraftstoff zu bezahlen.
13 a) Ein Kunde, der an einer Selbstbedienungstankstelle Kraftstoff
in seinen Tank füllt, schließt bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem
Tankstellenbetreiber oder - je nach der Ausgestaltung des
Vertragsverhältnisses zwischen Tankstellenbetreiber und Mineralölunternehmen
- durch Vermittlung des Tankstellenbetreibers mit dem Mineralölunternehmen
einen Kaufvertrag über die entnommene Menge Kraftstoff (OLG
Düsseldorf, NStZ 1982, 249; OLG Hamm, NStZ 1983, 266, 267; OLG Koblenz, NStZ-RR
1998, 364; OLG Köln, NJW 2002, 1059 f.; Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl.,
§ 145 Rn. 8; Staudinger/Bork, BGB, Neubearb. 2010, § 145 Rn. 8; Soergel/Wolf,
BGB, 13. Aufl., § 145 Rn. 8; MünchKommBGB/Kramer, 5. Aufl., § 145 Rn. 13, Fn.
57; Erman/ Armbrüster, BGB, 12. Aufl., § 145 Rn. 10; Brox/Walker,
Allgemeiner Teil des BGB, 34. Aufl., Rn. 167; Köhler, BGB Allgemeiner Teil,
32. Aufl., § 8 Rn. 12; Herzberg, NJW 1984, 896, 897; ders., NStZ 1983, 251
f.; Borchert/Hellmann, NJW 1983, 2799, 2800 f.).
14 Entgegen der Ansicht der Revision (ebenso Deutscher, NStZ 1983, 507 f.;
vgl. auch Gauf, NStZ 1983, 505, 507) findet der Kaufvertragsschluss
in diesem Fall nicht erst an der Kasse statt. Die insoweit
von der Revision aufgezeigte Parallele zum Einkauf in Selbstbedienungsläden
(vgl. hierzu Erman/ Armbrüster, aaO, § 145 Rn. 10; Staudinger/Bork, aaO Rn.
7 f.; Schulze, AcP 201 (2001), 232, 233 ff. mwN) trägt nicht, denn
es besteht in beiden Fällen eine unterschiedliche Interessenlage, die auch
zu einer anderen rechtlichen Bewertung führt.
15 In einem Selbstbedienungsladen kann die vom Kunden aus
dem Regal entnommene Ware problemlos wieder zurückgelegt und anschließend an
einen anderen Kunden verkauft werden. Nach der Verkehrsanschauung führt
deshalb allein die Entnahme der Ware aus dem Regal noch nicht zu den
Bindungswirkungen eines Kaufvertrages.
16 An der Selbstbedienungstankstelle wird durch das
Einfüllen des Kraftstoffs in den Tank hingegen ein praktisch unumkehrbarer
Zustand geschaffen, so dass es dem Interesse beider Parteien entspricht,
dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein Kaufvertrag zustande kommt. Der
Tankstellenbetreiber hat bei Abschluss des Tankvorgangs durch das Überlassen
des Kraftstoffs bereits die Hauptpflicht des Verkäufers jedenfalls zur
Besitzverschaffung (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfüllt und wird hierzu ohne
eine vertragliche Bindung regelmäßig nicht bereit sein. Ebenso hat
aber auch der redliche Kunde ein Interesse daran, den Kraftstoff aufgrund
eines - mit dem Einfüllen des Kraftstoffs in den Tank -geschlossenen
Vertrages zu erlangen und ihn behalten zu dürfen, ohne dass dies davon
abhängt, ob der Tankstellenbetreiber anschließend bereit ist, mit ihm einen
Kaufvertrag abzuschließen (vgl. dazu Herzberg, aaO). Aus der Sicht eines
objektiven Betrachters in der Lage des jeweiligen Erklärungsgegners ist
damit zum Zeitpunkt der Entnahme des Kraftstoffs durch den Kunden ein
Kaufvertrag zu Stande gekommen, ohne dass es hierzu weiterer
Willenserklärungen - etwa an der Kasse - bedarf.
