1. Das Privatrecht als Teil der Rechtsordnung
a) Privatrecht und Öffentliches Recht
b) Privatrecht und Bürgerliches Recht; Bürgerliches Recht und Vermögensrecht
c) Quellen des Privatrechts
d) Grundprinzipien des Privatrechts
e) Grundlegendes zur Fallösungstechnik (Subsumtion) im Privatrecht
2. Grundlagen und Grundbegriffe der Rechtsgeschäftslehre
a) Der Grundsatz der Privatautonomie
b) Die Grundbegriffe: Willenserklärung, Rechtsgeschäft und Vertrag
aa) Willenserklärung
bb) Rechtsgeschäft
cc) Vertrag
3. Die Willenserklärung
a) Einzelne Komponenten: Handlungswille, Erklärungswille, Geschäftswille und Rechtsbindungswille
b) Abgabe und Zugang
c) Willensmängel
aa) Irrtumsanfechtung
(1) System der Irrtumsanfechtung
(2) Irrtum in der Erklärungshandlung: Inhalts- und Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1 BGB
(3) Eigenschaftsirrtum nach § 119 II BGB
bb) Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und rechtswidriger Drohung
(1) Arglistige Täuschung
(2) Rechtswidrige Drohung
cc) Anfechtungserklärung
dd) Folgen der Anfechtung
d) Auslegung von Rechtsgeschäften
4. Der Vertrag
a) Abschluß und Form des Vertrages
aa) Antrag
bb) Annahme
cc) Widerruflichkeit nach Vertragsschluß
dd) Form
b) Inhalt des Vertrages
aa) Nichtigkeitsgründe
bb) Folgen der Nichtigkeit: Teilnichtigkeit, Umdeutung und Bestätigung
5. Allgemeine Geschäftsbedingungen
a) Begriff (§ 1 AGBG)
b) Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen beim Vertragsschluß (§ 2 AGBG)
c) Ausschluß überraschender Klauseln (§ 3 AGBG)
d) Auslegung von AGB
e) Vorrang der Individualabrede (§ 4 AGBG)
f) Unklarheitenregel (§ 5 AGBG)
g) Inhaltskontrolle (§§ 8 ff AGBG)
h) Rechtsfolgen der Unwirksamkeit einer Klausel (§ 6 AGBG)
i) Verbraucherschutz durch Verbandsklage (§§ 13 ff AGBG)
6. Die Teilnahme am Rechtsverkehr
a) Geschäftsfähigkeit
aa) Geschäftsunfähigkeit
bb) Beschränkte Geschäftsfähigkeit (§§ 106 ff BGB)
cc) Teilgeschäftsfähigkeit (§§ 112 f BGB)
b) Stellvertretung (§§ 164 ff BGB)
aa) Handeln in fremden Namen
bb) Vertretungsmacht
cc) Vertretung ohne Vertretungsmacht
7. Das Schuldverhältnis
a) Gesetzliche und rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse
b) Rechte und Pflichten aus Schuldverhältnissen
c) Entstehen von Schuldverhältnissen
aa) Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse
bb) Gesetzliche Schuldverhältnisse
cc) Anspruchskonkurrenz
d) Inhalt von Schuldverhältnissen (§§ 241 ff BGB)
aa) Inhaltliche Bestimmbarkeit
bb) Stückschuld, Gattungsschuld, Wahlschuld, Ersetzungsbefugnis
e) Art und Weise der Leistungserbringung
8. Das Erlöschen des Schuldverhältnisses
a) Erfüllung und Erfüllungssurrogate
aa) Erfüllung, § 362 BGB
bb) Hinterlegung, §§ 372 ff BGB
cc) Aufrechnung, §§ 387 ff BGB
b) Sonstige Erlöschensgründe
aa) Erlaß, §
397 I BGB
bb) Negatives Schuldanerkenntnis,
§ 397 II BGB
cc) Änderungsvertrag
dd) Schuldersetzung
(Novation)
ee) Konfusion
ff) Unmöglichkeit
gg) Rücktritt
9. Störungen bei der Abwicklung des Schuldverhältnisses (Leistungsstörungen)
a) Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo - c.i.c.)
b) Leistungsstörungen (Unmöglichkeit, Verzug, pVV, Wegfall der Geschäftsgrundlage)
aa) Unmöglichkeit
(1) Arten
(2) Vertretenmüssen
bb) Verzug
(1) Schuldnerverzug
(2) Gläubigerverzug (Annahmeverzug)
cc) Positive Vertragsverletzung (pVV)
dd) Störungen der Geschäftsgrundlage
10. Rückabwicklung von Schuldverhältnissen
a) nach den Vorschriften über die ungerechtdertigte Bereicherung
b) nach den Vorschriften über den Rücktritt
11. Die Beteiligung Dritter am Schuldverhältnis
a) Forderungsabtretung
b) Schuldübernahme, Vertragsübernahme, Vermögensübernahme
c) Vertrag zugunsten Dritter
d) Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
1. Das Privatrecht als Teil der Rechtsordnung
a) Privatrecht und Öffentliches Recht
Die Grundunterscheidung verläuft zwischen dem Bereich des Privatrechts und dem Bereich des öffentlichen Rechts. Ganz grob läßt sich sagen, daß das Privatrecht die Rechtsverhältnisse der einzelnen Bürger untereinander auf einer Ebene der Gleichberechtigung regelt (deshalb spricht man auch vom Bürgerlichen Recht oder Zivilrecht und heißt unsere Kodifikation auch Bürgerliches Gesetzbuch), während das öffentliche Recht das Verhältnis zwischen Bürger und Staat in einem Über- und Unterordnungsverhältnis betrifft, also befehlend bzw. obrigkeitlich wirkt.
Man hat in der Rechtswissenschaft viele verschiedene Theorien der Abgrenzung zwischen Privatrecht und Öffentlichem Recht entwickelt, die bereits auf das Römische Recht zurückgehen (so die Interessentheorie Ulpians). Keine dieser verschiedenen Theorien vermag aber alle Fälle genau zu unterscheiden. So ist etwa diejenige Theorie, welche darauf abstellt, ob sich zwei Rechtssubjekte auf der Ebene der Gleichordnung begegnen (dann Privatrecht) oder aber eines befehlend über das andere auftritt (dann Öffentliches Recht, sog. Subordinationstheorie bzw. Subjektionstheorie) nicht ganz korrekt, weil es auch im Bereich des Öffentlichen Rechts Situationen der Gleichordnung gibt (öffentlich-rechtlicher Vertrag) und der Staat bzw. die öffentliche Hand auch als Privatrechtssubjekt tätig werden kann (Bsp.: Gemeindeverwaltung kauft Büromaterial; Gemeinde vermietet Wohnungen etc.). Andererseits gibt es auch im Privatrecht Situationen, die ganz eindeutig von einem Über- und Unterordnungsverhältnis geprägt sind, wie z.B. das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Die heute herrschende Lehre stellt deshalb darauf ab, "ob an dem Rechtsverhältnis, dessen Regelung in Frage steht, wenigstens der eine Teil gerade in seiner Eigenschaft als Träger von "Hoheitsgewalt" beteiligt ist - dann öffentlich-rechtlich - oder ob das nicht der Fall ist- dann privatrechtlich" (Larenz AT § 1 I S. 3). Man spricht von der sog. Subjekttheorie, weil sie auf die an dem Rechtsverhältnis beteiligten Subjekte und - wenn eines davon ein Träger öffentlicher Gewalt ist - darauf abstellt, ob es gerade in dieser Eigenschaft beteiligt ist.
b) Privatrecht und Bürgerliches Recht; Bürgerliches Recht und Vermögensrecht
Das Bürgerliche Recht ist das Kerngebiet der Privatrechts, dennoch aber nur ein Ausschnitt davon. Innerhalb des Privatrechts wird unterschieden zwischen dem Bürgerlichen Recht als dem allgemeinen Privatrecht und den Sondergebieten. Das Bürgerliche Recht ist derjenige Teil des Privatrechts, der alle angeht, betrifft also Rechtsverhältnisse, in denen potentiell jedermann stehen kann und ist im wesentlichen im BGB geregelt (wenngleich zahlreiche Sondergesetze, auch bedingt durch die EU zu einer gewissen Rechtszersplitterung führen). Sonderprivatrecht sind etwa das Handelsrecht als das Sonderprivatrecht der Kaufleute, das Wirtschaftsrecht, das Immaterialgüterrecht, das Arbeitsrecht u.v.m. Streitig ist etwa, ob es sich auch beim Verbraucherschutzrecht um ein Sonderprivatrecht handelt. Wichtig ist aber, daß auch das Sonderprivatrecht auf dem allgemeinen bürgerlichen Recht aufbaut. Ohne dessen Kenntnis kann man auch keine sonderprivatrechtlichen Fälle lösen. Trotz der Ausgliederung der Materien bestehen also weiterhin zahlreiche Verbindungen.
Das Bürgerliche Recht ist weitgehend, aber natürlich nicht ganz, Vermögensrecht. Es regelt weitgehend die vermögensrechtlichen Verhältnisse der einzelnen zueinander. Dabei geht es um den Güteraustausch wie bei den Verträgen, aber auch um die rechtliche Sachherrschaft etwa des Eigentümers oder des Besitzers einer Sache. Auch das Erbrecht befaßt sich mit den vermögensrechtlichen Folgen des Todes eines Menschen (vgl. den Wortlaut von § 1922 BGB). Auch das Familienrecht enthält zahlreiche vermögensrechtliche Bestimmungen wie z.B. das eheliche Güterrecht (§§ 1363 BGB). Die nichtvermögensrechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Rechts sind zwar auch sehr bedeutend und für das Alltagsleben wichtig (Familienrecht!), stellen aber die eindeutige Minderzahl dar.
c) Quellen des Privatrechts
Die große Privatrechtskodifikation des deutschen Rechts ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vom 18.8.1896, das am 1.1.1900 in Kraft getreten ist und eine lange Entstehungsgeschichte hinter sich hat. Nachdem der Reichstag im Jahre 1873 durch eine Verfassungsänderung die Gesetzgebungskompetenz des Reiches auf das Gebiet des Privatrechts erweitert hatte, wurde eine (hauptsächlich aus Ministerialbeamten, Professoren und Richtern bestehende) Kommission eingesetzt, die 1888 einen ersten Entwurf (sog. Motive) vorlegte. Eine zweite Kommission, der auch Vertreter der Wirtschaft angehörten, überarbeitete diesen Entwurf und legte einen zweiten Entwurf vor. Eine Reichstagsvorlage wurde dann im Parlament diskutiert und 1.7.1896 im Reichstag beschlossen, am 18.8.1896 im Reichsgesetzblatt veröffentlicht. Weitere wichtige privatrechtliche Gesetze sind z.B. das Handelsgesetzbuch sowie viele Nebengesetze wie z.B. das Aktiengesetz, das GmbH-Gesetz, viele Regelungen des Verbraucherschutzes (HtWiG, VerbrKrG) sowie Haftungsregelungen in StVG und ProdHaftG.
Das BGB ist stufenweise aufgebaut. Der Gesetzgeber wollte das Gesetzbuch, um es nicht zu kasuistisch und damit auch räumlich ausufernd werden zu lassen, sehr abstrakt halten. Daher rührt die besondere Gesetzgebungstechnik des BGB, das sog. "Vor-die-Klammer-Ziehen". Diese Methode verfolgt das BGB als solches durch die Aufteilung in einzelne Bücher (z.B. der AT), aber auch innerhalb der einzelnen Bücher, wo stets vom allgemeinen in das besondere gegangen wird und die allgemeinen Regeln vorgezogen für alle besonderen Gebiete gelten.
Rechtsquellen ist neben dem Gesetz das Gewohnheitsrecht. Rechtsauslegung und -fortbildung erfolgt insbesondere durch höchstrichterliche Rechtsprechung, aber auch durch die Rechtswissenschaft. Von besonderer Bedeutung ist dabei der stets bei obersten Bundesgerichten endende Instanzenzug, der u.a. auch für die Einheit der Rechtsprechung im Bundesstaat Sorge tragen soll.
d) Grundprinzipien des Privatrechts
Die wichtigsten Grundprinzipien des Privatrechts ergeben sich bereits aus seinem Regelungsbereich. Da es sich um Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen Individuen auf der Ebene der Gleichordnung handelt, steht die Nichteinmischung des Staates und die Willensfreiheit der Beteiligten Im Vordergrund: Ob und zu welchen Bedingungen ein Vertrag geschlossen wird, ist grundsätzlich eine Sache der Beteiligten. Diesen Grundsatz der Freiheit und der Selbstverantwortung bezeichnet man als Privatautonomie. Freilich ist auch dies nur ein Grundsatz, der nicht lückenlos durchgeführt ist, ja gar nicht lückenlos durchgeführt werden kann, soll nicht stets das Recht des Stärkeren gelten. Das hat man bereits in der liberalen Epoche der Entstehungszeit des BGB erkannt, bis heute gibt es eine Flut von Sonderregelungen, welche die durch die Privatautonomie nicht beeinflußten Ungleichgewichtslagen zwischen den Teilnehmern am Rechtsverkehr kompensieren sollen. Bereits aus der Entstehungszeit des BGB, sogar noch vor diesem inkraftgetreten, stammt das mittlerweile durch das VerbrKrG ersetzte AbzG, zu nennen sind weiter insbesondere das Gesetz zur Regelung der sog. "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" (AGB-Gesetz).
Das Prinzip der Privatautonomie zeigt sich am deutlichsten am Prinzip der Vertragsfreiheit, ist aber nicht auf dieses beschränkt. Es zeigt sich etwa auch in der Eigentumsfreiheit (§ 903 BGB) und in der Testierfreiheit (§ 1937 BGB),
All diese grundlegenden Prinzipien des BGB sind heute auch durch das Grundgesetz, insbesondere durch dessen Art. 2 Abs.1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit) und durch Art. 14 GG (Eigentum und Erbrecht) zumindest als Institutionen garantiert.
Als weiteres, übergreifendes Grundprinzip des Privatrechts kann man die Person als Subjekt von Rechten sowie die Verantwortlichkeit der Person für Unrecht sehen. Wichtig ist auch das Eigentum als rechtlich anerkannte Sachherrschaft. Ein wichtiger Begriff ist daher derjenige des Rechtsverhältnisses: Die Vorschriften des Privatrechts regeln die rechtlichen Beziehungen zwischen Personen (z.B. das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter) untereinander oder zwischen Personen und Sachen (z.B. das Eigentum). Hauptinhalt solcher Rechtsverhältnisse sind Rechte und Pflichten.
Das wichtigste Gestaltungsmittel des Privatrechts ist dabei die Zuerkennung subjektiver Rechte. Unter einem subjektiven Recht versteht man die dem einzelnen verliehende Rechtsmacht zur Befriedigung bestimmter Interessen, das einzelne Recht ist stets einem bestimmten Rechtsträger (Subjekt) zugewiesen. Dies kann eine, aber auch eine Vielzahl von Personen sein. "subjektlose" Rechte versucht das BGB zu vermeiden (Erbrecht etc.).
Als weitere Grundlage unseres Bürgerlichen Rechts kann man noch das Vertrauensschutzprinzip auffassen. Im Gegensatz zu historischen Vorbildern und anderen Rechtssystemen enthält das BGB eine Reihe von Vorschriften, die den guten Glauben des Rechtsverkehrs schützen.
e) Grundlegendes zur Fallösungstechnik (Subsumtion) im Privatrecht
Bei der juristischen Fallösungstechnik ist Ausgangspunkt der konkrete Lebenssachverhalt sowie die sich daraus stellende Rechtsfrage, d.h. die gefragte Rechtsfolge. Gesetze enthalten demgegenüber einen abstrakten Tatbestand, aufgrund dessen sie eine bestimmte Rechtsfolge anordnen. Bei der Rechtsanwendung prüft man, ob ein Lebenssachverhalt den Tatbestand des Gesetzes erfüllt. Trifft das zu, tritt die im Gesetz angeordnete Rechtsfolge ein. Den Vorgang der Unterordnung eines konkreten Sachverhaltes unter den abstrakten gesetzlichen Tatbestand nennt man Subsumtion.
Bei der Fallösung geht man damit gedanklich in folgender Reihenfolge
vor (Gutachtenstil): Man sucht die Norm, welche die gewünschte Rechtsfolge
enthält und prüft anschließend im Wege der Subsumtion,
ob der tatsächliche Lebenssachverhalt unter den Tatbestand der Norm
"paßt".
