Unwirksamkeit von AGB bei Einschränkung von Kardinalpflichten (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB n.F.); Begriff der unangemessenen Benachteiligung: Beförderungsverträge und Verlust des Fahrscheins; Bedeutung des Fahrscheins


BGH, Urt. v. 1. Februar 2005 - X ZR 10/04


Fundstelle:

NJW 2005, 1774


Leitsatz:

In den Beförderungsbedingungen eines Busreiseunternehmens, das den Namen des berechtigten Fahrgastes in den Fahrschein einträgt und dem Busfahrer eine Liste der Fahrgäste aushändigt, sind folgende Klauseln wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners unwirksam:
1. Für verlorene oder gestohlene Fahrausweise kann kein Ersatz gewährt werden.
2. Eine Erstattung für verlorengegangene oder gestohlene Fahrausweise erfolgt nicht.


Zentrale Probleme:

Der Fall ist ein schönes Beispiel für die Inhaltskontrolle von AGB anhand der Generalklausel des § 307 BGB n.F. Der BGH prüft legt dabei die näheren Maßstäbe für eine solche Kontrolle bei der Abbedingung von Kardinalpflichten schulmäßig dar (s. dazu insbesondere die fett markierten Passagen).

©sl 2005


Tatbestand:

Der Kläger, ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung Verbraucherinteressen wahrnimmt und in die vom Bundesverwaltungsamt geführte Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Abs. 1, 2 UKlaG eingetragen ist, nimmt das beklagte Unternehmen auf Unterlassung der Verwendung bestimmter Klauseln in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Anspruch.
Die Beklagte betreibt einen internationalen Buslinien- und Busreiseverkehr. Wenn ihre Kunden eine Reise buchen, wird ihnen ein Fahrscheinheft ausgestellt, das numeriert ist und in dem der Reiseweg, die Reisetage und der Name des Fahrgasts angegeben sind. Nachträgliche Umbuchungen der Fahrstrecke und der Reisetage läßt die Beklagte zu. Eine Übertragung des Beförderungsvertrages bedarf nach den Vertragsbedingungen der Zustimmung der Beklagten und wird dann u.a. durch Änderung des Namens des Berechtigten im Fahrschein vermerkt (Nr. 3.1. der Bedingungen). Bei Antritt der Reise kontrolliert der Busfahrer das Fahrscheinheft und vergleicht es mit einer ihm ausgehändigten Namensliste der Fahrgäste. Eine Identitätsprüfung der Fahrgäste nimmt der Fahrer nicht vor. Falls dem Kunden der Fahrschein vor Reiseantritt abhanden gekommen ist, stellt die Beklagte ihm keinen Ersatzfahrschein aus und läßt ihn die Reise auch dann nicht antreten, wenn er sich namentlich ausweist und kein anderer seinen durch die Namensliste reservierten Platz in Anspruch nimmt. Ebensowenig erstattet die Beklagte ihm den Fahrpreis. Sie beruft sich insoweit auf folgende in ihren Besonderen Beförderungsbedingungen enthaltene Klauseln:

"2.4. ...
Für verlorene oder gestohlene Fahrausweise kann kein Ersatz gewährt werden.

8.3. Eine Erstattung für verlorengegangene oder gestohlene Fahrausweise erfolgt nicht."

Diese Klauseln hält der Kläger für unwirksam und verlangt deshalb die Unterlassung ihrer Verwendung.

Hinsichtlich weiterer, vom Kläger ebenfalls beanstandeter Klauseln hat das Landgericht der Klage rechtskräftig stattgegeben. Bezüglich der beiden jetzt noch streitigen Bestimmungen hat das Landgericht die Klage indessen abgewiesen - wie zwar nicht aus seinem Urteilsausspruch, wohl aber aus den Entscheidungsgründen hervorgeht - und hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger diesen abgewiesenen Teil seines Unterlassungsanspruchs weiter. Die Beklagte tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Die Unterlassungsklage des nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG anspruchsberechtigten Klägers ist auch hinsichtlich der jetzt noch streitigen Klauseln begründet, weil diese wegen unangemessener Benachteiligung der Kunden nach § 307 BGB unwirksam sind (§ 1 UKlaG).

I. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die streitigen Klauseln der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegen. Kontrollfähig sind nur Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB).

