Wolfgang Vogelsang, LL.M (London)
wissenschaftlicher Assistent Lehrstuhl Prof. Dr Stephan Lorenz ZPO-Erkenntnisverfahren 3. Arbeitsgemeinschaft Zulässigkeit der Klage
II
Fall 9: "Si vis pacem, para bellum!" (vgl. BGH NJW-RR 1987, 683) A klagt gegen Z auf DM 1.200 Kaufpreiszahlung. Kurz darauf erhebt Z Klage auf Feststellung, daß er dem A aus dem wegen Dissenses nichtigen Kaufvertrags nichts als Kaufpreis schulde. Ist die Feststellungsklage des Z zulässig?
Lösung: Die Feststellungsklage des Z könnte wegen anderweitiger Rechtshängigkeit des Feststellungsantrags unzulässig sein. Die Rechtshängigkeit hat die Wirkung, daß während ihrer Dauer die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Danach hängt die Entscheidung, ob die frühere Rechtshängigkeit der Leistungsklage des A der Feststellungsklage des Z entgegensteht, davon ab, ob es sich um "dieselbe Streitsache" handelt. Das ist der Fall, wenn der prozessuale Anspruch, dessen Feststellung Z begehrt, auch Streitgegenstand der von A erhobenen Leistungsklage ist. Nach dem zutreffenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Streitgegenstand im Zivilprozeß bestimmt durch das allgemeine Rechtsschutzziel und die konkret in Anspruch genommene Rechtsfolge, die sich aus dem Antrag ergeben, sowie den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem die Rechtsfolge hergeleitet wird. Gleichheit der Streitgegenstände i. S. des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO setzt nicht voraus, daß die geltend gemachten Rechtsfolgen in jeder Hinsicht deckungsgleich sind. Sie liegt auch vor, wenn der Streitgegenstand der früher erhobenen Klage den der später erhobenen umfaßt, jener also, weil enger, im Streitgegenstand der zuerst erhobenen enthalten ist. Das ist für das Verhältnis der zuerst erhobenen Leistungsklage zur späteren Feststellungsklage über denselben Anspruch allgemein anerkannt (1): das mit dem Feststellungsantrag beantragte kontradiktorische Gegenteil der Leistungsklage wird von dieser bereits mitumfaßt. Mit der Abweisung der Zahlungsklage des A erhält B die erstrebte Feststellung, daß er den Kaufpreis nicht schulde. Die (negative) Feststellungsklage des B ist daher
unzulässig.
Abwandlung B erhebt zuerst die negative Feststellungsklage, A reicht dann Leistungsklage ein. Sind beide Klagen zulässig? Lösung
Dann müßte die Feststellungsklage des B sowie die Leistungsklage des A denselben Streitgegenstand haben. Das ist aber, weil die Abweisung der Feststellungsklage des B dem A keinen Leistungstitel verschafft, nicht der Fall. Die Leistungsklage des A ist daher zulässig. Nach ganz h.M. entfällt das Feststellungsinteresse und damit das Rechtsschutzbedürfnis, wenn eine Entscheidung über die Leistungsklage gesichert ist, weil diese zulässig ist und vom Gegner nicht mehreinseitig zurückgenommen werden kann, da mündlich verhandelt wurde (2). Das gilt nur dann nicht, wenn die negative Feststellungsklage entscheidungsreif oder im wesentlichen zur Entscheidungsreife gelangt ist, während die Leistungsklage dies noch nicht ist; beides muß zur Zeit der mündlichen Verhandlung über die Leistungsklage (vgl. § 269 ZPO) feststellbar sein, sonst bleibt die Feststellungsklage auch bei nachträglicher Entscheidungsreife unzulässig (3). FN 1: BGH NJW-RR 1987, 683, 685; BGH NJW 1988, 2064, 2065; Musielak/Foerste, § 261 Rdnr 11; Thomas/Putzo/Thomas, Einl. II Rdnr. 14 und § 261 Rdnr. 13 (zurück). FN 2: BGH NJW 1984, 1556, 1557; BGH NJW 187, 2680; Musielak/Foerste, § 256 Rdnr. 16 m.w.N. (zurück). FN 3: BGH NJW 1987, 2680 (zurück). |