Sachmängelhaftung beim Kauf von Standardsoftware, Fristsetzungserfordernis für den Rücktritt, inhaltliche Anforderungen an eine Fristsetzung, Voraussetzungen der Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 440 BGB



OLG Köln, Beschl. v. 1.9.2003 – 19 U 80/03
 



Fundstelle:

 

ZGS 2003, 392 ff
 



Leitsatz (nicht amtl.):

 

Der Rücktritt des Käufers von einen Kaufvertrag wegen einer nicht mangelfreien Kaufsache (§ 434 BGB) setzt i.d.R. eine zuvor gesetzte angemessene Frist zur Nacherfüllung gem. § 439 BGB voraus (§§ 437 Nr. 1, 2 323 Abs. 1 BGB). Wegen der sich für das weitere Schicksal des Vertrages daraus möglicherweise ergebenden Konsequenzen muß der Käufer dabei unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß der Verkäufer eine letzte Gelegenheit zur Erbringung der vertraglichen Leistung erhält.
 


 

Zentrale Probleme:

 

Im Mittelpunkt der sehr lehrreichen, sorgsam begründeten Entscheidung steht der sich aus den Fristsetzungserfordernissen der §§ 281, 323 BGB ergebende Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs und seine sich aus diesen Normen sowie aus § 440 ergebenden Ausnahmen. Die bereits vor der Schuldrechtsreform praktizierte entsprechende Anwendung von Kaufrecht auf den Kauf von Standardsoftware ergibt sich dabei nunmehr aus § 453 Abs. 1 BGB (s. dazu Übungsfall 14 aus der Vorlesung “Die Schuldrechtsreform nach Anspruchsgrundlagen").
 

Nicht haltbar sind freilich die inhaltlichen Anforderungen, die das Gericht an eine Fristsetzung zur Nacherfüllung stellt. Angesichts der Tatsache, daß der Gesetzgeber bewußt auf die Ablehnungsandrohung des alten Rechts (§ 326 BGB a.F.) verzichtet hat, kann wohl von einer Fristsetzung nicht verlangt warden, daß sie – wie sich das Gericht ausdrückt – neben dem mit einer Frist verbundenen Nacherfüllungsverlangen auch noch erkennen läßt, “dass Konsequenzen im Hinblick auf die weitere Vertragsdurchführung im Räume stehen“. Das ergibt sich auch daraus, daß die noch im Regierungsentwurf zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vorgesehene sog. "weiche Ablehnungsandrohung", wonach der Rücktritt trotz Fristablauf nicht zulässig war, wenn "der Schuldner trotz der Fristsetzung nicht mit dem Rücktritt rechnen musste" (s. § 323 I BGB i.d.F. des Regierungsentwurfs) im weiteren Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich fallengelassen wurde (s. hierzu die navigierbare Dokumentation der Gesetzesmaterialien auf den Seiten zur Schuldrechtsreform). Der Rechtsausschuß hatte hierzu bemerkt, daß es einer solchen Regelung nicht bedürfe, "weil eine Fristsetzung dem Schuldner in aller Regel deutlich macht, daß weiteres Nichtleisten Folgen haben wird. Der Schuldner muss deshalb regelmäßig auch mit dem Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung durch den Gläubiger rechnen". Es solle dem Gl. neben einer Fristsetzung gerade nichts "Zusätzliches" abverlangt werden. Der Schuldner "kann und muss sich nach der Fristsetzung des Gläubigers darauf einstellen, dass dieser Schadensersatz statt der Leistung verlangt und/oder den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Diese Konsequenzen kann er vermeiden, indem er nunmehr leistet" (s. Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu § 281 BGB, BT-Drucks. 14/7052 S. 185).
 