2. Grundlagen und Grundbegriffe der Rechtsgeschäftslehre
a) Der Grundsatz der Privatautonomie
Der Grundsatz der Privatautonomie als ein, wenn nicht der tragende Grundsatz des Privatrechts, zumindest aber des uns hier beschäftigenden Vermögensrechts. Er überläßt es weitgehend den Beteiligten, ob, mit welchem Inhalt und auf welche Dauer sie Rechtsverhältnisse eingehen wollen. Man kann hier auch gleichbedeutend von der Vertragsfreiheit sprechen. Natürlich erleidet auch dieser Grundsatz zahlreiche Ausnahmen. Die Freiheit des "Ob" des Vertragsschlusses (Abschlußfreiheit) wird eingeschränkt durch die Fälle des sog. "Kontrahierungszwangs", die insbesondere dann bestehen, wenn der Anbieter ein gesetzliches Monopol hat (so etwa im Bereich der Stromversorgung, vgl. § 6 Energiewirtschaftsgesetz) oder das entsprechende Gut von existentieller Bedeutung ist (so z.B. im Bereich der Verkehrshaftpflichtversicherung(1)). Fälle des Kontrahierungszwangs ergeben sich entweder aus dem Gesetz, oder aber aus dem allgemeinen Grundsatz des § 826 BGB. Sie sind aber angesichts des Grundsatzes der Privatautonomie die begründungsbedürftige Ausnahme. Die Freiheit des "Wie" des Vertragsschlusses (Inhaltsfreiheit) ist ebenfalls bestimmten Einschränkungen unterworfen (AGB-Gesetz, soziales Mietrecht, Arbeitsrecht etc.). Ziel der Vertragsfreiheit ist es, dem einzelnen die Möglichkeit zu eröffnen, seinen Lebensraum nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Damit wird auch die politische und wirtschaftliche Bedeutung des Grundsatzes klar: Der Wirtschaftsprozeß soll grundsätzlich nicht durch den Staat, sondern durch den freien Wettbewerb gesteuert werden, nur in Randbereichen greift der Staat korrigierend bzw. zur Sicherung dieses Systems ein. Die politische und ideologische Bedeutung des Grundsatzes zeigt sich darin, daß unser Gesellschaftssystem auch als "Privatrechtsgesellschaft" bezeichnet wurde.
Ausdruck der Inhaltsfreiheit ist insbesondere der weitgehend dispositive Charakter der Regelung der einzelnen Verträge im BGB. So gelten die Regelungen, welche das BGB für die einzelnen Verträge aufstellt, in der Regel nur mangels abweichender Vereinbarung, verstehen sich also mehr als Modell einer vertraglichen Regelung anstatt einer verbindlichen Regelung. Dies gilt freilich nur im Grundsatz, den einige Regelungen sind - insbesondere zum Schutze Schwächerer - durch ausdrückliche Anordnung zwingend ausgestaltet (vgl. etwa § 225 BGB zur Verjährung oder einzelne Regelungen im Kaufrecht [§ 476 BGB], insbesondere aber im Mietrecht, vgl. z.B. § 537 III, 557a, Reiserecht [§ 651l BGB] und Arbeitsrecht [§§ 619, 622 V, KSchG, LohnfortzG etc.).
b) Die Grundbegriffe: Willenserklärung, Rechtsgeschäft und Vertrag
Das BGB regelt im Dritten Abschnitt seines Allgemeinen Teils (§§ 104 - 185) die Rechtsgeschäfte. Grundbegriffe der Rechtsgeschäftslehre sind die Begriffe Rechtsgeschäft, Willenserklärung und Vertrag. Erst diese Begriffe ermöglichen es, die Vielzahl rechtlicher Willensakte wie etwa Kauf, Kündigung, Testament, Schenkung etc. rechtlich systematisch zu erfassen und zu analysieren.
aa) Willenserklärung
Zentraler Begriff des Bürgerlichen Rechts ist die sog. Willenserklärung.
Sie wird vom Gesetz vorausgesetzt und in ihren Wirksamkeitsvoraussetzungen
in vielfältiger Weise geregelt (§§ 116 ff BGB), nicht aber
definiert. Bisher war im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Privatautonomie
stets vom Willen der Beteiligten die Rede. Dieser Wille kann aber, soll
er juristisch faßbar sein, nicht allein aus dem psychischen Phänomen
des Wollens heraus rechtliche Relevanz erhalten, sondern bedarf hierzu
eines Hervortretens nach außen. Dies geschieht durch seine Erklärung.
Man versteht daher unter dem Begriff der Willenserklärung eine
nach außen gerichtete, private Erklärung, die auf die Herbeiführung
von Rechtsfolgen gerichtet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob
die Erklärung diese Rechtsfolgen bereits selbst herbeiführt,
wie das bei einer auf die Vornahme eines einseitigen Rechtsgeschäfts
gerichteten Willenserklärung, nicht aber etwa bei der auf Abschluß
eines Vertrages gerichteten Willenserklärung der Fall ist. Wir werden
uns später noch im Detail mit dieser wichtigen Zentralfigur des Privatrechts,
insbesondere mit den vielen Komponenten beschäftigen. Wichtig sind
hier zunächst nur die zwei Grundkomponenten, aus welchen sich eine
Willenserklärung zusammensetzt: Essentiale Elemente sind der Wille
als inneres Phänomen sowie dessen Äußerung als Kundgabeakt.
Der Rechtserfolg kann nie allein durch den Willen selbst, sondern immer
nur durch dessen Äußerung hervorgerufen werden, da der Wille
als solcher nicht erkennbar ist. Wille und Erklärung bilden
als Willensäußerung eine Einheit.
Man unterscheidet ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen, empfangsbedürftige und nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen. Eine ausdrückliche Willenserklärung liegt vor, wenn der Wille des Erklärenden in seiner erklärung unmittelbar zum Ausdruck kommt, von einer konkludenten (schlüssigen) Willenserklärung spricht man, wenn sich aus dem Gesamtverhalten einer Person, das auch ein Unterlassen sein kann, auf einen bestimmten Geschäftswillen geschlossen werden kann. Schweigen bzw. Nichtstun ist hingegen nur in ganz seltenen Ausnahmefällen eine Willenserklärung (vgl. etwa § 362 HGB)(2).
Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind solche Willenserklärungen, die an einen anderen (= Erklärungsempfänger) gerichtet sind und erst durch ihren Zugang (oder einem Zugangsersatz wie z.B. Zustellung) bei diesem rechtswirksam werden, so daß sich dieser auf die Rechtslage einstellen und reagieren kann (§ 130 BGB). Sie sind der Regelfall. Daneben gibt es auch nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen, bei denen kein Bedürfnis besteht, daß sich Dritte unmittelbar auf sie einstellen (Testament).
bb) Rechtsgeschäft
Auf dem Begriff der Willenserklärung baut der Begriff des Rechtsgeschäfts auf. Das Gesetz definiert auch diesen Begriff nicht, sondern geht von ihm aus. Das Gesetz erwähnt ihn zum ersten Mal in § 111 BGB. Man versteht unter einem Rechtsgeschäft einen auf mindestens einer Willenserklärung beruhenden Akt, der auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist und diese Rechtsfolge deshalb unmittelbar herbeiführt, weil sie gewollt ist und von der Rechtsordnung anerkannt wird. Kern des Rechtsgeschäfts ist also die Willenserklärung. Eine Willenserklärung kann gleichzeitig ein Rechtsgeschäft darstellen (sog. einseitiges Rechtsgeschäft), meist sind aber mehrere WE's erforderlich. Neben der oder den WE's kann der Rechtserfolg, d.h. die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts auch noch an andere Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft werden (so z.B. die Vornahme bestimmter Realakte [Besitzübertragung bei § 929 BGB] oder Formalien [z.B. §§ 313, 125 BGB]). Auch kann das Gesetz besondere Anforderungen an die Beteiligten Personen (Geschäftsfähigkeit, §§ 104 ff BGB) oder den Inhalt des Rechtsgeschäfts (§ 138 BGB sowie die Regelungen der §§ 306 ff) stellen.
Wichtigste Erscheinungsform des Rechtsgeschäfts ist der Vertrag, es gibt aber auch einseitige Rechtsgeschäfte wie z.B. die Kündigung oder das Testament.
Zu unterscheiden vom Rechtsgeschäft ist der sog. Realakt. Hierbei handelt es sich um menschliche Handlungen, die durchaus rechtliche Konsequenzen haben können, diese Konsequenzen aber nicht herbeiführen, weil sie gewollt sind, sondern nur mittelbar Ursache für eine bestimmte rechtliche Folge sind. Es geht als hier um Willensbetätigungen rein tatsächlicher Art, an die sich unabhängig vom Willen des Handelnden kraft Gesetzes Rechtsfolgen anknüpfen.
Man unterscheidet weiter Rechtsgeschäfte unter Lebenden von solchen von Todes wegen, vermögensrechtliche und personenrechtliche Rechtsgeschäfte, Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte, kausale und abstrakte Rechtsgeschäfte sowie Treuhandgeschäfte.
Verpflichtungsgeschäft: Rechtsgeschäft, welches die Verpflichtung zu einer Leistung begründet (Bsp.: Kaufvertrag), die Leistung aber noch nicht vornimmt.
Verfügungsgeschäft: Rechtsgeschäft, durch das ein Recht unmittelbar übertragen, belastet, geändert oder aufgehoben wird.
Die meisten Verfügungsgeschäfte sind sachenrechtlicher Art, weshalb man auch vom dinglichen Rechtsgeschäfts spricht. Es gibt aber auch im Schuldrecht Verfügungsgeschäfte (Abtretung, § 398 BGB, Erlaß, § 397 BGB). Auch Verfügungsgeschäfte erfolgen im Regelfall nicht durch einseitige Rechtsgeschäfte, sondern durch Vertrag (Ausnahme etwa im Fall der Dereliktion, § 959 BGB, anders der Erlaß).
Wichtiger Unterschied: Verpflichtung setzt keine Verfügungsmacht voraus, Prioritätsprinzip gilt nur bei Verfügungen.
Ein abstraktes Rechtsgeschäft liegt vor, wenn der Grund außerhalb liegt und nicht Bestandteil und damit Wirksamkeitsvoraussetzung des Rechtsgeschäfts ist (Bsp. und genaue Erläuterung).
cc) Vertrag
Zentrales Mittel zur Güterbeschaffung in einer Privatrechtsgesellschaft ist der Vertrag: Wenn jemand bestimmte Güter benötigt, kann entweder der Staat sie ihm zuteilen, oder aber besorgt sie sich selbst. Damit er sich aber darauf verlassen kann, bestimmte Güter zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine genau bestimmte Gegenleistung zu bekommen, bedarf es eines rechtlich bindenden Instruments. Als solches stellt die Rechtsordnung den Vertrag zur Verfügung.
Auch der Begriff des Vertrags wird vom BGB nicht näher definiert, sondern in den §§ 145 ff vorausgesetzt. Der Vertrag ist das zentrale Mittel zur Daseinsversorgung in einer freiheitlichen Gesellschaft. Damit der einzelne seine Wünsche und Bedürfnisse erfüllen kann, ist er auf die Mitwirkung anderer angewiesen, die ihrerseits eigene Wünsche und Interessen verfolgen. Das rechtliche Mittel zur Koordinierung solcher Partikularinteressen ist der Vertrag als einverständliche, rechtlich bindende Regelung zwischen zwei oder mehreren Personen. Der Vertrag ist das regelmäßige Mittel, ein Schuldverhältnis durch Rechtsgeschäft zu begründen (vgl. § 305 BGB, die dort vorbehaltenen gesetzlichen Ausnahmen der Begründung von nicht durch Vertrag begründeten rechtsgeschäftlich Schuldverhältnissen sind z.B. die Stiftung [§ 82 BGB], Auslobung [§ 657 BGB] und Vermächtnis [§§ 1939, 2147 BGB]).
Ein Vertrag ist ein i.d.R. zweiseitiges Rechtsgeschäft (es gibt auch mehrseitige Verträge wie z.B. den Gesellschaftsvertrag), das sich aus zwei (oder mehr) übereinstimmenden Willenserklärungen verschiedener Personen zusammensetzt, die in Bezug aufeinander abgegeben werden. Deshalb beginnt die gesetzliche Regelung des Vertrags in den §§ 145 ff BGB auch mit der Regelung dieser beiden Willenserklärungen, die das Gesetz als Antrag (man spricht auch von Angebot bzw. Offerte) und Annahme bezeichnet. Kein Vertrag, sondern eine unverbindliche Absprache ("gentlemen's agreement") liegt vor, wenn das Vereinbarte nicht bindend sein soll, wie etwa bloße Gefälligkeitszusagen im gesellschaftlichen, insbesondere nachbarschaftlichen Bereich.
Wichtig sind also folgende Einzelheiten:
2.) Inhaltliche Übereinstimmung
3.) Abgabe der Willenserklärungen in Bezug aufeinander.
4.) Eine besondere Form ist nur erforderlich, wenn das Gesetz dies vorschreibt (Grundsatz der Formlosgkeit, vgl. § 125 BGB)
Die Möglichkeit, Rechtsfolgen durch Vertrag zu begründen, gibt es aber nicht nur im Schuldrecht, wenn dort auch die meisten Verträge angesiedelt sein dürften. Erbrechtliche Verträge sind z.B. in den §§ 2274, 2346 BGB geregelt. Familienrechtliche Verträge finden wir in den §§ 1297 und 1408 BGB. Sachenrechtliche Verträge sind erforderlich, um Rechtsveränderungen an Sachen herbeizuführen. Wir können hier auf die Eigentumsübertragungsvorschriften in den §§ 929 ff. BGB wie auch im § 873 BGB verweisen.
Die schuldrechtlichen Verträge sind zur Begründung von Leistungsverpflichtungen gedacht. Sie können einseitig verpflichtend sein wie der Schenkungsvertrag (§ 518 BGB) und der Bürgschaftsvertrag (§ 765 BGB), aber auch zweiseitig verpflichtend, und zwar unvollkommen (vgl. §§ 598, 662 BGB) wie vollkommen. Die vollkommen zweiseitig verpflichtenden Verträge nennt man auch gegenseitige Verträge (vgl. §§ 320 ff. BGB). Bei ihnen stehen die Leistungen in einem "do ut des-Verhältnis". Man spricht auch von einem Synallagma und von synallagmatischer Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung.
3. Die Willenserklärung
a) Einzelne Komponenten: Handlungswille, Erklärungswille, Geschäftswille und Rechtsbindungswille
Wir haben uns bereits mit dem Begriff der Willenserklärung im allgemeinen auseinandergesetzt und diese dabei als eine auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtete private Erklärung definiert, die aus den zwei Hauptkomponenten, nämlich dem inneren Willen und dessen Kundgabe nach außen besteht.
Den Willenstatbestand kann man in den Handlungswillen, den Erklärungswillen und den Geschäfts- und Rechtsbindungswillen zerlegen. Dabei ist den Fehlerfolgen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Nicht alle Faktoren sind Tatbestandsvoraussetzungen einer Willenserklärung, sondern führen z.B. nur zur Vernichtbarkeit, nicht aber der anfänglichen Nichtigkeit der Willenserklärung.
- Der Handlungswille fehlt etwa bei unbewußten Handbewegungen
oder bei Handlungen, die unter unmittelbarem körperlichem Zwang vorgenommen
werden.
- Beim Erklärungswillen bzw. Erklärungsbewußtsein wird danach gefragt, ob der Handelnde die Absicht hatte, eine Willenserklärung abzugeben, d.h. rechtsgeschäftlich tätig zu werden oder ob er etwa nur eine Tatsache mitteilen wollte oder eine andere nicht rechtsgeschäftliche, weil nicht auf die Bewirkung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung abzugeben (z.B. Gratulation, Erklärungen auf gesellschaftlicher Ebene wie z.B. Einladungen etc.). Es kommt hier also auf das Bewußtsein an, überhaupt rechtsgeschäftlich zu handeln, nicht aber auf das Bewußtsein, ein bestimmtes Rechtsgeschäft abzuschließen (-> Geschäftswille).
Fehlt das Erklärungsbewußtsein, so ist die Willenserklärung nicht nichtig, sondern lediglich analog den Vorschriften über die Irrtumsanfechtung anfechtbar, wenn der Erklärende hätte erkennen können, daß sein Verhalten von anderen als Willenserklärung aufgefaßt wird. Die Einzelheiten sind sehr strittig:
- Der Rechtsbindungswille fehlt bei Absichtserklärungen gegenüber Freunden (Besuchsversprechen, Essenseinladungen), aber auch bei Erklärungen, die für das Geschäftsleben charakteristisch sind, die aber noch kein bindendes Angebot, sondern lediglich Aufforderungen zur Abgabe von Angeboten enthalten.
Den Erklärungstatbestand macht die Kundgabe des Willens aus. Dabei kann es sich um eine ausdrückliche Kundgabe oder aber um eine aus anderen Umständen zu erschließende (konkludente) Kundgabe des Willens handeln.
Das Problem von Abgabe und Zugang betrifft die Frage des Wirksamwerdens von Willenserklärungen. Um wirksam zu werden, muß eine Willenserklärung auf jeden Fall abgegeben werden. Für bestimmte Willenserklärungen ist über die Abgabe hinaus auch noch der Zugang beim Erklärungsempfänger erforderlich. Die Abgabe bedeutet die Willensentäußerung in einer Form, in der der Erklärende davon ausgeht, daß er nichts weiter tun muß, um die Erklärung kundzutun. An einer wirksamen Abgabe fehlt es etwa, wenn ein Angebot in der Absicht, sich die Sache noch einmal zu überlegen, auf dem Schreibtisch liegen bleibt, von wo die übereifrige Ehefrau das Schreiben in den Postgang befördert.