Zu Recht hat das Berufungsgericht, anders als das Landgericht, aus § 8 der Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen vom 27. Februar 1970 (VOABB) nicht den Schluß gezogen, daß die streitbefangenen Klauseln mit dieser normativen Regelung übereinstimmen und somit lediglich deklaratorischer Natur sind (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). § 8 Abs. 1 Nr. 3 VOABB besagt, daß Fahrausweise, die zerrissen, zerschnitten oder sonst stark beschädigt, stark beschmutzt oder unleserlich sind, so daß sie nicht mehr geprüft werden können, ungültig sind, daß sie eingezogen werden und daß das Fahrgeld nicht erstattet wird. Diese Regelung ist nicht analog auf abhanden gekommene Fahrscheine anwendbar (a.A. ohne Begründung Bidinger, Personenbeförderungsgesetz, § 8 VOABB Anm. 3). Sie betrifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur Fahrscheine, die der Kunde noch besitzt, die aber nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht mehr prüftauglich sind. Da dies in der Regel auf eine unsorgfältige Behandlung durch den Kunden zurückgehen wird, hat die Verweigerung der Fahrpreiserstattung - wie auch bei den übrigen Tatbeständen der Vorschrift, die sämtlich einen Verstoß gegen die Beförderungsbedingungen betreffen - Sanktionscharakter. Damit sind die Fälle, in denen der Fahrschein dem Kunden gänzlich abhanden gekommen ist, nicht vergleichbar. Deshalb ist eine Analogie nicht zulässig.
Ebensowenig stimmen die angegriffenen Klauseln mit dem von der Beklagten im Revisionsverfahren herangezogenen § 10 Abs. 1 VOABB überein. Nach dieser Vorschrift wird, wenn ein Fahrausweis nicht zur Fahrt benutzt wird, das Beförderungsentgelt (nur) gegen Vorlage des Fahrausweises erstattet. Aus der Verpflichtung zur Vorlage des Fahrausweises ergibt sich, daß diese Bestimmung den Fall des Verlustes gerade nicht regeln will.

Die streitigen Klauseln stellen daher eine Ergänzung der gesetzlichen Regelung dar.

Auch der Umstand, daß die Besonderen Beförderungsbedingungen der Beklagten, soweit sie von der VOABB abweichen, zu ihrer Einführung der Zustimmung der Genehmigungsbehörde bedürfen (§ 39 Abs. 6 PBefG), schließt die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht aus (Bidinger, aaO, § 39 PBefG Rdn. 160).

II. Die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Klauseln folgt aus § 307 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB, wonach eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen ist, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird.

1. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Die Klauseln betreffen ein wesentliches Vertragsrecht des Fahrgastes bzw. eine wesentliche Vertragspflicht der Beklagten. Da § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein Verbot der Aushöhlung zentraler Vertragspflichten (sog. Kardinalpflichten) enthält, sind als wesentliche Vertragspflichten jedenfalls die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptpflichten eines Vertrags anzusehen (BGHZ 149, 89, 96 f. zur gleichlautenden früheren Vorschrift des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG). Dies sind hier die Pflicht der Beklagten zur Beförderung des Fahrgastes und die Pflicht des Fahrgastes zur Bezahlung des Fahrpreises.

Durch die streitigen Klauseln wird der nach dem Verlust des Fahrscheins fortbestehende Beförderungsanspruch des Fahrgastes nicht nur eingeschränkt, sondern es wird dem Fahrgast praktisch unmöglich gemacht, seinen Anspruch geltend zu machen, falls ihm der Fahrschein abhanden kommt.

Zwar steht ihm, falls der Fahrschein ein Namenspapier mit Inhaberklausel ist, das Aufgebotsverfahren nach §§ 1003 ff. ZPO zur Verfügung. Dieses bietet dem Verlierer eines Fahrscheins jedoch in der Regel keine wirksame Hilfe. § 808 Abs. 2 Satz 2 BGB bestimmt, daß eine abhanden gekommene oder vernichtete Urkunde im Aufgebotsverfahren für kraftlos erklärt werden kann. Die Kraftloserklärung geschieht durch Ausschlußurteil (§ 1017 Abs. 1 ZPO). Derjenige, der ein Ausschlußurteil erwirkt hat, ist dem durch Urkunde Verpflichteten gegenüber berechtigt, die Rechte aus der Urkunde geltend zu machen (§ 1018 Abs. 1 ZPO). Damit ersetzt zwar das Ausschlußurteil die Vorlage der Urkunde (Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 808 Rdn. 5). Der Zeit- und Kostenaufwand des Aufgebotsverfahrens wird aber oft außer Verhältnis zum Wert eines abhanden gekommenen Busfahrscheins stehen, und vor allem wird in Anbetracht der Aufgebotsdauer von mindestens sechs Monaten (§ 1015 ZPO) das Ausschlußurteil für den Reisekunden meist zu spät kommen.