Hinzuweisen ist noch auf folgendes, sich hier mangels Verbraucherbeteiligung nicht stellendes Problem in Bezug auf das Fristsetzungserfordernis: Nach Art. 3 Abs. 5 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie kann der Verbraucher u.a. dann Minderung oder Vertragsauflösung verlangen, wenn der Verkäufer innerhalb einer angemessenen Frist nicht oder nicht ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher Abhilfe geschaffen hat. Die Richtlinie verlangt damit zwar ein Nacherfüllungsbegehren des Verbrauchers und die Nichtvornahme der Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ab diesem Zeitpunkt, nicht aber eine Fristsetzung durch den Verbraucher. Das im deutschen Recht im Falle eines behebbaren Mangels bestehende Erfordernis einer Fristsetzung (nicht dasjenige des Fristablaufs!) sowohl für Rücktritt (§ 323) als auch für die Minderung (§ 441 Abs. 1 S. 1) ist damit entgegen der im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Ansicht des Gesetzgebers (BT-Drucks. 14/6040 S. 22) eindeutig richtlinienwidrig. Im Wege richtlinienkonformer Auslegung der Regelung ist damit anzunehmen, daß der Verbraucher, der den Unternehmer zwar zur Nacherfüllung aufgefordert hat, ihm aber keine Frist gesetzt hat, ohne erneute Fristsetzung vom Kaufvertrag zurücktreten bzw. den Kaufpreis nach § 441 Abs. 1 mindern kann, wenn die Nacherfüllung nicht innerhalb angemessener Frist erfolgt. Spielraum für diese Auslegung bietet die Ausnahmeregelung des § 323 Abs. 2 Nr. 3: Ist trotz eines Nacherfüllungsverlangens des Verbrauchers die Nacherfüllung innerhalb einer (vom Verbraucher nicht gesetzten) Frist nicht erfolgt, ist eine nunmehrige Fristsetzung nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 entbehrlich, weil es dem Verbraucher in dieser Situation nicht zumutbar ist, erneut eine Frist zu setzen. Damit wird im Ergebnis weder ein Nacherfüllungsverlangen seitens des Verbrauchers noch der Ablauf einer angemessenen Frist, sondern lediglich die Fristsetzung durch den Verbraucher entbehrlich. Dieses Auslegungsergebnis ist freilich auf das Verhältnis Unternehmer/Verbraucher beschränkt und darf nicht im Wege einer „Ausstrahlungswirkung“ auf  Fälle wie den vorliegenden, in welchen der Käufer kein Verbraucher ist, ausgedehnt werden.

©sl 2003


 

Zum Sachverhalt:

 

Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung des Restkaufpreises für die Lieferung von Hard- und Software (Arztpraxis-Software „D.“) gemäß ihrer Rechnung v. 10.4.2002 in Anspruch. Die Geräte und das Programm waren im Januar 2002 gekauft und am 23.3.2002 in den Praxisräumen der Beklagten installiert worden.

Die Beklagte hat durch Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten v. 17.4.2002 unter Hinweis auf mehrere darin gerügte Mängel die „Abstandnahme vom Vertrag" erklärt. Die  Beklagte die Rechnung  in Höhe des auf die Hardware entfallenden Betrags beglichen.

Das LG hat der Klage hinsichtlich des Restbetrages stattgegeben. Die Berufung wurde mangels Erfolgsaussicht nach § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Aus den Gründen:

 

I. …

 

II. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die gem. § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2,3  ZPO).

Zu Recht hat das LG die vertraglichen Beziehungen der Parteien nach den Vorschriften des Kaufrechts beurteilt.

Nach einhelliger und vom Senat geteilter Auffassung finden auf die Lieferung von Standardsoftware - zumal Anpassungsleistungen an die individuellen Verhältnisse der Benutzerin in nennenswertem Umfang nicht geschuldet waren - die Vorschriften der §§ 433 ff BGB Anwendung. Da der Vertrag zwischen den Parteien auf 1/2002 datiert, sind die Bestimmungen in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001 (BGBl. I, S. 3138) anzuwenden.

Der Kaufvertrag zwischen den Parteien ist wirksam. Ein Recht der Beklagten, sich ganz oder teilweise vom Vertrag zu lösen, stand ihr nicht zu.

Der Käufer kann unter den Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären, wenn die Kaufsache zur Zeit des Gefahrübergangs nicht mängelfrei i.S.d. § 434 BGB war. Nicht frei von Mängeln ist eine Sache, wenn sie nicht die von den Parteien vereinbarte Beschaffenheit aufweist (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB). Soweit eine Beschaffenheit nicht vereinbart worden ist, kommt es hinsichtlich der Mängelfreiheit auf die Eignung der Sache zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB), sonst auf die Eignung und Beschaffenheit im Hinblick auf die gewöhnliche Verwendung an (§ 434 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB). Weitere - vorliegend nicht einschlägige - Fälle der Fehlerhaftigkeit der Kaufsache regelt § 434 Abs. 2 BGB.