Das Gesetz bestimmt aufgrund einer Abwägung der Interessen von Erklärendem und Adressaten die Risikoverteilung beim Wirksamwerden einer Willenserklärung
Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen muß zur Abgabe der Zugang hinzutreten. Dabei können wir im Anschluß an § 130 Abs. 1 BGB zwei Fälle unterscheiden. In dem einen geht es um Erklärungen unter Anwesenden, in dem anderen um Erklärungen unter Abwesenden. Allein den letzten Fall hat der Gesetzgeber geregelt. Die unter Abwesenden abgegebene empfangsbedürftige Willenserklärung wird mit dem Zugang wirksam. Zugegangen ist die Willenserklärung in dem Moment, in dem sie so in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt, daß dieser unter normalen Umständen von ihr Kenntnis nehmen müßte. Daß der Empfänger die Willenserklärung tatsächlich nicht zur Kenntnis nimmt, hindert den Zugang der Erklärung und damit das Wirksamwerden der Willenserklärung nicht, weil der Empfänger insoweit das Organisationsrisiko trägt.
Wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung unter Anwesenden abgegeben, wird sie unmittelbar mit der Vernehmung durch den anwesenden Empfänger wirksam, sofern der Erklärende damit rechnen darf, daß dieser die Erklärung auch verstanden hat.
Ob eine Willenserklärung unter Anwesenden oder unter Abwesenden vorliegt, richtet sich nicht nach der räumlichen Distanz, sondern danach, ob die Willenserklärung auf eine unmittelbare Vernehmung durch den Empfänger gerichtet ist oder nicht. Beim Telefongespräch ist die Willenserklärung auf eine unmittelbare Vernehmung gerichtet. Sie ist eine Erklärung unter Anwesenden, auch bei einem Überseegespräch. Die schriftlich fixierte Erklärung ist demgegenüber eine Erklärung unter Abwesenden, auch wenn sie an jemand gerichtet ist, der sich in demselben Raum befindet. Auf verkörperte Erklärungen unter Anwesenden findet also § 130 BGB entsprechende Anwendung.
Keine gesetzliche Regelung haben die Zugangshindernisse gefunden. Das sind Fälle, in denen eine Erklärung aufgrund eines Verhaltens des Empfängers diesem nicht oder nur verspätet zugeht. Bei einer Annahmeverweigerung kommt es auf deren Berechtigung an.
Besondere Fälle des Zugangs regeln:
§ 131 BGB: Zugang ggü. Geschäftsunfähigem/beschränkt Geschäftsfähigen
§ 130 III BGB: Amtsempfangsbedürftige Willenserklärung (z.B. Erbausschlagung § 1945 I BGB).
§ 164 III BGB: passive Stellvertretung (Abgrenzung zum Boten -> wie Briefkasten, es kommt darauf an, wann die Weitergabe zu erwarten ist, Abgrenzung Erklärungs- und Empfangsbote; letzteres ist nur, wer ausdrücklich oder stillschweigend bestellt wurde oder nach der Verkehrsanschauung als bestellt anzusehen ist)
Ersatzmittel für den Zugang ist die förmliche Zustellung.
Mit dem Zugang wird die Willenserklärung für den Erklärenden bindend, nur in Ausnahmefällen gestattet das Gesetz den Widerruf einer empfangsbedürftigen Willenserklärung (z.B. § 130 I 2 BGB, anders etwa bei nicht empfangsbedürftigen Erklärungen, vgl. etwa § 2253 BGB). Freilich kann die Bindung durch einen Widerrufsvorbehalt auch ausgeschlossen werden ("Freibleibendes Angebot"). Wichtige gesetzliche Widerrufsmöglichkeiten enthält das Verbraucherschutzrecht (insbes. HtWiG, VerbrKrG, TeilzWohnRG).
c) Willensmängel
Das Recht der Willensmängel unterscheidet zwischen der in § 119 BGB geregelten Irrtumsanfechtung einerseits und der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und Drohung nach § 123 BGB andererseits. Der fundamentale Unterschied zwischen beiden Arten der Anfechtung liegt in der jeweiligen Fehlerquelle: Bei der Irrtumsanfechtung geht es um Fehlleistungen, deren Ursache allein in der Sphäre des Irrenden liegt, während es bei Anfechtung nach § 123 BGB um von außen kommende, im Verantwortungsbereich des Erklärungsgegners (oder Dritter) liegende Ursachen handelt.
aa) Irrtumsanfechtung
(1) System der Irrtumsanfechtung: Die Interessen der Beteiligten und deren Berücksichtigung durch das Gesetz, insbesondere die Einschränkung der relevanten Irrtümer sowie den Ersatz des negativen Interesses nach § 122 BGB
Man versteht das deutsche Recht der Irrtumsanfechtung am besten, wenn man sich das System und die dahinterstehenden Interessen kurz betrachtet: Wenn jemand beim Juwelier ein Schmuckstück für die Dame seines Herzens erwirbt und anschließend feststellt, daß die Dame ihn betrügt, wird mit seinem Verlangen auf Rücknahme des Schmucks durch den Juwelier bei diesem auf wenig Gegenliebe stoßen. Es handelt sich hier um das bloße Motiv des Geschäfts, das Dritte grundsätzlich nichts angeht. Sie müssen sich darum nicht kümmern, solange es nicht (was selbstverständlich möglich ist) zum Inhalt des Rechtsgeschäfts gemacht ist.
Anders kann man die Interessenlage sehen, wenn sich jemand beim Abschluß des Geschäfts verspricht oder verschreibt oder aber einem Ausdruck, den er benutzt, eine andere Bedeutung zumißt, als er wirklich hat. Auch hier ist zwar der Fehler "hausgemacht" und man könnte sich auf den Standpunkt stellen, daß dem Geschäftspartner dies alles egal sein darf und "Vertrag Vertrag ist" (das tun in der Tat viele Rechtsordnungen, insbesondere etwa das niederländischen, aber auch das anglo-amerikanische Recht). Jedenfalls ist klar, daß das Vertrauen des anderen Teils, einen wirksamen Vertrag abgeschlossen zu haben, irgendwie geschützt werden muß.
Das Gesetz tut dies auf dreierlei Weise: Einmal wird durch die Begrenzung
der relevanten Irrtümer, insbesondere den Ausschluß des bloßen
"Motivirrtums", grundsätzlich das Interesse an der Aufrechterhaltung
eines einmal geschlossenen Vertrages geschützt - "Vertrag ist Vertrag".
Andererseits wird innerhalb der relevanten, d.h. zur Anfechtung berechtigenden
Irrtümer durch das Anfechtungserfordernis innerhalb der kurzen Anfechtungsfrist
das positive Interesse, durch den Schadensersatzanspruch nach § 122
BGB das negative Interesse geschützt.
§ 119 Abs. 1 erklärt bestimmte Fehlleistungen bei der Willenserklärung, die typischerweise vorkommen und im Gegensatz zu anderen Fehlerquellen als "verzeihlich" angesehen werden, für relevant. Charakteristisch ist es dabei, daß es sich stets um Fehlleistungen bei der Willensäußerung, also bei der Erklärung selbst, und nicht um Fehlleistungen bei der Willensbildung handelt. Man sollte daher insoweit nicht von Willensmängeln, sondern besser von Willenserklärungsmängeln sprechen.
Ein Inhaltsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende zwar genau das
Erklärungszeichen, im Regelfall also einen sprachlichen Audruck, ein
Wort, benutzt, das er auch benutzen will, damit aber eine falsche Bedeutung
verbindet.
Gegenbeispiel: (Verdeckter) Kalkulationsirrtum als Motivirrtum; Grenzfall: Rechtsfolgenirrtum, kann Motivirrtum, aber auch Inhaltsirrtum sein: Grenzfälle können also hart sein!
Wie ein Erklärungsirrtum ist gem. § 120 BGB die unrichtige Übermittlung zu behandeln. Dies gilt allerdings nur, wenn es sich um einen Erklärungsboten handelt und dieser unbewußt unrichtig übermittelt.
Charakteristisch an der Irrtumsregelung des BGB ist auch, daß es sich um einen Irrtum, d.h. um das unbewußte Abweichen von Wille und Erklärung handeln muß. Liegt ein bewußtes Auseinanderfallen vor, handelt es sich nicht um einen Irrtum, sondern um einen geheimen Vorbehalt (§ 116 BGB), eine Scheinerklärung (§ 117 BGB) oder eine Scherzerklärung (§ 118 BGB).
Auch bei bewußter Unkenntnis, also etwa der Blankounterschrift, liegt kein Irrtum vor, da dann Vorstellung und Realität nicht divergieren können.
Zur Anfechtung berechtigt nur ein Irrtum, der für die Abgabe der Willenserklärung kausal war. Hatte der Irrtum also keinen Einfluß auf die Abgabe der Willenserklärung, kann nicht angefochten werden. Der Irrtum kann somit nicht Gelegenheit geben, sich von einem aus einem anderem Grund bereuten Rechtsgeschäft zu lösen.
Diese subjektive Kausalität wird durch § 119 I 2. Hs. noch objektiviert, indem dort auf die "verständige Würdigung des Falles" abgestellt wird.
(3) Eigenschaftsirrtum nach § 119 II BGB
Nach § 119 Abs. 2 BGB berechtigt auch ein Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person oder Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden zur Anfechtung - sog. Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften bzw. Eigenschaftsirrtum -. Bei der hier anvisierten Art von Fehlvorstellungen handelt es sich ganz offensichtlich nicht um Fehlleistungen bei der Willenserklärung, sondern um solche bei der Willensbildung. In der Tat wird § 119 Abs. 2 BGB daher auch als Sonderfall des ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtums charakterisiert. Ebenso ist etwa § 2078 II BGB ein Fall des relevanten Motivirrtums, hier deshalb, weil Interessen Dritter nicht schutzwürdig sind.
Um allerdings die Anfechtungsmöglichkeit nicht ausufern zu lassen, hat man besonders strenge Maßstäbe an den Begriff der verkehrswesentlichen Eigenschaft angelegt:
Eigenschaften einer Sache sind alle auf der natürlichen Beschaffenheit beruhenden Merkmale der Sache sowie deren tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse und Beziehungen zur Umwelt, die infolge ihrer Beschaffenheit und Dauer nach der Verkehrsanschauung auf die Brauchbarkeit und den Wert der Sache Einfluß haben. Diese müssen aber in der Sache selbst ihren Grund haben oder von ihr ausgehen.
Eigenschaften sind daher insbesondere die wertbildenden Faktoren einer Sache, nicht aber der Wert der Sache selbst, denn während ersteres relativ statische Faktoren sind, unterliegt letzteres durch den Markt Schwankungen. Die Wertschätzung einer Ware ist so stark subjektiv, daß es sich nicht mehr um Eigenschaften der Sache selbst handelt.
Verkehrswesentlichkeit bedeutet eine weitere Einschränkung der Anfechtbarkeit: Nicht jedwede Eigenschaft, sondern nur solche, denen im Rechtsverkehr normalerweise Bedeutung zugemessen wird, sollen zur Anfechtung berechtigen.
Eigenschaften einer Person können z.B. sein: Alter, Geschlecht,
Konfession, politische Überzeugung, Vorstrafen, Ausbildung und andere
berufliche Fähigkeiten etc. Eigenschaften einer Sache (weiterer Begriff
als § 90 BGB! Gemeint ist jedweder Vertragsgegenstand) können
neben den auf der natürlichen Beschaffenheit beruhenden Merkmalen
die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Gegenstandes,
die infolge ihrer Dauer und Beschaffenheit Einfluß auf Brauchbarkeit
und Wert haben.
Bei Sachen: Verkauf einer für Ramsch gehaltenen Vase, die tatsächlich antik und daher sehr wertvoll ist. Gegenbeispiel: Irrtum über den Wert: Vermeintliches Sonderangebot, Abgrenzung zur argl. Täuschung.
Weiter wird die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB in wichtigen Bereichen
durch Sonderregelungen verdrängt. Dies gilt insbesondere für
den Vorrang der Gewährleistungsvorschriften: Der Verkäufer darf
sich der Sachmängelhaftung nicht entziehen können, der Käufer
soll keine über § 459 ff BGB hinausgehenden und die Verjährung
des § 477 BGB überschreitenden Rechte haben.
bb) Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und rechtswidriger
Drohung
Ganz im Gegensatz zur Irrtumsanfechtung, welche sich sachlich auf ganz bestimmte Fälle des Irrtums beschränkt und den Motivirrtum als Anfechtungsgrund ausschließt, steht die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und Drohung. Während es bei der Drohung gar nicht um eine Irrtumsproblematik geht (der Bedrohte irrt nicht, sondern handelt wissentlich gegen seine Interessen), ist im Falle der arglistigen Täuschung jeder, ja gerade der Motivirrtum relevanter Anfechtungsgrund. Die Rechtsordnung kann ihn hier relevant sein lassen, weil er nicht "hausgemacht" ist, sondern auf besonders verwerfliche Weise vom Vertragspartner - oder einem in irgendeiner Weise in dessen Lager stehenden Dritten - verursacht wurde. Die Zurechenbarkeit der Fehlleistung an den Adressaten der Willenserklärung rechtfertigt damit die erweiterte Relevanz innerer Fehlvorstellungen des Getäuschten.
(1) Arglistige Täuschung
Täuschung ist die Erweckung einer Fehlvorstellung über Tatsachen. Sie liegt einmal vor im Falle positiven Tuns, also einer Falschangabe. Sie kann auch in einem Unterlassen liegen, was allerdings eine Aufklärungspflicht voraussetzt. Eine solche besteht im Grundsatz nicht, sie ist nur dann gegeben, wenn besondere Umstände hinzutreten. Arglistig ist die Täuschung, wenn sie (zumindest bedingt) vorsätzlich erfolgt. Vorsatz wiederum bedeutet Wissen und Wollen der Verwirklichung eines Tatbestandes (vgl. die Verschuldensmaßstäbe in § 276 BGB), wobei auch bedingter Vorsatz ("Aussagen in's Blaue") ausreichend ist.
Die Täuschung muß - ohne daß § 123 BGB dies erwähnt - widerrechtlich sein. Daran fehlt es nur in den seltenen Ausnahmefällen des "Rechts auf Lüge".
Täuschung durch Dritte:
Die Täuschung berechtigt stets zur Anfechtung, wenn sie vom Adressaten der Willenserklärung ausgegangen ist. Geht die Täuschung hingegen von einem Dritten aus, so berechtigt sie nur zur Anfechtung, wenn der Adressat der Erklärung die Täuschung kannte oder kennen mußte (§ 123 Abs. 2 BGB). Es stellt sich damit die entscheidende Frage, wer "Dritter" im Sinne der Vorschrift ist. Ein solcher ist nicht etwa jeder andere als der Erklärungsempfänger. Obwohl nicht mit dem Erklärungsempfänger nicht identisch sind all jene nicht "Dritte" im Sinne der Vorschrift, die "im Lager" des Erklärungsempfängers stehen. Arglistige Täuschungen dieser Personen werden dem Erklärungsempfänger also auch dann zugerechnet, wenn er sie nicht kannte, weil rechtlich kein Fall von § 123 II BGB vorliegt. "Dritter" ist insbesondere nicht, wer auf der Seite des Erklärungsempfängers steht und maßgeblich am Zustandekommen des Vertrages mitgewirkt hat.
§ 124 BGB verlängert die Anfechtungsfrist gegenüber der Irrtumsanfechtung. Grund ist auch hier die Zurechenbarkeit des Willensdefekts an den Erklärungsgegner, dessen Vertrauen ist also weniger schutzwürdig.
(2) Rechtswidrige Drohung
Drohung ist die Inaussichtstellung eines zukünftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende sich Einfluß zuschreibt. Voraussgesetzt wird damit eine psychische Zwangslage (vis compulsiva). Bei körperlicher Gewalt liegt hingegen - mangels Handlungswillens - überhaupt keine Willenserklärung vor.
Die Drohung muß kausal für die Abgabe einer bestimmten, vom Drohenden intendierten Willenserklärung sein. Diese Eingrenzung ist notwendig, um die Reichweite der Drohung ggü. Dritten zu kompensieren.
Auch hier findet keine Objektivierung statt, auch der besonders Furchtsame soll geschützt werden.
Die Kollektivdrohung wird oft spezialgesetzlich geregelt (Rückerstattungsgesetze, zB VermG).
Besondere Schwierigkeiten bereitet das Erfordernis der Rechtswidrigkeit der Drohung. Dieses ist im Gegensatz zur Täuschung als Korrektiv erforderlich, weil die gegenseitige Beeinflussung des Willens im Alltagsleben Gang und Gäbe, im Wirtschaftsleben nachgerade erwünscht ist.
Problemlos sind die Fälle, in denen mit einer widerrechtlichen Handlung gedroht wird. In einem solchen Fall der Widerrechtlichkeit des Mittels ist die Drohung stets rechtswidrig (z.B. Drohung mit Prügel, Bsp. nach Otto Waalkes). Keine Probleme ergeben sich bei der Widerrechtlichkeit des Zwecks (Drohung mit Strafanzeige zur Erreichung der Mitwirkung bei einer Straftat).
Sind weder das Mittel noch der Zweck widerrechtlich, ist eine Zweck-Mittel-Relation vorzunehmen (vgl. die Fälle der Drohung mit einer Strafanzeige; Drohung mit Kündigung im Arbeitsrecht).
Im Gegensatz zur arglistigen Täuschung ist die Person des Drohenden irrelevant. Es findet also ein absoluter Schutz des in seiner Willensfreiheit Beeinflußten statt (rechtspolitisch ist dieser Unterschied mehr als zweifelhaft).