2. Die streitigen Klauseln benachteiligen die Kunden der Beklagten unangemessen. Dies ergibt sich nicht nur aus der gesetzlichen Vermutung des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, sondern steht aufgrund einer Abwägung der wechselseitigen Interessen fest.

a) Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung mißbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, BGHZ 143, 104, 113 und ständig zu § 9 Abs. 1 AGBG). Die Anwendung dieses Maßstabs setzt eine Ermittlung und Abwägung der wechselseitigen Interessen voraus (BGHZ 78, 305, 309; 103, 316, 327; MünchKomm/Basedow, BGB, 4. Aufl., § 307 Rdn. 31; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 71). Die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch höherrangige (so BGHZ 114, 238, 242 zu § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG) oder zumindest gleichwertige (so Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 9 Rdn. 80, 90) Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt ist.

b) Das Berufungsgericht hat sich durch seine Einordnung des Fahrscheins als kleines Inhaberpapier den Blick auf die Interessenabwägung verstellt und hierzu keine Feststellungen getroffen. Dem Ansatz des Berufungsgerichts folgend, sind auch die Parteien im Revisionsverfahren darauf nicht mehr eingegangen. Sie haben jedoch in den Vorinstanzen ausführlich zur wechselseitigen Interessenlage vorgetragen. Weil weiterer Tatsachenvortrag nicht zu erwarten ist, kann der Senat die unstreitigen Anknüpfungstatsachen selbst würdigen (BGHZ 122, 309, 316).

c) Die demnach vom Senat vorzunehmende Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, daß der ausnahmslose Ausschluß von Ersatz und Erstattung für abhanden gekommene Fahrscheine weiter geht, als zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten nötig ist, und aus diesem Grund eine unangemessene Benachteiligung der Kunden darstellt.

aa) Auf der Seite der Kunden geht es um deren Interesse, bei einem - möglicherweise unverschuldeten - Verlust des Fahrscheins nicht die schon bezahlte Gegenleistung einzubüßen. Dieses Interesse wiegt umso schwerer, als das Verlustrisiko der Kunden nur dadurch entsteht, daß die Beklagte von ihnen Vorleistung verlangt, was eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung bedeutet, wonach der Werkunternehmer vorleistungspflichtig ist (§ 641 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Auf der anderen Seite fällt das Interesse der Beklagten ins Gewicht, die Gegenleistung nicht doppelt erbringen zu müssen. Der mit der Ausstellung eines Ersatzfahrscheins verbundene Verwaltungsaufwand der Beklagten ist hingegen nicht zu berücksichtigen, weil sie sich insoweit durch Erhebung einer kostendeckenden Gebühr beim Kunden schadlos halten kann. Zu einer Doppelleistung der Beklagten könnte es zum einen dann kommen, wenn der Berechtigte den Verlust des Fahrscheins nur vorspiegelt, sowohl den Original- als auch den Ersatzfahrschein nutzt und auf diese Weise die Beförderungsleistung zweimal erlangt, und zum anderen dann, wenn bei einem echten Verlust der unredliche neue Inhaber, insbesondere ein Finder oder Dieb, den Originalfahrschein nutzt und daneben der Verlierer mit Hilfe des Ersatzfahrscheins reist. Soweit die reale Gefahr einer solchen Doppelleistung besteht, diese Gefahr nicht verschwindend gering ist und sie auch nicht durch zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann, ist der Beklagten der Sache nach Ersatz oder Erstattung nicht zuzumuten. Denn insoweit wäre eine Schadensverlagerung vom Kunden auf die Beklagte nicht gerechtfertigt. Vielmehr müßte der Kunde dann - in entsprechender Anwendung des Grundsatzes der Haftung nach Beherrschbarkeit des Risikos bzw. nach Gefahrenbereichen (BGHZ 114, 238, 243) - das in seiner Verantwortungssphäre gelegene Verlustrisiko selbst tragen.

bb) Mit den streitigen Ausschlußklauseln hat sich die Beklagte jedoch nicht auf die Abwendung einer nicht mit zumutbaren Mitteln auszuräumenden Doppelleistungsgefahr beschränkt. Die Klauseln erfassen vielmehr auch solche Fälle, in denen die Beklagte dieser Gefahr leicht begegnen kann. So liegt es nämlich immer, wenn der Originalfahrschein vor Stellung des Antrags auf Ersatz nicht umgebucht worden ist.

(1) Wird eine Umbuchung des Originalfahrscheins überhaupt nicht beantragt, kann die Beklagte die Gefahr einer Doppelleistung leicht abwenden.