17 b) Mit Abschluss des Kaufvertrages durch den Tankvorgang war der
Kaufpreis fällig (§ 271 Abs. 1 BGB).
18 c) Zutreffend ist auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der
Beklagte zur Zeit der Beauftragung des Detektivbüros mit der
Kaufpreiszahlung bereits in Verzug geraten war. Einer Mahnung
bedurfte es hierzu entgegen der Auffassung der Revision nicht (§ 286 Abs. 1,
2 Nr. 4 BGB).
19 aa) Die Mahnung hat das Ziel, den Schuldner aufzufordern, die geschuldete
Leistung zu erbringen (Palandt/Grüneberg, aaO, § 286 Rn. 16). Sie
ist gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB entbehrlich, wenn aus besonderen Gründen
unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Verzugseintritt
gerechtfertigt ist. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift
unter anderem Fälle erfassen, in denen ein die Mahnung verhinderndes
Verhalten des Schuldners vorliegt (BT-Drucks. 14/6040, S. 146). Um einen
derartigen Fall handelt es sich hier.
20 bb) Beim Tanken an einer Selbstbedienungstankstelle handelt es
sich um ein anonymes Massengeschäft. Deshalb ist dem Tankstellenbetreiber
eine Mahnung des Kunden, sobald dieser das Tankstellengelände verlassen hat,
ohne erheblichen Aufwand nicht mehr möglich, da die Personalien des Kunden
und dessen Anschrift dem Tankstellenbetreiber in aller Regel unbekannt sind.
Damit ist auf Seiten des Tankstellenbetreibers ein gewichtiges Interesse
gegeben, dass der Verzug ohne Mahnung eintritt (ebenso LG München
II, Urteil vom 14. November 2006 - 2 S 3176/06, ADAJUR 88081; AG Dachau,
Urteil vom 18. März 2010 - 2 C 93/09, ADAJUR 88609; AG Augsburg, Urteil vom
15. Januar 2010 - 14 C 3145/09, ADAJUR 88642; AG Starnberg, Urteil vom 16.
März 2009 - 6 C 116/09, ADAJUR 88626; AG Fürstenfeldbruck, Urteil vom 4. Mai
2007 - 4 C 378/07, ADAJUR 88610; AG Landsberg am Lech, Urteil vom 30.
November 2006 - 1 C 821/06, ADAJUR 88588). Dem steht auf Seiten des
Schuldners, der durch das Wegfahren diese Situation herbeigeführt hat, kein
schutzwürdiges Interesse entgegen. Es ist für den Kunden vielmehr
offensichtlich, dass er unverzüglich nach dem Tanken den Kaufpreis zu
entrichten hat. Denn durch die Entnahme des Kraftstoffs hat er, ohne sich
seinem Vertragspartner vorzustellen, mit diesem einen Kaufvertrag
geschlossen und die danach vom Verkäufer geschuldete Leistung zumindest zu
einem wesentlichen Teil bereits erhalten. Zu einer derartigen Vorleistung
ist der Verkäufer, was dem redlichen Kunden auch erkennbar ist, nur bereit,
wenn der Kunde unverzüglich den Kaufpreis entrichtet. Eine gesonderte
Zahlungsaufforderung ist in dieser Situation weder erforderlich noch üblich.
21 cc) Mit dieser typischerweise gegebenen und den Beteiligten
bewussten Interessenlage ist die Auffassung der Revision nicht zu
vereinbaren, der Kunde einer Selbstbedienungstankstelle müsse nur auf
Nachfragen an der Kasse sein Tanken offenbaren. Ob die Klägerin, wie die
Revision meint, bereits zuvor Anlass oder Gelegenheit zu einer Mahnung
hatte, ist ebenfalls unerheblich. Denn jedenfalls nachdem der
Beklagte, ohne zu bezahlen, die Tankstelle verlassen hatte, war der Klägerin
eine Mahnung ohne erheblichen Aufwand nicht mehr möglich, so dass der
Beklagte sich, ohne dass es einer Mahnung bedurfte, in Verzug befand (§ 286
Abs. 1, 2 Nr. 4 BGB).