Die Anfechtungsfrist beginnt mit dem Ende der Zwangslage.
cc) Anfechtungserklärung
Die Anfechtbarkeit einer Willenserklärung führt nicht zu deren Unwirksamkeit, sondern bedeutet (im Interesse des Anfechtenden, der ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Vertrages haben kann) bloße Vernichtbarkeit. Dieser soll ein Wahlrecht haben (insbesondere zur Umgehung der Schadensersatzpflicht aus § 122 BGB, aber auch aus jedem anderen Grund, etwa weil das Geschäft sich trotz Täuschung als günstig erweist). Anfechtung erfolgt daher durch (rechtzeitige) Anfechtungserklärung, erst diese bewirkt dann rückwirkend (ex tunc) die Nichtigkeit (vgl. § 142 BGB).
Das Erfordernis der Anfechtungserklärung ergibt sich aus § 143 BGB. Die Anfechtung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, welches durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung vorgenommen wird. Gleichzeitig ist sie ein sog. Gestaltungsrecht, weil sie unmitelbar eine Änderung der Rechtslage herbeiführt.
Die Anfechtungserklärung muß nicht einen bestimmten Wortlaut haben. Erforderlich und ausreichend ist, daß der Anfechtende das Rechtsgeschäft wegen eines bestimmten Willensmangels nicht gelten lassen will. Bloßes Bestreiten der Wirksamkeit oder der Existenz eines Rechtsgeschäfts reicht aber nicht (vgl. Sparkassen-Bürgschaftsfall BGHZ 91, 324).
dd) Folgen der Anfechtung
Nach § 142 I BGB vernichtet die Anfechtung das Rechtsgeschäft
rückwirkend. Sofern aufgrund eines angefochtenen Vertrages bereits
Leistungen ausgetauscht wurden, sind diese nach Bereicherungsrecht zurückzuerstatten
(Exkurs in das Sachenrecht).
d) Auslegung von Rechtsgeschäften
Maßstab der Auslegung von Willenserklärungen sind die §§ 133, 157 BGB, wobei nur § 133 BGB für die Willenserklärung gilt, während § 157 BGB Verträge betrifft. Sachlich divergieren beide Vorschriften allerdings nicht. Nach § 133 BGB ist "bei der Auslegung einer Willenserklärung ... der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften", nach § 157 BGB aber auch der Empfängerhorizont zu berücksichtigen.
Ziel der Auslegung ist es, den hinter der Erklärung stehenden Geschäftswillen zu ermitteln. Hierbei sind alle, auch außerhalb der Erklärung stehenden Umstände zu berücksichtigen.
Bei der Auslegung von Verträgen sind beide Willenserklärungen auszulegen. Nur wenn sie sich im ausgelegten Zustand decken, ist ein Vertrag zustandegekommen, weil er ja zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraussetzt. Ergibt die Auslegung, daß keine Deckung vorliegt, so kommt ein Vertrag nicht zustande.
Beachtet man nur den natürlichen Willen des Erklärenden, werden die Interessen des Erklärungsempfängers vollkommen vernachlässigt. So, d.h. rein subjektiv, kann man daher nur vorgehen, wenn es bei dem Rechtsgeschäft nur um die Interessen des Erklärenden geht (z.B. Testament). Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen sind aber in der Regel auch die Interessen des Erklärungsempfängers zu schützen. Die Willenserklärung kann dann in sog. normativer Auslegung einen Inhalt bekommen, den der Erklärende gerade nicht gewollt hat (ggf. kann er dann - mit der Folge des § 122 BGB - anfechten). Das gilt aber dann nicht, wenn der Empfänger den wahren Willen erkannt hat (falsa demonstratio non nocet - Haagjöringsköd RGZ 99, 148) oder hätte erkennen können. Er ist dann nicht schutzwürdig. Es gibt also immer eine Priorität des natürlichen Konsenses vor dem normativen Konsens.
Ziel der Auslegung bei empfangsbedürftigen WE ist demnach der Sinn der Erklärung, wie er sich aus den Verständnismöglichkeiten eines normalverständigen Empfängers ergibt (Auslegung nach dem Empfängerhorizont), wobei allerdings die Verkehrssitte zu berücksichtigen ist. Darunter versteht man die in den beteiligten Kreisen geltende tatsächliche Übung (besonders wichtig: Handelsbräuche § 346 HGB).
Während die einfache Auslegung den hinter einer Erklärung stehend Sinn zu ermitteln sucht, wird im Wege der ergänzenden Auslegung die Lücke in einem Rechtsgeschäft gefüllt. Es wird hier nicht gefragt, welchen Sinn eine bestimmte Erklärung bzw. ein bestimmtes Rechtsgeschäft hat, sondern wie die Parteien einen bestimmten Punkt geregelt hätten, wenn sie ihn in Betracht gezogen hätten. Das setzt zunächst eine ausfüllungsbedürftige Lücke in der vertraglichen Regelung voraus. Eine solche liegt vor, wenn die Parteien beim Vertragsschluß bzw. der Erklärende bei einem einseitigen Rechtsgeschäft einen bestimmten Umstand nicht oder in falscher Weise berücksichtigt haben.
Zunächst werden Vertragslücken durch das dispositive Gesetzesrecht gefüllt, weil dies in der Regel dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht (vgl. BGHZ 77, 301 [304]; weitergehend BGHZ 90, 69 [75]). Das gilt aber nicht, wenn es eine Regelung nicht gibt oder die Parteien die gesetzliche Regelung ersichtlich nicht gewollt haben.
Maßgebend ist dann der mutmaßliche (hypothetische) Parteiwille, d.h. es kommt auf die Wertungen der Parteien, den Zweck des Vertrages und die Interessenlage an. Es gilt dann die Regeleung,die die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie den Umstand bedacht hätten.
Der Begriff und die Funktion des Vertrags wurde bereits oben S. 13, 24 ff erläutert: Es handelt sich um ein im Regelfall zweiseitiges Rechtsgeschäft, häufigste und zugleich wichtigste Form ist der schuldrechtliche, d.h. inter partes verpflichtend wirkende, ein Schuldverhältnis (vgl. § 241 BGB) begründende Vertrag.
a) Abschluß und Form des Vertrages
Der Vertragsschluß erfolgt durch zwei sich deckende Willenserklärungen, wobei man die zeitlich erste als Angebot, Antrag oder Offerte, die zeitlich nachfolgende als Annahme bezeichnet. Das Gesetz selbst spricht in den §§ 145 ff BGB von Antrag und Annahme.
aa) Antrag
Das Vertragsangebot wird - wie jede empfangsbedürftige WE - nicht schon mit der Abgabe, sondern erst mit ihrem Zugang (oben S. 15 f) wirksam. Bis zu diesem Zeitpunkt kann es widerrufen werden (§ 130 I 2 BGB), ab diesem Zeitpunkt ist es wirksam und nach § 145 BGB grundsätzlich auch bindend (rechtsvergleichend nicht selbstverständlich).
Der Antrag muß grundsätzlich mit einem bloßen "Ja" angenommen werden können. Das setzt voraus, daß er inhaltlich hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar (vgl. § 315 BGB) ist, d.h. alles enthält, was Gegenstand der Parteivereinbarung sein muß (das übrige regelt dann das dispositive Gesetzesrecht): essentialia negotii. Beim Kauf bedeutet dies, daß Gegenstand und Preis zumindest bestimmbar sind.
Auch die Person des Vertragspartners muß grundsätzlich bestimmbar sein, weil es dem Antragenden i.d.R. nicht gleichgültig ist, wer sein Vertragspartner ist. Möglich ist aber eine Offerte ad incertas personas (Bsp.: Zigarettenautomat).
Wichtig ist auch die Abgrenzung zur invitatio ad offerendum. Hier will sich der Erklärende noch nicht binden, sondern gibt nur die Konditionen bekannt, unter welchen er üblicherweise zum Vertragsschluß bereit ist und fordert die Adressaten auf, ihrerseits Vertragsangebote abzugeben. Das ist wiederum durch Auslegung zu ermitteln.
Die von § 145 BGB vorgesehene Verbindlichkeit des Angebots verschafft dem anderen Teil eine günstige Rechtsposition, denn er kann jetzt entscheiden, ober annimt und damit ein Vertrag entsteht, oder ob er ablehnt (GestaltungsR!). Die Interessen des Antragenden werden dabei in zweierlei Hinsicht berücksichtigt: Er nach § 145 BGB kann die Gebundenheit durch die Erklärung selbst ausschließen (das sog. freibleibende Angebot ist in der Regel eine bloße invitatio, sonst Auslegungsmöglichkeit als Rücktrittsvorbehalt o.ä.; wenn tatsächlich ein bloßer Widerrufsvorbahlt gemeint ist, ist der nur bis zur Annahme möglich), weiter erlischt der Antrag von selbst, wenn er nicht während der Annahmefrist angenommen wird (§ 146 BGB). Die Annahmefrist bestimmt primär der Antragende (§ 148 BGB), ansonsten ist zwischen dem Antrag unter Anwesenden (einschl. Telefon, § 147 I BGB: sofort) und dem Antrag unter Abwesenden (§ 147 II BGB: Zeitpunkt bis zu welchem mit Eingang der Antwort gerechnet werden darf). Das Risiko des Beförderungsmittel trifft den Erklärenden, beachte aber § 149 BGB.
Weitere Erlöschensgründe sind die Ablehnung durch den Adressaten (§ 146 BGB), der steht eine Abänderung gleich (§ 150 II BGB: Das ist wichtig, denn der Abändernde kann nicht auf den ursprünglichen Antrag zurückkommen. Denkbar wäre auch eine unbedingte Annahme mit Antrag auf Vertragsänderung).
Keine Erlöschensgründe sind Tod und Geschäftsunfähigkeit (§ 153 BGB, Ergänzung von § 130 II BGB: Versterben oder Geschäftsunfähigkeit zwischen Abgabe und Zugang). Stirbt der Empfänger nach Zugang, können die Erben annehmen. Stirbt er vor Zugang, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob auch die Erben annehmen können. Ausnahme hiervon sind höchstpersönliche Angebote (intuitu personae).
bb) Annahme
Die Annahme ist eine grundsätzlich empfangsbedürftige Willenserklärung, wird daher ebenfalls erst mit Zugang wirksam. Der Antragende kann nicht nur eine Frist bestimmen, sondern auch sonstige Anforderungen an die Annahmeerklärung stellen oder diese zu erleichtern, indem er etwa auf deren Zugang verzichten kann (§ 151 BGB, Bsp. auch für Entbehrlichkeit nach der Verkehrssitte: kurzfr. Bestellung eines Hotelzimmers).
Eine Verpflichtung zur Abnahme besteht grundsätzlich nicht, Ausnahme bei gesetzl. Kontrahierungszwang (oben S. 9) sowie im Falle eines Vorvertrags.
Die Annahme muß, da sie das Einverständnis mit dem Antrag
signalisiert, in Bezug auf dieses abgegeben sein und sich mit diesem decken
(Konsens), andernfalls liegt Dissens vor. Maßgebend ist allerdings
nicht der innere Wille, sondern der normative Erklärungsinhalt. Der
wahre Wille hat Vorrang, wenn er übereinstimmt (Vorrang des natürliche
Konsenses, falsa demonstratio non nocet).
Sich kreuzende Schreiben führen daher auch bei inhaltlicher Übereinstimmung
nicht zum Vertragsschluß.
Schweigen als Annahme:
Grundsätzlich gilt, daß Schweigen keine Zustimmung bedeutet. Etwas anderes gilt nur bei entspr. Parteivereinbarung bzw. gesetzl. Regelung (§ 516 II 2, § 362 I HGB). Darüber hinaus kann Schweigen nur in ganz eng begrenzten Ausnahmefällen als Zustimmung gelten: Schweigen auf ein Angebot ist dann als konkludente Annahme ("beredtes Schweigen") zu bewerten, wenn nach den Vorverhandlungen Einigkeit über alle wesentlichen Punkte erzielt war und beide Parteien fest mit einem Vertragsschluß gerechnet haben (vgl. BGH NJW 1996, 919: "Das Schweigen auf ein Vertragsangebot kann ausnahmsweise dann als beredtes Schweigen im Sinne einer Vertragsannahme gewertet werden, wenn nach den Vorverhandlungen Einigkeit über die wesentlichen Punkte des Vertrags bestanden hat und beide Parteien fest mit einem Vertragsabschluß gerechnet haben"; BGH NJW 1995, 1281: "Zwar ist Stillschweigen auf ein Vertragsangebot auch im Handelsverkehr in der Regel nicht als Zustimmung zu werten. Es muß aber dann als Zustimmung angesehen werden, wenn nach Treu und Glauben ein Widerspruch des Angebotsempfängers erforderlich gewesen wäre. Insbesondere in dem Schweigen auf ein endgültiges Angebot, das aufgrund einverständlicher und alle wichtigen Punkte betreffender Vorverhandlungen ergeht, ist in der Regel eine stillschweigende Annahme zu sehen, sofern nicht nach den Umständen des Einzelfalls eine solche ausgeschlossen sein sollte"; BGH NJW 1995, 1671 [zum Unterschied Auftragsbestätigung und Bestätigungsschreiben].
Anders beim Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben: Dort gilt kraft Gewohnheitsrecht, daß das Schweigen Zustimmung bedeutet, wenn die Beteiligten Kaufleute sind oder jedenfalls in größerem Umfang am Geschäftsleben teilnehmen, Vertragsverhandlungen geführt wurden, das Schreiben unmittelbar danach geschickt wird und einen Vertragsschluß bestätigt und der Bestätigende redlich ist, d.h. er muß der Meinung sein, daß das Schreiben inhaltlich nicht vom vorherigen Vertragsschluß abweicht oder doch zumindest nur solche Änderungen enthält, mit deren Billigung gerechnet werden darf.
cc) Widerruflichkeit nach Vertragsschluß
In seltenen Fällen gestattet das Gesetz auch noch den Widerruf einer Vertragserklärung nach dem Zustandekommen des Vertrags. Das führt dann dazu, daß der Vertrag wieder vernichtet wird. Ein solches Widerrufsrecht ist allerdings als Ausnahme vom Grundsatz "pacta sunt servanda" nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich. Der Gesetzgeber hat es insbesondere im Bereich des Verbraucherschutzes vorgesehen: § 1 HtWiG, § 7 VerbrKrG, spezielle Anlegerschutzgesetzes sowie zuletzt in § 5 TzWrG. Meist bedient sich das Gesetz hier der besonderen Technik der schwebenden Unwirksamkeit.
Natürlich kann die Widerruflichkeit auch vereinbart werden. Das geschieht dann meist in Gestalt eines vertraglichen Rücktrittsrechts.
dd) Form
Es gilt der Grundsatz der Formfreiheit: Eine besondere Form ist nur erforderlich, wenn das Gesetz es vorsieht oder die Parteien es vereinbart haben. Folge des Formmangels ist i.d.R. die Nichtigkeit (§ 125 BGB), in Ausnahmefällen tritt eine Inhaltsänderung ein (so z.B. § 566 S. 2 BGB, § 6 VerbrKrG). Gesetzliche Formvorschriften haben meist zwei Hauptzwecke: Übereilungsschutz (vgl. § 313, 518, 766 BGB) und Beweisfunktion, daneben oder stattdessen können aber auch andere, etwa ordnungspolitische Zwecke treten (z.B. die bewußte Erschwerung eines Rechtsgeschäfts bei § 15 GmbHG). Im Falle notarieller Beurkundung ist die Warnfunktion besonders ausgeprägt, weil die Beratungsfunktion dazutritt.
Formmängel mit Warnfunktion sind häufig heilbar (§ 313 S. 2 BGB, § 518 II BGB).
b) Inhalt des Vertrages
Es herrscht Vertragsfreiheit in der Form der Inhaltsfreiheit (<-> Abschlußfreiheit), grundsätzlich kann schuldrechtlich (anders z.B. im Sachenrecht) alles vereinbart werden (§ 305 BGB). Das Gesetz setzt der Inhaltsfreiheit aber durch teilweise zwingendes Recht wesentlich engere Grenzen als der Abschlußfreiheit. Vom Grundsatz her aber ist die gesetzliche Regelung stets dispositiv, d.h. die Parteien können sie für sich vertraglich abändern.
aa) Nichtigkeitsgründe
Nichtigkeitsgründe sind:
§ 134 BGB: Gesetzliche Verbote, sofern das Verbot nicht dem Gesetz widerspricht. "Gesetz" ist dabei jede Rechtsnorm (Art. 2 EGBGB). Nicht jeder Verstoß führt allerdings zur Nichtigkeit, denn es gibt Gesetze, die sich nicht gegen den Inhalt eines Geschäfts, sondern nur gegen die Art und Weise des Abschlusses richten (z.B. Ladenschlußgesetz, Verbot des Direktvertriebs bestimmter Waren). Bei einem einseitigen Verstoß tritt Nichtigkeit nur ein, wenn es das Verbotsgesetz erfordert (Auslegung des Verbotsgesetzes).
§ 138 BGB: Sittenwidrigkeit, Wucher: Der Maßstab der Sittenwidrigkeit richtet sich nach dem "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden", d.h. es kommt auf die bestehende Sozialmoral, nicht auf moralisch besonders hochstehende oder besonders verrohte Kreise an.
Wichtig ist hier insbesondere das Wertesystem des GG (objektiver Gehalt der Grundrechte).
