Wolfgang Vogelsang, LL.M (London)
wissenschaftlicher Assistent
Lehrstuhl Prof. Dr Stephan Lorenz


Arbeitsgemeinschaft Zivilrecht IV

ZPO-Erkenntnisverfahren

3. Arbeitsgemeinschaft

Zulässigkeit der Klage II
Partei-, Prozeß- und Postulationsfähigkeit
(Prozessualer) Anspruch und Streitgegenstand
Rechtshängigkeit und Rechtskraft


Fall 3:          "Much ado about nothing?"

(vgl. NJW 1982, 238)

Die X-GmbH verklagt die A GmbH & Co KG vor dem LG wegen einer Kaufpreisforderung auf Zahlung von DM 123.456. Während des Verfahrens werden die KG wie auch die Komplementär-GmbH im Handelsregister gelöscht.

  1. Ist die Klage weiterhin zulässig?
  2. Wie kann die X-GmbH das Verfahren beenden?


Lösung:

Frage 1:

Die Klage könnte unzulässig (geworden) sein, weil die A GmbH & Co KG im Lauf des Prozesses ihre Parteifähigkeit verloren haben könnte (1).

Mit dem Erlöschen der GmbH als Rechtsperson und damit dem Wegfall ihres persönlich haftenden Gesellschafters ist von der beklagten KG nur noch ein Kommanditist übrig geblieben; eine Handelsgesellschaft existiert schon deshalb nicht mehr. Im übrigen ist die KG auch voll beendet, weil sie im Handelsregister gelöscht ist (d.h. sie hat ihre Geschäfte eingestellt und kein (Aktiv-)Vermögen mehr [weshalb sie auch nicht als Liquidationsgesellschaft weiterbestehen kann]) (2).
Damit ist die A GmbH & Co KG nicht mehr rechtlich existent. Sie verliert daher ihre nach §§ 161, 124 HGB bis dahin begründete Parteifähigkeit, so daß die gegen sie gerichtete Klage nachträglich unzulässig wird (3). Verfolgt die X-GmbH die Klage weiter, muß sie als unzulässig abgewiesen werden.


Frage 2:

Fraglich ist, ob der Prozeß nur durch Prozeßurteil enden kann. Das wäre dann nicht der Fall, wenn die X-GmbH den Prozeß durch die Erklärung der Erledigung der Hauptsache (4) beenden könnte.

  1. Nach einer in der Lit. vertretenen Auffassung kann die X-GmbH die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht geltend machen:
    Übereinstimmende Erledigungserklärungen könnten nicht abgegeben werden, weil die A GmbH &Co. KG mangels Parteifähigkeit keine wirksamen Prozeßhandlungen mehr vornehmen könnte; eine Erledigungserklärung auf Antrag der X-GmbH könnte nicht erlassen werden, weil gegen die nicht parteifähige Gesellschaft kein Urteil, auch kein Erledigungsurteil, mehr ergehen könne; auch könnten den nicht mehr parteifähigen Gesellschaften keine Kosten mehr auferlegt werden (5).
  2. Nach Ansicht der Rspr. kommt eine (einseitige bzw beidseitige) Erklärung der Erledigung der Hauptsache dagegen in Betracht: Wenn die Parteifähigkeit einer nicht bzw. nicht mehr parteifähigen Partei nach ganz h.M. (6) insoweit fingiert werde, als es im Rechtsstreit um diese Parteifähigkeit gehe, müsse das auch für den Fall der Erledigung der Hauptsache durch Erlöschen der Rechts- und Parteifähigkeit gelten. Die Frage, ob und gegebenenfalls mit welcher Kostenfolge die erloschene Gesellschaft aus dem Prozeß ausscheide, betreffe jedenfalls noch ihre Parteifähigkeit.
  3. Die Auffassung des BGH verdient Zustimmung, da es unbillig wäre der X-GmbH die Möglichkeit zu verweigern, sofern und soweit ihre Klage bis zum Verlust von deren Rechts- und Parteifähigkeit begründet war, ohne Kostenlast den Prozeß zu beenden. Tatsächlich hat sich der Rechtsstreit nachträglich durch ein von den Kl. nicht zu vertretendes Ereignis erledigt (7). Der geeignete Weg zur Beendigung des Prozesses ist daher die Erklärung der Erledigung der Hauptsache durch die X-GmbH.


FN 1: Die Parteifähigkeit ist Sachentscheidungsvoraussetzung und Prozeßhandlungsvoraussetzung. Als Sachentscheidungsvoraussetzung muß sie spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein, als Prozeßhandlungsvoraussetzung muß sie, wenn die Klage wirksam sein soll, schon bei deren Erhebung und während des ganzen Rechtsstreits vorliegen. Prozeßhandlungen, die von oder gegenüber einem Parteiunfähigen vorgenommen wurden, sind daher unwirksam. Doch kann die parteifähig gewordene Partei rückwirkend genehmigen, wozu sie aber auch nach Treu und Glauben nicht verpflichtet ist, vgl. BGH WM 1972, 1129, 1131 und Zöller/Vollkommer, § 50 Rdnr. 5 f (zurück).

FN 2: Wohl einhellige Auffassung, vgl. Musielak/Weth, § 50 Rdnr. 18 (zurück).

FN 3: BGH NJW 1979, 1592; BGH NJW 1982, 238; a.A. für die juristische Person das BAG NJW 1982, 1831 und die h.M. in der Lit., vgl Musielak/Weth, § 50 Rdnr. 18 m.w.N.
Nicht richtig ist es, daß der Rechtsstreit gegen die KG sich nach Vollbeendigung automatisch gegen die verbliebenen Gesellschafter richtet. Gesellschaft und Gesellschafter sind verschiedene Prozeßobjekte und müssen auch als solche behandelt werden. Das hat zur Folge, daß eine Fortsetzung des mit der Gesellschaft geführten Prozesses nur im Wege der Parteiänderung nach § 263 ZPO erfolgen kann (nunmehr wohl ganz h.M., vgl. BGH NJW 1974, 750; BGH NJW 1982, 238; OLG Frankfurt, BB 1976, 2292; Fischer, FS Hedemann, 1958, S. 85 ff.; Großkomm. HGB/Fischer, 3. Aufl., § 124 Anm. 32, 33; Schlegelberger/Geßler, HGB, 4. Aufl., § 124 Anm. 27; Huber, ZZP 82 (1969), 249 ff) (zurück).

FN 4: Zur Erledigung der Hauptsache vgl. AG V (zurück).

FN 5: Huber, ZZP 82 (1969), 250 (zurück).

FN 6: BGH NJW 1957, 989; BGH NJW 1979, 1592; vgl. auch Zöller/Vollkommer, § 50 Rdnr. 8 m.w.N. (zurück).

FN 7: Großkomm. HGB/Fischer, § 124 Anm. 32, 33; Schlegelberger/Geßler, § 124 Anm. 27; Huber, ZZP 82 (1969), 249 ff.; Stein-Jonas/Leipold, ZPO, § 93 Rdnr. 1) (zurück).