Die Beklagte macht geltend, das gelieferte Softwareprogramm „D. Classic" habe in wesentlichen Punkten nicht der von der Klägerin übergebenen und der dem Vertrag zugrunde liegenden Produktbeschreibung entsprochen. Die behauptete Fehlerhaftigkeit der Kaufsache bedarf der nachvollziehbaren Darlegung und wird nicht durch den Vortrag, das Programm habe sich in einem „katastrophalen" Zustand befunden ersetzt. Soweit die Beklagte den Zustand der Kürzeldatenbank für Medikamente rügt, welcher die Rezepterstellung angeblich erschwert haben soll, fehlt es in beiden Instanzen an einer hinreichenden Darlegung, dass eine solche Funktion aufgrund der Produktbeschreibung bzw. nach objektiven Maßstäben geschuldet gewesen ist. Die Zeit, die für eine Rezeptverschreibung angeblich aufgewendet worden ist, lässt keinen Rückschluss auf Qualität und Funktionsfähigkeit der Software zu. Was die beanstandete schwarz/weiß-Gestaltung des Programms anbetrifft, vermag der Senat bereits den Vortrag der Beklagten nicht nachzuvollziehen, wonach ihr dieser Umstand nicht bekannt gewesen sein soll. Ihr stand das Programm vor Vertragsschluss drei Wochen zu Probezwecken zur Verfügung. Sie hat nicht behauptet, das Programm sei von ihr bzw. ihrem Ehemann in dieser Zeit nicht gestartet worden. Schon bei einer einzigen Inbetriebnahme hätte die Gestaltung der Software aber zwangsläufig auffallen müssen.