22 dd) Umstände, welche die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Leistung
infolge eines Umstands unterblieben ist, den der Beklagte nicht zu vertreten
hat (§ 286 Abs. 4 BGB), liegen nach den rechtsfehlerfreien Ausführungen des
Berufungsgerichts nicht vor.
23 2. Als Folge des Verzuges kann die Klägerin den Ersatz ihrer
Rechtsverfolgungskosten verlangen (§ 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB). Der
geltend gemachte Schadensersatzanspruch besteht entgegen der Auffassung der
Revision in voller Höhe.
24 a) Der Geschädigte kann im Wege des Schadensersatzes solche
Aufwendungen ersetzt verlangen, die zur Wahrung und Durchsetzung seiner
Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (Senatsurteile vom 6.
Oktober 2010 - VIII ZR 271/09, WuM 2010, 740 Rn. 9; vom 30. April 1986 -
VIII ZR 112/85, NJW 1986, 2243 unter B II 2 b; BGH, Urteil vom 8. November
1994 - VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350; MünchKommBGB/Oetker, 5. Aufl., § 249
Rn. 175).
25 Danach hat der Beklagte der Klägerin nicht nur die
vorgerichtlichen Anwaltskosten, sondern auch die Detektivkosten zu ersetzen.
Die Beauftragung des Detektivbüros war geeignet und zweckmäßig, um die
Person des Tankkunden zu ermitteln, der sich von der Tankstelle entfernt
hatte, ohne den Kaufpreis für den Kraftstoff zu entrichten. Die
Kosten halten sich auch im Rahmen der Angemessenheit.
26 Entgegen der Ansicht der Revision ist dafür nicht primär auf das
Verhältnis der Ermittlungskosten zur Höhe des Kaufpreises abzustellen,
sondern darauf, ob die Aufwendungen sich im Rahmen dessen halten, was ein
verständiger Mensch in gleicher Lage aufgewandt hätte. Nach den von der
Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war die
Einschaltung eines Detektivbüros erforderlich, um die Identität des
Beklagten zu ermitteln. Angesichts des festgestellten Umfangs der
Ermittlungen, die unter anderem eine mehrstündige Videoauswertung
erforderten, kann die Klägerin nicht darauf verwiesen werden, dies mit
eigenem Personal zu leisten. Sie konnte sich hierzu vielmehr fremder Hilfe
bedienen und auch ein Detektivbüro einschalten (vgl. BGH, Urteil
vom 24. April 1990 - VI ZR 110/89, BGHZ 111, 168, 175). Übergangenen
Sachvortrag zu einem günstigeren Weg der Ermittlung des Beklagten zeigt die
Revision nicht auf. Auf die Alternative, von Ermittlungen wegen des
unbezahlt getankten Kraftstoffs abzusehen, muss die Klägerin sich, wie das
Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, auch in Anbetracht des relativ
geringfügigen Betrages von 10,01 € nicht verweisen lassen.
27 b) Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das
Berufungsgericht der Klägerin eine Auslagenpauschale von 25 € zugesprochen
hat. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin einen
derartigen Pauschalbetrag für die ihr zur Schadensabwicklung entstandenen
Unkosten wie Porti, Telefonkosten und Ähnliches - auch neben den
vorgerichtlichen Anwaltskosten von 39 € - beanspruchen kann, hält sich im
Rahmen tatrichterlichen Schätzungsermessens gemäß § 287 Abs. 1 ZPO, das
revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar ist, ob der Tatrichter
Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche
Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige
Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2009 - VI ZR
318/08, NJW 2010, 605 Rn. 8; vom 9. Juni 2009 - VI ZR 110/08,
VersR 2009, 1092 Rn. 10; vom 9. Dezember 2008 -
VI ZR 173/07, VersR 2009, 408 Rn. 12;
vom 23. November 2004 - VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151, 154;
vom 8. Dezember 1987 - VI ZR 53/87, BGHZ 102, 322, 330;
vom 10. Juli 1984 - VI ZR 262/82, BGHZ 92, 85, 86 f.). Einen solchen
Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf.
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