Auch weit verbreitete Unsitten machen ein Verhalten nicht sittengemäß (Adoptionsvermittlung, Prostitution). Der Verstoß gegen die guten Sitten muß sowohl objektiv wie subjektiv (Bewußtsein der Sittenwidrigkeit, d.h. Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände).
Grundsätzlich ist ein beiderseitiger Sittenverstoß notwendig, ein einseitiger Verstoß ist ausreichend, wenn es gerade um das Verhalten gegenüber dem Geschäftspartner geht.
Der Sittenverstoß führt grundsätzlich zur Nichtigkeit des Geschäfts, beachte aber Abstraktionsprinzip sowie die Identität der Fehlerquelle.
Fallgruppen:
- Inhaltliche Sittenwidrigkeit: Auftragskiller, Drogenhandel; - Knebelungsverträge, Übermäßiges Ausnutzen einer Monopolstellung, Übersicherung, Herbeiführung hoffnungsloser Überschuldung.
Wucherische Rechtsgeschäfte nach § 138 II BGB sind lex specialis zu § 138 I BGB, schließen aber die Anwendbarkeit von § 138 I BGB nicht aus. Liegen etwa die besonderen subjektiven Voraussetzungen des § 138 II BGB nicht vor, kommt Nichtigkeiz nach § 138 I BGB als "wucherähnliches Rechtsgeschäft" in Betracht. Nichtigkeit ergreift i.d.R. auch das Erfüllungsgeschäft ("...gewähren läßt...").
§§ 135- 137 BGB: Veräußerungsverbote
Bei absoluten Verboten gilt bereits § 134 BGB, relative Veräußerungsverbote kraft Gesetzes sind z.B. gerichtlich durch einstweilige Verfügung erlangte Veräußerungsverbote. Besonders schwer verständlich die Regelung des § 137 BGB.
Besondere Inhaltsverbote finden sich in §§ 306 - 312 BGB (zu den Leistungsstörungen s.u. S. 40 ff).
bb) Folgen der Nichtigkeit: Teilnichtigkeit, Umdeutung und Bestätigung
Ein nichtiges Rechtshgeschäft hat von Anfang an keine Rechtswirkungen. Im Falle bloßer Teilnichtigkeit gilt nach § 139 BGB eine widerlegbare Vermutung für die Gesamtnichtigkeit (Wortlaut" ...wenn nicht..."). Maßgebend ist der durch Auslegung zu ermittelnde Parteiwille. Ganz wichtige Ausnahme: § 6 AGBG.
Entspricht das nichtige Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen, kann nach § 140 BGB Umdeutung erfolgen.
Die Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts ist nach § 141 BGB als Neuvornahme zusehen. Dies setzt aber Kenntnis der Nichtigkeit voraus, denn nur dann liegt ein - an den Maßstäben des nichtigen Rechtsgeschäfts zu messender - Bestätigungswille vor. § 141 II BGB verpflichtet die Parteien im Zweifel zur "schuldrechtlichen Rückwirkung" der Bestätigung.
5. Allgemeine Geschäftsbedingungen
Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen regelt das sog. "Kleingedruckte". Hier stellen sich zwei große zu unterscheidende Problemkreise: Ist eine Klausel überhaupt Vertragsbestandteil geworden? Wenn ja, ist sie inhaltlich wirksam? Der einzelne, insbesondere aber der Verbraucher, soll hier vor unliebsamen Überraschungen geschützt werden (allerdings ist das AGB wegen seiner umfassenden Geltung kein ausschließliches Verbraucherschutzgesetz).
a) Begriff (§ 1 AGBG)
Definition in § 1 und § 24a AGBG:
(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluß eines Vertrages stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrages bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfaßt sind und welche Form der Vertrag hat.
(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im einzelnen ausgehandelt sind.
§ 24a AGBG [Verbraucherverträge]
Bei Verträgen zwischen einer Person, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer) und einer natürlichen Person, die den Vertrag zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (Verbraucher), sind die Vorschriften dieses Gesetzes mit folgender Maßgaben anzuwenden:
1. Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, daß sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
2. die §§ 5, 6 und 8 bis 12 sind auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann anzuwenden, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluß nehmen konnte;
3. bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 9 sind auch die den Vertragsabschluß begleitenden Umstände zu berücksichtigen.
b) Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen beim Vertragsschluß (§ 2 AGBG)
AGB's sind keine von sich aus wirkenden Rechtsnormen oder Regelungen mit Normcharakter (-> Tarifverträge). Ihre Geltung beruht vielmehr auf Rechtsgeschäft, d.h. auf einer Einigung der Parteien. Sie müssen also in den Vertrag rechtsgeschäftlich einbezogen werden. Das ist kein besonderer Vertrag, sondern Teil des Rechtsgeschäfts selbst.
Da man Regelungen im Prinzip auch in einen Vertrag einbeziehen kann, ohne sie zu kennen (also durch eine Art Blanko-Einverständnis), besteht im Bereich der AGB zum Schutz vor Überraschungen eine besondere Regelung. Eine Einbeziehungsvereinbarung nach § 2 AGBG setzt voraus:
- Hinweis durch den Verwender, ausdrücklich oder zumindest durch Aushang, § 2 I Nr. 1 AGBG, spätestens beim Vertragsschluß, ein Hinweis nach Vertragsschluß (Lieferschein, Kassenzettel) ist nicht ausreichend, in der Entgegennahme liegt auch keine stillschweigende Vertragsänderung. Auch der Abdruck auf der Rückseite des Vertragsangebots genügt nicht (ausdrücklicher Hinweis auf der Vorderseite: vgl. BGH ZIP 1986, 1126).
Anders im kaufm. Verkehr: § 24 Nr. 1 AGBG, § 2 gilt nicht; konkludente Einbeziehungsvereinbarung ist ausreichend
- Möglichkeit der Kenntnisnahme in zumutbarer Weise: Durchschnittskunde muß die AGB mühelos lesen und ohne übermäßigen Zeitaufwand auch verstehen können. Bei Ausländern: vgl. BGH NJW 95, 190: Verwender muß Übersetzung anbieten, allerdings kann der Kunde auf die Kenntnisnahme verzichten.
- Einverständnis des Vertragspartners: Bei kollidierenden AGB liegt ein Fall des § 150 II BGB vor. Wenn aber die Parteien zu erkennen geben, daß sie den Vertrag auf alle Fälle wollen, gelten die AGB, soweit sie übereinstimmen, ansonsten nach § 6 AGBG dispositives Recht.
Möglich ist auch eine Rahmenvereinbarung nach § 2 II AGBG, die aber ihrerseits § 2 I AGBG erfüllen muß.
Möglich ist auch nur die Vereinbarung bestimmter AGB, nicht der jeweils geltenden AGB -> neue Vereinbarung notwendig (-> Banken-AGB).
c) Ausschluß überraschender Klauseln (§ 3 AGBG)
Selbst wenn eine Klausel nach § 2 AGBG einbezogen wurde, wird sie nach § 3 AGBG dennoch nicht Vertragsbestandteil, wenn sie überraschend ist. Der GEschäftspartner soll darauf vertaruen dürfen, daß die AGB sich im großen und ganzen im Rahmen dessen halten, was bei einem Vertrag der jeweiligen Art normalerweise zu erwarten ist.
d) Auslegung von AGB
Abweichend vom allgemeinen Zivilrecht ist wegen des Zwecks des AGBG, eine gleichmäßige Geschäftsabwicklung bei den Massenverträgen des täglichen Lebens zu erreichen, nicht auf die individuellen Verständnismöglichkeiten abzustellen. Abzustellen ist auf das Verständnis des Durchschnittskunden.
e) Vorrang der Individualabrede (§ 4 AGBG)
-> Wichtig insbesondere bei Schriftformklauseln.
f) Unklarheitenregel (§ 5 AGBG)
-> es gilt der Grundsatz der kundenfreundlichsten Auslegung (einschl. des sog. Restriktionsprinzips).Anders übrigens zumindest nach h.M. im Verbandsprozeß (§ 13 AGBG, vgl. BGH NJW 1992, 1097 [1099] und NJW 1994, 1798 [1799], wo der BGH aber der Gegenmeinung zuneigt).
g) Inhaltskontrolle (§§ 8 ff AGBG)
-> Erfolgt nach § 8 AGBG bei Abweichungen vom dispositiven Recht oder Ergänzungen zum dispositiven Recht. Alles, was dort nicht geregelt ist, fällt nicht unter die Inhaltskontrolle (so z.B. die Leistungen der Parteien, insbes. der Preisvereinbarungen, sofern sie Art und Umfang der Vergütung unmittelbar regeln, wohl aber Preisnebenabreden).
System der Inhaltskontrolle:
Unwirksam ist eine Klausel, die den Vertragspartner entgegten Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Dieser ausfüllungsbedürftige Begriff ist in § 9 II AGBG konkretisiert, indem auf die Leitbildfunktion des dispositiven Rechts abgestellt wird. Systematisch geht man am besten "rückwärts" vor: Zunächst ist der Katalog des § 11 AGBG zu prüfen, weil dort Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit aufgestellt werden, dann § 10 AGBG, da dort Wertungsmöglichkeit besteht, d.h. es kommen neben den Inhalt der Klausel zusätzlich Elemente hinzu wie "unangemessen" oder "sachlich gerechtfertigt" etc.. Dann ist auf die Generalklausel (zunächst § 9 II, dann § 9 I AGBG) zurückzugreifen.
Das ganze wird abgesichert durch das Umgehungsverbot des § 7 AGBG, welches weder Kenntnis der Umgehung noch Umgehungsabsicht verlant (-> typische Regelung für Verbraucherschutzgesetze, vgl. etwa § 5 HtWiG).
h) Rechtsfolgen der Unwirksamkeit einer Klausel (§ 6 AGBG)
Abweichend von § 139 BGB (Auslegungsregel) gilt nach § 6 AGBG der Grundsatz, daß lediglich die entsprechende Klausel mangels Einbeziehung oder wegen Unwirksamkeit nicht gilt, der Vertrag im übrigen aber gilt. Anstelle der Klausel tritt das dispositive Gesetzesrecht. Gibt es solches nicht, wird die Lücke im Wege ergänzender Vertragsauslegung gefüllt (-> also grundsätzlich kein Reuerecht für den anderen Vertragsteil!)
Keine geltungserhaltende Reduktion!
Ausnahme der Gesamtnichtigkeit in § 6 II AGBG: Aufrechterhaltung als unzumutbare Härte: Ausnahmevorschrift, eng auszulegen. Greift ein, wenn etwa das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ungleichgewichtig würde oder der "Restvertrag" vollkommen sinnlos wäre. Maßgebender Zeitpunkt ist derjenige der Geltendmachung, nicht des Vertragsschlusses (BGH NJW 95, 2221).
i) Verbraucherschutz durch Verbandsklage (§§ 13 ff AGBG)
Verbraucherschutzinstrument, dient der Vereinheitlichung des Verbraucherschutzes.
6. Die Teilnahme am Rechtsverkehr
a) Geschäftsfähigkeit
Nach § 1 BGB ist jeder Mensch rechtsfähig, d.h. er kann Träger von subjektiven Rechten und Pflichten sein. Das bedeutet aber noch nicht, daß er in eigener Person am Rechtsverkehr teilnehmen kann. Hierzu bedarf es der Fähigkeit, Rechtsgeschäfte wirksam in eigener Person vorzunehmen (Geschäftsfähigkeit).
Das Gesetz sieht bestimmte Personen aus Schutzgründen pauschal als nicht geschäftsfähig an, ohne daß es auf den Einzelfall ankommt (Rechtssicherheit!). Geschäftsunfähigkeit ist vom Gesetz her der Ausnahmefall, so daß die §§ 104 BGB nur negative Regelungen enthalten. Die §§ 104 ff BGB sind vor allem Schutzvorschriften für den Geschäftsunfähigen, die Belange des Rechtsverkehrs (z.B. guten Glauben an die Geschäftsfähigkeit etc.) werden demgegenüber stark zurückgestellt.
Besondere Arten: Testierfähigkeit (§ 2229 I BGB)
Ehefähigkeit (§ 1 I EheG)
Nichts mit der Geschäftsfähigkeit zu tun hat die Deliktsfähigkeit (§ 828 BGB), weil es hier nicht um rechtsgeschäftliche Verpflichtungen, sondern um solche durch Realakte geht. Eine gänzlich andere Zielrichtung hat auch die Strafmündigkeit (§ 19 StGB).
Das Gesetz unterscheidet zwischen 3 Stufen: Geschäftsunfähigkeit, beschränkte Geschäftsfähigkeit und volle Geschäftsfähigkeit.
aa) Geschäftsunfähigkeit
Geschäftsunfähig sind nach § 104 BGB:
- Kinder unter 7 Jahren
- Wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern der Zustand nicht seiner Natur nach ein vorübergehender ist (hier wird also auch pauschal geschützt, es soll nicht nach lucida intervalla gesucht werden müssen -> Rechtssicherheit). Wer also die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt, ist für jedes Rechtsgeschäft geschäftsunfähig. Anerkannt ist allerdings die partielle Geschäftsunfähigkeit (krankhafte Störung bezieht sich nur auf bestimmte Lebensbereiche), nicht aber die relative Geschäftsunfähigkeit für besonders schwierige Geschäfte (Rechtssicherheit!). Abgeschafft wordenist die Entmündigung -> die Betreuung (§§ 1896 ff BGB) beeinflußt die Geschäftsfähigkeit nicht (aber: Einwilligungsvorbehalt, 1903 BGB).
Bei bloß vorübergehender Störung wird die (pauschale) Geschäftsfähigkeit nicht beeinflußt, die Willenserklärung ist freilich nichtig (§ 105 II BGB) -> Beweis!
Folge der Geschäftsunfähigkeit:
Nichtigkeit der WE nach § 105 I BGB, Geschäftsunfähige können also selbst keine wirksamen Rechtsgeschäfte vornehmen und in keiner Weise rechtsgeschäftlich handeln. Er kann daher auch keine empfangsbedürftigen WE wirksam entgegennehmen (-> § 131 I BGB: Zugang an Vertreter erforderlich). Ihnen fehlt auch die Empfangszuständigkeit für die Leistungsannahme (-> keine Erfüllungswirkung bei Leistung an den Geschäftsunfähigen).
Für den Geschäftsunfähigen handelt der gesetzliche Vertreter (Eltern: § 1629 I 2 BGB, Betreuer: § 1902 BGB).
bb) Beschränkte Geschäftsfähigkeit (§§ 106 ff BGB)
Beschränkt Geschäftsfähige können in bestimmtem Umfang selbst Rechtsgeschäfte vornehmen.
Beschränkt geschäftsfähig sind: Minderjährige ab 7 Jahren.
Sie können zustimmungsfrei nur Geschäfte abschließen
- die Ihnen lediglich einen rechtlichen (nicht: wirtschaftlichen -> Rechtssicherheit, Schutz vor unsicheren Spekulationen) Vorteil bringen. Bsp.: Schenkung; nicht vorteilhaft sind unvollkommen zweiseitig verpflichtende Verträge (Bsp.: Auftrag: Ist zwar unentgeltlich, aber Auftraggeber muß Aufwendungen ersetzen, § 670 BGB). Rechtlich vorteilhaft sind auch Verfügungsgeschäfte zugunsten des Mdj., sofern sie keine Verpflichtungen mit sich bringen, die über den erlangten Gegenstand als Haftungsmasse hinausgehen. Beachte das Abstraktionsprinzip (Bsp.). Auch rechtlich neutrale Geschäfte (Bsp.: § 317 I BGB).
Alle anderen Rechtsgeschäfte sind nach §§ 107 f BGB zustimmungsbedürftig.
Exkurs zur Terminologie und zur Unterscheidung Zustimmung/Einwilligung/Genehmigung: Allgemeine Regelung in §§ 182 ff BGB.
Die Zustimmung ist insbesondere widerruflich und kann wahlweise beiden Teilen erklärt werden (Bsp.: Kind erhält Geld zum Fahrradkauf -> konkludente Einwilligung -> Widerruf ggü. Händler möglich).
Sie kann im Umfang unterschiedlich sein: Generelle Einwilligung für einen begrenzten Kreis von Rechtsgeschäften ist möglich (beschränkter Generalkonsens), nicht aber für alle (sonst wäre das Volljährigkeitsalter in den Händen der Eltern).
Ein an sich zustimmungsbedürftiges RG gilt als wirksam, wenn die Leistung mit Mitteln bewirkt (Bsp.: Keine Ratengeschäfte) werden, die dem Mdj. zu diesem Zweck überlassen wurden (§ 110 BGB - "Taschengeldparagraph"). Gilt dogmatisch als Spezialfall der Einwilligung, daher auch Zweck der Zustimmung maßgeblich (vgl. Lotteriefall RGZ 74, 235).
Wird ein zustimmungsbedürftiges Rechtsgeschäft ohne Einwilligung geschlossen, kann es nach § 108 BGB durch den ges. Vertreter genehmigt werden (-> §§ 182 ff BGB), wird der Geschäftsunfähige nach Abschluß selbst geschäftsfähig, kann nur er genehmigen (§ 108 III BGB).
Ein genehmigungsfähiges Rechtsgeschäft ist in der Zwischenzeit nur schwebend unwirksam.
§§ 108 II, 109 BGB berücksichtigen wenigstens ein bischen das Interesse des anderen Teils an Rechtssicherheit: Er kann das Geschäft selbst zu Fall bringen.