Den Hauptmangel sieht die Beklagte in der - unstreitig - nur fragmentarisch vorhandenen ICD-Codierung von (Krankheits-)Diagnosen, eine Programmausstattung, welche nach Auffassung der Klägerin den Anforderungen eines durchschnittlichen Praxisbetriebs in aller Regel genügen soll. Ob es sich bei diesem Punkt um eine Abweichung der Software von der zwischen den Parteien vereinbarten Beschaffenheit des Programms handelte, lässt sich den zu den Akten gereichten Unterlagen nicht entnehmen. Die Produktbeschreibung der klägerischen Software sieht im Lieferumfang des Programms zwar eine „Diagnosedatei mit ICD-Code" grundsätzlich vor. In der Beschreibung „Produkt und Nutzen" finden sich aber keine näheren Angaben und Hinweise dazu, ob und in welchem Umfang bei der Lieferung die Diagnosen mit den jeweils zugehörigen Codes bereits eingepflegt sein sollten. Von einer ausdrücklich vereinbarten Beschaffenheit des Programms (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) in dem von der Beklagten verstandenen Sinn, dass sämtliche nach ihrer Behauptung in ihrem Praxisbetrieb üblicherweise anfallende Diagnosecodes (ca. 800 Stück) bereits vorhanden sein mussten, vermag der Senat daher nicht auszugehen. Die sich nach der Gesetzessystematik (vgl. Westermann, NJW 2002, 241, 243) anschließende Frage, ob bei Anlegung objektiver Maßstäbe das Programm in dem gelieferten Zustand für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck geeignet war (§ 434 Abs. Satz 2 Nr. 1 BGB), hat das LG zu Recht offen gelassen. Die Beklagte hätte aus diesem Grunde vom Kaufvertrag nur dann wirksam zurücktreten können, wenn sie der Klägerin zuvor gem. §§ 437 Nr. 2, 440, 323 Abs. 1 BGB eine angemessene Frist zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) gesetzt hätte. Gem. § 439 Abs. 1 BGB kann der Käufer als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Der behauptete Fehler lag in der nicht ausreichenden Datenvorbereitung der Software. Die Nachrüstung des Programms mit den nach Ansicht der Beklagten fehlenden Codes - also eine Nacherfüllung in der Variante der Fehlerbeseitigung - wäre nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin problemlos und ohne nennenswerten Aufwand möglich gewesen. Eine Fristsetzung i.S.d.  §§ 440,323 BGB hat die Beklagte nicht dargetan. Eine den Anforderungen des § 323 Abs. 1 BGB genügende Fristsetzung liegt dann vor, wenn der Schuldner zur Erbringung der vertraglichen Leistung innerhalb eines nach den Umständen angemessenen Zeitraums aufgefordert worden ist. Zwar muss der Gläubiger nach dem geänderten Gesetzeswortlaut (ebenso wie im Falle des § 281 BGB) mit der Leistungsaufforderung nicht notwendigerweise eine Ablehnungsandrohung im Sinne des bisher geltenden Rechts (§ 326 Abs. 1 BGB a.F.) verbinden (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 323 Rn. 12; Schmidt-Räntsch/Maifeld/Meier-Göring/Röcken, Das neue Schuldrecht, Anm. zu § 281 BGB). Ihm soll nämlich auch nach Fristablauf das Wahlrecht verbleiben, ob er Schadensersatzansprüche unter den Voraussetzungen der §§ 280,  281 BGB geltend machen, den Rücktritt vom Vertrag erklären oder an der Vertragserfüllung festhalten will (vgl. Muthers, in: Henssler/Graf von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, 2. Aufl., § 323, Rn. 11 sowie Dedek, ebenda, § 281 Rn. 25). Angesichts der für das weitere Schicksal des Vertrages sich daraus möglicherweise ergebenden Konsequenzen muss der Gläubiger gegenüber dem Vertragsgegner aber unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass jener mit der Aufforderung eine letzte Gelegenheit zur Erbringung der vertraglichen Leistung erhält (vgl. Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/ Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, 2002, § 2 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer klaren Willensäußerung des Käufers folgt auch aus der Systematik des neuen Gewährleistungsrechts. Die Nacherfüllung stellt den primären Anspruch dar und ist zugleich der den weiteren Rechten des Käufers vorgeschaltete Rechtsbehelf (vgl. Büdenbender, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, 2002, § 8 Rn. 23,47 ff.). Damit korrespondiert der grundsätzliche Anspruch des Verkäufers auf eine „zweite Andienung" (Huber, NJW 2002, 1004, 1005; Westermann, a.a.O.,  248; Büdenbender, a.a.O., § 2 Rn. 48, 49). Eine derartige Erklärung hat die Beklagte nicht abgegeben. Sie trägt dazu vor, sie bzw. ihre Mitarbeiterinnen hätten seit der Installation der Anlage in der Praxis „annähernd tagtäglich" unter der Hotline-Nummer bei der Klägerin angerufen und „die aufgeführten Mängel" gerügt (was von der Klägerin bestritten worden ist). Solche - von der Beklagten i.Ü. in keiner Weise zahlenmäßig und inhaltlich dokumentierten -Kontakte mit der Service-Abteilung der Klägerin waren keine Fristsetzungen im Sinne des Gesetzes und vermögen diese auch nicht zu ersetzen. Die Beklagte mag mehrfach Dienstleistungen (welche?) angefordert und auch angemahnt haben, wie es in der Anfangsphase der Nutzung einer neuen Software nicht selten vorkommt. Diese Erklärungen, zumal gegenüber vermutlich verschiedenen Mitarbeitern der Kundendienstabteilung, waren so zu verstehen, dass Hilfe bei Problemlösungen benötigt wurde. Es fehlte das erforderliche zeitliche Element und der für den anderen Teil erkennbare Wille, dass Konsequenzen im Hinblick auf die weitere Vertragsdurchführung im Räume stehen. Dafür wären die Kundendienstmitarbeiter auch nicht die richtigen Adressaten gewesen.

Die Fristsetzung war auch nicht entbehrlich. Die Beklagte durfte auf die Fristsetzung zur Nacherfüllung gem. § 439 BGB nicht unter den Voraussetzungen der §§ 440, 323 Abs. 2 BGB verzichten. Die Klägerin hat ihre allgemeinen vertraglichen Leistungspflichten zu keinem Zeitpunkt ernsthaft und endgültig verweigert. Sie hat auch die nachträgliche Einarbeitung der Codes nicht abgelehnt. Nach der Schilderung der Beklagten war es so, dass ihr Ehemann anlässlich der Installation der Soft- und Hardware am 23.3.2002 den Außendienstmitarbeiter der Klägerin darauf hingewiesen hat, dass das Programm mit den wenigen eingearbeiteten Codes praktisch nicht brauchbar gewesen sei. In dieser Äußerung dürfte zwar eine Mängelrüge zu sehen sein, welche aber nur zur Fälligkeit des Nacherfüllungsanspruchs insoweit geführt hat (vgl. Schubel, JuS2002, 313, 316). Die angebliche Entgegnung des Außendienstmitarbeiters, die vorhandenen codierten Diagnosen könnten nach der Installation nicht aus dem Programm entfernt werden, bedeutete nicht, dass die Klägerin zu einer Nachcodierung nicht bereit und in der Lage gewesen wäre. Sie ist dazu nicht aufgefordert worden.