Insoweit ergibt sich aus der Namenseintragung in den Fahrscheinen der Beklagten in Verbindung mit ihrer Praxis, für jede Reise Namenslisten zu führen, ein wesentlicher Unterschied zu normalen Eisenbahn-, Straßenbahn- oder örtlichen Busfahrkarten, die keinen Namen angeben. Der Aussteller solcher Papiere kann nicht kontrollieren, ob er die als abhanden gekommen gemeldete Fahrkarte überhaupt verkauft hat. Deshalb sieht § 18 Abs. 5 der Eisenbahn-Verkehrsordnung vom 18. Dezember 1938 auch zu Recht vor, daß der Fahrpreis für verlorene (Eisenbahn-)Fahrausweise nicht erstattet wird. Der Beklagten hingegen ist die Kontrolle möglich, ob sie den Fahrschein, für den Ersatz beantragt wird, ausgegeben hat. Wenn der Antragsteller das Datum der Reise, die Fahrstrecke und den Namen des Fahrgasts angibt, kann die Beklagte anhand der Namensliste kontrollieren, ob ihm der sich aus dem Fahrschein ergebende Anspruch auf die Beförderungsleistung überhaupt zusteht.

Stellt sie dem Antragsteller sodann einen Ersatzfahrschein aus, der denselben Inhalt hat, so daß Original- und Ersatzfahrschein auf denselben Namen, dieselbe Fahrstrecke und denselben Hinreisetag lauten, besteht die Gefahr für die Beklagte nur in der Konkurrenz zweier Prätendenten um denselben Reiseplatz. Ob nun ein unredlicher Berechtigter, der den Verlust nur vorgetäuscht hat, den Ersatz- oder den Originalfahrschein an einen zweiten Reisenden weitergibt oder ob neben dem redlichen Berechtigten, der seinen Ersatzfahrschein vorlegt, auch ein unredlicher Dritter, der den Originalfahrschein gefunden oder gestohlen hat, mit dessen Hilfe die Beförderungsleistung in Anspruch nehmen will: In jedem Fall präsentieren sich dem Busfahrer zwei Bewerber für denselben auf seiner Liste namentlich gekennzeichneten Platz. Dann kann aber der für die Beklagte handelnde Fahrer den unberechtigten Bewerber problemlos abweisen.

Das Recht der Beklagten, dem Nichtberechtigten die Beförderungsleistung zu verweigern, ergibt sich aus ihren Besonderen Beförderungsbedingungen, die Vertragsbestandteil sind. Nach Nr. 3.1. will sie bei der Beförderungsanmeldung mit dem buchenden Erwerber einen Beförderungsvertrag schließen und diesem verpflichtet bleiben, es sei denn, daß "der Beförderungsvertrag", d.h. der Anspruch aus demselben, auf einen anderen Fahrgast übertragen wird, was aber nur mit Zustimmung der Beklagten geschehen kann, die dann auch den Namen des eintretenden Fahrgastes in das Fahrscheinheft einträgt. Dieser Zustimmungsvorbehalt, also das Mitspracherecht der Beklagten bei der Übertragung des Beförderungsanspruchs auf eine andere Person, spricht klar gegen einen Willen der Beklagten, sich jedem Inhaber des Fahrscheins zu verpflichten, und für ihren Willen, nur eine bestimmte, ihr vor Beginn der Reise bekanntgegebene und von ihr gebilligte Person befördern zu müssen. Die Beklagte darf also jede andere als die im Fahrschein benannte Person zurückweisen.

Die hierfür erforderliche Kontrolle ist der Beklagten ohne Schwierigkeiten möglich. Ihr Busfahrer braucht dazu nicht einmal von den beiden Fahrscheininhabern, die denselben Platz beanspruchen, einen Identitätsnachweis verlangen, den dann nur der Berechtigte erbringen könnte. Eine solche Identitätskontrolle wäre der Beklagten in derartigen Ausnahmefällen übrigens ohne weiteres zumutbar. Sie ist aber gar nicht erforderlich, wenn die Beklagte einfach auf der für den Fahrer angefertigten Namensliste vermerkt, daß sie für einen bestimmten Fahrgast einen Ersatzfahrschein ausgestellt hat. Damit ist der Originalfahrschein für den Fahrer erkennbar entwertet. Die Legitimationswirkung des Originalfahrscheins ist zerstört. Der Fahrer kann dessen Inhaber zurückweisen.