Einseitige Rechtsgeschäfte: Besondere Regelung in § 111 BGB aus Rechtssicherheitsgründen.
Die Regelungen über die beschränkte Geschäftsfähigkeit gelten nach § 1903 II BGB entsprechend im Fall eines angeordneten Einwilligungsvorbehalts im Falle der Betreuung.
cc) Teilgeschäftsfähigkeit (§§ 112 f BGB)
-> Bei Ermächtigung zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts bzw. zum Eingehen eines arbeitsverhältnisses
b) Stellvertretung (§§ 164 ff BGB)
Die Stellvertretung bewirkt, daß die Willenserklärung einer Person unmittelbar für und gegen den Vertretenen wirkt (§ 164 I BGB). Wichtig ist also, daß im Gegensatz zur Botenschaft, wo die Willenserklärung eines anderen überbracht wird, der Vertreter selbst rechtsgeschäftlich handelt. Er müßte daher auch voll geschäftsfähig sein, gäbe es nicht die Sonderregelung in § 165 BGB, während der Bote nicht geschäftsfähig sein muß ("ist das Kindlein noch so klein ...").
Stellvertretung setzt neben der Zulässigkeit der Stellvertretung (nicht bei sog. höchstpersönlichen Rechtsgeschäften, vgl. § 13 I EheG, § 2064 BGB, bei Insich-Geschäften nur mit besonderer Gestattung, vgl. § 181 BGB, tel. Reduktion im Fall des § 107 BGB, d.h. bei ledigl. rechtl. Vorteil) voraus:
aa) Handeln in fremden Namen
Es gilt der Grundsatz der Offenheit der Stellvertretung, verdeckte Stellvertretung grundsätzlich nur als mittelbare Stellvertretung möglich. Kommt das Handeln in fremden Namen nicht richtig in Erscheinung, wird der Vertreter selbst verpflichtet (unanfechtbar: Bedeutung von § 164 II BGB). Seltene Ausnahme: "Geschäft für den es angeht" bei Bargeschäften des täglichen Lebens.
Kein Fall der Stellvertretung ist das Handel unter falschem bzw. fremden Namen (anders bei Vorspiegelung, man sei der wahre Namensträger: §§ 177 ff BGB analog.
bb) Vertretungsmacht
Die Vertretungsmacht kann gesetzlich (etwa Eltern, § 1629 BGB, Vormund, § 1793 BGB, wichtig aber auch bei jur. Personen, vgl. etwa § 15 GmbHG) oder rechtsgeschäftlich sein, dann nennt man sie Vollmacht (§ 166 II BGB: Legaldefinition).
Liegt keine Vertretungsmacht vor, handelt der Vertreter als Vertreter ohne Vertretungsmacht i.S.v. §§ 177 ff BGB -> besondere Regelung der Rechtsfolgen.
Wichtig zur Vollmacht:
- Kann erteilt werden als Innen- oder Außenvollmacht (§ 167 BGB), wichtig für das Erlöschen und Willensmängel bzw. Anfechtungstatbestände.
- Bedarf gerade nicht der Form des Hauptgeschäfts (§ 167 II BGB, Ausnahmen: teleologische Reduktion)
- Arten:
Umfang bestimmt grundsätzlich der Vollmachtgeber (Spezialvollmacht, Gattungsvollmacht, Generalvollmacht), in einigen Fällen das Gesetz (Verkehrsschutz!), Bsp.: Prokura §§ 49, 50 HGB(3).
Einzel- und Gesamtvollmacht
Haupt- und Untervollmacht
Duldungs- und Anscheinsvollmacht
- Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis, Abstraktion der Vollmacht (Begrenzung im Innenverhältnis wirkt nicht nach außen, aber: Lehre vom Vollmachtsmißbrauch im Fall von Kollusion und Bösgläubigkeit des Geschäftsgegners)
- Erlöschen der Vollmacht:
§ 168 BGB: I.d.R. mit dem Grundverhältnis, davor aber im Zw. widerruflich.
Mit Widerruf erlischt die Vollmacht, §§ 170 - 173 BGB schützen aber unter bestimmten Voraussetzungen Dritte, die davon nichts wissen können.
- Einseitige Rechtsgechäfte: § 174 BGB (Rechtssicherheit)
- Bei Willensmängeln sind solche bei der Vollmachtserteilung (berechtigen zur Anfechtung der Vollmacht, str. wenn bereits ausgeübt) von solchen beim Vertretergeschäft zu unterscheiden. maßgeblich ist grundsätzlich die Person des Vertreters (§ 166 Abs. 1 BGB), der Hintermann darf sich allerdings nicht hinter dem Vertreter "verstecken", § 166 II BGB.
cc) Vertretung ohne Vertretungsmacht
Der Vertretene hat das Recht, das Geschäft durch Genehmigung an sich zu ziehen (§ 177 BGB), die gesetzliche Regelung lehnt an das Modell des § 108 BGB an:
Das Rechtsgeschäft ist schwebend unwirksam, der Dritte kann den Schwebezustand einseitig beenden. Abweichend vom Minderjährigenrecht, wo sich dies aus dem Schutzzweck heraus verbietet, haftet der falsus procurator, wenn die Genehmigung ausbleibt, je nach eigener Kenntnis vom Fehlen der Vertretungsmacht abgestuft auf das negative oder das positive Interesse (§ 179 BGB),
Bei einseitigen Rechtsgeschäften gilt (wie bei § 111 BGB)
aus Rechtssicherheitsgründen nach § 180 BGB eine besondere Regelung.
7. Das Schuldverhältnis
Begriff: Rechtsverhältnis zwischen mindestens zwei Personen, kraft dessen wenigstens eine Person von der anderen eine bestimmte Leistung zu fordern berechtigt ist (§ 241 BGB)
Regelungsort: Das Schuldrecht ist Gegenstand des 2. Buches des
BGB (§§ 241 ff BGB), das im 1. - 6. Abschnitt einen Allgemeinen
Teil und im 7. Abschnitt einen Besonderen Teil enthält.
a) Gesetzliche und rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse
Schuldverhältnisse können aus dem Gesetz entstehen (etwa durch unerlaubte Handlung) oder aus Vertrag. Für vertragliche Schuldverhältnisse gelten besondere Regelungen im 2. Abschnitt des 2. Buches).
Gesetzliche Schuldverhältnisse entstehen durch die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen einer Haftungsvorschrift.
Vertragliche Schuldverhältnisse (2. Abschnitt: §§ 305 ff BGB) entstehen aus Verträgen. Abzugrenzen ist das von den bloßen Gefälligkeitsverhältnissen ohne Rechtsbindung. Abgrenzungsmerkmal ist hier das Vorhandensein von Rechtsbindungswillen, wobei es maßgeblich auf den Empfängerhorizont ankommt.
Inhalt:
Schuldverhältnisse können punktuell, d.h. auf einmaligen Leistungsaustausch
ausgerichtet, aber auch als Dauerschuldverhältnisse konzipiert sein.
b) Rechte und Pflichten aus Schuldverhältnissen
Die am Schuldverhältnis beteiligten Personen bezeichnet man als Gläubiger und Schuldner. Aus dem Schuldverhältnis ergibt sich eine Leistungspflicht des Schuldners, mit der ein Forderungsrecht des Gläubigers korrespondiert (vg. § 241 BGB).
Man unterscheidet:
- primäre Leistungspflichten: z.B. Übereignungspflicht des Verkäufers, Zahlungspflicht des Käufers
- sekundäre Leistungspflichten: Ensteht bei der Störung einer primären Leistungspflicht, so etwa beim Verzug (Verzugsschaden nach § 286 I BGB) mit einer Leistungspflicht oder im Falle der verschuldeten Unmöglichkeit einer Leistung (§ 325 I BGB).
- Nebenleistungspflichten: Unselbständige Nebenleistungspflichten dienen der pflichtgemäßen Erfüllung der Hauptleistung, sind also nicht selbständig einklagbar, ihre Verletzung führt aber zu Schadensersatzansprüchen (Bsp.: Handwerker darf Wohnung nicht beschmutzen oder andere Gegenstände des Auftraggebers beschädigen). Selbständige Nebenpflichten sind alleine einklagbar, so z.B. Anzeige-, Auskunfts- und Rechenschaftspflichten (vgl. etwa § 666 BGB, der im Wege der Verweisung häufig anwendbar ist (§§ 675, 681, 713 BGB).
Das Forderungsrecht ist, wie sich auch aus § 241 BGB ("gegen ihn") ergibt, ein relatives, das Dritte nichts anzugehen hat (Bsp.: Doppelverkauf). Die Rechtsordnung gibt dem Gläubiger die Möglichkeit, sein Forderungsrecht gegen den Schuldner mit Hilfe des Staates durchzusetzen. Liefert also der Verkäufer nicht, kann der Käufer klagen und - wenn er obsiegt - im Wege der Zwangsvollstreckung die Kaufsache erlangen (§§ 883 I, 897 I, 894 I 1 ZPO).
c) Entstehen von Schuldverhältnissen
Man unterscheidet rechtsgeschäftliche und gesetzliche Schuldverhältnisse.
aa) Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse
Nach § 305 BGB setzt das Entstehen eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses i.d.R. (aber nicht immer: ) einen Vertrag voraus (zu Begriff und Zustandekommen s.o. S. 13, 24)
Bei vertraglichen Schuldverhältnissen unterscheidet man:
- Gegenseitiger Vertrag (-> synallagmatisch, "do ut des")
Hier stehen Leistung und Gegenleistung in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis (§ 320 ff BGB)
- Unvollkommen zweiseitig verpflichtender Vertrag: Es entstehen zwingend nur für einen Teil Vertragspflichten, es können aber auch für den anderen Teil Pflichten entstehen (z.B. beim Auftrag: Es ist nur der Beauftragte verpflichtet, weil der Auftrag unentgeltlich ist, § 662 BGB, u.U. muß aber der Aufttraggeber Aufwendungsersatz, § 670 BGB, leisten).
- Einseitig verpflichtender Vertrag: Schenkung (§ 518), Bürgschaft (§ 765 BGB)
Sonstige, nicht vertragliche, dennoch aber rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse sind: Auslobung (§ 657 BGB), Vermächtnis (§ 1939 BGB).
bb) Gesetzliche Schuldverhältnisse
Entstehen ipso iure unabhängig vom rechtsgeschäftlichen Willen der Beteiligten durch die Tatbestandsverwirklichung einer Norm, deren Rechtsfolge das Entstehen von Rechten und Pflichten, d.h. eines Rechtsverhältnisses beinhaltet.
Die wichtigsten Gruppen von Tatbeständen findet man im Schuldrecht
- Unerlaubte Handlung §§ 823 ff BGB: Ersatzpflicht für zurechenbare Schädigungen bestimmter Rechtsgüter.
- Ungerechtfertigte Bereicherung §§ 812 ff BGB: Rückerstattungspflicht zu Unrecht empfangener Vermögensvorteile.
- Geschäftsführung ohne Auftrag §§ 677 ff BGB: Tätigwerden im Interesse eines anderen, ohne dazu von diesem beauftragt zu sein, erzeugt Rechte und Pflichten für beide Seiten (Aufwendungsersatz nach §§ 683, 670 BGB; Herausgabepflicht nach § 681 S. 2, 667 BGB).
cc) Anspruchskonkurrenz
Ein und derselbe Anspruch kann sich gleichzeitig aus mehreren Anspruchsgrundlagen ergeben.
Bsp.: Schlechterfüllung eines Vertrages führt zu vertraglichen und deliktischen Ansprüchen.
Hierbei gilt der Grundsatz der freien Anspruchskonkurrenz, d.h. grundsätzlich
bestehen alle Ansprüche unabhängig voneinander, wobei natürlich,
soweit sie sich inhaltlich decken, die geschuldete Leistung nur einmal
verlangt werden kann.
d) Inhalt von Schuldverhältnissen (§§ 241 ff BGB)
Der Inhalt eines Schuldverhältnisses besteht aus einem Anspruch. Dieser Begriff ist legaldefiniert in § 194 BGB als das "Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen", d.h. eine "Leistung" zu fordern (§ 241 BGB). Dieser Anspruch, d.h. das Recht auf die Leistung ergibt sich entweder aus dem Gesetz oder aus der von den Parteien getroffenen Vereinbarung.
aa) Inhaltliche Bestimmbarkeit
Bei einem vertraglichen Schuldverhältnis muß der Leistungsinhalt hinreichend bestimmt sein (dazu oben S. 24 zum Bestimmtheitserfordernis des Antrags), wobei Bestimmbarkeit ausreichend ist, etwa durch Bezugnahme auf Markt-, Listen- oder Börsenpreise. Möglich ist auch die Leistungsbestimmung durch eine Partei oder einen Dritten (§§ 315 ff BGB).
Daneben wird der Inhalt des Schuldverhältnisses wesentlich vom Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beherrscht: Der Schuldner muß die Leistung so bewirken, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Dieser Grundsatz wirkt, obwohl kodifikatorisch im allgemeinen Schuldrecht verankert, weit über dieses hinaus im ganzen Bereich des Bürgerlichen Rechts. In Verbindung mit §§ 133, 157 BGB hat die Rechtsprechung aus § 242 BGB den allgemeinen Rechtsgedanken entwickelt, daß jeder in Ausübung seiner Rechte und in Erfüllung seiner Pflichten auf die berechtigten Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen hat. Das Gebot gilt also nicht etwa nur für den Schuldner, sondern auch für den Gläubiger.
Freilich gestattet es die Norm dem Richter nicht, sich über geltendes Recht je nach subjektivem Gerechtigkeitsempfinden hinwegzusetzen, § 242 BGB enthält auch keine allgemeine Ermächtigung zur Rechtsfortbildung aus Billigkeitsgründen.
Einzelne Anwendungsfälle sind z.B.:
- Art und Weise der Leistung (so verstößt etwa die Bezahlung einer Schuld von 2000.- DM in Pfennigstücken gegen § 242 BGB).
- Begründung vertraglicher Nebenpflichten
- Sorgfaltspflichten bereits vor Vertragsschluß, nachwirkende Vertragspflichten
- Abänderung der vertraglichen Leistungspflicht nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (dazu unten).
- Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (über §§ 226, 826 BGB hinaus, welche strenge Tb.-Voraussetzungen haben).
- Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium), Verwirkung von Rechten
bb) Stückschuld, Gattungsschuld, Wahlschuld, Ersetzungsbefugnis
Normalfall eines bestimmbaren Inhalts ist die Stückschuld, bei
welcher der geschuldete Gegenstand vollkommen individualisiert ist. Eine
Gattungsschuld liegt dagegen vor, wenn die geschuldete Leistung
nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmt ist. Die Merkmale (Eingrenzung)
der geschuldeten Gattung ergeben sich aus der Parteivereinbarung. Möglich
ist auch eine beschränkte Gattungsschuld (Vorratsschuld).
Der Schuldner einer Gattungsschuld muß nicht bestimmte Stücke
aus der Gattung, sondern Stücke mittlerer Art und Güte
(§ 243 I BGB) liefern. Liefert er mindere Qualität, hat er nicht
erfüllt undder Käufer kann Nachlieferung verlangen (oder nach
§ 480 BGB nach Gewährleistungsrecht vorgehen). Befreiung durch
Unmöglichkeit (§ 275 BGB) tritt erst mit Untergang der gesamten
Gattung ein.
Mit der Konkretisierung wird die Gattungsschuld nach § 243 II BGB zur Stückschuld. Diese tritt ein, wenn der Schuldner das "seinerseits Erforderliche" für die Leistung getan hat, was wiederum auf den Vertragsinhalt ankommt (Hol-, Bring- oder Schickschuld).
Bei einer Wahlschuld (§ 262 BGB) kann der Schuldner alternativ erfüllen, Konkretisierung durch Ausübung des Wahlrechts (beachte Unmöglichkeitsregelung in § 265 BGB)
Eine Ersetzungsbefugnis liegt vor, wenn nur eine Leistung geschuldet wird und an deren Stelle eine andere verlangt oder erbracht werden kann. Im Gegensatz zur Wahlschuld wird von Anfang an nur eine Leistung geschuldet. Wird die Ersatzleistung unmöglich, bleibt der Vertrag unberührt (Bsp.: Inzahlunggabe von Kfz).
Die Geldschuld (§§ 244 ff BGB) ist ein Sonderfall der Gattungsschuld (str.) Praktisch ist folgendes wichtig: Gefahrenübergang ("Konkretisierung") besonders geregelt in § 270 BGB. Zu unterscheiden ist die Geldsummenschuld (bestimmter Geldbetrag, daher also Problem der Geldentwertung -> Wertsicherungsklauseln, vgl. § 3 WährungsG) und sog. Geldwertschulden, wo ein bestimmtes Interesse (etwa die Reparaturkosten einer Sache) in Geld zu ersetzen sind.
e) Art und Weise der Leistungserbringung
Grundsätzlich kann auch ein Dritter die Leistung erbringen, sofern nicht - was häufig konkludent geschieht - nach dem Vertragsinhalt persönliche Leistung vereinbart ist (Bsp.: Operation durch bestimmten Arzt) oder eine gesetzliche Regelung besteht (§§ 613, 664, 691, 713 BGB), vgl. § 267 BGB.