Es ist ferner von der Beklagten weder dargetan worden noch sonst ersichtlich, dass die Nacherfüllung, zu der die Klägerin auch nach dem „ Rücktritt" der Beklagten offenbar noch bereit war, fehlgeschlagen oder diese der Beklagten unzumutbar war (§ 440 Satz 1, 2. und 3. Alt). Ein Fehlschlagen der Nachbesserung ist in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung zu § 11 Nr. 10 b) AGBG anzunehmen bei objektiver oder subjektiver Unmöglichkeit, Unzulänglichkeit, unberechtigter Verweigerung, ungebührlicher Verzögerung und bei einem misslungenen Versuch der Nachbesserung (vgl. BGH, NJW 1994,1004; BGHZ 93,29,62,63). Die neue Gesetzgebung hat diesen eingeführten Begriff mit der von der Rechtsprechung dazu vorgenommenen Auslegung übernommen (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 233 f.). Daneben sind dem zweiten Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit, mit dem Art. 3 V 3. Spiegelstrich der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie v. 25.5.1999 (Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates; abgedruckt und kommentiert von Pfeiffer, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.); Schuldrecht, 2002, S. 971 ff.) in nationales Recht umgesetzt worden ist, im Wesentlichen diejenigen Fallgestaltungen vorbehalten, in denen die Abhilfe mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Käufer verbunden ist (Schmidt-Räntsch/Maifeld/Meier-Göring/Röcken, a.a.O., Anm. zu § 440 BGB; vgl. auch Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2117f .).

Ferner dürften dazu auch die Fälle einer objektiven Häufung von Mängeln oder nicht auszuschließender von der Kaufsache ausgehender erheblicher Gesundheitsgefahren zu zählen sein. Denkbar ist schließlich auch, demjenigen Verkäufer das Recht zur Nacherfüllung zu verweigern, welcher bei Kaufabschluss einen Mangel der Kaufsache arglistig verschwiegen hat (vgl. zu dieser Überlegung: Schur, ZGS 2002, 243,248; Büdenbender, a.a.O., § 2 Rn. 49). Bei Anlegung dieser Maßstäbe kann von einer fehlgeschlagenen oder unzumutbaren Nachbesserung aber nicht die Rede sein.

Es ist nicht ersichtlich, warum es der Beklagten auch bei Berücksichtigung der Verhältnissen in einer Arztpraxis nicht zumutbar gewesen sein soll, die Klägerin unter Setzung einer - nach den Umständen vergleichsweise kurzen - Frist von 2 - 3 Werktagen (vgl. allgemein zur Angemessenheit der Nachfrist nach neuem Recht: Dauner-Lieb, a.a.O., § 2 Rn.27) - zur Nacherfüllung aufzufordern, bevor sie von dem Kaufgeschäft insgesamt Abstand nahm. Das gilt auch dann, wenn man mit der Beklagten unterstellt, dass die Übertragung der Laborwerte nicht möglich gewesen ist. Die Klägerin hat eingeräumt, dass diese Funktion zunächst nicht vorhanden und erst bei dem Servicetermin v. 2.4.2002 installiert worden ist. Danach soll diese Funktion aber nutzbar gewesen sein. Nach der gesetzlichen Regel des § 440 Abs. 1 Satz 2 BGB hätte erst ein zweiter erfolgloser Nachbesserungsversuch zu einem Rücktrittsrecht der Beklagten (Fiktion des Fehlschlagens der Nachbesserung) geführt.

Freilich wollte der Gesetzgeber dem Verkäufer mit dieser Regel nicht in jedem Fall eine insgesamt dritte Chance zur Lieferung einer mängelfreien Sache einräumen (vgl. Bitter/ Meidt, a.a.O., 2117; Büdenbender, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.); Schuldrecht, 2002, § 440 Rn. 6). Veranlassung dazu, von weniger als zwei Nachbesserungschancen der Klägerin auszugehen, bietet die vorliegend zu beurteilende Fallgestaltung indes nicht.