(2) Aber auch wenn nach der Ausstellung des Ersatzfahrscheins eine Umbuchung des Originalfahrscheins beantragt wird, kann die Beklagte der Gefahr einer Doppelleistung leicht begegnen. Dazu ist ebenfalls nicht erforderlich, daß die Beklagte bei der Umbuchung eine Identitätskontrolle vornimmt. Auch hier genügt es, wenn die Beklagte bei der Ausstellung des Ersatzfahrscheins auf der Namensliste für die Reise hinter dem betreffenden Namen vermerkt, daß ein Ersatzfahrschein ausgestellt worden ist, und auf diese Weise den Originalfahrschein entwertet. Dann kann, da bei einer Umbuchung die Namensliste eingesehen werden muß, um den betreffenden Namen daraus zu streichen, der Originalfahrschein von niemandem mehr umgebucht werden. Dies gilt auch, falls die die Umbuchung vollziehenden Mitarbeiter der Beklagten die Namensliste nicht persönlich einsehen, sondern die Änderung der Liste mittels elektronischer Datenverarbeitung erfolgt. Die Beklagte hat nicht dargetan, daß eine Gestaltung ihrer Software dahin, daß die Umbuchung scheitert, wenn bei dem Namen auf der alten Liste die Ausstellung eines Ersatzfahrscheins vermerkt ist, für sie nicht zumutbar wäre.

(3) Eine mit zumutbaren Mitteln nicht abwendbare Doppelleistungsgefahr besteht nur im Falle einer schon vor Ausstellung des Ersatzfahrscheins erfolgten Umbuchung.

Falls der unredliche Fahrscheinerwerber, der den Verlust nur vorgespiegelt hat, oder der unredliche Dritte mit Hilfe des Originalfahrscheins die Reise bereits auf einen anderen Termin, eine andere Fahrstrecke oder einen anderen Fahrgast umgebucht hat und die umgebuchte Reise schon durchgeführt hat und falls danach noch ein Ersatzfahrschein ausgestellt und eingelöst wird, erbringt die Beklagte die Beförderungsleistung doppelt. Dies sieht auch der Kläger ein, der im Revisionsverfahren anerkannt hat, daß dann, wenn schon vor der Reklamation des Kunden der Fahrschein genutzt worden ist, der Kunde "die Folgen seiner eigenen Untätigkeit hinzunehmen" hat, d.h. keinen Ersatz mehr verlangen kann.

Ob auch dann, wenn der Originalfahrschein vor der Verlustmeldung umgeschrieben, die neue Reise aber noch nicht durchgeführt worden ist, für die Beklagte eine nicht oder nur schwer abwendbare Doppelleistungsgefahr besteht, kann offenbleiben. Denn dies würde nichts daran ändern, daß die Beklagte in den bereits dargestellten anderen Fällen, in denen keine Umbuchung erfolgt ist, die Gefahr leicht abwenden kann und die streitigen Klauseln mit ihrer pauschal gehaltenen Fassung deshalb über das Ziel hinausschießen.

cc) Pflichten und Sanktionen, die aufgrund eines berechtigten Verwenderinteresses dem Vertragspartner auferlegt werden, unterliegen einem Übermaßverbot und bedürfen einer konkreten und angemessenen Eingrenzung (Ulmer/Brandner/Hensen § 9 Rdn. 74). Dies hat die Beklagte nicht beachtet. Obwohl eine nicht in zumutbarer Weise abzuwehrende Gefahr einer Doppelleistung für die Beklagte nur dann besteht, wenn der Originalfahrschein vor der Ausstellung eines Ersatzfahrscheins umgebucht worden ist, hat die Beklagte ihren Ausschluß von Ersatz und Erstattung für abhanden gekommene Fahrscheine nicht auf diese Fallkonstellation beschränkt. Indem sie die Ausschlußklauseln so allgemein formuliert hat, daß davon auch die Fälle erfaßt werden, in denen sie die Doppelleistungsgefahr leicht abwenden kann - wenn nämlich überhaupt keine Umbuchung des Originalfahrscheins beantragt wird oder dies erst nach Ausstellung des Ersatzfahrscheins geschieht -, hat sie die Belange ihrer Kunden nicht hinreichend berücksichtigt. Sie hat vielmehr ihre eigenen Interessen übermäßig gesichert. Ihre Ablehnung von Ersatz und Erstattung für abhanden gekommene Fahrscheine ist also nicht grundsätzlich, wohl aber in der gewählten weiten Fassung unangemessen. Da indessen eine Rückführung der Klauseln auf einen zulässigen Inhalt wegen des Verbots geltungserhaltender Reduktion von AGB-Klauseln nicht zulässig ist (BGHZ 124, 254, 262), sind die Klauseln insgesamt unwirksam. Infolgedessen ist der Unterlassungsanspruch des Klägers begründet.