Die Leistung ist an den Gläubiger zu erbringen, Leistung an einen
Dritten befreit unter den Voraussetzungen der §§ 362 II, 185
BGB. In bestimmten Fällen schützt das Gesetz die gutgl. Leistung
an einen Dritten, den der Schuldner als Gläubiger oder als ermächtigt
betrachten darf: § 370 BGB (Überbringer einer Quittung), §
407 I BGB (Abtretung), § 2367 BGB (Scheinerbe).
8. Das Erlöschen des Schuldverhältnisses
Zu unterscheiden ist das Erlöschen des Schuldverhältnisses als ganzes (mit allen Rechten und Pflichten) und das Erlöschen einzelner Pflichten.
a) Erfüllung und Erfüllungssurrogate
aa) Erfüllung, § 362 BGB
Nach § 362 I BGB erlischt eine Forderung durch Erfüllung, d.h. das Bewirken der geschuldeten Leistung. Nicht ausreichend ist, daß der Schuldner alles Erforderliche getan hat, sondern es muß der Leistungserfolg eingetreten sein.
Dazu muß die richtige, dh. geschuldete Leistung (Ausnahme: § 364 I BGB) durch die richtige Person an die richtige Person am richtigen Ort erfolgen. Es muß der Schuldner (Ausnahme: § 267 BGB, Leistung durch Dritte) an den Gläubiger (Ausnahme: § 362 II BGB, beachte § 370 BGB) leisten.
Die Erfüllung ist kein Vertrag (str.,: Theorie der realen Leistungsbewirkung), dennoch kann ggü. einem Minderjährigen nicht befreiend geleistet werden, weil ihm - analog zu den Regeln über die Geschäftsfähigkeit - die Empfangszuständigkeit fehlt.
Zu unterscheiden ist die Leistung an Erfüllungs Statt und die Leistung erfüllungshalber, § 364 BGB.
Zur Tilgungsbestimmung vgl. § 366 f BGB.
Wirkung: Erlöschen, Beweislastumkehr (§ 363 BGB).
Der Gl. muß: Quittung erteilen (§ 368 BGB) und Schuldschein zurückgeben (§ 371 BGB).
bb) Hinterlegung, 372 ff BGB
Sofern ein Gegenstand hinterlegungsfähig ist, kann bei einer Hinterlegungsstelle (§ 1 HinterlO: Amtsgerichte) hinterlegt werden (andernfalls ist zu versteigern opder freihändig zu verkaufen, vgl. §§ 383 ff BGB und der Erlös zu hinterlegen, sog. Selbsthilfeverkauf). Hinterlegungsfähig sind Geld, Wertpapiere, Urkunden und Kostbarkeiten.
Voraussetzung: Annahmeverzug des Gl. oder (obj.) Ungewißheit über die Person des Gl.
Das Verfahren ist in der HinterlO geregelt.
Wirkung: Bei Verzicht auf Rücknahme Tilgung (§ 378 BGB), sonst nur Verweisungseinrede mit besonderer Gefahrtragungsregel (§ 379 BGB).
cc) Aufrechnung, §§ 387 ff BGB
Bei der Aufrechnung werden Forderungen durch gegenseitige Verrechnung getilgt.
Voraussetzungen:
- Gegenseitigkeit der Forderungen, jeder der Beteiligten muß zugleich Gl. und Schuldner des anderen sein. Es müssen sich also eine Aktivforderung (die F., mit der aufgerechnet wird) und eine Passivforderung (die F., gegen die aufgerechnet wird) gegenüberstehen. Ausnahme: § 406 BGB (Abtretung). Ein Dritter, der nicht Schuldner des Aufrechnungsgegners ist, kann nicht aufrechnen (Ausnahme: § 268 II BGB).
- Gleichartigkeit der Forderungen, in der Regel Geld, denkbar aber auch Aufrechnung bei Gattungsschulden, wenn gleiche Gattung geschuldet. Die Forderungen müssen aber nicht in der gleichen Höhe sein, in irgendeinem rechtlichen Zusammenhang stehen oder denselben Leistungsort haben (§ 391 BGB).
- Wirksamkeit der Forderungen: Die Aktivforderung muß erzwingbar und einredefrei sein (§ 390 S. 1 BGB), Ausnahme Verjährung (§ 390 S. 2 BGB), die Passivforderung muß aber nicht erzwingbar sein (z.B. Fall des § 762 BGB).
- Fälligkeit der Aktivforderung, Erfüllbarkeit der Passivforderung (Beachte § 271 II BGB).
- Kein Aufrechnungsausschluß: Aufrechnung kann vertraglich ausgeschlossen werden, was sich auch aus dem Sinn und Zweck des Vertrages ergeben kann, beachte auch § 391 II BGB. wichtig im Handelsverkehr bei Zahlungsklauseln wie "netto Kasse gegen Papiere" oder "effektiv". Beachte aber § 11 Nr. 3 AGBG. Ausschluß kraft Gesetzes: § 393 BGB (vorsätzl. unerlaubte Handlung; arg.: Schadensersatz soll wirklich geleistet werden, keine sanktionslose Privatrache); § 394 BGB (unpfändbare Forderung -> §§ 850 ff ZPO), § 395 (Fiskusprivileg)
- Aufrechnungserklärung, § 388 BGB: Bedingungsfeindliches einseitiges Rechtsgeschäft, empfangsbedürftige Willenserklärung, setzt Geschäftsfähigkeit voraus (nicht lediglich rechtlich vorteilhaft), kann auch nicht egnehmigt werden (beachte § 111 BGB).
Wirkung:
Forderung erlischt rückwirkend (§ 389 BGB) zum Zeitpunkt der Aufrechnungslage. Damit entfällt z.B. auch die Verzinsungspflicht.
Bei Mehrheit von Forderungen: § 396 I i.V.m. § 366 BGB.
b) Sonstige Erlöschensgründe
aa) Erlaß, § 397 I BGB
Der Erlaß ist ein Vertrag, einseitiger Verzicht ist nicht möglich (arg.: Man muß sich nichts schenken lassen), Schweigen wird aber häufig eine konkludente Annahmeerklärung sein, wobei auch Zugangsverzicht nach § 151 BGB vorliegen wird.
Zu unterscheiden ist der Aufhebungsvertrag, wo nicht (nur) die Forderung, sondern das ganze Schuldverhältnis erlischt.
bb) Negatives Schuldanerkenntnis, § 397 II BGB
Ist ebenfalls ein vertraglicher Forderungsverzicht, der aber - anders als das positive Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) - keiner Form bedarf.
cc) Änderungsvertrag
Aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ergibt sich, daß die Parteien ein Schuldverhältnis abändern können. Darin kann ein teilweiser Erlaß, aber auch die Begründung einer neuen Forderung liegen.
dd) Schuldersetzung (Novation)
Eine Forderung wird vertraglich durch eine andere ersetzt. Wichtig etwa im Kontokorrent (->HGB)
ee) Konfusion
Wenn Forderung und Schuld in einer Person zusammenfallen (Bsp.: Gl. beerbt den Schuldner).
ff) Unmöglichkeit
vgl. hierzu unten 9 b) aa) "Leistungsstörungen"
gg) Rücktritt
vgl.hierzu unten 10 b) "Rücktritt"
9. Störungen bei der Abwicklung des Schuldverhältnisses
(Leistungsstörungen)
a) Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo - c.i.c.)
Der Haftung aus c.i.c. liegt der gedanke zugrunde, daß sich bereits im Verhältnis der Vertragsanbahnung besondere, über die allgemeinen Rechtspflichten gegenüber jedermann hinausgehende Sorgfaltspflichten der Verhandelnden gegenüber einander ergeben. Die besonderen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsgüter des Vertragspartners und die besondere "Nähe" sind nicht erst dann gegeben, wenn mit dem Betreffenden ein Vertrag zustande gekommen ist, sondern auch schon dann, wenn der Vertrag erst angebahnt und/ oder in Vertragsverhandlungen angesteuert wird. Um auch in diesem Bereich den jeweiligen Partnern die Möglichkeit, vertragliche Schadensersatzansprüche geltend zu machen, zu geben, haben Rechtsprechung und Literatur das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo (c.i.c.) entwickelt. Auch für das Stadium der Anbahnung von Vertragsschlüssen gilt deshalb das Gebot gegenseitiger Obhut und Rücksichtnahme. Wichtig ist dies vor allem für den Eintritt in ein Geschäftslokal oder Gasthaus. Hier hat der Ladeninhaber/Gastwirt alles zu tun, um seinen Kunden einen schadensfreien Aufenthalt in den von ihm dem Publikumsverkehr eröffneten Räumen zu sichern. Dabei muß nicht einmal eine Kaufabsicht nachgewiesen werden; es reicht aus, wenn der Betroffene zu legitimen Zwecken (Prüfung des Warenangebots, bloße Anfrage nach dem Vorhandensein eines Artikels) das Lokal betreten hat. Kommt er hierbei zu Schaden, so ist ihm der Inhaber ersatzpflichtig, falls dem Inhaber oder seinem Personal (§ 278 BGB) ein Fehler unterlaufen ist.
In vielen Bereichen dient die c.i.c. auch und gerade dazu, Härten des Deliktsrechts wie insbes. § 831 BGB (Anwendbarkeit von § 278 BGB) und die Nichtersatzfähigkeit primärer Vermögensschäden nach § 823 Abs. 1 BGB auszugleichen.
Die c.i.c. kommt ferner zum Zuge, wenn die Vertragsverhandlungen nicht zum Vertragsschluß oder nicht zu einem gültigen Vertrag führen, weil ein Partner aus sachfremden Erwägungen entgegen einer von ihm begründeten Erwartung die Verhandlungen scheitern läßt (Abbruch von Vertragsverhandlungen) oder dahin wirkt, daß ein Vertrag wegen Formmangels nichtig ist und sich später treuwidrig auf die Nichtigkeit beruft.
Die c.i.c. wird sogar bei gültigen Verträgen angewendet, wenn
das pflichtwidrige Verhalten einer Partei (z.B. die unterlassene Aufklärung)
maßgebend dafür ist, daß der Vertragsinhalt der anderen
unangemessene Nachteile aufbürdet. Hier kommt man allerdings wieder
in erhebliche Abgrenzungsprobleme zu den gesetzlich geregelten Fällen
der Gewährleistung, wenn die unterlassene Aufklärung sich etwa
auf die Qualität des Vertragsgegenstandes beziehen sollte.
b) Leistungsstörungen (Unmöglichkeit, Verzug, pVV, Wegfall der Geschäftsgrundlage)
Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt verschiedene Arten von Leistungsstörungen: das Ausbleiben der Leistung und die Mangelhaftigkeit der Leistung. Allein für das Ausbleiben der Leistung hat es allgemeine Regeln im Allgemeinen Teil des Schuldrechts vorgesehen. Die Folgen einer mangelhaften Leistung sind im Zusammenhang mit dem je betroffenen besonderen Schuldverhältnis geregelt.
Die beiden im Allgemeinen Teil des Schuldrechts geregelten Formen der Nichtleistung sind die Unmöglichkeit und der Verzug.
Dem gesetzlichen Katalog von Abwicklungsstörungen im Schuldverhältnis haben Literatur und Rechtsprechung weitere Rechtsinstitute hinzugefügt: die positive Vertragsverletzung, die culpa in contrahendo und die Lehre von der Geschäftsgrundlage.
aa) Unmöglichkeit
(1) Arten
Die Unmöglichkeit der vom Schuldner zu erbringenden Leistung kann verschiedener Art sein.
Es kann sein, daß dem Schuldner die Leistung schon im Zeitpunkt der Begründung des Schuldverhältnisses unmöglich ist (anfängliche Unmöglichkeit). Es kann aber auch sein, daß die Leistung erst später unmöglich wird (nachträgliche Unmöglichkeit). Die Unmöglichkeit kann in dem Sinne vorliegen, daß niemand die geschuldete Leistung erbringen kann (objektive Unmöglichkeit). Es kann aber auch sein, daß zwar der Schuldner die Leistung nicht erbringen kann, wohl aber eine andere Person. Dann spricht man von subjektiver Unmöglichkeit oder Unvermögen.
Wirtschaftliche und psychische Unmöglichkeit sind eigentlich Anwendungsfälle von § 242 BGB.
Bsp.: Ring auf Ozeangrund (Titanic); Opernsängerin und krankes Kind; reiligiöser Feiertag; Gewissensgründe.
Beachte: Die Unmöglickeit kann tatsächliche, aber auch rechtliche Gründe haben. Möglich ist auch die sog. wirtschaftliche Unmöglichkeit. Vielfach ist durch Auslegung der Leistungsinhalt zu ermitteln, um festzustellen, ob teilweise oder vollkommene Unmöglichkeit vorliegt (§ 307 II BGB). Vorübergehende Unmöglichkeit steht der endgültigen gleich, wenn ein Zuwarten nich mehr zumutbar ist.
Beim absoluten Fixgeschäft liegt - anders als beim relativen Fixgeschäft - nach Verstreichen des Erfüllungszeitraums ebenfalls Unmöglichkeit vor.
Die Arten der Unmöglichkeit lassen sich zu vier Formen kombinieren.
- anfänglich objektiv: Von der anfänglichen Unmöglichkeit behandelt das Gesetz nur eine der beiden möglichen Formen: die anfänglich objektive Unmöglichkeit. Hierzu bestimmt § 306 BGB, daß ein auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichteter Vertrag nichtig ist. § 306 BGB ist allerdings dispositiv, weiter gibt es gesetzl. Ausnahmen (zB. §§ 437, 440 I BGB beim Forderungskauf).
- anfänglich subjektiv: Wer hingegen eine Leistung versprochen hat, die ihm anfänglich subjektiv unmöglich ist, muß, ohne daß dies im Gesetz ausdrücklich angeordnet wäre, regelmäßig für sein Unvermögen einstehen ([eingeschränkte] Garantiehaftung für das Leistungsversprechen, §§ 440 I BGB mit Rechtsfolgenverweisung auf § 325 BGB).
- Die nachträgliche Unmöglichkeit ist vollständig geregelt. Bei ihr werden objektive und subjektive Unmöglichkeit im Prinzip gleich behandelt (§ 275 Abs. 1 und 2 BGB). Lediglich für Gattungsschulden macht das Gesetz eine Ausnahme (§ 279 BGB).
In groben Zügen läßt sich folgende Rechtslage skizzieren: Der Leistungsanspruch kann bei Unmöglichkeit nicht verwirklicht werden. Deshalb muß er entweder ersatzlos erlöschen oder aber in andere Rechte des Gläubigers übergehen. Welche der beiden Möglichkeiten eingreift, macht das Gesetz davon abhängig, ob der Schuldner die Leistungsunmöglichkeit zu vertreten hat oder nicht.
Nicht zu vertreten: Hat der Schuldner die Unmöglichkeit nicht zu vertreten, so wird er von seiner Leistungspflicht frei (§ 275 BGB). Der Gläubiger verliert seinen Leistungsanspruch und erhält an dessen Stelle auch keine sonstigen Rechte. Eine Ausnahme macht hiervon nur § 281 BGB: Bekommt der Schuldner für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder Ersatzanspruch (Versicherungsleistung), so kann der Gläubiger die Herausgabe des Ersatzes verlangen (sog. stellvertretendes commodum).
Zu vertreten: Hat der Schuldner hingegen die Leistungsunmöglichkeit zu vertreten, so kann er auch jetzt den ursprünglichen Leistungsgegenstand nicht leisten ("ultra posse nemo obligatur), aber er ist dem Gläubiger gem. § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet. Der Gläubiger kann auch in diesem Fall einen Ersatzgegenstand nach § 281 BGB herausverlangen, muß sich aber dann dessen Wert auf den Schadensersatzanspruch anrechnen lassen (§ 281 Abs. 2 BGB).
Bei gegenseitigen Verträgen (Beispiel: Kaufvertrag) tritt an die Stelle des § 280 BGB die Sonderregel des § 325 BGB, wenn eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende (synallagmatische) Leistung unmöglich geworden ist. § 325 Abs. 1 BGB eröffnet dem Gläubiger die Wahl zwischen mehreren Rechten. Der Gläubiger kann Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten oder "die für den Fall des § 323 BGB bestimmten Rechte" geltend machen. Welche Rechte das sind, werden wir sogleich sehen, wenn wir die Auswirkungen der Unmöglichkeit auf die Gegenleistung betrachten.
Schicksal der Gegenleistungspflicht:
Wird bei gegenseitigen Verträgen der Schuldner gem. § 275 BGB von seiner Leistungspflicht frei, fragt es sich, ob er gleichwohl seinen Anspruch auf die Gegenleistung behält. (Beispiel: Die Kaufsache wird vor der Übergabe an den Käufer zerstört; der Verkäufer will aber dennoch Geld.)
Diese Frage wird in den §§ 323, 324 BGB beantwortet. Die Antwort lautet: Hat keine der beiden Vertragsparteien die Unmöglichkeit zu vertreten (man spricht hier auch von zufälliger Unmöglichkeit), so verliert der nach § 275 BGB von seiner Leistungspflicht befreite Schuldner nun seinerseits den Anspruch auf die Gegenleistung. Ist die Gegenleistung bereits erbracht, so kann sie der Schuldner nach Bereicherungsrecht zurückverlangen (§ 323 Abs. 3 BGB mit einer Rechtsfolgenverweisung auf die §§ 818 ff. BGB).
