Wolfgang Vogelsang, LL.M (London)
wissenschaftlicher Assistent Lehrstuhl Prof. Dr. Stephan Lorenz Arbeitsgemeinschaft Zivilrecht IV ZPO-Erkenntnisverfahren 4. Arbeitsgemeinschaft Zulässigkeit der Klage III
Fall 1: "Schaffe, schaffe, Häusle baue!" (vgl. BGH NJW 1991, 2014) B initiiert die Gründung von Bauherrengemeinschaften in Form von Gesellschaften bürgerlichen Rechts und wirbt dafür Anleger mit Hilfe von Beteiligungsprospekten. Aufgrund eines solchen Prospekts tritt K aus Stuttgart einer Bauherrengemeinschaft bei. Nach Scheitern des Bauvorhabens nimmt K den B aus Prospekthaftung gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch. B wird verurteilt, den K von seiner Darlehensverpflichtung in Höhe von DM 250.000, die er zur Finanzierung seiner Gesellschaftereinlage gegenüber einer Bank eingegangen ist, zu befreien. Bereits vor Rechtskraft dieses Urteils löst K seine Darlehensschuld ab und verlangt mit der nunmehr eingereichten Klage DM 250.000 ersetzt. B erhebt die Einrede der Verjährung. Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?
Lösung: Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.
Dann müßten beide Klagen denselben Streitgegenstand haben. Beide Klagen bauen zwar auf demselben Lebenssachverhalt auf, die Anträge sind aber inhaltlich auf ein unterschiedliches Ziel gerichtet (1). Beide Klagen haben daher sowohl nach dem eingliedrigen als auch nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff verschiedene Streitgegenstände. Die (zweite) Klage ist daher mangels Identität der Streitgegenstände zulässig.
"Bei dem im Vorprozeß zuerkannten
Freistellungsanspruch aus Prospekthaftung handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch
nach § 249 S. 1 BGB auf Naturalrestitution. Ein solcher Anspruch wandelt
sich in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Geschädigte die ihn belastende
Verbindlichkeit tilgt oder der Schuldner die Freistellung ernsthaft und
endgültig ablehnt und der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH,
WM 1986, 1115 (1117); BGH, NJW-RR 1987, 869 = LM § 276 (Hb) BGB Nr.
43 = WM 1987, 725 (726); BGH, NJW 1989, 1215 (1216) = LM § 286 BGB
Nr. 28). Der von den Kl. jetzt geltend gemachte Zahlungsanspruch und der
Freistellungsanspruch sind - ähnlich wie die Ansprüche auf Naturalrestitution
nach § 249 S. 1 BGB und auf Geldersatz nach § 249 S. 2 BGB -
lediglich verschiedene Ausprägungen ein und desselben Schadensersatzanspruchs
auf Vermögensausgleich (BGH, NJW 1985, 1152 (1154) = LM § 209
BGB Nr. 51).
"Die Verjährungsfrist ist nicht abgelaufen. Sie beträgt hier nach § 218 I 1 BGB 30 Jahre und hat erst mit der Rechtskraft des Freistellungsurteils im April 1988 zu laufen begonnen. Zwar ist über den geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht rechtskräftig erkannt. Rechtskräftig entschieden ist aber über den dafür präjudiziellen Freistellungsanspruch. Dieser Entscheidung kann in bezug auf den Zahlungsanspruch, in den der Freistellungsanspruch übergegangen ist, keine geringere Wirkung beigemessen werden als einem Feststellungsurteil, das nur ganz allein die Schadensersatzpflicht des Schädigers ausspricht und das nach ständiger Rechtsprechung des BGH und ganz überwiegender Meinung des Schrifttums unter § 218 BGB fällt (BGH, NJW-RR 1989, 215 = LM § 196 BGB Nr. 62 = WM 1988, 1855 (1856) m. w. Nachw.). Das Freistellungsurteil enthält nämlich die Feststellung, daß dem Rechtsvorgänger der Kl. ein Anspruch auf Schadensersatz in Form der Freistellung von der in Rede stehenden Darlehensverpflichtung zusteht. Dieser nunmehr mit einer Zahlungsklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch verjährt ebenso wie ein Anspruch auf Geldersatz nach rechtskräftiger Feststellung der präjudiziellen Ersatzpflicht des Schädigers durch ein Feststellungsurteil erst 30 Jahre nach Rechtskraft des Freistellungsurteils. Geht man von der Präjudizialität des Freistellungsanspruchs aus, ist dies nur konsequent. Die Klage ist daher zulässig und begründet. B ist zur Zahlung von DM 250.00 an K zu verurteilen. FN 1: BGH NJW 1991, 2014, 2015; MünchKomm/Gottwald, § 322 Rdnr. 38 m.w.N. (zurück). FN 2: Vgl. MünchKomm/Gottwald, § 322 Rdnr. 38, 93 m.w.N. (zurück). FN 3: BGH NJW 1991, 2014 m.w.N. (zurück). |