Wolfgang Vogelsang, LL.M (London)
wissenschaftlicher Assistent Lehrstuhl Prof. Dr. Stephan Lorenz Arbeitsgemeinschaft Zivilrecht IV ZPO-Erkenntnisverfahren 4. Arbeitsgemeinschaft Zulässigkeit der Klage III
Fall 10: "Und der Haifisch, der hat Zähne ..." (vgl. BGH NJW-RR 1992, 1388) Die Hauptversammlung der BAG (B) hat den Vorstand am 7.7.1999 entsprechend Nr. 1 der Tagesordnung ermächtigt, bis zum 10. 7. 1992 näher umschriebene Optionsrechte auf Aktien der B in Zusammenhang mit der bis zu DM 100 Mio. zulässigen Ausgabe von Optionsschuldverschreibungen zu gewähren, die über ihre unmittelbaren oder mittelbaren 100%igen ausländischen Beteiligungsgesellschaften ausgegeben werden. Das Bezugsrecht der Aktionäre ist ausgeschlossen worden. Gegen den Beschluß über den Bezugsrechtsausschluß hat K, der über fünf Aktien der B verfügt, Widerspruch zu notariellem Protokoll erklärt und Anfechtungsklage erhoben. Die B hat u. a. eingewandt, die Erhebung der Anfechtungsklage sei rechtsmißbräuchlich erfolgt. Zwar sei die Kl. im vorliegenden Verfahren noch nicht mit dem Vorschlag hervorgetreten, ihre Klage gegen Zahlung einer "Entschädigung" zurückzunehmen. Im Hinblick auf die Vielzahl der Verfahren, in denen sie sich ihr Anfechtungsrecht durch unangemessen hohe Abfindungen habe abkaufen lassen, müsse davon ausgegangen werden, daß sie eine solche Absicht auch mit der vorliegenden Klage verfolge. Ist die Klage zulässig?
Lösung: Die Klage könnte mangels Rechtschutzbedürfnisses des K unzulässig sein. Die Frage, ob der von B erhobene Einwand, die Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses durch die K erfolge rechtsmißbräuchlich, das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für die Klage entfallen läßt und sie damit unzulässig macht, ist in der Lehre umstritten (1).
"Das Anfechtungsrecht des Aktionärs ist ein privates Gestaltungsrecht. Wird es rechtsmißbräuchlich ausgeübt, führt das zum Verlust der materiellen Berechtigung und damit zum Verlust der Anfechtungsbefugnis (Hüffer, in: Geßler-Hefermehl-Eckardt-Kropff, AktG, 1984, § 245 Rdnr. 56; Zöllner, in: KK z. AktG, 1985, § 245 Rdnrn. 2, 89; Boujong, S. 1 (10); Hirte, ZIP 1988, 956; ders., BB 1988, 1472; ders., DB 1989, 268). Allein der Umstand, daß die Ausübung des im materiellen Recht verwurzelten Anfechtungsrechts auf prozessualem Wege erfolgen muß, kann nicht dazu führen, die Auswirkungen unzulässiger Rechtsausübung auf das Gestaltungsrecht in den prozeßrechtlichen Bereich des Fehlens oder Wegfalls eines Rechtsschutzinteresses zu verlagern. Daß der Schwerpunkt dieser rechtlichen Auswirkungen im materiellen Recht liegt, zeigt sich insbesondere dann, wenn die Frage, ob das Anfechtungsrecht rechtsmißbräuchlich ausgeübt wird, zwischen den Parteien umstritten ist. Die Entscheidung wird - u. U. nach Erhebung umfangreicher Beweise - allein über die Frage getroffen, ob das - materielle - Anfechtungsrecht ausgeübt werden kann oder nicht. Das betrifft die Begründetheit der Klage. An dem Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses kann man die aktienrechtliche Anfechtungsklage mit der Folge ihrer Abweisung als unzulässig nur dann scheitern lassen, wenn man nicht bereits die privatrechtsgeschäftliche Gestaltung beschränken würde, sondern wenn die Rechtsausübung durch die Inanspruchnahme staatlicher Gerichte im Einzelfall unnötig oder rechtsmißbräuchlich erscheint (Zöllner, in: KK z. AktG, § 245 Rdnr. 90; vgl. die Fallgestaltung BGHZ 21, 354 (356) = NJW 1956, 1753 = LM § 197 AktG Nr. 4)." FN 1: Unzulässigkeit
bejahend: Godin/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl., § 243 Anm. 2; Teichmann,
JuS 1990, 269,271; Heuer, WM 1989, 1401, 1402;
FN 2: Staudinger/Schmidt, BGB, § 242 Rdnr. 644; Soergel/Teichmann, BGB, § 242 Rdnr. 275; Larenz, SchuldR AT, 7. Aufl. (1989), § 13 IVa 3, IV b; Teichmann, JuS 1990, 269 (271)) (zurück). FN 3: Rosenberg-Schwab/Gottwald, § 65 VII Nr. 4, § 92 IV; Zeiss, ZPR, § 33 III 4; Jauernig, ZPR, § 35 I; Teichmann, JuS 1990, 269 (270)) (zurück). |