Hat dagegen der Gläubiger die Unmöglichkeit zu vertreten, gilt etwas anderes. Der Schuldner wird gem. § 275 BGB von seiner Leistungspflicht frei und behält gleichwohl den Anspruch auf die Gegenleistung (§ 324 Abs. 1 BGB). Das Gleiche gilt, wenn die vom Schuldner nicht zu vertretende Unmöglichkeit zu einem Zeitpunkt eintritt, in dem sich der Gläubiger im Annahmeverzug befindet (§ 324 Abs. 2 mit den §§ 293 ff. BGB).
Die Regel des § 323 BGB wird bei einigen Schuldverhältnissen
durch sogen. Gefahrtragungsregeln geändert (vgl. §§ 446,
447 BGB für den Kaufvertrag). Die hier angesprochene Gefahr betrifft
dasselbe Problem wie § 323 BGB: Behält der Schuldner, der von
seiner Leistungspflicht frei wird, den Anspruch auf die Gegenleistung?
Das ist etwa beim Versendungskauf (§ 447 BGB) der Fall, wenn die Kaufsache
untergeht, nachdem sie an den Spediteur oder Transporteur übergeben
worden ist. Das Transportrisiko trägt somit der Käufer und nicht
der Verkäufer. Der Käufer muß bezahlen, auch wenn er die
Sache niemals erhalten sollte.
(2) Vertretenmüssen
Den Begriff des "Vertretenmüssens" verwendet das Vertragsrecht des BGB, wenn es einer Partei die Verantwortung für eine Leistungsstörung zurechnen will. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB formuliert hierzu eine Grundregel: Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten.
Vertretenmüssen bedeutet also in der Regel Verschulden. Das gilt sowohl für den Schuldner wie für den Gläubiger.
Der Grundsatz, daß die Vertragsbeteiligten nur für verschuldete Leistungsstörungen einzustehen hätten, gilt nicht ausnahmslos. Der Zurechnungsmaßstab des Verschuldens kann durch Sonderregeln sowohl verschärft als auch gemildert werden. Die Sonderregeln wiederum können sich aus dem Gesetz selbst oder aus rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen ergeben.
Gesetzliche Sonderregelungen des Vertretenmüssens finden sich sowohl bei den einzelnen Schuldverhältnissen als auch im Allgemeinen Teil des Schuldrechts.
Als Beispiel aus dem Besonderen Schuldrecht sei hier die Haftung des Verkäufers für die Mangelfreiheit der verkauften Sache angeführt. § 459 BGB ordnet in diesem Zusammenhang eine Haftung ohne jedes Verschulden an. Dies ist ein Beispiel für eine Haftungsverschärfung.
Als Beispiel für eine Haftungsminderung kann auf § 599 BGB verwiesen werden. Dort ist geregelt, daß der Verleiher einer Sache nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, nicht auch einfache Fahrlässigkeit zu vertreten habe.
Eine besondere Form des Vertretenmüssens ist schließlich das Einstehen für die Sorgfalt, die man in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Diese Regelung findet sich bspw. für den unentgeltlichen Verwahrer in § 690 BGB. Sie bedeutet, daß auch ein in eigenen Angelegenheiten nachlässiger Verwahrer bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit von der Haftung befreit sein kann (§ 277 BGB).
Die wichtigsten Ausnahmen vom Grundprinzip des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB finden sich im Allgemeinen Teil des Schuldrechts.
Bei der Gattungsschuld hat der Leistungspflichtige seine subjektive Unmöglichkeit, sein Unvermögen, auch dann zu vertreten, wenn ihn kein Verschulden trifft (§ 279 BGB).
Auch bei dem Einstehenmüssen für eine Hilfsperson (§ 278 BGB) kommt es nicht darauf an, ob dem Schuldner etwa bei der Auswahl oder der Überwachung der Hilfsperson ein Sorgfaltsverstoß unterlaufen ist. Der Schuldner hat schlicht für das Verschulden der Hilfsperson wie für das Verschulden des für ihn handelnden gesetzlichen Vertreters einzustehen.
Eine Haftungsverschärfung für den Schuldner bringt der Schuldnerverzug. In ihm hat der Schuldner eine Unmöglichkeit auch ohne Verschulden zu vertreten (§ 287 S. 2 BGB). Er haftet also für Zufall.
Eine Haftungserleichterung bringt dem Schuldner dagegen der Annahmeverzug des Gläubigers. Im Annahmeverzug des Gläubigers hat der Schuldner nämlich nur noch Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 300 Abs. 1 BGB).
Ob und inwieweit vertragliche Sonderregelungen über das Vertretenmüssen
zulässig sind, hängt davon ab, ob es um individuell ausgehandelte
Vereinbarungen geht oder aber um einseitig gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen.
In individuell ausgehandelten Vereinbarungen kann die Haftung auf vorsätzliches
Handeln beschränkt werden (§ 276 Abs. 2 BGB). In einseitig gestellten
Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist § 11 Nr. 7 AGBG zu beachten.
Danach sind Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam,
die eine Haftung ausschließen oder begrenzen für einen Schaden,
der auf einer grob fahrlässigen Vertragsverletzung des Verwenders
oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Vertragsverletzung
eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders
beruht.
bb) Verzug
(1) Schuldnerverzug
Als Rechtsfolgen des Schuldnerverzuges normiert das BGB allgemein die Verpflichtung zur Leistung von Verzugszinsen (§ 288 BGB), die Verpflichtung zum Ersatz des Verzugsschadens (§ 286 BGB), sowie die Zufallshaftung für den Fall, daß die zu leistende Sache während des Verzuges untergehen sollte. Darüber hinaus kennt das Gesetz die Möglichkeit, die Erfüllung abzulehnen, wenn die Leistung infolge des Verzugs für den Gläubiger kein Interesse mehr hat. In diesem Fall kann der Gläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (§ 286 Abs. 2 BGB).
Eine besondere Regelung gilt für den gegenseitigen Vertrag. Hier wird dem Gläubiger zunächst die Möglichkeit gegeben, dem Schuldner eine Frist zu setzen mit der Androhung, daß nach Ablauf der Frist die Leistung abgelehnt werde. Das führt, wenn keine Leistung erfolgt, zum Ausschluß des Erfüllungsanspruchs. Stattdessen bekommt der Gläubiger ein Wahlrecht zwischen dem Schadensersatz wegen Nichterfüllung und dem Rücktritt vom Vertrag. Bei einem Wegfall des Gläubigerinteresses infolge des Verzuges kann auch ohne die Fristsetzung Schadensersatz wegen
Nichterfüllung verlangt oder vom Vertrag zurückgetreten werden (vgl. dazu insgesamt § 326 BGB).
(2) Gläubigerverzug (Annahmeverzug)
Nimmt der Gläubiger eine ihm am richtigen Ort, zur rechten Zeit, vom leistungsbereiten und -fähigen Schuldner angebotene Leistung nicht an, so bleibt die Erfüllungswirkung (§ 362 Abs. 1 BGB) aus.
Deshalb kann der Gläubiger auch weiterhin Leistung verlangen. Weil indessen die Erfüllung an Umständen scheitert, die im Bereich des Gläubigers liegen, verschlechtert sich die Rechtslage des Gläubigers.
Der Schuldner kann nunmehr die Leistung dadurch bewirken, daß er den Leistungsgegenstand bei einer öffentlichen Hinterlegungsstelle (Amtsgericht) hinterlegt (vgl. §§ 372, 383, 378 BGB).
Muß der Schuldner ein Grundstück übergeben, so darf er den Besitz an dem Grundstück aufgeben (§ 303BGB).
Wie schon früher erwähnt, hat der Schuldner während des Annahmeverzuges des Gläubigers nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 300 Abs. 1 BGB).
Bei Gattungsschulden konkretisiert sich das Schuldverhältnis mit dem Annahmeverzug des Gläubigers auf das Gattungsexemplar, mit dem der Erfüllungsversuch unternommen worden ist (§ 300 Abs. 2 BGB).
Wird dem Schuldner die Leistung nach Eintritt des Annahmeverzugs des
Gläubigers unmöglich, ohne daß er das zu vertreten hat,
dann behandelt das Gesetz den Gläubiger so, als habe er die Unmöglichkeit
zu vertreten (§ 324 Abs. 2 BGB). Das führt dazu, daß der
Schuldner der unmöglich gewordenen Leistung seinen Anspruch auf die
Gegenleistung behält.
cc) Positive Vertragsverletzung (pVV)
Die positive Vertragsverletzung ist ursprünglich als eine Analogie zu den §§ 280, 286, 325, 326 BGB entwickelt worden. Die Entwicklung mochte methodisch zweifelhaft gewesen sein. Heute stützt sich das Rechtsinstitut der positiven Forderungsverletzung auf eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung. Der Grundgedanke der positiven Forderungsverletzung ist folgender: Das Schuldverhältnis begründet für die Vertragsparteien hauptsächlich Leistungspflichten, auf deren Erfüllung geklagt werden kann. Auf diese Erfüllungspflichten beziehen sich die gesetzlich geregelten Leistungsstörungen: die Unmöglichkeit, der Verzug und die Gewährleistung für Sachmängel.
Damit wird allerdings das Schuldverhältnis nicht in seiner Gesamtheit erfaßt. Gerade ein Vertrag verbindet die Parteien zu einem Rechtsverhältnis, das in besonderer Weise zu Rücksicht auf die Rechtsgüter und Interessen des anderen und zu einem fairen Verhalten ihm gegenüber verpflichtet. Solche Pflichten nennt man Nebenpflichten. Auf ihre Einhaltung gibt das Gesetz keinen Leistungsanspruch.
Jedoch wird der pflichtwidrig Handelnde zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der aus der pflichtwidrigen Handlung resultiert. Die Pflichtwidrigkeit muß zu vertreten sein (§§ 276 ff.
BGB). Für die Zurechnung von Verhalten und Verschulden von Hilfspersonen gilt die Zurechnungsnorm des § 278 BGB.
Nebenpflichten im genannten Sinn sind etwa die Pflicht, mit den Rechtsgütern des Vertragspartners sorglich umzugehen, den Vertragspartner vor Gefahren zu warnen und ihn über Risiken aufzuklären, die aus dem Vertragsgeschehen resultieren, räumliche Bereiche, in die der Vertragspartner gelangt, vor Gefahren zu sichern. Einen abschließenden Katalog dieser Sorgfaltspflichten gibt es nicht, weil ihre Beurteilung maßgeblich situationsgebunden erfolgt.
Zwei Fallgruppen können aus dem Anwendungsbereich der positiven Forderungsverletzung herausgehoben werden:
In der einen schädigt die eine Partei die andere in einer Weise, die zwar nicht die von ihr geschuldete Leistung, aber sonstige Interessen des anderen Teils beeinträchtigt. Das ist etwa der Fall, wenn ein Maler die Wände ordnungsgemäß tapeziert und streicht, dabei aber den kostbaren Teppich des Auftraggebers ruiniert.
In der anderen Fallgruppe wird die Leistung mangelhaft erbracht. Nur erschöpft sich der Nachteil, den der Vertragspartner erleidet, nicht in der Störung des Wertverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, sondern es treten weitere Schäden an den Rechtsgütern des anderen Teils auf. Diese Schäden nennt man Mangelfolgeschäden oder Begleitschäden. Sie liegen z.B. dann vor, wenn die gekaufte kranke Kuh nicht nur selbst eingeht, sondern auch noch die vorher gesunden Kühe des Käufers ansteckt.
Im Zusammenhang mit der letzteren Fallgestaltung treten u.U. schwierige Abgrenzungsprobleme zu den im Gewährleistungsrecht normierten Rechtsfolgen auf.
dd) Störungen der Geschäftsgrundlage
Begriff:
1921 von Oertmann begründet und bald von der Rechtsprechung aufgegriffen
(RGZ 103, 332).
Die Grundsätze über das Fehlen und den Wegfall der Geschäftsgrundlage gelten für alle schuldrechtlichen Verträge, auch für einseitig verpflichtende Verträge .
Abgrenzung (gegenüber dem Geschäftsinhalt, gegenüber Unerheblichem):
Die Geschäftsgrundlage gehört nicht zum Vertragsinhalt. Eine Anpassung nach § 242 BGB scheidet aus, wenn durch (ergänzende) Vertragsauslegung Regeln für das Fehlen oder den Wegfall besonderer Umstände zu ermitteln sind.
Fallgruppenbildung:
Große Geschäftsgrundlage:
Änderung (Einwirkung) der Sozialexistenz: Krieg, Währungsverfall, Naturkatastrophen, Gesetzesänderungen.
also: die dem Vertrag in der Regel zugrundeliegende Erwartung, die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse werden sich nicht grundsätzlich ändern.
Kleine Geschäftsgrundlage:
Betrifft die Auswirkungen des Fehlens oder des Wegfalls von Voraussetzungen oder Umständen, die für eine dem Geschäftszweck entsprechende Vertragsdurchführung erforderlich sind (alle übrigen Störungen).
- Subjektive und objektive Geschäftsgrundlage (Larenz):
Subj.Geschäftsgrundlage:
Vorstellungen von denen die Geschäftsparteien bei ihren Vereinbarungen ausgegangen sind, und sich beide, mindestens wenn man redliche Denkweise unterstellt, haben leiten lassen (Fälle des "gemeinsamen Motivirrtums").
Bsp.: Kalkulationsirrtum; Krönungszugsfall, Faschingszugsfall
Obj.Geschäftsgrundlage:
Besteht aus denjenigen Umständen deren Vorhandensein oder Fortdauer im Vertrag sinngemäß vorausgesetzt ist, damit er die von den Parteie nmit seiner Durchführung verbundenen Erwartungen wenigstens annäherungsweise erfüllen kann. (Fälle der "Äquivalenzstörung" und der "Zweckvereitelung")
Bsp.: Preisverfall oder Preissteigerung (Inflation)
Fehlen und Wegfall der Geschäftsgrundlage
Die Geschäftsgrundlage kann infolge späterer Ereignisse wegfallen
oder wesentlich erschüttert werden (so in der Mehrzahl der Fälle),
sie kann aber auch von Anfang an fehlen.
Voraussetzungen:
- wesentliche Änderung (Erheblichkeit der Störung)
- Überschreiten der Grenze der Risikozuweisung
Keine Anpassung des Vetrages, wenn das Risiko der Störung von einer Partei zu tragen ist.
- Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag
Rechtsfolgen der Grundlagenstörung:
- Vertragsanpassung
Grunds. kommt nur die Anpassung unter größtmöglicher Beibehaltung des ursprünglichen Vertrages in Betracht. Die Anpassung tritt nach h.M. kraft Gesetzes (§242) ein. Es bedarf weder einer darauf gerichteten Willenserklärung der Vertragsparteien, noch einer Vertragsumgestaltung durch den Richter (dieser stellt nur die Anpassung fest). Die Anpassung darf nicht zu einer völligen Umgetaltung des Vertrages führen (neg. Vertragsfreiheit)
- Vertragsauflösung
Wenn eine Anpassung nicht möglich ist oder ein Teil sich weigert, den angepassten Vertrag zu erfüllen, steht dem anderen Teil ein Rücktritts- bzw. Kündigungsrecht zu.
Die Rückabwicklung vollzieht sich nach Bereicherungsrecht.
(Fortsetzung folgt)
1. 5.1 [Kontrahierungszwang der Versicherungsunternehmen; Versicherungsbestätigung und -bescheinigung]
(1) Die Versicherung kann nur bei einem im Inland zum Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung befugten Versicherungsunternehmen genommen werden.
(2) Die im Inland zum Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung befugten Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, den in § 1 genannten Personen nach den gesetzlichen Vorschriften Versicherung gegen Haftpflicht zu gewähren.
2. § 362. [Schweigen des Kaufmanns auf Anträge]
(1) 1 Geht einem Kaufmanne, dessen Gewerbebetrieb die Besorgung von Geschäften für andere mit sich bringt, ein Antrag über die Besorgung solcher Geschäfte von jemand zu, mit dem er in Geschäftsverbindung steht, so ist er verpflichtet, unverzüglich zu antworten; sein Schweigen gilt als Annahme des Antrags. 2 Das gleiche gilt, wenn einem Kaufmann ein Antrag über die Besorgung von Geschäften von jemand zugeht, dem gegenüber er sich zur Besorgung solcher Geschäfte erboten hat.
Zu unterscheiden hiervon sind die Fälle, in welchen Schweigen nicht zu einer Erklärungsfiktion, aber zu Schadensersatz führen kann, wie etwa in § 663 BGB.
(1) Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt.
(2) Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist.
§ 50. [Beschränkung des Umfanges]
(1) Eine Beschränkung des Umfanges der Prokura ist Dritten gegenüber unwirksam.
(2) Dies gilt insbesondere von der Beschränkung, daß die Prokura nur für gewisse Geschäfte oder gewisse Arten von Geschäften oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten ausgeübt werden soll.
(3) 1 Eine Beschränkung der Prokura auf den Betrieb einer von mehreren Niederlassungen des Geschäftsinhabers ist Dritten gegenüber nur wirksam, wenn die Niederlassungen unter verschiedenen Firmen betrieben werden. 2 Eine Verschiedenheit der Firmen im Sinne dieser Vorschrift wird auch dadurch begründet, daß für eine Zweigniederlassung der Firma ein Zusatz beigefügt wird, der sie als Firma der Zweigniederlassung bezeichnet.
Quelle: CD-ROM Schönfelder plus © 1997 Verlag C. H. Beck